Beiträge von Bebop im Thema „Der Anfänger und wie er sich der Überlieferung nähern könnte (Zweifel statt Glaube)“

    Ich weiß es immer noch nicht, schätze aber, das Vorwort stammt von der Frau Linnebach. Habe auch kein Problem damit, die Sicht Dogens dahinter zu sehen, wie ich in meinem ersten Antwort-Versuch schrieb. Und vor allem höre ich bei "Bonno" Deshimaru, den ich ausgiebig gelesen habe und durchaus insgesamt schätze. Gerade sah ich ihn nochmal in einem Video. Ein Kettenraucher, der sichtbar dem Alkohol zusprach. Das hat also auch bei ihm nicht funktioniert mit den Bonno. Das ist für mich "frommes Wunschdenken".

    Helmut: Weil es eine eigene Schule ist mit eigenen, (aus ihrer Sicht) weiter reichenden Erkenntnissen. Das Zitat von Thorsten zeigt - falls sein Lehrer das lehrt - das Wang-geh bzw. dessen verwirrter Soto-Lehrer diese Schule überhaupt nicht begriffen haben. Es geht hier nicht nur um ein rhetorisches Problem, so nach dem Motto: Der eine sagt bonno, der andere meint mit bonno halt den Text (denn ein Standardkennzeichen des Zen wird ja so zusammengefasst: Jenseits von Worten und Schriften).


    Nein:


    Zitat


    Es geht um Befreiung von den Bonno, um die Überwindung von Anhaftung, Ablehnung und Unwissenheit.

    Ich antworte da am Besten wieder mit einem Koan, das darauf hinausläuft, dass es im Zen um das ANNEHMEN der Bonno geht und um das Leben MIT Anhaftung, Ablehnung und Unwissenheit (auch wenn diese naturgemäß durch Einsicht und Weisheit reduziert werden, aber es ist kein Kampf* um deren Auslöschen, wie im Palikanon).


    Meister Yunmen (jap. Ummon) sagte: "Die Welt ist so groß. Warum ziehst du beim Klang der Glocken deine Roben an?"


    Mit anderen Worten: Warum meinst du irgendetwas "sklavisch-mönchisches" tun zu müssen?


    Das ist die Zen-Freiheit.


    (* damit meine ich das lange Ringen Buddhas inklusive der Askese)

    Im Zen geht es zuallererst um die Befreiung von diesem "Ursprung der Lehre." Das ist doch der Witz von "Offene Weite, nichts von heilig", oder des folgenden Koan. M.E. hat Dogen da einen Rückschritt gemacht, dabei war er ansonsten auf der richtigen Spur.


    Ananda fragte Kashyapa: "Buddha gab dir die goldene Robe der Nachfolge. Was sonst noch?"

    Kashyapa erwiderte: "Ananda?"

    Dieser antwortete: "Ja, Bruder?"

    Kashyapa sagte: "Du kannst jetzt mein Lehrer-Abzeichen abnehmen und es dir anheften."

    Danke. Nun ja, was ist "ätzende Kritik"? Für mich war da eher die Frage, was kenne ich vielleicht noch nicht? Es hätte ja eine Überraschung sein können. Aber über diesen Lehrer habe ich mich mal geäußert, nachdem jemand einen Film über "Zen-Meister" gedreht hatte, in dem Wang-geh sich wiederum auf bestimmte Art geäußert hatte. Man liest z.B., dass er 1992 bereits andere ordinierte, ohne überhaupt die Dharma-Übertragung zu haben (die bekam er offenbar 2001). Ich bin jedenfalls etwas verwundert, was aus den Deshimaru-Abkömmlingen wurde. Aber mir ist jetzt doch etwas klarer, warum Wang-geh in dem Film etwas verwirrt auf mich wirkte.


    Um das kurz zu erklären: Wang-gehs Lehrer, der ihm Dharma-Übertragung gab, ist Dosho Saikawa. Bevor der zum Soto kam, war er Theravada-Mönch in Thailand. So schließt sich der Kreis. Mischmasch.

