Beiträge von Sudhana im Thema „Selbsthilfe-/Psychologie-/Perönlichkeitsentwicklungs-Bücher und Zen - kontraproduktiv?“

    Es gibt auf reddit einen subreddit '/Zen' rund um den illustren "Helden" innerhalb diesem sub

    Ich werd's mir nicht anschauen - mein spontaner Verdacht wäre 'byōdō mu funbetsu ken' - Fehlansicht hinsichtlich Gleichheit und Nichtunterscheidung; also eine einseitige Fehlinterpretation von Leere auschließlich unter dem Blickwinkel Gleichheit und Nichtunterscheidung bei Ignorieren konventioneller Unterschiede. Manchmal (! wenn echt und nicht einfach spitzfindig konstruiert) fällt das unter die Kategorie 'Gestank der Erleuchtung' - aber dann legt sich das auch wieder nach einer Weile ...

    Falls du es bereits gelesen hast: Wie ist es sprachlich geschrieben? Relativ poetisch oder eher "modern" bzw. begrifflich "leicht" zu verstehen? Oder anders gefragt, würdest du das Buch Zen-Interessierten empfehlen?

    Ich gehe mal davon aus, dass diese Ausgabe inhaltlich identisch ist mit der amerikanischen (Pantheon, New York & San Francisco, 1969). Letztere hat ein paar Seiten weniger, liegt aber wahrscheinlich nur am Druck. "Poetisch" würde ich den Stil nun nicht nennen. Der 1988 verstorbene Übersetzer und Kommentator war Professor für Philosophie an der University of Hawai'i, "leichte Lektüre" ist das nicht


    Er greift aus aus dem sehr viel umfangreicheren Original die Biographien von 19 Meistern heraus, geordnet in 7 Abschnitten, die jeweils an Hand von zwei oder drei Biographien verschiedene 'Ansätze' des Chan / Zen darstellen. Jedem Abschnitt ist ein ausführlicher Kommentar Changs vorangestellt, hinzu kommt ein Vorwort.


    Das Buch ist insbesondere zu empfehlen, wenn man etwas über den Tellerrand der eigenen Linie / Schule hinaus schauen möchte - speziell auch zu den historischen 'Häusern', die es neben Caodong und Linji ja auch noch gab. Vielleicht nicht gerade für Einsteiger geeignet - aber empfehlenswert allemal.

    Auch, wenn beides nicht grundsätzlich voneinander zu trennen ist, so ist doch das Erkennen Bedingung für das Begreifen, nicht umgekehrt. So ist die Warnung vor zu großem Engagement in begrifflichem Denken zu verstehen - wenn die unmittelbare Anschauung vernachlässigt wird (erst recht, wenn sie ganz fehlt), begreifen wir nur Begriffe. Die klassische Metapher dafür ist der Mond und der Finger, der auf ihn zeigt - man sollte das nicht verwechseln.


    Die Zen-Polemik gegen das 'Schriftenstudium' hat in aller Regel etwas Augenzwinkerndes. Wenn man sich (etwa in den Berichten von der 'Weitergabe der Leuchte') die kurzen Biographien - oder meinetwegen Hagiographien - der großen Dharmavorfahren anschaut, so wird dort häufig auf deren zu Beginn ihrer 'Laufbahn' erworbene gründliche und tiefe Kenntnis der Schiften verwiesen. Linji / Rinzai ist ein typisches Beispiel dafür. Es wird dabei allerdings auch sehr deutlich, dass dieses Schriftstudium alleine keine hinreichende Bedingung für Einsicht / Erkennen ist. Es kann allenfalls die Praxis des Weges inspirieren - wenn der oder die Studierende gewillt und entschlossen ist, über die Begriffe und das begriffliche Denken hinaus zu gehen.


    Die Gefahr beim 'Schriftenstudium' ist, sich im Begreifen zu verlieren. Und eben dies war während der Entstehung des Chan ein generelles Problem der etablierten Schulen Chinas. Da wurde das 'dreifache Studium' von Prajńā, Śīla und Samādhi häufig auf Studium der Śastras bzw. des Abhidharma (Prajńā), des Vinaya (Śīla) und der Sūtras (Samādhi) reduziert, also des Tripitaka. Dem setzte Huineng explizit eine andere Auffassung von 'dreifachem Studium' entgegen: die unmittelbare Manifestation des Geistgrundes (das āśraya der Cittamātrin) ohne Irrtum (Śīla), ohne Torheit (Prajńā) und ohne Verwirrung (Samādhi). Was implizit einen Verzicht auf das Begreifen bedeutet. Ironie der Geschichte - Huineng selbst erfuhr sein initiales Erwachen anläßlich eines Zitates aus dem Diamantsutra. Aber das hat er wohl nicht begriffen - nur verstanden.

