Beiträge von mukti im Thema „Was ist für euch das Wesen des Buddhismus (der Religion)“

    In den Religionen gibt es immer irgendeine Art von ewigem Selbst, das man in Wirklichkeit wäre wenn das zeitweilige "Ich" vergeht oder aufgegeben wird. Aber wie kann man an ein ewiges Selbst glauben ohne sich vorzustellen es zu sein, wenn man sich gar nichts darunter vorstellt dann braucht man erst gar nicht von einem ewigen Selbst zu sprechen.

    Es ist eben dieses "Ich" das sich vorstellt in Wirklichkeit ein ewiges Selbst zu sein. Wenn das "Ich" aber verschwinden muss, dann ist diese Vorstellung ein Hindernis. Diese Weisheit kenne ich nur vom Buddha, man sagt ja auch dass die Anatta-Lehre einzigartig ist in der Religionsgeschichte.

    So wie ich das erlebe lässt sich nicht mehreren Wegen zugleich folgen. Man kann einige Elemente aus verschiedenen Lehren entnehmen und praktizieren, wie sittliches Verhalten, Liebe, bestimmte Meditationen und Einsichten die überall gültig sind. Aber man kann nicht alle Lehren als Ganzes annehmen und praktizieren, weil sie in einigem einander widersprechen.


    Wenn man annimmt dass die Widersprüche nur auf der Oberfläche auftreten und im Kern dasselbe meinen, etwa dass der Gottes- und Seelenglaube letztlich mit dem "Nicht-Selbst" des Erwachten identisch ist, so muss man sich doch in der Praxis für ein System entscheiden. Man kann sich z.B. nicht heute einem Gott ergeben und ihn morgen verleugnen. Wenn man nicht an einen ewigen Schöpfergott glaubt, und die Ansicht dass es ihn gibt nur als ein Hilfsmittel betrachtet, hat man bereits den theistischen Weg verlassen. Wenn man an Gott als das Höchste glaubt, dann glaubt man nicht dass Nibbana das Höchste ist.


    Der Geist ist ein weites Land. Mystiker berichten von ihren Ansichten und Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Weg, dem sie folgen. Etwa Meister Eckhart hat vom Einssein der Seele mit Gott gesprochen. Wenn sich das auch sehr von dem gewöhnlichen "Ich" unterscheidet, so lässt sich doch nicht davon ausgehen dass es dasselbe ist wie Nibbana. Ebenso wenn der Vedanta vom Einssein des Atman mit Brahman handelt, nennt er dessen Eigenschaften, die ohne Bedingungen existieren: Sein, Glückseligkeit und Ewigkeit. Über Nibbana sagt aber der Buddha dass es kein Sein ist und auch kein Nichtsein und dass Sein ohne Bedingungen unmöglich ist. Dieser wesentliche Unterschied in der Beschreibung deutet auf den Unterschied der Verwirklichung hin, nach der Lehre des Buddha gibt es eben formlose Jhana und entsprechende Daseinsbereiche von so unvorstellbar langer Dauer, dass sie ewig erscheinen.


    Ich will hier nichts gegen eine andere Auffassung sagen, aber das ist meine, nachdem ich am Synkretismus theoretisch und praktisch gescheitert bin. Ich kann nicht anders als die Lehre des Buddha als die Höchste ansehen, so wie andere ihre Lehren als die Höchste sehen. Wer letztlich recht hat weiß ich nicht, ich kann das nur nach meinem unzulänglichen Erkennen und Erleben beurteilen.

    1. Das erinnert mich an eine Aussage Buddhas, dass seine Lehre mit Logik und Begriffskenntnis (da bin ich mir nicht ganz sicher) allein nicht ergründbar ist.

    Was aus meiner Erfahrung stimmt.


    In M.26 beschreibt der Buddha seinen Weg in die Hauslosigkeit bis zur ersten Lehrrede nach dem Erwachen. Bereits bei seinem ersten Lehrer hat er das "Nichtsheitsgebiet" (formlose Vertiefung und Daseinsbereich), das Nachdenken und Überlegen übersteigt, durch "höhere Geisteskraft" verwirklicht. Bei seinem zweiten Lehrer erlangte er eine noch höhere Verwirklichung und Nibbana hat er dann alleine erlangt:


    Zitat

    Dieses Dhamma, das ich erlangt habe, ist tiefgründig, schwer zu sehen und schwer zu verstehen, friedvoll und erhaben, durch bloßes Nachdenken nicht zu erlangen, subtil, von den Weisen zu erfahren.


