Beiträge von Daoist im Thema „Sutras rezitieren um Verdienste anzusammeln?“

    Hab gestern jemand Dae Gak "Das Zen des Lauschens" empfohlen. Bei ihm ist Rezitieren kein Akt, um Verdienst anzuhäufen, sondern er betont beim Rezitieren das Lauschen auf das Rezitieren. Ich glaub es war auch Dae Gak, der mal meinte, der religiöse Zugang zur Welt sei vorwiegend ein lauschender. Das gefällt mir sehr gut.

    Die Frage: Ist etwas heilsam, ist nunmal eine Frage der Moral.
    Sie haben seine Lehre in aller Ausführlichkeit bekommen. Hast du es nicht gelesen? Buddha fragt stundenlang: Ist dies heilsam, ist das heilsam, wird dies von Weisen gepriesen, wird das von Weisen gepriesen und am Ende geben sie klein bei.

    Zitat

    Vortrefflich, o Herr! Vortrefflich, o Herr! Gleichwie man Umgestürztes wieder aufrichtet oder das Verborgene enthüllt oder den Verirrten den Weg weist oder in die Finsternis mit einem Licht vetreibt, damit, wer Augen hat, die einzelnen Gegenstände sehen kann, eben in dieser Weise hat der Erhabene auf mancherlei Weise die Lehre aufgezeigt. Deshalb nehmen wir unsere Zuflucht zum Erhabenen, zu seiner Lehre und zur Gemeinde der Ordinierten!

    Als Anhänger möge uns der Erwachte betrachten, als solche, die von heute ab zeitlebens im Dhamma ihren Freiort genommen haben.

    Es macht schon einen Unterschied ob man sein eigenes Schicksal auf Gedeih und Verderb und die Hände von transzendenten Mächten gibt, oder Rituale ausführt, Sutren/Mantren rezitiert, zu Ehren dieser, aber mit dem Wissen, das man nur selbst etwas an seinem Karma änern kann, durch Taten und Motivation

    Du willst den Buddhismus Millionen von Buddhisten in Frgae stellen? Kannst du gen tun.
    Aber du solltest schon verstehn, daß laut Shinran Amida kein Wesen ist, schon gar kein transzendentales, und das reine Land kein Ort, sondern Nirvana. (Das muß man manchmal betonen, weil manche im Vajrayana glauben, das reine Land wäre ein realer Ort. Es ist also eine komplett andere Sichtweise).
    Naja, es ist sicher eine andere Sicht auf Karma, ist ist nicht der Glaube, ich kann alles tun, wenn ich will. Ich handle immer gut, und dann werde ich Befreiung erlangen. Ein Ich hat noch nie Befreiung erlangt. Wie selbst ein Schwätzer wie Osho erkannte: Entweder du bist, oder Erwachen ist.
    Jemand hat letztens in nem anderen Thread schon Schopenhauer zitiert: Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen was er will.
    Zumal es nicht unwahrscheinlich ist, daß das Ich, das meint sein Karma zu verbessern, außerhalb der Vorstellung nicht existiert, eben nur mindfuck ist.

    Aus dem Kalamasutra:

    Zitat

    Geht, Kâlâmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kâlâmer, selber erkennt: 'diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann, o Kâlâmer, möget ihr sie aufgeben.

    Es ist IMHO eine Ausrichtung an Moral, nicht an Vernunft. Die Frage ist also nicht: ist es wahr, sondern: ist es heilsam.


    Für den Nembutsu-Praktizierenden ist es ja kein: Ich mache das, weil ich dankbar bin, als quasi Verpflichtung. Das Nembutsu quillt quasi aus ihm heraus, er tut es nicht, es ist ja das Einssein von ihm und Amida, von ihm und Erwachen, daß das Nembutsu formt. So habe ich Shinran verstanden.

    Ich finde da den taiwanesischen Chan Meister Sheng Yen interessant, weil er natürlich einerseits in der Chan Tradition steht, aber andererseits halt eben nicht so der Vertreter eines von volkstümlichen befreiten "reinen Zens" ist sondern jemand, der seinen Anhängern das Rezitieren nahelegt:


    The purpose of sutra recitation and mantra chanting

    Ist das im Zen so ungewöhnlich? Mal abgesehn vom Willigis Jäger Zen wurde in der anderen Zengruppen, die ich kennenlernen durfte, vor und nach dem Sitzen immer rezitiert.
    Im koreanischen Zen hat zudem auch das Rezitieren von Mantren, Dharanis und vom Nembutsu (in seiner koreanischen Form) seinen Platz. (Dharanis sind aber auch in der normalen Zen-Rezitation enthalten).


    Die zwei Dinge sind unzählige Male nachgewiesen, und allein deshalb hilft das Rezitieren. Ich finde auch die tiefen Tonlagen und damit einhergehenden Vibrationen immer sehr wohltuend und hilfreich dabei, in wache Entspannung zu kommen.

    Interessant. Es hat also auch einen starken körperlichen Effekt. (Um auf H. Rosa rumzureiten, es kann ein Akt von körperlicher Resonanz sein). So ist eigentlich auch meine Erfahrung. Aber dann wäre der Inhalt der Rezitation gar nicht so wichtig? Oft wird ja eh in ner Sprache rezitiert, die man nicht versteht.

