Du stellst schwierige Fragen, Mentus 

Zen ist die buddhistische Tradition (so verstehe ich es mehr und mehr), in der du die wenigsten Antworten bekommen wirst. Das liegt (nicht zuletzt) auch daran, dass das "Weiterkommen" bedeutet, dass mir klar wird: Es gibt gute Fragen, aber es gibt nur wenige gute Antworten. Die Frage ist "das Herzstück", die schnelle Antwort ist das ewige Gerplapper des Ichs. 
Ich weiß nicht, wo du dich befindest. Ich bin selber Schüler. Ich fühle mich nicht berufen, andere Schüler zu beurteilen und Antworten zu geben, von denen ich gar nicht weiß, ob sie hilfreich sein könnten.
Vorgestern gab es ein Video von Muho, in dem etwas angesprochen wurde, dass eine Resonanz in mir fand:
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Es gibt eine Playlist bei Muho mit dem Titel "Das tägliche Zen-Häppchen". Dort erscheint jeden Tag ein ca. 10-minütiges Video von ihm. Vielleicht ist etwas dabei, das deiner Frage nahekommt? Du kannst da mal durchschauen, wenn du magst...
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Schwierige Fragen^^ Für mich ist die Frage ungefähr so gemeint wie: "Wie erkennt sich ein Geisterfahrer auf der Autobahn?"
Da könnte man ja antworten "anhand dessen, dass ein Auto nach dem anderen mit 300km/h Differenzgeschwindigkeit, warnendem Lichtzeichen und Hupe vorbeirauschen." Stattdessen wird geantwortet mit "Sei nicht so kompliziert/Die Frage ist die Antwort und der Weg/Oder auch: Schau mal... da gibts ein Video über was ganz anderes... das gefällt mir gut" ----- Booooom
Ja befürchte ich fast auch so, dass man Fragen stellt, aber man wohl die Antwort selbst finden muss, weils ansonsten nur ein fremdes Wissen ist und nicht deine eigene Frucht in/aus dir. Das Video von Muho... er wird als glaubwürdiger Vertreter des authentischen Soto-Zens angesehen, oder spreizen sich da die Meinungen über ihn (bei mir ist einfach noch viel zu viel "Ich" da um das sagen zu können)? Weil wenn ich mir Shohaku Okumura anschaue, bilde ich mir schon einen Unterschied ein. Oder die Bescheidenheit von Muho ist nur trügerisch...
Im Zen kennt man drei Abschnitte der Praxis:
vor der Erleuchtung - Erleuchtung - nach der Erleuchtung oder wie manche das formulieren: vor dem Kensho, Kensho, nach dem Kensho.
Das ist in den 10 Ochsenbildern dargestellt. Diese Abschnitte sind aber Konstrukte. In Wahrheit sind sie eins, so wie vorher, jetzt, nachher, vergangen, gegenwärtig, zukünftig. Es gibt immer nur jetzt und gegenwärtig. Und im jetzt und gegenwärtig gibt es nichts zu erreichen und alle Vorstellungen von gestern und morgen können verschwinden.
Der Begriff des toten Holzes und der kalten Asche bezieht sich auf die Weise der Versenkungsübung. Genauer gesagt, Zazen ist keine Versenkungsübung. Das ist in diesem blog erläutert:
zensplitter: Meditation - eine "Zen-Geschichte"
Und die Verbindung zum Alltag ist hier:
Zitat "Wenn du verstehst, wie wertvoll dein Leben ist und dass die Art, wie du es manifestierst und es lebst, voll und ganz deiner eigenen Verantwortung unterliegt - dann ist das solch eine große Verantwortung, dass so jemand ganz natürlich sich für ein Weilchen hinsetzt. Es ist keine absichtsvolle Handlung, es ist eine natürliche Handlung."
(Houn Kobun, 1938 - 2002)
Damit habe ich deine 1. und 2. Frage vielleicht beantwortet.
Wie bemerkst du, dass du dich verstiegen hast?
Du wirst es vielleicht nicht sofort bemerken, aber deine Mitwelt merkt es sofort. Und das ist letztlich der Lehrer - wie der Stein im fließendem Wasser rund geschliffen wird, so werden dir die Erleuchtungsdünkel abgeschliffen. Falls du es zulässt.
Der wahre Ort er Übung ist dein Alltag.
