Beiträge von SteFo im Thema „Wie Buddhisten das Christentum verstehen“

    Mittlerweile bin ich zum Schluss gekommen, dass das Bedürfnis nach Religiosität, Spiritualität und Glauben (auch oder gerade weil er aus sich selber entsteht) das grösste Hindernis darstellt.

    Da wir hier in einem buddhistischen Forum schreiben, dachte ich es sei allen klar was das Ziel ist, offenbar ist es das nicht.

    Deshalb korrigiere ich:

    Das grösste Hindernis Nibbana in diesem Leben zu verwirklichen, ist das Bedürfnis nach Religiosität, Spiritualität und Glauben

    Du meinst, weil das buddhistische Forum ein Forum einer buddhistischen Glaubensgemeinschaft ist, sollte eigentlich alle an das Ziel "nibbana" glauben, deine Glauben teilen, und also deinen Worten den entsprechenden Sinn zuordnen?

    Nun, ich für meine Teil interessiere mich für Buddhismus aus Gründen der Psychotherapie und aus Gründen der Erforschung von Doktrinen. Ich sehe den Glauben an "nibbana" - wie jeden Glauben, der einem Bedürfnis nach Glauben entspringt - durchaus als psychotherapeutisch relevant an, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Ob ein Bedürfnis nach Glauben angeboren oder erworben ist, weiß ich nicht. Glauben ist mMn erforderlich für commitment und damit für eine harmonische selbstbestimmte Lebensführung.


    Aber nochmal:

    Zitat

    Also ist die Basis deines Gedankens "Hindernis" doch wiederum [ein] Glauben. Das ist nicht schlimm, sondern deutet nur darauf hin, dass deine Verurteilung eines Bedürfnisses nach Glauben (sofern es so ein Bedürfnis überhaupt gibt) unbegründet ist und Glauben "normal" ist (auch ohne Bedürfnis zu Glauben).


    Warum erscheint der Glaube an "nibbana" einem Bedürfnis nach Glauben zu entspringen? Ganz einfach deshalb, weil es ein festhaltender Glaube ist, d.h. du kommst immer wieder darauf zurück, eben weil du ein Bedürfnis danach hast. Diese Intentionalität ist unweigerlich mit dem empfundenen Selbst verbunden.

    Anders zu betrachten ist der momentane spontan auftretende Glaube: Man hört oder sieht was und glaubt es und dann ist es auch schon wieder vergessen. Dazu ist kein Bedürfnis erforderlich, weil so ein Glaubensmoment ein konditioniertes kognitives singuläres Ereignis ist.

    Also ist die Basis deines Gedankens "Hindernis" doch wiederum [ein] Glauben.

    Ich denke nicht, dass zitieren aus dem Palikanon gleich "Glauben" impliziert.

    Doch. Geh nochmal zurück und sieh den Kontext deines Zitierens. Hast du Angst als Glaubender erkannt zu werden?



    Ausserdem habe ich den Begriff "Hindernis" in Bezug auf erreichen von Nibbana verwendet.

    Daran muss man erst mal glauben, an "Nibbana" und "erreichen von Nibbana".




    Da muss man ja auch kein Disput entfachen. Jeder darf seine eigenen Ziele verfolgen. Mir ist es egal ob jemand dazu strebt nach dem Tod zur rechten Gottes zu sitzen, eine Wiedergeburt anstrebt oder in diesem Leben Nibbana verwirklichen möchte.

    Ist schon klar. Solange du deinem Glauben folgst, ist für dich alles ok. Das ist auch wirklich ok: Solange jeder seinem Glauben folgt, ist für jeden alles ok. Probleme entstehen erst durch Zweifel.

    Hindernis bzgl. was?

    Er hat das Begehren abgeschnitten, die Fesseln abgeworfen und mit der völligen Durchdringung des (Ich-)Dünkels hat er Dukkha ein Ende gemacht."

    MN2

    Also ist die Basis deines Gedankens "Hindernis" doch wiederum [ein] Glauben. Das ist nicht schlimm, sondern deutet nur darauf hin, dass deine Verurteilung eines Bedürfnisses nach Glauben (sofern es so ein Bedürfnis überhaupt gibt) unbegründet ist und Glauben "normal" ist (auch ohne Bedürfnis zu Glauben).

    Mittlerweile bin ich zum Schluss gekommen, dass das Bedürfnis nach Religiosität, Spiritualität und Glauben (auch oder gerade weil er aus sich selber entsteht) das grösste Hindernis darstellt.

    Hindernis bzgl. was? Vielleicht liegt dem Gedanken "Hindernis" wiederum "nur" Glauben zugrunde?

    Das Gehirn hat außergewöhnliche Kapazitäten. Als lebendes Organ ist es aktiv und so gehört konditioniertes Denken zum Gehirn. Ist "das Bedürfnis nach Religiosität, Spiritualität und Glauben" angeboren oder erworben?

    Ich denke, dass ausschließlich eine unparteiische "wissenschaftliche" Betrachtung der buddhistischen Doktrin und der christlichen Doktrin als Narrative Sinn macht. Nur wenn die Doktrinen als Narrative wahrgenommen werden, kann man sich ihnen inhaltlich zuwenden, weil der "Wahrheitsgehalt" der doktrinären Aussagen irrelevant ist. Dann lassen sich Kohärenz und Widerspruchsfreiheit der Doktrinen erforschen, und auch der Anteil intellektuell-philosophischer Aussagen und solcher Aussagen, die auf das emotionale Erleben abzielen.

    Das Christentum als Buddhist oder den Buddhismus als Christ erforschen führt dagegen unweigerlich zu Verzerrungen, die den Doktrinen nicht gerecht werden.

