Beiträge von Hendrik im Thema „Aufarbeitung von Mißbrauch im Buddhismus“


    Das ist ein wichtiger Punkt! Und es sollten bei jedem die Alarmglocken schrillen, wenn das Wohl einer religiösen Institution, Gruppe oder eines Zentrums über die Unversehrtheit eines einzelnen Menschen gestellt wird.

    Das ist ja noch recht frisch. Ich frage mich eher, ob es seither überhaupt die Nachfrage dafür gab.

    Es kann sein, dass es seither keine Übergriffe gab oder keiner versucht wurde sex. missbraucht zu werden.

    Die gab es. Mehrfach. Es reißt leider nicht ab.


    Ich habe nicht alles angehört, aber die Fälle um die es bisher ging, bezogen sich alle nicht auf DE, soweit ich das verstanden habe. Da muss man auch aufpassen finde ich, das man ein Problem nicht größer macht als es ist.

    Es gibt viele Fälle in DE: Zernikow und Diamantweg sind sicher die bekanntesten.


    Problematisch sind auch die Fälle, bei denen in deutschen Sanghen die Taten von Lehrern, denen man sich zugehörig fühlt, tabuisiert werden. Da haben wir etwa die Karma Kagyü Gemeinschaft Deutschland, die Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Karmapa schlicht für „Fake-News“ erklärt und versucht Druck auf diejenigen auszuüben, die darüber berichten, um sie zum Schweigen zu bringen.


    Diese Argumente hört man bei der Aufklärungsarbeit zu Missbrauch in der bud. Community häufiger:

    • Was geht es mich an?
    • Die meisten bud. Gruppen sind doch okay, leisten eine gute Arbeit, darüber spricht dann aber keiner.
    • Wenn man über das Missbrauchsthema spricht, sich empört, was falsch läuft, dann erzeugt das eine negative Dynamik. Es hinterlässt den Eindruck, alles wäre schlecht.

    Was geht es Dich an? Missbrauch in unserer Community geht Dich genauso viel an, wie etwa der Klimawandel. Da engagierst Du Dich schließlich auch. Du bist Teil des Gesamtsystems und kannst Dich nicht separtieren, auch wenn Du wolltest.


    Dies wird in den alten Quellen idapaccayatā „Hier und jetzt Bedingtheit“ oder aññamaññapaccaya „Wechselseitiges Bedingen“ oder auch paticca samuppada „bedingtes Zusammen-Entstehen“ genannt. Eingängiger beschreibt es die Formel: „Wo dies ist, gibt es jenes, wenn dies entsteht, entsteht jenes. Wo dies nicht ist, gibt es jenes nicht, wenn dies vergeht, vergeht jenes.“ Diese Wirklichkeitssicht bildet die Grundlage dessen, was der „Weg des Buddha“ genannt wird. Kein Teil und Aspekt der buddhistischen Lehre und Praxis ist verstehbar und durchführbar, ohne diese Grundaussage zu kennen, zu verstehen, zu berücksichtigen.


    Die meisten bud. Gruppen sind doch okay, leisten eine gute Arbeit, darüber spricht dann aber keiner. Doch darüber wird mehr gesprochen, als über die Missbräuche. Schau Dir dieses Forum an und zähle die Beiträge zu anderen Themen als Missbrauch aus. Oder meine eigene Arbeit: Die U\W hat 100 Seiten. Davon haben wir max. je Ausgabe einen kritischen Bericht, der auch meist nicht Missbrauch betrifft, sondern aus der Ecke Religioinskritik kommt, max. 4 Seiten von 100. Oder die Berichterstattung über den DL. Über den gesamten Zeitraum seit den 50iger Jahren werden die positiven Berichte in der Überzahl sein. Und auch jetzt versuchen viele Kommentatoren einen sachlichen Blick auf die aktuellen Vorkommnisse. Der Eindruck, es werde nur noch über die negativen Seiten gesprochen, ist rein subjektiv.


    Wenn man über das Missbrauchsthema spricht, sich empört, was falsch läuft, dann erzeugt das eine negative Dynamik. Es hinterlässt den Eindruck, alles wäre schlecht. Nein, es macht Dir nur ein schlechtes Gefühl. In Wahrheit schafft es Bewusstsein für ein Problem. Dieses Bewusstsein hilft, zukünftig Missbrauch zu verhindern und schützt so Menschen.