Und mit der Zeit entwickelst du ein immer feineres Gespür für den "Sand im Reis" und dir wird die kleinste Unstimmigkeit deiner Praxis auffallen. Sehr hilfreich ist dabei eine regelmäßige ununterbrochene Praxis der täglichen Übung - und das ist gar nicht so einfach, vor allem wenn die Erwartungen enttäuscht werden und nichts los ist und Langeweile sich zeigt.
Und gelegentlich ein oder zwei Mal im Jahr an einem längeren Retreat bzw. Sesshin teilnehmen ist auch sehr hilfreich.
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Das mit dem Alltag hab ich schon verstanden, mir gehts auch nicht darum " im Zug, der mich nach zuhause bringt, nach vorne zu laufen, damit ich eher da bin" sondern zu verhindern, dass ich womöglich voller Überzeugung in die entgegengesetzte Richtung fahre. Klar, man kann jetzt einhacken: Wenn du überzeugt bist, irrst du dich ja bereits. Aber irgendwie muss ich ja als Anfänger eine erste Klarheit entwickeln können, wo es lang geht, der ständige Zweifel, ob meine Praxis wirklich Zazen ist, macht mich unsicher. Und ich übe bis jetzt im Bezug auf meine Vorangehensweise beim Sitzen und auch im Alltag nur basierend auf: Hoffnung, dass ichs bis jetzt richtig verstanden hab, was ich gelesen hab. (ich akzeptier das aber als erstes, sich mir bereits jetzt schon selbst erklärendes Koan, wenn das so okay ist). Und auf "Bevor ichs nicht mache, mach ichs lieber falsch."
Dein Link hat mir erstmal nur bestätigt, was du eh schon geschrieben hast, dass Zazen keine Versenkungsübung ist. Okay. Also stell ich mir halt die Frage: "Mache ich eine Versenkungsübung?" Der Link, der wiederrum auf der Seite dann zu finden war Visuddhi Magga X erklärt alle Jhanas in für mich wirrer, zwar sehr lebhafter aber trotzdem unverständlicher Sprache. Ich glaube aber recht sicher (korrigiert mich bitte), dass es sich allein schon von den Überschriften her ums selbe handelt, wie ich kürzlich in Jeff Shores "Der Weg beginnt unter deinen Füßen" ab Seite 86 gelesen hab, die 4 Dhyanas: grenzenloser Raum, grenzenloses Bewusstein, nicht ein einziges Ding, weder Wahrnehmung noch Nichtwahrnehmung. Und er beschreibt all dies als "im Zen nicht notwendige Erfahrungen" die, falls sie auftreten, zu durchschreiten und hindurchzugehen/zudurchdringen sind, ohne an ihnen festzukleben. Ich les es grad extra paralell zum schreiben nochmal nach, um nix falsches zu schreiben/zu verstehen. Aber es wird nirgends ausdrücklich geschrieben "Das hat nix mit Zazen zu tun/tut das nicht/das ist verkehrt". Andererseits schreibt er - zumindest in dem Kapitel - auch nicht, dass es was mit zazen zu tun hat. Er benutzt den Ausdruck Meditationserfahrungen. Zazen versteht sich ja nicht als Meditation, sondern als "nur Sitzen (je mehr ich mich irgendwie damit beschäftige, was das jetzt heisst, umso weniger weis ich es genau...)". Aber er schreibt, dass Zazen die zentrale Praxis im Rinzai ist. Versteht sich also das Zazen nur im Soto nicht als Meditation und im Rinzai schon, und du beziehst dich eher aufs Soto?
Mir ist klar, dass der Soto-Zen manche Betrachtungen des Rinzai ablehnt. Aber ist der Unterschied zwischen den zweien so groß? Dann muss ich mich evtl mal fürs eine oder andere entscheiden...
Ansonsten nehm ich den Rest deiner Empfehlungen gern mal mit in den Alltag, und versuchs mal so. Zum Schluss hoff ich, dass ein Zen-Lehrer das dann schon sehen wird, und es mir auch klar sagen wird, wenn ich einen Irrweg gehe, oder? (Bitte sag jetzt nicht "Vorrausgesetzt ich höre ihm auch zu, oder noch schlimmer: das Wort "hoffen" sagt schon wieder alles"
)
Und danke für deine Unterweisung. 