Beiträge von Schmu im Thema „Allen Wesen dienen“

    Fahrt nur fort mit der Zunahme an Scharfzüngigkeit und Seitenhieben mit verminderter Impulskontrolle, Freunde der gepflegten Unterhaltung. ^^


    Ich hatte zwar für diesen Sommer keinen meiner "heißgeliebten" Kommunikations-Threads mehr geplant, aber bitte, bitte... an mir soll es nicht liegen... :lol:

    Ich stimme all dem uneingeschränkt zu.


    Es scheint dir hier jetzt zu theoretisch und zu wenig alltagsnah zu werden...

    Auf was soll sich die Lehre denn beziehen, wenn nicht auf den Alltag?

    Ja, die Lehre bezieht sich auf den Alltag. Glaubst du denn, dass ich das anders sehe?


    Wir leben in einer Zeit, in der immer klarer wird, dass nicht jeder allein für sein Leiden verantwortlich ist. Es ist nicht nur Karma, wenn ein Tier eine Existenz in der Massentierhaltung erdulden muss, es ist nicht nur Karma, wenn Menschen kein Auskommen mehr finden, versuchen über das Mittelmeer zu fliehen und dabei ertrinken. Es ist nicht nur Karma, wenn Menschen überteuerte Mieten zahlen müssen, weil sich ganze Branchen daran obszön bereichern, es ist auch nicht nur Karma, wenn künftige Generationen globale Kriege um knappe Ressourcen in einer in weiten Teilen unbewohnbaren Welt erleben müssen. Du erkennst meine Beispiele von oben wieder. Wir sind alle dafür auf die eine oder andere Weise verantwortlich – auch durch Passivität!

    Das sind jetzt die Ungerechtigkeiten in der Welt. Das sind Teile des globalen Alltags. Für all das und für noch viel mehr soll ich verantwortlich sein? Um Himmels Willen, ich bin nicht das Göttliche oder das kosmische Bewusstsein. Ich lebe mittendrin und bin Teil davon, aber ich übernehme nicht die Verantwortung für das alles. Was für eine Bürde wäre das, ich würde augenblicklich unter der Last zusammenbrechen.

    Natürlich kann ich etwas tun, ganz konkret im Alltag, ich muss und will nicht passiv sein, aber ich bin nicht Superman oder Spiderman, ich kann nicht die Welt retten.


    Die Erkenntnis kann nicht nur helfen, mich von dukkha zu befreien, sie kann noch viel mehr. Sie verändert mich und meinen Blick auf die Welt. Ich beginne anders zu handeln, anders zu sprechen, und allmählich auch anders zu denken. Das hat eine große Auswirkung auf mein direktes Umfeld.

    Dieser Überdruss oder diese Ernüchterung, von der du sprichst, muss nicht dazu führen, dass ich der Menschen-Wirklichkeit den Rücken kehre. Es wird sich zwar wohl verändern, wem und welchen Dingen ich Aufmerksamkeit schenke, was ich an mein Bewusstsein lasse, alleine schon aus Achtsamkeit mir selbst gegenüber. Das heißt aber nicht, dass ich der Welt den Rücken kehre, das heißt nur, dass ich die Dinge ins rechte Licht rücke und schaue, was ich tun kann, was in meiner Kraft steht.


    Ist das eine Option in einer Zeit, in der es wichtiger denn je ist, zu handeln, in der Nicht-Handeln zu einer Vermehrung von Leid führt?

    Über die "Menge" an Leid im Verlauf der Geschichte kann ich nichts sagen. Ich vermute, dass sie weder zu- noch abnimmt. Aber das weiß ich nicht so genau, im Grunde finde ich das auch nicht so wichtig.


    Du wirkst, als wolltest du dich und alle anderen wachrütteln. Daran ist nichts auszusetzen. Wir sind nur vielleicht so unterschiedlich, dass jede/r auf eine andere Weise gut wachzurütteln ist. Es ist auch schwer zu sagen, was genau ein heilsames Dasein ist, wir stehen alle an unterschiedlichen Punkten.

    Ich stimme all dem uneingeschränkt zu.


    Es scheint dir hier jetzt zu theoretisch und zu wenig alltagsnah zu werden... :)

    Wenn man aber allen Wesen dienen will, und darum geht es doch in diesem Thema

    Wenn man allen Wesen dienen will, muss man die Wirklichkeit so sehen, wie sie ist. Mehr mir-selbst-und-allen-anderen-Wesen-dienen geht nicht. Ich kann weder mir selbst noch anderen dienen, wenn ich nicht erkenne, dass ich die Wirklichkeit nicht so sehe, wie sie ist. So verstehe ich auch Leonie (wenn ich sie denn richtig verstehe).


    Ich kann die vier edlen Wahrheiten nicht erkennen (und schon gar nicht danach leben), wenn ich nicht sehe, was mit Verblendung / Unwissenheit gemeint ist, und wie riesig-groß diese Verblendung ist. Sie beherrscht meine ganze Wahrnehmung, mein ganzes Denken, Sprechen und Handeln.


    void hat in seinem Beitrag schön aufgedröselt, wohin das alles führt, was für ein verquerer Irrsinn dabei rauskommt. Die "Menschen-Wirklichkeit" hat mit der Wirklichkeit nicht viel gemein.

