Aber es kann auch zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit führen.
Ja, klar, zumindest so lange nichts dazwischen kommt, was das ausgeklügelte System aus Wünschen, Abneigungen und Vorstellungen, was denn ein ausgeglichenes Leben ausmacht, aus dem Gleichgewicht bringt: z.B. Alter, Krankheit und Tod. Oder, um es eine Nummer kleiner zu machen: einfache Gewöhnung. Alle Menschen (ich auch) umgeben sich (im Rahmen ihrer Möglichkeiten) mit Dingen, Gewohnheiten und Regeln, die möglichst wenig Leid und möglichst viel Freude bereithalten. Würde das auf Dauer funktionieren, wäre die buddhistische Lehre überflüssig.
Das bestreite ich ja nicht. Allerdings ist auch so etwas wie Resilizienz erlenbar und auch die Fähigkeit, unglückliche Lebensumstände hinzunehmen, und insbesondere auch die Fähigkeit der Liebe zu anderen Menschen. Und das ganze sicher auch unter dem Stichwort 'buddhistische Praxis'. Etwas in der Art meinte ich jedenfalls mit dem ganzen Zitat, was so lautete.
Es gibt auch den Weg eines ausgeglichenen Lebens, in dem man möglichst bewusst mit sich selbst (den eigenen Wünschen und Gefühlen und Wahrnehmungen und dem eigenen Körper) und anderen Menschen umgeht. Das führt dann nicht direkt zu Nibbana/das Ende des Daseinsdurstes und das Ende des Kreislaufs aus geboren werden und altern und sterben. Aber es kann auch zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit führen.
Dass es nur einen Weg aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten gibt, ist mir bekannt. Der besteht allerdings auch in der Ablösung von der Kultur und den einen umgebenden Menschen, die einen anderen Weg gehen als den der Buddha vorschlug, und die von diesem Weg auch nichts wissen. Für meine Person sehe ich nicht die realistische Möglichkeit, mich einer Gemeinschaft anzuschliessen, die genau diesem Ziel entgegenstreben möchte, zu dem schliesslich auch gehören würde komplett auf Sinnesgenuss zu verzichten.
Allerdings gibt es auch für diejenigen, die Nibbana nicht schon in diesem Leben als Ziel anstreben die Möglichkeit, starken inneren Störgefühlen (alles brennt und juckt und zieht und zerrt?) achtsam oder bewusster zu begegnen. Dazu gehörte aus psychotherapeutischer Sicht zB die Freilegung tiefsitzender sich selbst nie zugestandener seelischer Wünsche. Oder aber auch die Freilegung von tiefgehenden Verletzungen, die vorher das eigene Denken und Handeln entsprechend geprägt hatten. In der Art, dass beispielsweise Mitempfinden mit anderen Menschen oder Mitempfinden mit sich selber nicht möglich gewesen ist. Oder so, dass vertraute Intimität (ich möchte so ein heilsame oder gesunde Form der Sexualität nennen) nicht möglich ist. Gerade Liebe und dazu gehört auch körperliche Liebe nennen andere nicht umsonst ein biologisches Grundbedürfnis, um die Tragweite also Lebensdeterminante dieses Triebes deutlich zu machen. Neben diesem Aspekt des Lebens gibt es noch weitere Säulen des Lebens an denen sich normalerweise eine Art Gesamtzufriedenheit des betreffenden Menschens ablesen lassen kann (es gibt ja hierfür solche Studien). Die mir aus der Psychologie benannten 'Säulen' sind zB noch der Beruf, sowie als weiteren wichtigen Faktor (oder Säule) die Art der Beziehungen innerhalb der Familie. Allerdings ist auch die unmittelbare Wohnsituation ein entscheidender Faktor. Mit Garten oder anschliessendem Wald lebt es sich erwiessendermassen stressfreier und auch gesünder. Jedenfalls sollte man selber in die Lage kommen zu erkennen, was einem gut tut und was nicht. Was man vom Leben will. Weil es einen, solange Samsara nicht überwunden ist ja beklemmen oder stören, aber auch beruhigen oder besänftigen oder sogar Energie spenden kann. Dazu möchte ich als ein Beispiel eine intakte Familie nennen, in der man aufeinander achtet.
Vom Standpunkt Buddhas, der den Kreislauf der Wiedergeburten überwunden hat, das heisst von dem Standpunkt aus, von dem aus offenbar nicht nur die Möglichkeit des Aufkommens jeder weiteren Lust oder Unlust Bildung (auf irgendetwas) unterbunden ist, ist dieses in der Welt also in der Gesellschaft navigierende Streben nach Ausgeglichenheit und Frieden nicht mehr nachstrebenswert. Offenbar ist dieser Zustand so, dass er solche (friedens- oder seligerfüllte) Worte ermöglicht.