    Zitat

    Du solltest wissen, dass du durch Erwecken der Übung inmitten des Wahnes Verwirklichung erlangst, noch bevor du sie erkennst. Da weisst du als Erstes, dass das Floß des Diskurses wie der Traum von gestern ist und schließlich schneidest du dein altes Verständnis, das in den Schlingen und Schlangen von Wörtern gefangen ist, ab. Nicht Buddha lässt dies geschehen, sondern es wird durch deine allumfassende Anstrengung vollendet.


    Darüber hinaus – das, was die Übung hervorruft, ist Erwachen; dein Schatzhaus kommt nicht von außen. Übung ist die Funktion des Erwachens, wie könnte das Handeln des Geistgrundes irre gehen?


    Dōgen, Gakudō yōjinshū ('Hinweise zum Studium des Weges')

    Zrebna : Chan / Zen war von Anbeginn an ein ganzheitlicher Ansatz, eine integrale Praxis - was wiederum Integration des dreifachen Studiums von Prajńā, Śīla und Samādhi bedeutet. Über diese 'integrale Praxis', deren 'Kern' / Zentrum das zuochan / zazen ist, hinaus speziell Prajńā zu studieren, dient der Dharmaübertragung mit dem Wort - und die ist nicht wirklich getrennt von der Dharmaübertragung mit dem Körper oder mit dem Geist. Sie sollte es zumindest nicht sein. Jedenfalls - die Tore des Dharma sind ohne Zahl; ich gelobe, sie alle zu durchschreiten. Das dritte der vier großen Bodhisattva-Gelübde des Zen, shi gu sei gan.


    Wenn ich Japaner und in Japan ordiniert wäre, hätte ich wohl im Rahmen meiner Ausbildung einen Ph.D. oder zumindest Master der Buddhologie an der Komazawa-Universität gemacht - ist da so üblich wie hierzulande ein Theologie-Studium für einen Pfarrer. Auch im Rinzai, nur studieren die idR an der Hanazono. So hat's bei mir nur zu etwas autodidaktisch erworbenenem Halbwissen gereicht ...

    Wer irgendeinen Weg geht, um irgendetwas zu erlangen, der unterliegt sakkaya-ditthi

    Da wäre ich der letzte, Dir zu widersprechen. Der eigentliche Punkt, über den Du offensichtlich im Zweifel bist, ist der, ob der Weg gegangen werden kann, ohne damit etwas für sich erlangen zu wollen. Was speziell übrigens das zentrale Thema des Vajracchedikā-prajñāpāramitā-sūtra ('Diamantsutra') ist.


    Zunächst fürs Protokoll ;) die doktrinäre Einordnung dieses Zweifels: Deine Übung ist nicht so weit entfaltet, dass sie zur Überwindung der saṁyojana sakkāyadiṭṭhi und vicikicchā hinreicht (silabbattaparāmāsa dürfte wohl weniger ein Problem sein). Wobei ich einräume, dass das eine Unterstellung enthält - nämlich die, der Wegfall von sakkāyadiṭṭhi hätte Deinen Zweifel gelöst. Was implizit heisst, dass Dir diese Erfahrung fehlt, über deren Folgen (bzw. Nicht-Folgen) Du ein spekulatives Urteil fällst.


    Nun ist es sicher wenig hilfreich, wenn ich Dir versichere, dass ein Wegfall von sakkāyadiṭṭhi keineswegs die Motivation, weiter den Weg bis an sein Ende (an dem "alles getan" ist) zu gehen, auslöscht, sondern im Gegenteil vielmehr śraddhā, das Vertrauen in die Übung des Weges, stärkt. Die Motivation erfährt freilich einen Wandel insofern es hinsichtlich ihrer Ausrichtung einen qualitativen Sprung gibt: von der Bemühung zur Überwindung von dukkha als persönlicher Erfahrung zur Bemühung der Überwindung von dukkha an sich. Im Mahāyāna wird an dieser 'Abstraktion' der Motivation schon in einem recht frühen Stadium der Übung (also vor dem 'Stromeintritt') mit den Bodhisattva-Gelübden gearbeitet; da lässt sich entsprechend weniger von einem 'Sprung' sprechen,.


    Zum Thema Zweifel / vicikicchā oder kankhā, um das es hier zentral geht sei noch vertiefend / empfehlend auf die Erörterung seiner 16 Formen insbesondere in MN 2 verwiesen. Das würde hier, wo wir ohnehin etwas offtopic sind, zu weit führen.


    Es ist kein Zufall, dass bei der Stufe, über die wir sprechen, die Metapher des 'Stroms' (sota) bzw. 'Stromeintritts' (sotāpanna) als Begriff benutzt wird. Nach diesem 'Eintritt' trägt der 'Strom' weiter, nicht persönliche Absicht. Der Prozess des Erwachens hat eine unaufhaltsame Dynamik erreicht; die Bedingungen für die Lösung der weiteren saṁyojana sind unumkehrbar gesetzt.

