Angst und Furcht kennt jeder. Keiner hat sie gerne. Um Angst dauerhaft zu überwinden, müssen wir sie erst einmal kennenlernen und verstehen, was Angst ist und was ihre Ursache ist. Nach der Lehre des Buddha hat jedes Phänomen und jede Emotion eine Ursache bzw. mehrere Bedingungen, die wir versuchen können uns zu erarbeiten, um an ihnen zu arbeiten, das zu ändern, worauf wir Einfluss haben, um unsere Angst zu überwinden und sie in Zukunft gar nicht mehr entstehen zu lassen. Angstfreiheit ist das Ziel.
Wenn wir uns die Liste der Geistesfaktoren (cetasikas) - der geistigen Eigenschaften oder Geisteszustände - anschauen, unter denen sich ja auch Emotionen befinden, so finden wir Angst nicht. Angst wird zu "dosa" gerechnet, Hass, Abneigung, oder allgemeiner Aversion. Dosa kann sich auf verschiedenste Arten manifestieren und in unterschiedlichen Intensitäten. Vom leichten Anflug von Ärger, Unbehagen und geistigem Unwohlsein, über massiven Ärger, Wut, Zorn bis hin zu Verzweiflung, Frustration und Depression oder Gewalttätigkeit; oder eben als Angst.
Überprüfen wir, ob Angst zu dosa gehört. Dem Abhidhamma nach gibt es zwei Bewusstseinsarten, die in Hass bzw. Aversion wurzeln (dosamūla cittas). Gemeinsam ist den beiden das damit verbundene unangenehme, leidhafte Gefühl (domanassa vedanā) und das begleitende Übelwollen (paṭigha). Unterschieden werden sie nach Spontanität oder Ermutigung, d.h. ob der aversive Geist spontan aus uns selbst heraus entsteht oder einer Ermutigung, eines Anschubs oder Hinweises von außen (oder auch von uns selbst) bedarf.
Was haben wir für ein Gefühl, wenn wir gerade Angst haben? Sicher nicht angenehm und freudig (somanassa), auch nicht neutral (upekkhā), sondern wirklich und deutlich unangenehm. Ist es ein körperlich unangenehmes, schmerzhaftes Gefühl (dukkha vedanā) oder ist es geistig unangenehm (domanassa)? Vielleicht fällt uns die Antwort hierauf schon schwieriger. Körper und Geist bedingen einander, hängen voneinander ab, aber die Wirkung kommt nach der primären Bedingung. Wenn wir genau hinschauen und unsere Angst mit meditativ geschultem und geschärftem Geist anschauen können, werden wir erkennen, dass es sich primär um ein geistig unangenehmes, leidiges Gefühl handelt. Wenn wir Zittern spüren, den Kloß im Hals, das Jagen des Atems, Beklemmungen und Herzrasen, den kalten Schweiß, usw., dann sind dies sekundäre körperliche Phänomene, die bedingt durch die Angst entstehen. Wir nehmen diese körperlichen Reaktionen mit unserem Körperbewusstsein (kāya- viññāṇa) wahr, das als "berührbares" Objekt (phoṭṭhabbārammaṇa) nur die drei großen Elemente (mahābhūtas) haben kann, nämlich das Erdelement (paṭhavī-dhātu), das im […]
Wir waren eigentlich noch bei den Gefühlen. Wenn also Angst ein geistiges Objekt hat, so kann das begleitende Gefühl auch nur geistig sein, geistig unangenehm (domanassa), wie gesagt. Ein geistig unangenehmes Gefühl kommt nur in zwei der 89 (oder nach andere Zählung 121) Bewusstseinsklassen, die im Abhidhamma gelehrt werden, vor, und das sind die beiden Hass-wurzelnden Bewusstseinsarten (dosamūla cittas). Diese gehören zu unheilsamem Bewusstsein (akusala citta), d.h. wir schaffen schlechtes, unheilsames Karma (akusala kamma) mit diesem Bewusstsein, d.h. also auch schon dann, wenn wir Angst haben - nicht erst dann, wenn wir aus Angst heraus handeln (körperlich oder verbal).
Untersuchen wir noch den angeblichen Begleitfaktor Übelwollen oder Böswilligkeit (paṭigha), manchmal schlicht und einfach mit Aversion übersetzt. Was ist Aversion oder Abneigung? Wir mögen eine Situation, eine Umgebung, ein Wetter, ein Ding, ein Lebewesen usw. nicht, lehnen es ab, wollen damit nichts zu tun haben, wollen uns abwenden und es anders haben. Wenn jemand Angst vor der Dunkelheit hat, dann will er stattdessen Licht, Beleuchtung, Tageslicht, er mag Dunkelheit nicht und versucht Situationen, in denen er der Dunkelheit ausgesetzt ist, zu vermeiden. Es ist also offensichtlich, dass Aversion, Nicht- Mögen, im Spiel ist. In paṭigha schwingt aber noch ein anderer Aspekt mit: Übelwollen, d.h. man ist anderen böse gesonnen und bereit, ihnen Übles anzutun. Übelwollen ist das Gegenteil von Wohlwollen, was nichts anderes als liebende Güte (mettā), Freundlichkeit und selbstlose Freundschaft ist. Und das wäre auch gleich das Gegenmittel zu Hass und Aversion, und auch bei Angst kann mettā von großer, heilender Bedeutung sein, insbesondere mettā für uns selbst.