    Andreas Grunschloß würdigt die differenzierte Sicht der buddhistischen Denker die er untersucht. Er trifft nicht auf Freundlichkeit sondern eher auf eine Tendenz die Gemeinsamkeiten zwischen Buddhismus und Christentum zu betonen. Er beklagt dass dies bei Einheitspostulaten steckenbleiben kann und hebt den Dalai Lama da positiv hervor:


    Abgesehen vom Dalai Lama wird jedoch eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Widerständigkeit und Fremdheit der biblisch-jesuanischen Verkündigung nicht wirklich gesucht [50]. Die drei anderen Protagonisten entwerfen zudem jeweils relativ "schlicht" - d.h., zumindest für eine religionswissenschaftliche Perspektive - relativ schlicht anmutende Einheitspostulate.



    Zitat

    betont der Dalai Lama sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zwischen Buddhismus und Christentum ... sie seien eben nicht als lediglich unterschiedliche sprachliche Repräsentationen für eine im Wesenskern gleiche Religion anzusehen. Daher solle man auch keine buddhistisch-christliche Einheitsreligion anstreben, denn die religiöse Vielfalt werde - trotz ihres Konfliktpotentials, das nicht unterschlagen werden dürfe - "den unterschiedlichen geistigen Veranlagungen der Menschen" besser gerecht



    Aus christlicher Perspektive (also nicht-psychoanalytisch/nicht-kognitionstherapeutisch gedacht) würde ich seine Sichtweise aus buddhistischer Perspektive bestätigen wollen.

    Es ist nicht möglich begriffliche Elemente der Praxis (wie zB buddhist. metta und christl. Nächstenliebe) zu vergleichen und daraus etwas abzuleiten bzgl. der vermeintlichen "Gemeinsamkeiten" der beiden Religionen. Denn die Grundlagen/Grundannahmen beider Religionen, des buddhistischen (Atheismus oder Agnostizismus?, da mag es in der buddhistischen Gemeinde Unterschiede geben) und des expliziten christlichen Monotheismus sind einfach unvereinbar und beide "durchstrahlen" die gesamte Praxis und damit auch die begrifflichen Elemente der Praxis.

    Der Religionswissenschaftler Andreas Grünschloß hat sich vier bud. Lehrende (Ayya Khema, Thich Nhat Hanh, Dalai Lama, Zen-Meister Kenneth S. Leong) angesehen und deren Verständnis des Christentums, seine Vereinnamung durch sie, seine Interpretation aus buddhistischer Sicht. Ganz interessant, meine ich.


    Andreas Grünschloß, Buddhistische Jesusbilder. Zeitgenössische Beispiele einer buddhistischen Hermeneutik des Christentums

    Ich bin unglaublich lesefaul. Der Text ist mir einfach zu lang. Aber ganz grundsätzlich würde ich vermuten, dass das begriffliche Framing von Buddhisten ihre Wahrnehmung des Christentums und das begriffliche Framing von Christen ihre Wahrnehmung des Buddhistmus bestimmen. Also würde ich vermuten, dass jede Seite ihre rationalen Fabrikationen bzgl. der religiösen Fabrikationen der jeweils anderen Seite parat hat, welche natürlich derart sind, dass das eigene begriffliche Framing gestützt wird. Grundsätzlich kann also das eigene Framing konfrontative Impulse verursachen ("meine Religion ist richtig und deine ist falsch") oder integrative Impulse verursachen ("was die anderen als dies oder jenes verstehen entspricht de facto meinem Glaubensgrundsatz vom diesem oder jenem, was belegt, das mein Glauben richtig ist").

    Das war jetzt wohl sehr psychoanalytisch/kognitionstherapeutisch gedacht. Aus der Perspektive der A(cceptance)C(ommitment) Therapie ist wohl der integrative Ansatz zu bevorzugen: 1. man akzeptiert andere Glaubensansätze (sie stressen einen nicht mehr) und 2. man ist dennoch dem Eigenen (mehr) verbunden, gibt das Eigene wegen dem Anderen nicht auf bzw. findet sogar kognitive Wege, das Eigenen durch das Andere zu stützen. Die Hinduisten praktizieren das in Perfektion, indem sie alle Heilsbringer anderer Religionen einfach in den eigenen Pantheon integrieren.

    Der Religionswissenschaftler Andreas Grünschloß hat sich vier bud. Lehrende (Ayya Khema, Thich Nhat Hanh, Dalai Lama, Zen-Meister Kenneth S. Leong) angesehen und deren Verständnis des Christentums, seine Vereinnamung durch sie, seine Interpretation aus buddhistischer Sicht. Ganz interessant, meine ich.


    Andreas Grünschloß, Buddhistische Jesusbilder. Zeitgenössische Beispiele einer buddhistischen Hermeneutik des Christentums

    Ich bin unglaublich lesefaul. Der Text ist mir einfach zu lang. Aber ganz grundsätzlich würde ich vermuten, dass das begriffliche Framing von Buddhisten ihre Wahrnehmung des Christentums und das begriffliche Framing von Christen ihre Wahrnehmung des Buddhistmus bestimmen. Also würde ich vermuten, dass jede Seite ihre rationalen Fabrikationen bzgl. der religiösen Fabrikationen der jeweils anderen Seite parat hat, welche natürlich derart sind, dass das eigene begriffliche Framing gestützt wird. Grundsätzlich kann also das eigene Framing konfrontative Impulse verursachen ("meine Religion ist richtig und deine ist falsch") oder integrative Impulse verursachen ("was die anderen als dies oder jenes verstehen entspricht de facto meinem Glaubensgrundsatz vom diesem oder jenem, was belegt, das mein Glauben richtig ist").