Es ist immer schwierig mit Menschen über Lehrinhalte zu sprechen, die sie womöglich nicht selbst erfahren haben (Nicht-Ich). Dann entstehen leicht erkennbar theoretische Diskussionen, in denen versucht wird, der Inhalt des Palikanon wiederzugeben bzw. das, was daraus als Dogma extrahiert wurde.
Die anderswo im Buddhaland als Buchtipp erwähnten Antaiji-Mönche Fujita und Yamashita, die eine solche Erfahrung implizit m. E. in "Buddhism 3.0" von sich behaupten (das Bewusstsein als blauer Himmel), sprechen da mit dem Philosophen Nagai davon, dass das singuläre Ich (nur ich empfinde mich als dieses Ich) als das buddhistische Nicht-Selbst (muga) verstanden werden könne: "Ich kann nicht anders sein als Nicht-Selbst."
Ich bin allerdings im Gegensatz zu Nagai ein Freund bestimmter Erkenntnisse der Hirnforschung, so dass ich selbst für die Erfahrung des Nicht-Selbst die personalen Bedingungen (wie ein individuell funktionierendes Gehirn) voraussetze (dazu empfehle ich die Arbeiten von James H. Austin). Mein Hang zum Mystizismus ist begrenzt. Nicht-Selbst hat darum nur als eigene Erfahrung einen Sinn, nicht als theoretisches Daseinsmerkmal. Von diesem "blauen (wolkenlosen) Himmel" aus - oder, wie es die Autoren auch sagen: nicht mehr einen Film sehen und ihn für wahr halten und gar darin leben, als sei er wahr - ist dann auch, und das sind nun meine Worte, die dualistische Sicht auf eine leidhafte und vergängliche Existenz aufgehoben. Das wäre ja gerade die Welt des (falschen) Filmes. Zwar versteht man mit seinem gewöhnlichen Ich, was das ist und dass dies so ist (alles vergeht und ist leidhaft), entscheidend ist aber, dass MAN (AUCH!) ZU NICHT-SELBST geworden ist oder dieses Nicht-Selbst verwirklicht hat. Denn das Leben wird fortan zu einem Wechselspiel und gegenseitigen Durchdringen des manifestierten Ichs und Nicht-Ichs. Aus diesem Nicht-Selbst heraus - der erwachten Sicht - ist die leidhafte Verstrickung in die Vergänglichkeit beendet. Das bedingte Daseinsmerkmal, auf das oben verwiesen wurde, ist das Ich/Selbst, nicht das Nicht-Selbst. Nirwana ist nicht bedingt (asankhata).
Um diesen Schritt nachvollziehen zu können, stelle man sich einfach vor (so man nicht dort angekommen ist), wie das aussähe, wenn - wie der Buddha gelehrt haben soll - das Leiden überwindbar ist, genauer: wenn es überwunden ist. Ist die Welt dann noch die der Edlen Wahrheiten für den Erwachten (nicht: für die, zu denen er spricht und denen er dies gelehrt hat)? Sind Alter, Tod, Krankheit dann noch Leiden oder nIcht? Wenn ja, dann sind sie nicht überwunden. Wenn nein, dann ist - wie versprochen - das (geistige) Leiden beendet.