    Ich habe Dich, Thorsten Hallscheidt , persönlich angesprochen. Aber dies nur als Stilmittel. Ich unterstelle Dir nichts.

    Traurig macht, dass ich überzeugter denn je bin, dass es eine große Lüge ist, wenn Institutionen von Aufarbeitung sprechen, weil es geschieht genau JETZT und wird immer geschehen, massiver als es je war, unabhängig von der geographischen Lage des Platzes.

    Ein möglicher Ansatzpunkt ist es ja die Möglichkeiten, dass Missbrauch passieren kann, möglichst gering zu halten und die Möglichkeit für Betroffene, wenn Missbrauch passiert ist, Hilfe und Unterstützung zu erhalten auszubauen. Dafür ist es in meinen Augen sinnvoll sich Fälle aus der Vergangenheit anzuschauen und aus dem, was dort schief gelaufen ist für die Zukunft zu lernen.

    In pädagogischen Einrichtungen wird zum Beispiel die Sensibilisierung der Mitarbeitenden in Bezug auf das Thema angestrebt, um auffälliges Verhalten erkennen und angemessen reagieren zu können. Außerdem wird in Einrichtungen ein Beschwerdemanagement als besonders wichtig angesehen. Das heißt, es muss eine unabhängige Stelle geben, die Beschwerden unvoreingenommen entgegen nimmt. Das sollte auch auf religiöse Gemeinschaften übertragbar sein.


    Ein wichtiger Aspekt: Der mutmassliche Täter muss umgehend aus der Position entfernt werden, bis der Tatbestand final geklärt ist. Ist er schuldig, darf er keinesfalls weiter lehren. Es muss in Therapie und gegebenfalls Schadensersatz leisten und es muss Strafe folgen. Alles andere birgt das Risiko des Rückfalls. "Rückfall" heißt, dass weiteren Menschen geschadet wird. Täter, die keine Konsequenzen erfahren, werden so gut wie immer rückfällig.

    Es gibt eine Anekdote, dass der Dalai Lama auf einer Konferenz mit Wissenschaftlern zu dem Thema Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) berichtet hat, dass Tibeter darunter nicht so sehr leiden würden.


    Thubten Chodron Lamrim Teachings - Foundations of the Path:


    At one science conference with His Holiness, His Holiness was astonished to learn that many Westerners had low self-esteem. We also talked about post-traumatic stress syndrome (PTS). His Holiness said that most Tibetans don’t suffer much from this. Some of them may have a few problems, but not to the extent of other people in similar situations who had been subjugated to torture and imprisonment. The scientists were completely shocked by this. There was one guy there whose whole profession was dealing with PTS. He could not believe it when he heard these stories about how the Tibetans survived these horrible atrocities in prison—being beaten, having electric cattle rods put on the body. Some of them might have a few problems, but they were not complete basket cases. I think this really comes through the force of their Dharma practice. By knowing how to put all these horrible things in perspective, and by being able to generate a positive attitude in spite of what’s going on around you.

    Ich frage mich nun, ob diese Wahrnehmung, dass Menschen in Tibet nicht in der Form unter PTBS leiden, wirklich nur mit deren Dharma Praxis zu tun hat oder nicht auch möglicherweise mit einer mangelnden Sensibilisierung in Bezug auf die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung in der Gesellschaft?


    Nach anderer Einschätzung sind die Tibeter als Kollektiv stark traumatisiert. Durch den Verlust ihrer Heimat. Das macht Reformen auch so schwierig. Aufgrund dieser Verlusterfahrung fürchtet man um die eigene Kultur. Da heißt es dann: Bewahren, Bewahren, Bewahren! Deshalb wir oft Modernisierung als Gefahr wahrgenommen.


    Ich glaube auch nicht, dass der Tibeter als Individuum gegenüber Traumatisierungen resilienter ist. Im Grunde funktionieren wir Menschen schließlich alle gleich. Da könnte es tatsächlich einfach an der Sensibilisierung für das Thema mangeln.