Beiträge von Sudhana im Thema „Bedingtes Enstehen“

    Ja, aber wenn man es noch genauer sagt, dann ist pratītyasamutpāda in den letzten beiden Gliedern auch die erste Wahrheit.

    pratītyasamutpāda erklärt nicht, was  duḥkha ist (das Verständnis der 1. āryasatya wird vielmehr vorausgesetzt), sondern seine Ursachen. Das ist auch der Grund dafür, dass die 12 Faktoren oder (Ketten-)Glieder, also die dvādaśanidānāni, als eine Bedingungsfolge dargestellt werden. Rückwärts betrachtet wird's vielleicht klarer: nicht namarupa (Name-und-Form) ist duḥkha, sondern das, was es bedingt, nämlich jarāmaraṇa, Alter-und-Tod. Krankheit (die mit zur Standard-Dreierformel gehört) hat man da mal weggelassen;) - wie schon geschrieben, wird Verständnis der 1. āryasatya vorausgesetzt. Also 12. und letztes nidāna. Die Grundursache von duḥkha, die deshalb als 1. nidāna am Anfang steht, ist avidya. avidya ist nicht das "Resultat" der Bedingungen, sondern jarāmaraṇa. Dies nur, um Missverständnisse Dritter zu vermeiden - ich gehe davon aus, dass Du mit "Resultat" das Ergebnis der Suche nach einer Grundbedingung für duḥkha meinst.


    Um auf die angeschnittene Frage zurück zu kommen - das ist eine logische Reihenfolge, keine temporale (weswegen ich auch die famose 'Drei-Leben-Theorie' für einen Ausweis eklatanter Verständnisprobleme halte). Diese Reihenfolge schließt also Simultaneität verschiedener und sogar die aller nidāna nicht aus. Gerade auch, um diesen wichtigen Punkt nochmals zu wiederholen, weil es sich bei den nidāna um die Wirkung von Bedingungen handelt und nicht um Folgen von Ursachen. Konditionalität, keine Kausalität.


    Auf einer tieferen Ebene hast Du natürlich recht - "Name und Form, die Fünf Aggregate, sind Leiden". Exakter formuliert: sie sind leidhaft, duḥkhatā. Wie alles 'Zusammengesetzte' (saṃskṛta), also wie alle anderen nidāna auch. Aber das wird nicht im Kontext pratītyasamutpāda gelehrt, die 'Seinsmerkmale' (trilakṣaṇa) gehören zur 1. āryasatya. Buddhistische Grundschule 1. Klasse, wir sind hier schon in der 2. ...:)


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    Nur meine Ansicht natürlich.

    Auch ich sehe pratītyasamutpāda nicht als eine (ringförmig geschlossene) Kette, deren Glieder - eins nach dem anderen - zeitlich aufeinander folgen, sondern als (dynamisches) Kontinuum sich wechselseitig bedingender Faktoren. Aber diese Frage ist nebensächlich und ohne wirklichen Belang - entscheidend ist die didaktische Funktion dieses Modells, das auf vidya als Schlüssel zur Aufhebung dessen, wofür das Modell steht, verweist: duḥkha. Genauer gesagt: pratītyasamutpāda ist samudāya satya, die (zweite) Wahrheit von der Ursache duḥkhas - das 'mit (duḥkha) Aufsteigende'.


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    Es gibt tatsächlich, real, essentiell sehr wohl ein Etwas, dass wir Baum nennen und wir alle mit unseren Sinnen als ein Etwas erkennen. Dieses erkannte Etwas ist als ein tatsächlich, real existierend erkannte ist eine objektive Tatsache.

    Etwas genauer besehen "erkennen" unsere Sinne gar nichts. Sie sprechen auf Reize an, woraus eine Wahrnehmung konstruiert wird. Der Baum mag eine Tatsache sein - aber es ist eine subjektiv wahrgenommene und benannte "Tatsache", keine objektive.