    Monika:

    Zitat

    Wie schwach, Bebop, sich über andere lustig zu machen.

    Ich bin ein großer Freund von Komödien und Satire, und da macht man sich nicht nur über sich selbst, sondern auch über andere lustig.


    Schade, dass du nicht sehen kannst, dass Überdruss, wie das Luxus-Vorleben des Gautama, eine ganze Menge damit zu tun haben kann, dass man es dann anders macht. Ein Mann der Extreme, wenn man erst die Schilderung des Vorlebens, dann seinen spirituellen Pfad betrachtet.


    Das ist natürlich ein Argument. Weil man demnach selbst nach so einem Leben noch erwachen kann, das Heilsziel erreichen. Und da sind wir wieder bei typischer Religion. Man kann sich sogar im letzten Moment bei den Christen noch die Absolution abholen.


    Also, viele hätten gern erst mal ein Vorleben in Saus und Braus wie der Buddha gehabt und würden danach auch Entbehrungen in Kauf nehmen. Aber die bekommen das nie.


    Boslup:


    Zitat


    sodass es keinen Zeitpunkt geben wird, an dem man nie wieder zum Sinneslustwollen (vierte Fessel) und Übelwollen (=fünfte Fessel) zurückkehren wird.

    Aber warum solltest du das (vierte Fessel) wollen? Und dazu noch als Laie? Ich nehme an, weil du unter Sinneslust leidest, und hoffe doch, es ist nicht nur, weil es irgendwann einer namens Gautama behauptet hat? Also ich weiß von Ärzten, dass sich das im Alter sowieso legen dürfte, dass sich aber die meisten Menschen doch ein bisschen besser fühlen, wenn nicht. Wer ist denn dein Maßstab? Hier ist doch das Problem, dass die wenigsten, die so etwas zitieren, jemanden kennen, der nachweislich so lebt. Das ist wie aus einem Märchenbuch. Unrealistisch.


    Sotapannabumm:


    Zitat


    Es ist aber in der Tat kein leicht zu verdauendes bzw zu verarbeitendes Zitat. Auch deine subjektive Idee darüber, wie man damit umgehen wird, zeigt das ja.

    Jetzt möchte ich wetten, dass du dich in einem Kloster aufgehalten hast. Denn diese Formulierung wird besonders gern von denen gebraucht, die das taten, ich hörte sie schon öfter: Die "subjektive Idee", das habe man nicht recht verstanden etc. Was soll denn eine "objektive Idee" in diesem Zusammenhang sein, wieso sollte dein Verständnis nicht subjektiv sein?


    Torsten:

    Zitat


    Jetzt werde ich persönlich: Ich glaube, Du hast zu früh aufgegeben.

    Das schlägt in die gleiche Kerbe. Im Gegenteil bin ich seit 40 Jahren dabei. Was du in meinen Augen nicht verstehst, ist, dass im Zen - was du angeblich ja auch praktizierst - gar kein Platz mehr für deine Dualismen ist. Also ich kann doch genau erkennen, dass du aus der Warte eines Theravadin sprichst, und wollten Zennies Theravadin sein, dann bräuchten sie ja kein Zen.


    Nun, wenn du alles bestätigt siehst, was der Palikanon erzählt, will ich dir das gerne lassen. Der Anfängergeist im Zen ist die Freude an einfachen Dingen und nicht mit Konzepten rumzulaufen. Die von dir zitierte Textstelle macht einen Dualismus auf, den es im Zen aufzulösen gilt, dann ist auch Begehren möglich, ohne daran zu haften. Das Problem ist im Zen nicht Begehren, sondern Anhaften. Man könnte zwar auch den Palikanon so lesen, aber wohl nicht, wenn man sich gleichzeitig von Theravada- und Zen-Lesarten beeinflussen lässt. Schau dir doch einfach die bestätigten "Zen-Meister" unserer Tage an, entweder hatten/haben sie Sex in ihrer Sangha oder sie haben Ehefrauen, Kinder usw. Einige sprachen/sprechen auch dem Alkohol zu. Keiner von denen strebt nach dem, was du hier zitiert hast, und ich möchte wetten, dass auch dein Zen-Lehrer daran scheitert.