    ... was ich aber weiß ist dass per Doktrin die Selbst-Identifikation durch den Sotapanna aufgegeben wird, dass aber die Selbst-Identifikation benötigt wird, um den Pfad zu Ende zu praktizieren, weil sonst keine Motivation da sein kann, rechte Ansicht, rechte Absicht und das ganze übrige "rechte" weiterhin zu praktizieren. Ohne Selbst-Identifikation keine Zielsetzung. Und dies nenne ich die inhärente Inkonsistenz des Buddhismus

    Okay, das ist jetzt eine spezifische Sthaviravada-Geschichte bzw. Theravada als einziger noch existierender Tradition dieses Zweiges. Aber sei's drum. Der Sotāpanna ist definiert durch Freiheit von drei der zehn saṁyojana (Bindungen / 'Fesseln'), insbesondere von sakkāyadiṭṭhi, vicikicchā und silabbattaparāmāsa. Während vicikicchā mit skeptischer Zweifel / Unsicherheit bezüglich der Heilsamkeit des achtfachen Pfades wiedergegeben werden kann und silabbattaparāmāsa eine Form des Ergreifens / Anhaftens (upādāna) ist, speziell auf Regeln und Rituale bezogen, ist sakkāyadiṭṭhi eine Sichtweise (diṭṭhi, wörtl. 'Sicht'). Nicht sammādiṭṭhi, rechte Sicht und erstes Pfadglied, sondern micchādiṭṭhi, falsche Sicht. Nun werden speziell bei sakkāyadiṭṭhi zwanzig Arten unterschieden; um das nun nicht im einzelnen auszuführen, so geht es da um Auffassungen über Beziehungen zwischen einem postulierten Selbst und den pañc’upādāna-kkhandhā, den fünf Aggregaten des Ergreifens. Im wesentlichen tritt sakkāyadiṭṭhi in zwei Formen auf: einer eternalistischen (sassatadiṭṭhi - das Selbst ist etwas unabhängig von den kkhanda und auch nach deren Zerfall Existierendes) und einer nihilistischen (ucchedadiṭṭhi - das Selbst ist identisch mit den kkhandas und vergeht mit ihnen).


    Deine These - wenn ich Dich richtig verstehe - ist nun die, dass mit dem Wegfall dieser Sichtweisen auch die Motivation, den Weg zur Überwindung von Leiden weiterzugehen, wegfiele. Da bin ich spontan versucht, Dich zu fragen, was Dich da so sicher macht. Mal grundsätzlich: wer den Weg geht, um etwas für sich zu erlangen und sich da von irgendwelchen Ködern motivieren lässt, der macht etwas verkehrt. Man - wer oder was auch immer dieses 'man' ist - geht den mittleren Weg, um zu verlieren. Und da gibt es noch einiges mehr zu verlieren als nur sassatadiṭṭhi und ucchedadiṭṭhi. Ob mit oder ohne diese Sichtweisen - dukkha ist real. Da bleibt noch ein bißchen was zu tun ...

    Sorry, aber ich schreib für dich nicht nochmal, was ich bereits geschrieben habe.

    Meinst Du etwa das hier? Da schreibst Du ausweichend von Inkonsistenzen bei verschiedenen Übersetzern - was ja wohl etwas anderes ist, als Inkonsistenzen der Lehre. Dann deutest Du irgendwelche Inkonsistenzen zwischen verschiedenen "Textsammlungen" an, die man angeblich vom selben Übersetzer lesen muss, um sie erkennen zu können - natürlich ohne auch nur einen einzigen konkreten Beleg oder ein Beispiel für soch eine Inkonsistenz zu nennen. Nö - das brauchst Du wirklich nicht noch einmal schreiben, das ist eine reine Luftnummer.

    SteFo : werde doch endlich mal konkret, was Du mit "inhärente Inkonsistenz" meinst, statt nur bedeutungsschwanger herumzublubbern. Bislang ist das nicht mehr als eine bloße Behauptung / Unterstellung von Dir. Und das hier ist nicht das erste Mal, dass ich eine solche Klärung anmahne. Also lass uns doch mal Tacheles reden über diese angebliche "inhärente Inkonsistenz".


    Offen gesagt habe ich den Eindruck - wenn sich hier jemand seinen/ihren eigenen Buddhismus zusammenschustert, dann bist vor allem Du das. Dass Du Dich inhaltlich derart bedeckt hältst, lässt den Verdacht nicht nur eines praktischen, sondern auch eines Theoriedefizits zu.

    Ich denke, die hier nachgefragte Literaturgattung lässt sich unter 'Ratgeber zur Selbstoptimierung' zusammenfassen. Offen gesagt - ich verstehe nicht, wo da ein Zusammenhang zum Studium der Überlieferung des Dharma - sei es schriftliche, sei es Übertragung von Herz-Geist zu Herz-Geist - bestehen soll. Bei letzterem geht es nicht darum, das Selbst zu optimieren, sondern dessen wahre Natur zu verstehen und zu verwirklichen. 'Selbstoptimierung' ist nichts anderes, als sich um eine günstigere Position für die Weitergabe seiner Gene im Rattenrennen der Evolution zu bemühen. Als ob das das Problem wäre ...