    Wir können uns als Quelle dieser Sinnesreize allenfalls ein 'Ding an sich' vorstellen und als Platoniker womöglich sogar einen 'Baum an sich'. Das wäre zwar subjektiv wahrnehmbar, aber dessenungeachtet objektiver Erkenntnis vollständig entzogen. Muss man aber nicht - das wäre im Sinne buddhistischer Philosophie ein ātman. Dass und wie der verzichtbar ist, zeigt eben das Modell des Konditionalnexus, insbesondere in der Interpretation Nagārjunas. Unser Threadthema hier, zur Erinnerung ...

    Das wirft ja die Frage auf, wie hat der Buddha diesen Zusammenhang gemeint? Kann Bewusstsein nur aus Nichtwissen entstehen? Ist das Nichtwissen die kausale Ursache des Bewusstseins?

    Vermutlich wurde mein Hinweis übersehen, dass pratītyasamutpāda ein Konditionalnexus und kein Kausalnexus ist. Etwas Nichtexistentes (beispielsweise nichtexistentes Wissen) kann nicht Ursache von etwas Existentem sein. Aber das Nichtsein von etwas kann durchaus Bedingung für das Sein von etwas anderem sein.


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    elegante und geniale Vereinfachung von etwas Kompelxen sehen

    Ja - und wir diskutieren hier buddhistisches Denken. Daher geht es auch nicht darum, das 'Komplexe' einigermaßen plausibel zu erklären, sondern darum, duḥkha zu beenden. Das sollten wir hier nicht vergessen - was die Funktion des upāya ist, das wir hier diskutieren, also des Konzepts pratītyasamutpāda. Sonst ist das alles hier bloß mindfuck.


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    Zitat

    There's still one or two of us, walking the street

    No arrows of direction painted under our feet

    No angels to warn us away from the heat

    And no honey to keep us where it is sweet


    (Leonard Cohen)

    Kleiner Einwurf: also - wenn ich vor meine Tür trete und keine Ahnung habe, wo's da lang geht, kann es verdammt lange dauern, bis ich mal zufällig an einem Ortseingangsschild 'Rom' vorbeikomme. Ich bin da schon froh, wenn ich gelegentlich wieder zurück nach Hause finde.


    Oder wie es Benno Höllteufel in bestem bayerischem Geiste ausdrückt:


    zwischa hia un do

    is a weida weg

    foa oam z'fuass

    un in der noacht

    kann's da bassian

    dass'd net z'ruckfinst

    dann mechd i

    net dua sei


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    Die zwölf Glieder des anhängigen Entstehens existieren ja nicht losgelöst von unseren Skandhas, sondern sie sind eng mit ihnen verbunden.

    Die pañca upādānaskandhāḥ sind natürlich eines der dvādaśanidānāni (12 Elemente) des pratītyasamutpāda, konkret das 4., nāmarūpa. Pratītyasamutpāda beschreibt den weiteren und vollständigen Bedingungszusammenhang (pratītyasamutpāda ist kein Kausalnexus, sondern ein Konditionalnexus) der Ich-Illusion, die sich wiederum in der Analyse in die skandhāḥ zergliedern lässt, wobei sich eben dieser nāmarūpa als leer von einem Für-Sich-Sein (svabhāva) zeigt, als śunya.


    Weder die zwölf Glieder als Ganzes noch irgendein einzelnes Glied dieser Kette ist ein handelnder Akteur.

    Jein. Nāmarūpa mag leer sein, mithin kein "Akteur". Nichtsdestotrotz ist es die Instanz des pratītyasamutpāda, die seiner Dynamik die Impulse liefert. Durch den Willen (cetana), dem der samskāraskandha durch seine 'Zusammensetzungen' zu Willen ist und so das erschafft, was Nagārjuna prapañca nennt, die 'entfaltete Vorstellung'. 戯論 xilun / keron. Dieses 'Erschaffen' oder 'Entfalten' hat keinen 'Akteur', aber es zeigt sich nicht zuletzt in dem, was man in konventioneller Sprache als das Handeln eines nāmarūpa bezeichnet. Dreifaches Handeln mit Geist (manas), Körper (kaya) und Sprache (vac). cetanaham bhikkhave khammam vadami