    Im Zen werden diese Dualismen sozusagen versöhnt. Man kann das Wechselspiel von Nicht-Wollen und Wollen akzeptieren und muss das eine nicht mehr gegen das andere ausspielen. Und genau so wird das Leben entspannter und gelassener.

    Zitat

    weil es eine Freude gibt, abseits von Sinnesvergnügen, abseits von unheilsamen Geisteszuständen, welche himmlische Glückseligkeit übertrifft. Da ich mich an jenem erfreue, beneide ich nicht, was geringer ist, auch ergötze ich mich nicht daran."

    Nun gut. 1) Dualismus: "geringer". 2) Was soll denn "himmlische Glückseligkeit" sein?


    Da haben wir wieder das von mir geschilderte Problem. DU selbst weisst am besten, was "himmlische Glückseligkeit" (für Dich) ist und auch, ob da noch was darüber hinausgehen könnte oder nicht. Das kann der Buddha für dich nicht beantworten, und wenn du das glaubst, bist du auf dem von mir kritisierten religiösen Pfad: Du lässt dir von einem anderen irgendetwas erzählen, was er nicht mal konkretisieren kann.


    Wenn er es konkretisiert, belegt er genau das, was ich sagte: Er "beneidet nicht" = schiebt keinen Frust.


    Achso, und der ganze erste Absatz ... Kein Wunder, er hatte es übertrieben, dann fiel er eben ins andere Extrem. Was nur wieder beweist, dass der Buddha, bevor er Buddha wurde, gar nicht so lebte, wie er es dann predigte. Er wurde zum Buddha durch Überdruss.

    Zitat

    Das selbstverständlich ist kein logischer Weg, wie sollte das auch gehen? Es gibt eine empirische Stringenz.


    void erinnerte mich daran, bei der Frage des "Anfängers" zu bleiben. Was steckt m.E. hinter manchen Fragen von Kaiman (Thread hier)? Dass er - wie ich - über die Unlogik der schriftlichen Überlieferung stolpert. Was könnte die Lösung sein? Sich von vornherein klarzumachen, dass es nicht darum geht, eine Religion zu adaptieren, also das Geschriebene nach- oder anzubeten, sondern einen spirituellen Weg zu betreten, bei dem ich mich von Überlieferung inspirieren lassen kann. Empirische Stringenz ist dann lediglich "meine" Erfahrung mit der Überlieferung. Das ist wichtig, und im Zen ist es, vereinfacht ausgedrückt, der Unterschied zwischen dem Autor des Biyänlu (Hekiganroku), Yuanwu Kegin, der unbedingten Glauben einforderte, und Dahui, der den "großen Zweifel" verlangte (bzw. im Palikanon jene Lesart des Kalamer-Sutra, nach der alles kritisch selbst zu prüfen sei). Es braucht da von vornherein eine gewisse Ergebnisoffenheit bei gleichzeitigem Vertrauen, dass am Gesagten was dran sein könnte. Sonst sucht man lediglich nach Bestätigungen, wie einer, der einen geliebten Menschen verlor und dann nach "Zeichen" seiner Anwesenheit in Natur, Tieren usw. fahndet und wahrscheinlich auch Bestätigungen findet, weil er das eben so will.


    Ich gebe jetzt ein Beispiel aus o.g. Thread, was das in der Praxis bedeutet. Lesart Sotta ist "Glauben", d.h. der Text wird einfach als solcher als die Antwort präsentiert, ohne weitere Reflektion.


    Kaimans Frage war:


    Zitat

    Wenn jedoch alles unpersönlich und vergänglich ist , wie kann dann überhaupt etwas anderes daraus entstehen, nämlich persönliches Bewusstsein.


