Wer irgendeinen Weg geht, um irgendetwas zu erlangen, der unterliegt sakkaya-ditthi
Da wäre ich der letzte, Dir zu widersprechen. Der eigentliche Punkt, über den Du offensichtlich im Zweifel bist, ist der, ob der Weg gegangen werden kann, ohne damit etwas für sich erlangen zu wollen. Was speziell übrigens das zentrale Thema des Vajracchedikā-prajñāpāramitā-sūtra ('Diamantsutra') ist.
Zunächst fürs Protokoll die doktrinäre Einordnung dieses Zweifels: Deine Übung ist nicht so weit entfaltet, dass sie zur Überwindung der saṁyojana sakkāyadiṭṭhi und vicikicchā hinreicht (silabbattaparāmāsa dürfte wohl weniger ein Problem sein). Wobei ich einräume, dass das eine Unterstellung enthält - nämlich die, der Wegfall von sakkāyadiṭṭhi hätte Deinen Zweifel gelöst. Was implizit heisst, dass Dir diese Erfahrung fehlt, über deren Folgen (bzw. Nicht-Folgen) Du ein spekulatives Urteil fällst.
Nun ist es sicher wenig hilfreich, wenn ich Dir versichere, dass ein Wegfall von sakkāyadiṭṭhi keineswegs die Motivation, weiter den Weg bis an sein Ende (an dem "alles getan" ist) zu gehen, auslöscht, sondern im Gegenteil vielmehr śraddhā, das Vertrauen in die Übung des Weges, stärkt. Die Motivation erfährt freilich einen Wandel insofern es hinsichtlich ihrer Ausrichtung einen qualitativen Sprung gibt: von der Bemühung zur Überwindung von dukkha als persönlicher Erfahrung zur Bemühung der Überwindung von dukkha an sich. Im Mahāyāna wird an dieser 'Abstraktion' der Motivation schon in einem recht frühen Stadium der Übung (also vor dem 'Stromeintritt') mit den Bodhisattva-Gelübden gearbeitet; da lässt sich entsprechend weniger von einem 'Sprung' sprechen,.
Zum Thema Zweifel / vicikicchā oder kankhā, um das es hier zentral geht sei noch vertiefend / empfehlend auf die Erörterung seiner 16 Formen insbesondere in MN 2 verwiesen. Das würde hier, wo wir ohnehin etwas offtopic sind, zu weit führen.
Es ist kein Zufall, dass bei der Stufe, über die wir sprechen, die Metapher des 'Stroms' (sota) bzw. 'Stromeintritts' (sotāpanna) als Begriff benutzt wird. Nach diesem 'Eintritt' trägt der 'Strom' weiter, nicht persönliche Absicht. Der Prozess des Erwachens hat eine unaufhaltsame Dynamik erreicht; die Bedingungen für die Lösung der weiteren saṁyojana sind unumkehrbar gesetzt.