    Was - um zur Frage des Determinismus zurückzukommen - eben diese Frage auf den Punkt bringt, ob der Wille frei ist oder determiniert. Die Empirie sagt uns, er müsse - wie alles - determiniert sein, da sich keine Wirkung ohne Ursache und keine Ursache ohne Wirkung findet. Wo man dann, wenn man den endlosen Regress dieser famosen Idee bemerkt, flugs eine erste Ursache erfindet. Eine Wirkung ohne Ursache. Bloß, um sich weiteres Nachdenken zu sparen.


    Zurück zum Thema. Dieser Wille hat das erstaunliche Merkmal, alles zu können. Zum Beispiel das Universum zu erschaffen - er kann sogar sich selbst aufheben. Der Wille mag nicht frei sein - der Unwille ist es.


    Nochmals den Verweis auf Kant, der in diesem Zusammenhang recht erhellend aufgedeckt hat, dass Kausalität lediglich eine Form der Anschauung (in Nagārjunas Sprache: prapañca) ist, nichts a priori Existierendes. Und gnadenlos die Macken dieser Form aufgedeckt hat, die schon angesprochenen Antinomien der reinen Vernunft. Wäre ich so paranoid zu glauben, lediglich ein Programm in einer Computersimulation zu sein, dann wären genau das die glitches, die mich in dieser Auffassung bestärken würden - wo Pfusch ist, dahinter muss ein Programmierer stecken. So viel zur göttlichen, 'perfekten' Schöpfung. Kant kann man lediglich vorwerfen, dass er die Leere dieser Form nicht erkannte sondern meinte, sie mit einem 'Ding an sich' füllen zu müssen. Der Theismus als Klotz am Bein der abendländischen Philosophie ... In der Bibel steht halt nicht 'Form ist Leere, Leere ist Form' sondern 'am Anfang schuf Gott Himmel und Erde'. Und wenn man in der revidierten Fassung daraus ein 'am Anfang war der Logos' macht, macht's das auch nicht besser.


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    Wie geht das, etwas absichtslos zu tun?

    Das musst Du schon selbst herausfinden. Und es hat keiner behauptet, es wäre einfach.


    Aber ich will Deiner Frage nicht ausweichen. Ich habe hier vor einer Weile ein längeres Zitat aus dem Śataśāstra Kānadevas eingestellt, des 15. Patriarchen des Chan / Zen. Ich will es hier nicht komplett wiederholen - im Zweifel lässt es sich durch die Suchfunktion sicher irgendwie auffinden. Also nur den ersten und den letzten Satz davon:

    Zitat

    Der Buddha, in Kürze (saṅkṣepeṇa), lehrte, dass der gute Dharma von zweierlei Art ist: er hat die Charakteristik des 'Anhaltens' und die Charakteristik der 'Praxis'. Allen Übeln (pāpa) ein Ende setzen wird, die Charakteristik des 'Anhaltens' genannt. Alles Heilsame (kuśala) ausüben nennt man die Charakteristik der Praxis.

    [...]

    Die Charakteristik des Anhaltens ist Ruhe, die Charakteristik der Praxis ist Aktion. Weil ihre Charakteristiken widersprüchlich (viruddha) sind, sagen wir, dass die Praxis des Heilsamen nicht das Anhalten des Unheilsamen mit einschließt.

    Weggelassen habe ich die dazwischen liegenden Begriffsklärungen. Nur mal zum Vergleich ein kurzes Zitat, wie Bodhidharma im Erru Sixing (二入四行, 'Abhandlung über die zwei Zugänge und die vier Praktiken') das angeht:

    Zitat

    Es gibt viele Arten, den Pfad zu betreten, doch zusammengefaßt gibt es nur zwei. Die eine ist ‘Zugang durch Erkenntnis’ und die andere ‘Zugang durch Praxis’.