    Beten wäre ja das Gegenteil des Verdienst ansammelns. Aber es ist die Frage, ob es das nicht im Buddhismus gibt.
    Also hier mein kruder Blick auf den Buddhismus.
    Karmapa chenno - Tatkraft aller Buddhas, sei mit mir und Guru Padmasambhava, verleih mir die Siddhis der Buddhaschaft kann man ja durchaus als Gebete sehen.
    Auch sollte man nicht aus den Augen verlieren (auch wenn Westler das nicht gern hören), eine der größten buddh. Richtungen weltweit ist der reine Land Buddhismus, auch der Nichiren-Buddhismus ist da ja ähnlich gelagert. Sie vertrauen beide, auf das Gelübde eines Buddhas. Wenn man auf Amida oder auf das Lotussutra vertraut, besser noch sich ihm anvertraut, dann wird Befreiung erlangt. (Das Anvertrauen an Amida im Nembutsu hat für mich schon etwas Gebethaftes, sicher nicht an eine höhere Person, sondern an die symbolische Verkörperung des Erwachens).
    Dies Ansätze könnte man mathematisch so erklären: Die einen(Ansammlung von Verdienst) glauben, das wenn man zu einer Zahl lange genug was dazuzählt, kommt man irgendwann bei unendlich an. Die anderen (Nembutsu, Odaimoku) glauben, die Bewegung muss von unendlich ausgehen, allein gelange ich da nicht hin.
    Sie glaubt also nicht, daß irgendeine Kraft des Ichs, Bemühung des Ichs mich zum Nicht-ich führt. Daher Shinrans "All mein Tun führt mich in die Hölle".
    Daher erfolgt dann jede Handlung nicht, um Verdienst zu erlangen, sondern aus Dankbarkeit für das Gelübde des Buddhas. (Ganz egal, wie man das findet, aber aus Dankbarkeit zu handeln halte ich rein psychologisch für sinnvoller (zumal das Handeln dann als nicht intentional, sondern als natürliches Handeln gesehen wird (Jinen), es ist nicht mein Handeln) als die des Ansammelns von Verdienst, aber vielleicht führen beide (mit viel Glück, wenn man auf die vielen Skandale blickt, würde ich sagen) zu Bodhicitta)
    Inwieweit das ansonsten geglaubt wird, das Verdienst ansammeln als Handeln des Ichs zum Erwachen führt, wäre ne interessante Frage. Denn freilich beginnt der 8-fache Pfad mit rechtem Sehen, also einer grundlegenden, wenn auch nicht dauerhaften "Erfahrung", daß da kein ich ist. Es gibt einige, die sagen, erst da beginnt der buddhistische Pfad.

    Die Vorstellung der Verdienstübertragung scheint zumindest im Volksbuddhismus (wo es sicher Verschmelzungen mit Vorstellungen der Ahnenverehrung gibt) normal zu sein. Für die Toten werden Sutren gelesen, genauer, man lässt sie von Mönchen/Nonnen lesen, die man zum Teil bezahlt, um ihnen Verdienst zu übertragen.

    (@ Aravind: So ironisch meine Einlassung gemeint war, so steckt da ja dennoch ein nicht ganz so ironischer Kern dahinter: Wie ordnet man buddh. KI ein? Ist es ein Ding, oder ist es ein Wesen? Eine Seele braucht es ja im Buddhismus nicht. Man kann ja sogar sagen, sie haben Impulse, sie haben Intelligenz, man kann sogar sagen sie haben ein Speicherbewusstsein (man kann sogar sagen wieviel GB es groß ist), man kann es sogar auf seinen Nachfolger übertragen, und es gibt ja auch schon in Japan buddh. Zeremonien für "verstorbene" Hunderoboter. Gut, gehört hier nur indirekt zum Thema Verdienste, aber berührt es schon auch).

    Ansonsten hab ich bei der Verdienstvorstellung immer ein unangenehmes Gefühl gehabt. Ich steh in der Straßenbahn nicht mehr einfach so für die alte Frau auf, oder weil ich es im Gelöbnis der Thälmannpioniere versprochen habe, sondern für meinen Verdienst (falls das überhaupt so personal gedacht werden sollte). Das kommt mir so zutiefst egoistisch vor, so nach Krämerseele (Oder hier halt Krämeranatman). Da ist mir der Atheist, der einfach so aufsteht, oder aus Anstand, da irgendwie sympathischer. Oder wie Kodo Sawaki es sagte: wenigstens Zazen solltet ihr umsonst tun. (das könnte man auch über die Rezitation sagen).

    Heute gab es in der TAZ die Frage: Wenn Sprachassistenten beten können, wer oder was glaubt denn da an Gott?

    Das wär ja übertragen auf den Buddhismus: Sammelt Alexa Verdienste, wenn sie Sutren rezitiert, oder ich, wenn ich sie rezitieren lasse (denn es soll ja auch verdienstvoll sein, Sutren von Mönchen rezitieren zu lassen).

    ;)