Zitat
"Bei einer späteren Gelegenheit, nachdem ich den Ursprung, das Verschwinden, die Befriedigung, die Gefahr und das Entkommen im Falle der Sinnesvergnügen der Wirklichkeit entsprechend kannte , überwand ich das Begehren nach Sinnesvergnügen, entfernte ich das Fieber nach Sinnesvergnügen, und ich verweile ohne Durst, mit einem Geist, der inneren Frieden hat. Ich sehe andere Wesen, die nicht frei von Sinnesbegierde sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, die in Sinnesvergnügen schwelgen, und ich beneide sie nicht, auch ergötze ich mich nicht daran. Warum ist das so? Māgandiya, weil es eine Freude gibt, abseits von Sinnesvergnügen, abseits von unheilsamen Geisteszuständen, welche himmlische Glückseligkeit übertrifft. Da ich mich an jenem erfreue, beneide ich nicht, was geringer ist, auch ergötze ich mich nicht daran."
Quelle
Danke für dieses schöne Zitat!
Meine Vorstellung dabei: Wie ein ein und für alle Mal gestilltes Gefühl. Höchster Frieden in der Gestilltheit aller Gefühlswünsche.
Ich möchte nocheinmal betonen, dass ich vor einem eigenem Erfahrungshintergrund schreibe, und den Wert des zur Ruhe kommens und einer inneren Ausgeglichenheit mit Hilfe einer veränderteren, bewussteren Lebenspraxis (in diesem Leben) gerade vor dem Hintergrund buddhistischer Ambitionen betonen möchte. Dass es Buddha gab und er so lehrte ist das eine. Das andere ist es die Ursachen für eigene Unausgeglichenheit und Unruhe und das permanente Streben nach Ablenkung zu erkennen. Es kann zum Beispiel auch sein, dass einem die passende Aufgabe im Leben fehlt, in der beispielsweise in einem erfüllendem Masse Metta erfahren und gelebt werden könnte. In diesem Fall denke ich auch an eigene erfüllende (und zu Zufriedenheit führende) Tätigkeiten in meinem Leben, die ich, wenn ich es so bewerten müsste, auch in Hinblick auf das buddhistische Ziel Nibbana im Nachhinein für förderlich finde. Da weiß ich: das hat mir auf der einen Seite gutgetan - meine Mitempfindungsfähigkeit gestärkt. Dazu kamen erfüllende/beglückende Erfahrungen, aber auch solche Prozesse, das sich ein für mich schön anzusehendes Selbstbild festigte. Unweise Vorstellungsbildung und die Folgen, wenn annica mal richtig zuschlägt. In meinem Fall von heute auf morgen alles anders und eine starke Bedingung des vorher gefertigten Selbstbildes nicht mehr gegeben --> dukkha sehr sehr schlimm. Aber was ich eigentlich ja sagen wollte und möchte: Jede Aufgabe, jeder Beruf und jede Tätigkeit und jedes Umgehen mit anderen Menschen und eigenen Gefühlen und Wünschen birgt Gefahren. Neben der Triebunruhe auch die Gewissensunruhe beispielsweise. Ich nenne diese mild erscheinenden Gefahren vor dem Kontext unter dem ich hier schreiben wollte:
Die Herausforderung (in Samsara) ist es, bewusst mit eigenen Gefühlen und auch den eigenen Vorstellungsbildungen und den eigenen Wünschen umzugehen. Die Folge davon hiesse aus meiner Sicht auch, dass sich weniger von innerer Unruhe hinter- oder überlagerte Zustände einstellen, so dass man vor diesen Erfahrungshintergrund sagen will, dass es sich so anfühlt, dass alles brennt und juckt und zieht und zerrt.
Letztlich, und da möchte ich in einem buddhistischen Forum auch nicht widersprechen. Ein direkter Weg zu Nibbana ist das Leben in der Gesellschaft nicht. Aber man muss ja nicht jeden Mist sozusagen mitmachen (und dem Abstand davon eine innere Ruhe begünstigen) und im günstigen Fall schafft man sich vielleicht einen Flecken etwas weiter ausserhalb davon (von einer grossen Stadt meine ich). Das wäre doch ein erstrebenswertes Ziel für den, der Abstand von dem Getöse sucht und seine Sinne weniger davon benebelt sehen mag?