    Der erkenntnistheoretische Ansatz weist Bodhidharma als Yogācārin aus - wobei eben dieser von Bodhidharma äußerst knapp in einem Absatz umrissen wird, worauf er sich extensiv den vier Aspekten von Praxis widmet. Der Ansatz Kānadevas ist gar nicht grundlegend anders - aber er spezifiziert die Ausrichtung von Bodhidharmas ‘Zugang durch Erkenntnis’ - das, wohin der 'Zugang' führt: 'Anhalten'.


    Nun geht es selbstredend beiden nicht darum, das Eine zu tun und das Andere zu lassen. Zen zu üben, heisst diese Dualität von 'Anhalten' und Praxis in eins zu verschmelzen. Nicht nur auf dem Sitzkissen - auch und gerade wenn man davon wieder aufsteht. Das nennt sich gyōjūzaga - Zen im Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen. Da gibt es keine 'Absichten' - die sind angehalten.


    Zurück zum Thema. Das mit den Lehrern jedenfalls ist eine Interpretation - im Text steht kein Wort davon, obwohl selbst Garfield, den ich durchaus schätze, da was von Lehrern schreibt. Ich will diese Lesart Niemandem ausreden, aber ich für meinen Teil traue Nagārjuna schon etwas mehr Tiefe zu. Eine simple Aussage 'wenn kein Lehrer da ist, geht's auch ohne' als Höhepunkt und Abschluss des ātma-dharma Kapitels?


    Wenn man bei solchen Stellen in die Verlegenheit eines Zweifels kommen sollte, ist es sicher sinnvoll, sich von Kommentaren auf die Sprünge helfen zu lassen. Aber man sollte da nicht zu vertrauensselig sein, womöglich ist der Kommentator auch nicht schlauer als man selbst und rät nur wild drauflos. Auf jeden Fall ist es, wenn man herausfinden will, was Nagārjuna mit dem Vers eigentlich sagen wollte, sinnvoll, sich anzuschauen, wie Nagārjuna seine MMK selbst kommentierte - also mal einen Blick in den Akutobhayā zu werfen. Glücklicherweise gibt es da sogar eine deutsche Übersetzung von Max Walleser, den ich als Übersetzer sehr schätze, weil er sehr 'wortnah' übersetzt und sich kaum interpretative Freiheiten bei der Übersetzung herausnimmt bzw. dabei auch das Original angibt. Daher hier nicht nur die Übersetzung des Kommentars sondern auch die des Verses:

    Zitat

    Wenn vollendete Buddhas (sambuddha) nicht erstehen, die Hörer (śrāvaka) auch schwinden,

    Dann tritt aus Beziehungslosigkeit (asaṃsarga) die Kenntnis (jñana) der Einzelbuddhas (pratyeka-buddha) hervor. (XVIII.12.)


    Wenn die Hörer (śrāvaka) sich nicht bemühen (abhyasta), so ist entweder Nicht-Entstehen von vollendeten Buddhas (sambuddha), oder ein Schwinden der Hörer (śrāvaka); wenn dann auch Beziehungslosigkeit vorhanden ist, so entsteht infolge von deren vorangehenden[sic] Bemühung der Einzelbuddhas Wissen (pratyekabuddha-jñana), von anderem unabhängig (a-para-pratyaya, eig. von anderem aus nicht zu erkennen), lediglich aus Abhängigkeit von Nicht-Beachten (anupāsanā-mātra-pratyayāt).

    'Akausal' bedeutet nicht notwendig 'Nichtbedingt'. Ohne hetu (unmittelbare Ursache), aber nicht ohne Bedingung (pratyaya). Der wichtigsten Bedingung ist übrigens der Vers 18.11 gewidmet. Eine nicht näher spezifizierte 'Bemühung' wird von Nagārjuna im Kommentar als weitere Bedingung genannt sowie das 'Nicht-Beachten'. Letzteres, das anupāsanā-mātra-pratyayāt, kennt jeder, der Zen übt. Und auch, dass die Herstellung der Bedingungen nicht notwendig zu Erwachen führt, also nicht ursächlich dafür ist. Sie erhöht lediglich die Anfälligkeit dafür.


