Hallo Schueler,
das hast du sehr gut ausgeführt und hat mich überzeugt. Du hast das hinein gepackt, was ich hinterfragt habe. Weil dies wichtig ist, zitiere ich es erneut:
Du hast ein anderes Thema angesprochen: Wie geht es denn queeren Buddhist_innen? Ich bin die ganze Zeit ausgegangen, dass es ihnen gut in ihren Sanghas geht. Aber durch Gespräche bin ich hellhörig geworden. Es gibt Transgender, die erzählen, dass asiatische Lehrer sie nicht verstanden und meinten, sie seien von Geistern besessen. Ich habe mit lesbischen Frauen gesprochen, die sich nicht wohl in ihren Sanghas fühlen und ich kenne auch Menschen, die sich nicht in ihren Sanghas outen wollen. Ich bin mit einigen dieser Personen im Gespräch und andere werde ich kennenlernen. Auch das ist Sinn und Zweck der Initiative "Buddhismus unter dem Regenbogen".
Solchen Strömungen entgegen zu wirken in einem geschlossenen Kreis halt ich für notwendig und legitim. Ich habe dahingehend "eure Mission" falsch ausgelegt.
Es geht hier mehr als das. Es geht um Identitäten, die wahrscheinlich tief in der Biologie verwurzelt sind und deren Akzeptanz hin oder wieder (ich meiner eher oft) ein schmerzhafter Prozess war. Es geht um Kultur in den Communities, also Identitätskonstruktionen des Geistes, die wir auch (und auch teilweise kritisch) reflektieren.
In diesem Sinne würde ich das als Arbeitsgruppe sehen. Die kritische Reflexion ist gut.
Ich möchte dahingehend nur noch etwas persönliches äußern:
Ich sehe es als eine Gefahr, sich zu tief in solche Thematiken zu verstricken. Das ist keine Kritik an eurer Mission, sondern eher ein "Praxistip", auch wenn ich kein Lehrer bin. Manche haben mit revolutionären Thesen ihr ganzes Leben verschwendet, manche waren erfolgreich. Doch der soziale Kontext ist belanglos wenn wir ihn in Richtung Tod betrachten. Man könnte auch sagen, es sind wichtige, aber weltliche Themen. Ihnen ein zu tiefes Engagement zu widmen halte ich für nicht zielführend im Hinblick auf das Dharma. Denn, so meine ich, sind es keine kernbuddhistischen Thematiken.
dass es für verheiratete Männer in Ordnung ist, Prostituierte anzuheuern,
Hier sollte der verheiratete Mann schauen, welches Karma er durch seine Handlung erschafft. Wichtig sollte es doch sein, was der Buddha uns geraten hat. Der Buddha hat sexuelles Fehlverhalten klargemacht, und dies zähle ich dazu. Eigentlich ist es schon absurd, sich über so etwas auszutauschen, ob es nun "modern" oder "traditionell" ist. Nichts von beiden, es sind soziale Gegebenheiten, die meist völlig aus dem Ruder laufen, weil man sich nicht mit dem ursprünglichen Dharma beschäftigt. Man sollte dahingend im Bereich der "sexuellen Ethik", wie du es nennst, nicht obszessiv werden wie so mancher muslimischer Gelehrte.
Zitat Wieso ist im indisch-buddhistischen Denken eine Trennung von Sexualität und Fortpflanzung vorstellbar? Wieso löst dort ein gleichgeschlechtliches Begehren weniger Aufregung aus? Weder in den Frühschriften noch in den späteren indischen Kommentaren lassen sich dazu – in Bezug auf Nicht-Ordinierte – tiefere Betrachtungen finden.
Quelle: Buddhistische Sexualethik im gesellschaftlichen Kontext – Jörg Lindner | Sexualität | Ethik
Lange Rede, kurzer Sinn:
Es wird überall veraltete Sichtweisen geben, ob in Thailand oder in Deutschland. Mitgefühl und Akzeptanz kann niemals erzwungen werden, auch nicht mit soliden Fakten und klaren Bekenntnissen. Man sollte seine "Mission" also realistisch einschätzen und vor allem das Dharma nicht aus dem Auge lassen. Aber das ist bei vielen Themen so, zahlreiche Buddhisten lassen sich auf die Politik ein und gehen, über kurz oder lang verloren, da sie in Tümpeln leben, unedel, weltlich. Ein Teil der buddhistischen Praxis, so wie ich sie sehe, ist der Drang, sich über gesellschaftliche und soziale Themen zu erheben. Seinen Geist nicht binden zu lassen. Sein Selbstbild zu bearbeiten, im Idealfall fallen zu lassen. Und nicht es in irgend einer Richtung hin zu verstärken. Denn die Frage ist ja nicht hauptsächtlich ob "Trans oder Nicht", sonder "was ist der Geist?", wie wird er verunreinigt, wie bildet sich ein Selbst, wie entsteht die Anhaftung daran, wie kann man sie erkennen, aufweichen, auflösen. In diesem Sinne sehe ich einige Gefahren in eurer Mission...aber natürlich auch Gutes, daher wünsche ich euch viel Glück und viel Erfolg bei den "Herzensöffnungen"!