    2. Es gibt liegt aber auch Wahrheit in Begriffen und Aussagen und es gibt auch auch (richtige ...) Ansichten, die heilsam sind, also eine entsprechende Wirkung im Geist erzielen.

    In M. 117 wird erklärt wie richtige Ansicht im achtfachen Pfad die erste Stelle einnimmt:


    Zitat

    In jemandem mit richtiger Ansicht ist falsche Ansicht vernichtet, und die vielen üblen, unheilsamen Zustände, die mit falscher Ansicht als Bedingung entstehen, sind ebenfalls vernichtet, und die vielen heilsamen Zustände, die mit Richtiger Ansicht als Bedingung entstehen, gelangen durch Entfaltung zur Vollkommenheit.


    3. Also es gibt schon einige konkrete Antworten zu komplexeren Fragen, die ihm gestellt wurden. Warum hat er so viel geantwortet und erklärt, wenn man nicht über das Gesagte nachdenken, also sinnieren, also seinen Geist hierauf lenken sollte?

    Zitat

    10. ...indem er Dinge erwägt, die für das Erwägen geeignet sind, entstehen noch nicht entstandene Triebe nicht in ihm, und bereits entstandene Triebe werden überwunden.

    11. Er erwägt weise: 'Dies ist Dukkha'; er erwägt weise: 'Dies ist der Ursprung von Dukkha'; er erwägt weise: 'Dies ist das Aufhören von Dukkha'; er erwägt weise: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt'. M.2


    Alles was sich auf die vier edlen Wahrheiten bezieht, die Grundlage der gesamten Lehre sind, ist des Erwägens wert und was man als richtig befindet danach sollte man handeln, mit dem Ziel irgendwann Körperliches und Geistiges zu transzendieren und Dukkha zu beenden. Darin liegt für mich das Wesen des Buddhismus.

    Die Lehre des Buddha ist ein bedingt entstandenes Phänomen und deshalb vergänglich. Deshalb wird die Lehre des Buddha irgendwann den Menschen nicht mehr zur Verfügung stehen.


    Ich finde es schon erstaunlich, dass auch hier auf dem Forum gesagt wird, der Buddha habe gelehrt, dass Leben Leiden sei, obwohl dies im Widerspruch zu seiner ersten Lehrrede steht. Ich bezweifle , dass es überzeitliche Wahrheiten gibt, denn dann wären sie ja von der Zeit unabhängig. Das erfahren von Leid in samsarischen Existenzen findet ja in einem bestimmten Zeitraum statt, aber es gibt ja auch nicht-samsarische Existenzen, das Nirvana. Zur Zeit des Nirvana kann man Leben nicht mehr mit Leiden gleichsetzen

    Überzeitliche Wahrheit, das bedeutet für mich dass sie zu jeder Zeit gültig ist, ob sie nun bekannt ist oder nicht. Dasein ist untrennbar mit Dukkha verbunden, Dukkha kann durch die Beseitigung seiner Ursache auf bestimmte Weise beendet werden, daran ändert sich nie etwas.


    Bedingung für die Lehre ist ein Lehrer der die Wahrheit selber durchschaut hat. Er erfindet die Wahrheit nicht, sie ist bereits da und er findet sie. Es gibt keine Wahrheit an sich, nur eine Wahrheit über etwas - sie ist bedingt durch das worüber sie etwas aussagen kann. Alles unterliegt Gesetzen, Ursachen und Bedingungen ohne die es nicht entstehen und bestehen kann. Ein Mensch kann darüber etwas herausfinden so weit seine Wahrnehmung reicht. Der Buddha hat das Wesentliche des Daseins herausgefunden, was die Wesen antreibt und wie dadurch Dukkha entsteht, das ist immer so, sobald es Wesen gibt. Es ist auch so wenn die Lehre verloren geht.

    Und Nirvana ist keine Existenz, kein Leben oder Dasein, es lässt sich überhaupt nicht logisch erfassen, es ist ohne Ursachen und Bedingungen. So sehe ich das.

    zum Neyyatha Sutta gibt es einen Kommentar:


    Zitat

    Zwei, ihr Mönche, machen falsche Aussagen über den Vollendeten. Welche zwei?

    Derjenige, der eine Lehrrede mit einem der Deutung bedürfenden Sinne für eine Lehrrede mit ausgemachtem Sinne erklärt; (*1) und

    derjenige, der eine Lehrrede mit ausgemachtem Sinne für eine Lehrrede mit der Deutung bedürfenden Sinne erklärt (*2).