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    Aber es gibt doch indische Kommentare zu Nagarjunas Text, die zweifellos bis zum Einfall des Islam auf mündlicher Erklärungstradition beruhen. Diese ununterbrochene Tradition hat sich bis heute in Tibet erhalten.

    Das hört sich für mich nach einer waschechten Śravaka - Tradition an. "So habe ich gehört ..." :) Spass beiseite - eine ununterbrochene Tradition hat sich auch in Ostasien erhalten. Nicht nur eine mündliche, auch eine von Herz/Geist zu Herz/Geist.

    halte dich doch an die noch lebende Tradtion der Madhyamikas in Tibet, wenn es um Nagarjunas Begriffe geht. (Von Bodhidharma, dem ersten Chan-Patriarchen ist mir eine spezielle Verbindung zu MMK nicht bekannt)

    Wie willst du es sonst machen? - Dir fehlt wohl das Vertrauen zur tibetischen Tradition? Oder vielleicht zur mündlichen Tradition überhaupt?

    Bodhidharma und die ersten Patriarchen sind wohl eher als Yogācārin (in der Forschung hat sich die Bezeichnung 'Lankavatara-Schule' eingebürgert) einzuschätzen - mit einem ausgeprägten Schwerpunkt auf Fragen der Praxis geistiger Schulung. Es war vor allem Huineng, der 6. Zen - Patriarch, der dann verstärkt an das chinesische Madhyamaka und die Prajñāpāramitā-Literatur anknüpfte. Also neben den Lehren der Nehan zong (insbesondere Dashengs Lehre 'unmittelbaren Erwachens') und der Huayan zong mit ihrem Konzept wechselseitiger Durchdringung an die Lehren der Sanlun zong, die seit ca. 400 n.d.Z. florierte und im 7. Jahrhundert auch nach Japan gelangte. Also etwa zu der Zeit, in der das tibetische Staatswesen gerade entstand. Mit Buddhismus im Besonderen und Madhyamaka im Speziellen sollte es ja dann dort erst noch mal etwas dauern, so etwa 200 Jahre.


    Jedenfalls ist man im ostasiatischen Buddhismus durch diese Sanlun zong mit dem Madhyamaka vertraut. Grundlagenwerke sind

    das Madhyamakaśāstra, ein Kommentar zu den MMK, der diese auch enthält (中論), Dvādaśanikāyaśāstra (十二門論), die 'Abhandlung der zwölf Tore' von Nagārjuna, die es leider nicht in den Tengyur geschafft hat. So ein bissel Schwund ist im Laufe der Jahrhunderte halt immer. Das gleiche gilt auch für das dritte Grundwerk, das Śataśāstra (百論) Kānadevas, der in der tibetischen Überlieferung Aryadeva genannt wird. Auch nicht im Tengyur enthalten, dafür das Catuhśatakaśāstra, das dem Tripitaka fehlt. Ich sag mal - man kann natürlich beides lesen. Muss man aber nicht - gleich, mit welchem man anfängt, das andere bringt nix Neues mehr. Um sich die genannten drei Grundlagenwerke anzuschauen, muss man heute nicht mal mehr Chinesisch können. Englisch genügt, braucht man aber auch nur für Tuccis Übersetzung des Śataśāstra. Jedenfalls - es ist nicht nur name dropping, wenn Nagārjuna und Kānadeva als 14. und 15. indischer Patriarch des Chan / Zen geehrt werden.


    Wovon einen der Tripitaka freilich verschont, das sind die Epigonen und Kommentierer. Also Svātantrika - Madhyamaka oder Zhentong oder was man da sonst noch daraus gemacht hat, dazu findet man da nichts. Muss auch nicht sein, finde ich.


