Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Ich empfinde den Buddhismus als trost- und hoffnungslos“

    Gibt es hier noch jemanden dem klar ist dass ‚der Buddhismus‘ nichts weiter als ein Name mit anhängigen Vorstellungen ist, die je nachdem ausfallen?

    Nein, das sehe ich nicht so. Es gibt einige Konstanten bei allen buddhistischen Schulen, die auch "die vier Siegel" genannt werden. Fehlt eine von diesen Konstanten, mag es ein interessantes und wertvolles Lehrgebäude sein, buddhistisch ist es dann nicht mehr. Die vier Siegel sind folgende:


    Alles Bedingte ist unbeständig. Vergänglichkeit

    Alles Bedingte ist leidvoll. Leidhaftigkeit

    Alles ist ohne eigenständiges Selbst. Nicht-Ich und Leerheit

    Nirvana ist Frieden. Befreiung


    Die ersten beiden Siegel sind ausreichend, zumindest alle herkömmlichen Zielvorstellungen von Beruf, Glück, Sinn, etc. gründlich infrage zu stellen.


    Zudem sind Leiden auch die Ursachen des Leidens klar definiert in den vier edlen Wahrheiten. Ich kenne keine buddhistische Richtung, die sich darauf nicht beziehen würde.


    Es ist also nicht alles automatisch irgendwie richtig, was Leute an Vorstellungen mit der buddhistischen Lehre verbinden.

    Opfer und Täter. Die Welt wirkt auf uns, wir wirken auf die Welt – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Wirken und das, das Wirkung erfährt, selbst zum Teil der "Welt" werden. ;)


    Hoffnung würde bedeuten, dass es irgendetwas Positives gäbe, das nicht vergänglich wäre. Verzweiflung würde bedeuten, dass es nichts Negatives gäbe, das nicht vergänglich wäre. Beides ist nicht der Fall.


    Wenn Hoffnung hingegen bedeutete, dass man nur die richtige Methode finden müsste, damit man ein gutes und sicheres Leben hat, so ist diese Hoffnung wahrscheinlich vergebens, mit einer Ausnahme vielleicht.


    Wenn klar wird, dass die Angst vor dem Abgrund unbegründet ist, weil man selbst der Abgrund ist, so kann man sich möglicherweise im Fallen einrichten. Diese Hoffnung ist nicht unbegründet, denke ich.


    Einen schönen Satz habe ich in dieser Woche gelesen:


    Ich kann das meiste nicht kontrollieren, aber ich kann beeinflussen, wie ich damit umgehe.


    Schöner Kalenderspruch. Ich habe ihn in Gedanken mal auf alles angewendet, was mir Angst macht oder die Verzweiflung nährt.


    Und noch ein Wort zum Sonntag:


    Stärke ist, wenn ich meine Wunden heile, statt meinen Schmerz in die Welt zu tragen.


    Amen!


    :badgrin:

    Das halte ich für eine verkürzte Darstellung - und damit auch wieder für einen Grund, Buddhismus eine pessimistische Grundhaltung zum Leben zu attestieren.


    Ich halte das nicht für die Grundlage einer pessimistischen Sichtweise auf den Buddhismus. Wünschen, Erwarten und Hoffen weisen in die Zukunft, die Vergangenheit oder in die Welt der Vorstellungen. Das bedeutet: es fehlt scheinbar jetzt etwas, von dem ich hoffe, dass ich es in der Zukunft erlangen möge, um glücklich zu sein, um ich selbst zu sein, um das wahre Leben zu leben, etc. Es fehlt aber nichts. Alles ist da und vollkommen. Diese Erfahrung ist eine Frucht der Praxis. Allerding ist es, soweit ich sehe, leider nicht damit getan, Texte zu lesen und einmal am Tag zu meditieren. Diese Erfahrung nur ein Tor: Ich muss sie immer wieder erneuern, weil sie sonst verblasst und zur Vorstellung wird, zu einem neuen Wunsch – bis vielleicht irgendwann einmal die Wurzeln der Geistesgifte endgültig abgeschnitten sind, und natürlich und selbstverständlich keine Identifikation mehr stattfindet.


    Das Wünschen und Vermeiden führt aus der unmittelbaren und unvermittelten Gegenwart hinaus in die Welt der Vorstellungen und Erwartungen. Das ist eine Facette des Leidens, vielleicht sogar die wesentliche Facette des Leidens überhaupt. Leben findet nicht in Vorstellungen, Wünschen oder Erwartungen statt. Sie verbergen das Leben, schneiden mich davon ab.


    Ich tappe immer wieder in dieser Falle und brauche die intensive Praxis (viele Stunden über mehrere Tage), um mich wieder und wieder ein Stück herauszuarbeiten. Und selbst das gelingt mir nur nach längeren Retreats, weshalb sie auch so wichtig sind.... banales Haushälterleben im medialisierten 21sten Jahrhundert halt. Alles ist vollkommen, wenn ich mal die Füße still halte und nicht dauernd an allem und jedem versuche, herumzuschrauben, wenn der Affe mal zur Ruhe kommt.