    A.II.24


    (*1) K: Wenn es in den Lehrreden heißt: »Ein Wesen (puggala) gibt es ...« (I, 22) oder »Zwei Wesen gibt es ...« (II, 53), so hat dies einen der Deutung (oder näherer Erklärung) bedürfenden Sinn (neyy'attha). Wenn auch der Buddha derart sprach, so gibt es doch im höchsten oder strikten Sinne (paramattha) kein beharrendes Wesen, keine beharrende Persönlichkeit (puggala). Der Sinn obiger Aussprüche ist also einer näheren Erklärung bedürftig. Doch jener (in unserem Text Erwähnte) glaubt törichterweise, daß dies eine Lehrrede 'mit ausgemachtem Sinn' (nīt'attha) sei.

    (*2) K: Wenn jedoch der Erhabene davon spricht, daß (alles Gewordene) vergänglich, leidvoll und ichlos ist, so hat es eben diesen und keinen anderen Sinn. Doch jener (im Text Erwähnte) glaubt törichterweise, daß dies einen der Deutung bedürfenden Sinn hat und behauptet, dass es (im höchsten Sinne) etwas Ewiges, Glückhaftes und ein Ich gebe.


    Der Kommentar stammt laut Buddhagosha, der ihn geschrieben hat, aus der Zeit kurz nach dem Tod des Buddha (1.Konzil). Die ursprüngliche Fassung ist verlorengegangen.

    Das verstehe ich und kenne es von mir selber. Es ist nicht so dass ich andere Lehrer, Heilige und Philosophen nicht mag, ich hab mich mit vielen befasst und lese auch jetzt noch ab und zu von ihnen. Und von Hermann Hesse war ich sehr begeistert. Aber ich habe bei keinem den Ausweg gefunden und in diesem Sinn habe ich ihre Schlussfolgerungen über das Dasein verworfen. Sie bereichern, aber die Befreiung nach der ich mich im Innersten sehne finde ich bei ihnen nicht.

    Hallo Monika,

    mehrere Perspektiven können schon den Horizont erweitern und es ist auch eine schöne Bestätigung wie zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten dieselben Wahrheiten gefunden wurden. Aber diese Entwürfe und Systeme sind ja doch auf der Ebene des Nachdenkens und Verstehens. Auch über die Lehre des Buddha gibt es viel nachzudenken aber letztlich führt doch alles zur einfachen Sicht und Praxis wo sich ein wenig die Vergänglichkeit und Loslösung offenbart. Wo eine sichere Gewissheit entsteht dass hier der Weg ist der am Ende das Denken, Fühlen und Wollen übersteigt und die Wahrheit in Wirklichkeit bewusst wird. Das im Fokus zu behalten würde mir wahrlich genügen und wüsste ich auch nur ein paar Lehrsätze die darauf hinweisen.

    Wesentlich im Buddhismus scheint mir zu sehen dass alles was entsteht wieder vergeht und dass es deshalb Leiden bringt wenn man anhaftet. Das ist zwar nicht so schwer zu verstehen aber mit einem unruhigen Geist kann man es nicht wirklich erkennen, bzw. sehen und erfahren.


    Mein Geist springt herum wie ein wilder Affe von einem Gedanken zum anderen, zu Gefühlen, Stimmungen, Sinneswahrnehmungen und Willensregungen. Wenn ich dann noch viele Quellen heranziehe wie Yoga, Advaita, Krishnamurti, Kant, Kierkegaard, Platon und was noch alles - was hat dieser und jener gesagt und wie funktionieren all diese Techniken, dann zerstreut sich mein Geist immer mehr ohne zum Wesentlichen zu kommen, zum klaren Sehen wie alles Geistige und Körperliche entsteht und vergeht, wie Begehren oder Hassen aufsteigt, wie Identifikation und das "Ich" entsteht. Das ist es aber was zum Erwachen führt und das ist im Grunde alles was ich durchschauen will.

    Krank wie du es beschreibst:

    Zitat

    Wenn ich enorm leide, ich gehe zu Arzt, oder dem Therapeuten....

    Wenn ich schon 3 Bandscheiben-Vorfälle hatte, dann ich hatte sehr starke Schmerzen, und ich war erzwungen mich behandelen zu lassen.

    Also, die lange Rede, aber der kurzer Sinn.


