Beiträge von Sudhana im Thema „Ist der Buddhismus zu lieb?“

    Die Empfehlungen scheinen mir persönlich zu sehr das Wohl der Täter alleine und nicht das der Geschädigten zu sehen.

    Bloß Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da.

    Bloß Taten gibt es, doch kein Täter findet sich.

    Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann.

    Den Pfad gibt es, doch keinen Wand'rer sieht man da.

    (Buddhaghosa, Visuddhimagga)

    „Buddhismus“ ist überhaupt nicht lieb. Im Grunde ist er vollkommen egoistisch, es geht dabei nur um die Vernichtung des Leids und zwar primär des eigenen, die Anderen sind dabei unwichtig.

    "Buddhismus" ist das nach meinem Empfinden nicht, allenfalls persönliche Sichtweise insbesondere vereinzelter Theravadin. Diese Auffassung wird deswegen auch - zu Recht, wie ich finde (den Grund dafür nennst Du selbst) - vor allem von Mahayanin, die das grundsätzlich anders sehen, kritisiert. Eine solche Anhaftung am "eigenen" ist ein ernstes Hindernis auf Weg und steht inWiderspruch zur buddhistischen Kernlehre anatta / anatman. Ich finde es bedauerlich, dass man solchen Egoismus dann oft dem Theravada insgesamt zur Last legt, was mE nicht gerechtfertigt ist. Auch deswegen das Zitat Buddhaghosas - für mich ist das Theravada.


    _()_


    P.S.: wenn das jetzt hier offtopic wird, bitte abtrennen. Wobei ich noch nicht weiss, ob ich mich weiter dazu äußern möchte. Wohl eher nicht.

    Und somit sind sie wohl für manche integraler Bestalndteil des Buddhismus.

    Für manche, ja. Vom großen Rest haben die meisten sicherlich noch nie etwas von dem Herrn Ngulchu Thogmed Zangpo gehört, der um 1300 in Tibet lebte. Repräsentativ für "das Mahayana" (das es da schon seit gut einem Jahrtausend gab) ist er bzw. sein Text eher nicht.


    Was hingegen "integraler Bestandteil des Buddhismus" ist (nicht nur des Mahayana, auch des Theravada), das ist, gegen andere Wesen keinen Zorn zu hegen, sondern Mitgefühl für sie. Daraus braucht man auch keine sechs verschiedenen Übungen zu machen (es sind die Übungen 12 - 17 in dem zitierten Text), es geht immer um dasselbe. Zorn überwinden und Mitgefühl entwickeln. Und das ist sehr wohl möglich - zumindest theoretisch auch Dir. Und die Welt wäre eine deutlich bessere, wenn mehr Menschen sich darum bemühen würden. Wenn Du die, die das tun, für naiv oder zu "lieb" hältst - okay. Ist Dein Problem, also beschwere Dich nicht, wenn sie Deiner Ansicht nicht folgen mögen.


    Wenn Dir der Sinn einer solchen Übung nicht einleuchtet, dann lass es halt bleiben. Es ist ein wohlgemeinter Rat, mehr nicht. Ob Du ihn annimmst oder nicht ist allein Deine Angelegenheit.


    Nebenbei angemerkt: "widmen" hat in dem Text eine recht spezifische Bedeutung. Es geht da um einen rituellen Vorgang. Aber um das zu verstehen, muss man so einen Text schon etwas gründlicher studieren. Wie man sich überhaupt vorschneller Urteile enthalten sollte.


    _()_

    Den Widerspruch zwischen Loslassen+Akzeptanz und Dinge (zu seinem Vorteil) zu bewegen - das ist für mich oft schwer zu vereinen!

    Das kann man auch nicht vereinen. Weil Du die Dinge nicht zu Deinem Vorteil bewegen kannst. Du kannst nur Dich selbst zu Deinem Vorteil bewegen.


    Dazu ist es erforderlich, die Dinge, an die Du gebunden bist, loszulassen. Dann bist Du frei, Dich zu bewegen. Aber als erstes musst Du dazu klären, was wirklich "Vorteil" ist. Buddhas Antwort darauf war: duḥkha überwinden. "Dinge" helfen dabei nicht, im Gegenteil. Das ist die initialisierende rechte Sicht (samyak dṛṣṭi), mit der der Pfad beginnt, die ihm seine Richtung gibt.


    _()_

    Wobei ich das jetzt nicht Theravada per se zuschreiben würde.

    Falls ein Zweifel daran bestehen sollte: ich auch nicht. Gerade in der Gewaltfrage muss man deutlich unterscheiden zwischen 'Buddhismus' als einer religionssoziologischen Kategorie (dem 'real existierenden Buddhismus', wie ich das gerne in Anlehnung an den 'real existierenden Sozialismus' nenne) und 'Buddhismus' als System philosophisch begründeter Handlungsmaximen. Übrigens eine weise Unterscheidung, die in einem anderen Thread hier zumindest teilweise übersehen wird, wodurch man leicht aneinander vorbei redet.


    Ausführlicher dazu (ohne speziell den Theravada als Beispiel zu bemühen) hier. Money Quote:

    Zitat

    Im Dharma gibt es keine transzendente Quelle ethischer Norm, weshalb buddhistische Ethik speziell von christlicher Seite auch gerne als reine Zweckethik abgetan wird. Was gar nicht so falsch, aber mE auch durchaus nicht ehrenrührig ist, da eben der Zweck kein selbstsüchtiger ist - geht es doch um die Überwindung von Duhkha für alle fühlenden Wesen.


    Es gibt im Dharma also keine absoluten ethischen Normen - aber es gibt Ideale. Klassisch ausgedrückt: 'Wege'. Wege, die gegangen werden sollen, Ideale, die eingeübt werden sollen, weil sie heilsam, kusala, sind. Diese 'Heilsamkeit' ist der schon angesprochene 'Zweck' jeglicher buddhistischen Ethik. Einer dieser 'Wege', der sicherlich wichtigste und zentrale, ist Ahimsa, Nicht-Verletzen.

    Wenn man das nun als "lieb" oder gar "zu lieb" missversteht, dann hat man mE etwas Grundsätzliches nicht verstanden. Wenn man Ahimsa nur als eine Option versteht allerdings auch.


    _()_

    Da gibt es auch pragmatischere Strömungen. Insofern: Ja: Man kann wohl schwer traditionellen Theravada-Buddhismus praktizieren und als Anwalt (oder Polizist, Lehrer...) arbeiten.

    Gerade Theravada (wenn auch ich da mal generalisieren darf) ist da sehr "pragmatisch". Vgl. z.B. hier. Oder hier. Oder hier ...


    _()_