    Ach so, tibetische Tradition - ist jetzt nicht so zentral mein Interesse, aber Garfields Übersetzung der tibetischen Version der MMK und seinen Kommentar dazu - erklärtermaßen Prasaṅgika-Deutung in Gelug-Tradition - habe ich mir schon angeschaut. Und sei es nur, um festzustellen, ob Sanlun zong nach tibetischer Wahrnehmung Prasaṅgika wäre. Ist wohl so.


    Pratyekabuddha - Rigpa Wiki


    Dort steht auch, dass "beziehungslos" (asaṃsargāt) - Kalupahana übersetzt: "without contact or association" - sich auf Lehrer bezieht.

    Das überrascht mich jetzt allerdings nicht im Geringsten, dass das da steht.

    Das witzigste ist, dass man Zazen üben muss, wenn man akausal erwachen will

    Der Trick dabei ist, es absichtslos zu tun.


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    den Begriff pratyekabuddhà mal näher anschaust

    Der Begriff 'pratyekabuddha' in den MMK ist ein philologisches Problem, bei dem man sich hüten sollte, den durch doktrinäre Definition erst deutlich später festgelegten Inhalt des Begriffs (der mithin eine Begriffsgeschichte hat) ohne Hinterfragung auf seine Bedeutung in den MMK zurück zu projizieren. Nun ist eben diese Begriffsgeschichte schwierig (wenn nicht unmöglich) bis auf Nagārjuna, also die frühe Formationsphase dessen, was dann das Mahāyāna werden sollte, zurückzuverfolgen. Dass es da Inkongruenzen zwischen heute gängiger Deutung und der Verwendung bei Nagārjuna gibt, zeigt ziemlich unmissverständlich MMK 17.13. Der 'bodhisattva' in MMK 24.32 (das einzige Vorkommen in den MMK) wiederum scheint nichts Besonderes zu sein - das passt auf jeden, der den achtfachen Pfad geht, mindestens auf jeden Stromeingetretenen.


    Ich persönlich habe den Verdacht, dass der 'pratyekabuddha' insbesondere in MMK 17.13 eine Bedeutung hat, die auf den Bodhisattva in der historisch späteren 'Dreiteilung' Buddha/Bodhisattva/Śravaka vorausweist. Aber wegen der nicht rekonstruierten (vielleicht auch nicht rekonstruierbaren) Begriffsgeschichte ist das natürlich genau so spekulativ wie jede andere Deutung. Die von Weber-Brosamer / Back in der einführenden Einleitung zu MMK 18 gegebene weist übrigens mE ebenfalls in diese Richtung.


    Was nun MMK 18.11 angeht, so gibt dieser eine Parallele für das 'beziehungslose' - anders ausgedrückt: akausale - Erwachen in 18.12. So, wie der Dharma ohne kausale Ursachen und Bedingungen ist, ist auch das Erwachen des pratyekabuddha ohne kausale Ursachen und Bedingungen möglich. Was selbstredend nicht heisst, dass Akausalität des Dharma Bedingung der Akausalität des Erwachens ist oder umgekehrt - genau dem widerspricht Nagārjuna explizit. Aber 18.12. ist halt die Pointe ... und im Übrigen das Samenkorn der Zazen-Übung.


    Ihr Leutz - ist ja wirklich interessant und ich diskutiere gerne mit Euch - aber ein bissel ins offtopic geraten sind wir jetzt schon, oder?


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    So wie die Gesamtheit der Taten dieses Lebens ständig unseren Charakter und unsere Fähigkeiten und Gewohnheiten formen.

    Ich denke, das ist ein deutlich unterkomplexes Fazit des buddhistischen Kausalitätsbegriffs, den man schon gründlich untersuchen sollte, bevor man sich der Frage widmet, ob diese Kausalität streng deterministisch ist (im übertragenen Sinn 'mechanisch' wirkt), oder ob sie einen oder gar mehrere Freiheitsgrade hat - um einen Begriff aus der Physik aufzugreifen, der mE hier schön passt, weil es im nichtphysikalischen Sinn eben um Befreiung geht.