    Man kann doch nicht Die Religion mir dem Antibiotikum oder Antidepressiva verwechseln. Und gegen Corona ich sollte mich impfen lassen.


    Im existentiellen Sinn würde ich unter "krank" verstehen sich für etwas zu halten was man nicht ist.


    Also hast du ein Heilmittel im existentiellen Sinn gemeint?

    Man kann doch nicht Die Religion mir dem Antibiotikum oder Antidepressiva verwechseln. Und gegen Corona ich sollte mich impfen lassen. Keine Religion hilft mir dann, wenn ich diesen Virus kriege. Nur die reale Impfung.


    Also, wenn ich egal was praktiziere, ich mache es alles, weil ich kann es nichts anders. Wahrscheinlich, so im meinem Hinterkopf, ich hoffe, es würde besser, aber die treibende Kraft, so wie der innere Motor liegt auf der anderen Ebene. Auf der Ebene des Geistes. Mit der Heilung im traditionellem Sinne das hat absolut nichts zu tun.

    Wie meinst du das denn, ich verstehe es nicht ganz. Was ist denn das Heilmittel das wirklich hilft?

    Was du da solltest weiß ich leider nicht, aber meine Meinung kann ich sagen:


    Das Wesentliche im Buddhismus ist Befreiung von Dukkha, wie es in den vier edlen Wahrheiten beschrieben ist. Die gesamte Lehre kann als eine Erklärung gesehen werden was diese vier edlen Wahrheiten genau sind und was zu praktizieren ist um sie zu verwirklichen.


    Es gibt Lehrinhalte die einer Erläuterung bedürfen und solche die wörtlich gemeint sind. Da kann man hier nicht in jedes Detail gehen, nur ein Beispiel aus M.117. bezüglich rechter Ansicht, dem ersten Punkt des achtfachen Pfades der die vierte edle Wahrheit darstellt:


    Zitat

    7. "Und was, ihr Bhikkhus, ist richtige Ansicht, die von den Trieben beeinträchtigt wird, die an Verdiensten teilhat, die auf der Seite der Vereinnahmung zur Reife gelangt? 'Es gibt Gaben, Dargebrachtes und Geopfertes; es gibt Frucht und Ergebnis guter und schlechter Taten; es gibt diese Welt und die andere Welt; es gibt Mutter und Vater; es gibt spontan geborene Wesen; es gibt gute und tugendhafte Mönche und Brahmanen auf der Welt, die diese Welt und die andere Welt durch Verwirklichung mit höherer Geisteskraft erfahren haben und erläutern.'


    Das bedarf keiner Erläuterung und kann wörtlich genommen werden.


    Zitat

    8. "Und was, ihr Bhikkhus, ist Richtige Ansicht, die edel, triebfrei, überweltlich, ein Faktor des Pfades ist? Die Weisheit, die spirituelle Fähigkeit der Weisheit, die Geisteskraft der Weisheit, das Erleuchtungsglied der Wirklichkeitsergründung, der Pfadfaktor der Richtigen Ansicht [5] in einem, dessen Geist edel ist, dessen Geist triebfrei ist, der den Edlen Pfad besitzt und den Edlen Pfad entfaltet: dies ist Richtige Ansicht, die edel, triebfrei, überweltlich, ein Faktor des Pfades ist."


    Das bedeutet wohl nicht dass es nach der überweltlichen richtigen Ansicht z.B. keine spontan geborenen Wesen und höhere Geisteskräfte gibt. Richtige überweltliche Ansicht unterscheidet sich im Wesentlichen von richtiger weltlicher Ansicht nur im Streben nach Triebfreiheit.


    Im Christentum ist es etwas anders indem dort der Glaube die zentrale Rolle spielt und nicht die richtige Ansicht. Ansichten bilden sich nicht notwendig auf der Grundlage von Glauben bzw. bedingungslosem Vertrauen, im Buddhismus geht das Vertrauen einher mit der eigenen Überlegung und Erfahrung. Wie nach der Rede an die Kālāmer:

    Zitat

    Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, (*1) nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kālāmer, möget ihr sie aufgeben.


    Demnach soll man weder an einer Autorität haften noch an Vernunft (Verstand) und Logik, sondern erkennen ob es wirklich so ist wie Verständige sagen ("seid euch selber Zuflucht mit der Lehre als Zuflucht"). Im Christentum geht es aber letztlich darum an der göttlichen Autorität von Jesus Christus zu haften, an ihn und an Gott zu glauben, was auch immer geschieht.