    Meiner Meinung nach kommt man um einen radikalen Bewusstseinswandel nicht herum, wenn man der Buddhalehre folgen möchte.

    Die Ereignisse, die im Zen kensho oder satori genannt werden, sind zwar kein Ziel, und das Ereignis selbst hält nicht an und kann nicht "festgehalten" werden. Sie sind aber meiner Meinung nach Voraussetzungen für ein Erkennen der Wirklichkeit beziehungsweise der Unwissenheit. Das Eine bringt das Andere mit sich.

    Die Wirklichkeit, zumindest unsere Menschen-Wirklichkeit, entsteht aus unseren Entscheidungen. Wie sollte sich die Wirklichkeit ändern, wenn wir keine Vorstellung davon haben, wie es sein oder nicht sein sollte? Weiterer Temperaturanstieg, weitere Kontamination unserer Umwelt mit Feinplastik, weiter zunehmendes Insekten- / Artensterben: So sollte es nicht sein, oder? Diese Wirklichkeit ist ja kein Schicksal, und Widerstand ist meiner Ansicht nach notwendig und gerechtfertigt. Ist das wirklich sinnlos, wie Du sagst?

    So meine ich das nicht. Ich meine es so, dass wir uns zu wichtig nehmen, einschließlich der Probleme, die wir für uns schaffen.


    "Das Klima retten" oder gar "die Erde retten": Was für falsche Vorstellungen davon, wer wir sind und was wir bewerkstelligen können. Was wir (in gewissen Grenzen) versuchen können, ist, unseren eigenen Arsch zu retten. Die Klimaveränderung ist nicht mehr aufzuhalten. Sie ist auch nicht bei 1,5°C zu stoppen, das halte ich mittlerweile für völligen Schwachsinn. Nicht weil es nicht möglich wäre, sondern weil die Menschheit nicht das tun wird, was dafür notwendig wäre.

    Das wirst du vielleicht anders sehen, für mich ist das aber klar wie Kloßbrühe.


    Bereits die jetzt 50-60jährigen werden noch 1,5°-1,7°C Erwärmung der Erdatmosphäre erleben. Die jetzt 40-50jährigen werden bereits knapp 2°C Erwärmung erleben. Von der jungen Generation will ich gar nicht reden.

    So in etwa sehe ich es. Es kommt jetzt nicht auf 0,3°C richtig getippt oder nicht an, es geht mir um das, was wir tun müssten, und das, was wir tatsächlich tun.


    Aber der Klimathread ist ja woanders, ich will jetzt nicht hieraus einen machen. Ich will nur sagen: Ich finde das alles mittlerweile nicht mehr so schlimm. Da bin ich pragmatisch.

    Thorsten Hallscheidt


    Wir brauchen sowieso ein völlig anderes Verständnis davon, dass wir Teil des Ganzen sind. Wir nehmen, nehmen, nehmen von der Erde – und geben nicht annähernd angemessen zurück. So wird die Erde ein Ort werden, an dem wir nicht überleben können.


    Du kannst mit Plastik so umgehen, wie du dich damit gut fühlst. Deine Kinder sind Kinder des 21. Jahrhunderts, sie finden buntes Plastikzeugs klasse. Leidest du darunter? Warum? Die Welt ist übervoll mit Menschen, die so sind, wie Menschen eben sind. Das gilt auch für Kinder, auch für meine Kinder. Es macht doch keinen Sinn eine "So-sollte-es-nicht-sein"-Haltung einzunehmen. Das wäre Widerstand gegen die Wirklichkeit.

    Was mich ungeduldig macht, ist, dass ich oft nicht weiß, wie und wo ich anfangen soll... Durch die vielfachen Verflechtungen, in denen ich mich immer wieder verliere, fehlt es mir auch an Tatkraft, das, von dem ich weiß, dass es richtig oder heilsam ist, zu tun – oder das zu lassen, von dem ich weiß, dass es schädlich ist. Ich weiß wo ich hin will, und das hat viel mit dem Bild zu tun, was Thich Nhat Hanh erzählt, nur befürchte ich, dass mein Leben vergehen wird, ohne dass ich dort hingelangt wäre.

    Wenn du weißt, wo du hin willst, gibt es keinen Grund zu denken, das sei aber "leider" nicht möglich. Das können doch nur innere Widerstände sein, oder? Im Außen braucht man jedenfalls keine Hindernisse zu suchen (meine Frau, meine Kinder, mein Haus, mein Hund, meine Versicherungsbeiträge...), das ist nur die Verantwortung woanders hin schieben.

    Wenn ich weiß, wo ich hin will, es aber nicht mache, dann ist entweder der Wunsch nicht groß genug, oder ich habe Zweifel / Widerstände.