    Zunächst einmal sollte klar sein, dass karmische Kausalketten nur eine mögliche Form von Kausalität sind. Schon der Abhidharma hat da ein fünffaches Klassifizierungsschema entwickelt, die pañcaniyamā (wörtl. fünf Begrenzungen / Einschränkungen). Demnach sind Gesetze, Bedingungen oder Beschränkungen (allgemein 'Gesetzmäßigkeiten') fünf verschiedenen Arten von Prozessen zuzuordnen. Neben der Gesetzmäßigkeit soterologischer Prozesse (dhammaniyama), biologischer Prozesse (bijaniyama), psychisch-geistiger Prozesse (cittaniyama) und mechanisch-physikalischer Prozesse (utuniyama) gibt es da die Gesetzmäßigkeit karmischer Prozesse (kammaniyama) - als, wie gesagt, eine von fünf Klassen kausaler Prozesse, die jeweils ihren eigenen Regeln ('Gesetzmäßigkeiten') folgen, aber dabei auch miteinander wechselwirken. Die Arten des Wechselwirkens (nicht die Wechselwirkungen selbst) werden im Abhidharma vierfach als pratyaya (sinngemäß 'Ursachen-und-Bedingungen') klassifiziert; der Pali-Abhidhamma kommt sogar auf sportliche vierundzwanzig pratyaya.


    Die möglichen konkreten Wechselwirkungen, das momentane Produkt der durch diese fünf Kausalitätsformen gegebenen verschiedenen pratyaya, sind theoretisch unbegrenzt; sie entstehen praktisch aleatorisch. Konkret erfahren wird ja nicht der momentane Status von fünf Kausalitätsketten mit jeweils unterschiedlicher Gesetzmäßigkeit, sondern eben deren dynamische (-> anitya) Wechselwirkung. So, wie man auch die skandhah nicht einzeln und getrennt, sondern in ihrer Wechselwirkung erfährt.


    Einen Einführungsvortrag in das niyama - Modell kann man sich übrigens hier antun.


    Natürlich kann man argumentieren, dass, wenn die niyama streng determiniert sind, es auch deren Wechselwirkungen sein müssen - auch wenn sich diese zumindest durch Menschen nicht determinieren (hier auch im Sinne von 'vorherbestimmen') lassen, mithin auch nicht gezielt herbeiführen. Damit sind wir dann auch beim Kern des Problems - das Alles hilft uns ja nicht, aus unserer Lage zu entkommen, duḥkha zu beenden. Eine Sackgasse.


    Aus dem hier zitierten Titthāyatanādi Sutta wird schon einmal deutlich, dass Buddha den strengen Determinismus zumindest als eine Sichtweise beurteilte, die nicht nur nicht zur Befreiung führt, sondern in dieser Hinsicht im Gegenteil ausgesprochen kontraproduktiv ist. Und seine Argumentation, dass solch eine Sichtweise zu Fatalismus und Untätigkeit führt, ist ja auch ohne weiteres nachvollziehbar. Was nun natürlich auch keine inhaltliche Widerlegung ist, sondern rein psychologisch (und 'ergebnisorientiert') argumentiert. Ein Musterbeispiel dafür, dass Buddha vorwiegend aus einer rein praktischen Perspektive urteilte und 'unpraktische' spekulative Ideen verwarf - nicht durch deren Widerlegung, sondern durch Aufzeigen, dass diese für das Erwachen schlicht nutzlos, wenn nicht gar kontraproduktiv sind. Gedankensport, Gedankenfessel ...


    Die Frage, ob und wie weit der Wille (cetana), als Triebkraft karmischer Prozesse frei oder determiniert ist, ist eine Scheinfrage. Bei Kant eine der Antinomien der reinen Vernunft (die dritte, wenn ich es recht erinnere). Aber auch der von Dir, Rudolf , so geschätzte Nagārjuna war bei all seinen lichten Ausführungen zu pratītyasamutpāda keineswegs ein Determinist. Schau Dir mal bitte MMK 18.12 näher an und lass das sacken ... :?


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