Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Der Anfänger und wie er sich der Überlieferung nähern könnte (Zweifel statt Glaube)“

    Bebop

    Gerade las ich in eine Passage aus dem Hokyoki, Dogens persönlichen Aufzeichnungen seiner Gespräche mit Zenmeister Rujing im Tiantong-Kloster. Dabei musste ich an unsere Diskussion neulich denken.


    Mischmasch bedeutet in diesem Falle: Der Weg (das Floß) kann differieren, Akzente können unterschiedlich, Sichtweisen in Detailfragen verschieden sein. Dennoch: Zen kommt nicht aus dem luftleeren Raum, ebenso wenig wie Chan oder der Nalanda-Buddhismus. Für mich ist dieser Rückbezug auf den Ursprung der Lehre bei Dogen etwas, das ich besonders schätze. Es geht immer um eines: Befreiung. Wie bei einer Skulptur im Museum: erst wenn ich sie von verschiedenen Perspektiven aus betrachtet habe, bekomme ich eine Ahnung ihrer wirklichen Form.

    Soto-Zen: Mischmasch von Anfang an:

    Zitat

    Um seine Sicht des Buddha-Dharmas anhand konkreter Beispiele zu untermauern, greift Dōgen auf die gesamte buddhistische Überlieferung zurück. Er zitiert zahlreiche Schriften aus dem Theravāda und den großen Mahāyāna-Sūtren. Oft geht er detailliert auf die chinesischen Aufzeichnungen der späten Tang- (618–907) und Songzeit (960–1279) ein. Dōgen sammelte auch 301 kōan in chinesischer Sprache (das Shinji shōbōgenzō), die ihm als Quelle für seine Darlegungen dienten und die er im Licht seiner Erfahrung erläuterte und neu interpretierte. Alle Zitate aus den Lehrschriften und kōan gibt Dōgen im Urtext im chinesischen Kanbun-Stil wieder.

    Aus den Anmerkungen zur Übertragung ins Deutsche von Ritsunen Gabriele Linnebach, Shobogenzo, Band 1, S 22, Kristkeitz Übersetzung.

    Also ich kann doch genau erkennen, dass du aus der Warte eines Theravadin sprichst, und wollten Zennies Theravadin sein, dann bräuchten sie ja kein Zen.

    Und Du willst mir was von Dualismen erzählen... :lol:


    40 Jahre Praxis... und dann so abgeklärt? Du möchtest zum Ausdruck bringen: Ich habe das alles schon durchgemacht, durchlebt und durchdacht. MIR kann man nix mehr erzählen, richtig? Die Kritik am Buddhismus wird zur Chefsache, vielleicht sogar zur Bestimmung?

    Bebop, die Speerspitze der Aufklärung gegen die finsteren, betäubenden Nebel des Religiösen und der pervertierten Bigotterie in Mönchs- und Meistergewand?


    :o


    Aber warum auch nicht? Wenn es denn Freude macht... ist ja auch nicht meine Sache. _()_


    In unserer Sangha jedenfalls referieren wir – neben Zen-Texten – immer wieder auch auf den Palikanon. Das ist natürlich unsere Basis, die Lehrreden sind unsere Wurzeln, auf die auch der Zen aufbaut. Dieses Buch z.B. erfreut sich großen Interesses. Ich kann es empfehlen, gerade für "Zennies":


    Klick


    ;)

    Was passiert, wenn ich nach Sinneslust strebe? Ich werde zuweilen frustriert. Was passiert, wenn ich am Dasein hänge? Ich werde Angst vor dem Sterben haben. Usw. Dann kommt man dem Motiv von Buddhas Suche auf die Spur und kann sich selbst den "mittleren Weg" durch diese Texte bahnen. Der Buddha war einer, der sich Frust ersparen wollte.

    Die buddhistische Lehre hat nichts mit "Frust ersparen" zu tun. Wenn die Geistesgifte zur Ruhe kommen, geschieht etwas anderes, dass die Qualität der Sinneslust vollkommen in den Schatten stellt:


    Zitat

    Ebenso, Māgandiya, vergnügte ich mich früher, als ich ein Leben zu Hause führte, versorgt und ausgestattet mit den fünf Strängen sinnlichen Vergnügens: mit Formen, die mit dem Auge erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Klängen, die mit dem Ohr erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Gerüchen, die mit der Nase erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Geschmäckern, die mit der Zunge erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Berührungsobjekten, die mit dem Körper erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen. Ich hatte drei Paläste, einen für die Regenzeit, einen für den Winter und einen für den Sommer. Ich hielt mich die vier Monate der Regenzeit über im Regenzeit-Palast auf, vergnügte mich mit Musikern, die alle Frauen waren, und ich ging nicht zum unteren Palast hinunter.


    "Bei einer späteren Gelegenheit, nachdem ich den Ursprung, das Verschwinden, die Befriedigung, die Gefahr und das Entkommen im Falle der Sinnesvergnügen der Wirklichkeit entsprechend kannte , überwand ich das Begehren nach Sinnesvergnügen, entfernte ich das Fieber nach Sinnesvergnügen, und ich verweile ohne Durst, mit einem Geist, der inneren Frieden hat. Ich sehe andere Wesen, die nicht frei von Sinnesbegierde sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, die in Sinnesvergnügen schwelgen, und ich beneide sie nicht, auch ergötze ich mich nicht daran. Warum ist das so? Māgandiya, weil es eine Freude gibt, abseits von Sinnesvergnügen, abseits von unheilsamen Geisteszuständen, welche himmlische Glückseligkeit übertrifft. Da ich mich an jenem erfreue, beneide ich nicht, was geringer ist, auch ergötze ich mich nicht daran."
    Quelle

    Diese Freude ist das Befreiende und Zentrale an der buddhistischen Lehre, nicht die nüchterne und ernüchternde Sichtweise, dass sich Sinneslust eh nicht lohnt. Sie lohnt sich, und es gibt unzählige Dinge, die Spaß machen. Aber es gibt etwas, das weit darüber hinausgeht.