    Sotapannabumms Antwort besteht aus MN 44: Der Ursprung der Persönlichkeit ist Begehren, nämlich nach Sinnesintensität und Dasein. Dieses führe zum "Wiederwerden".


    Was passiert hier wohl mit dem "Anfänger"? Er sagt sich, ich soll also das Begehren nach Sinnesintensität und nach dem Dasein abstellen, dann fällt auch "Persönlichkeit" weg. Als nächstes wird ihm klar, dass er ein solcher Zombie nicht sein will. Er will weiter sein Essen genießen, seine Freundin, das Sonnenlicht auf der Haut, und vor allem will er gerne leben (Begehren nach Dasein). Wenn er so ein bisschen darüber nachdenkt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als "empirisch" zum Schluss zu kommen, dass diese Ansicht von einem Asketen stammen muss. Oder aber der "Anfänger" wird religiös, er glaubt das Gesagte, wohl wider seine eigene Erfahrung, und trainiert sich das Begehren ab und schaut, was da sonst noch so alles steht.


    Auf jeden Fall ist hier bereits durch eine durchaus passende Textantwort das große Fass aufgemacht, nämlich dass der Buddha, wie der Anfänger dann bei weiterer Lektüre feststellen würde, an ein "Wiederwerden" infolge Begehren glaubte, und zwar ein Wiederwerden im Dasein. Der Buddha glaubte also letztlich - denn der Anfänger hat ja deutschen Biologie-Unterricht genossen und weiß es besser - dass nicht das fitteste Spermium sich durchsetzte, um seine Mutter zu befruchten, sondern dass "er" irgendwann mal jemand war, der zu sehr am Dasein haftete und sich nun wieder als Kaiman irgendwo inkarnierte. Nun kann Kaiman sich aber nicht an sein Dasein als Spermium erinnern und die Vorgeschichte und den Buddha nicht wirklich widerlegen.


    Aus diesem Dilemma kommt man m.E am Besten heraus, wenn man diese Geschichten gleich umsetzt von ihrer Wörtlichkeit in eine brauchbare Bedeutung im Alltag. Was passiert, wenn ich nach Sinneslust strebe? Ich werde zuweilen frustriert. Was passiert, wenn ich am Dasein hänge? Ich werde Angst vor dem Sterben haben. Usw. Dann kommt man dem Motiv von Buddhas Suche auf die Spur und kann sich selbst den "mittleren Weg" durch diese Texte bahnen. Der Buddha war einer, der sich Frust ersparen wollte.


    Begehren nach Dasein und Sinnesintensität sind wesentliche Antriebskräfte und sichern unser Überleben. Man kann also wirklich nur hoffen, dass ein Anfänger solche Texte ganz aufrichtig mit dem abgleicht, was er tatsächlich empfindet. Ein Psychologe auf Tiktok gab kürzlich einen Rat, den er als den einzigen aus seiner klinischen Erfahrung bezeichnete, der praktisch immer Depressiven geholfen habe (ich nehme an, nur kurzfristig): Man solle den Papagei im Hirn, der einen ständig mit Müll zuplappert, darauf trainieren, einem ständig zu sagen: "Du bist großartig, du schaffst das, du bist okay!"


    Der Anfänger im Buddhismus sollte sich - da er ja meist aus einer Krise sich dem Buddhismus zuwenden wird - genau das Gleiche sagen, um sich dagegen zu impfen, vom Buddha etwas anderes eingeredet zu bekommen ("wie du denkst und was du tust, alles falsch"). Auf diesem Hintergrund kann er sich dann gern vom Buddha kritisieren lassen. Aber der eigene Papagei muss auf die o.g. Weise dagegenhalten, weil man sonst das Opfer eines Menschen wird, der ein "Begehren danach, Lehrer zu sein" hatte und schon nach seiner Geburt sich einbildete, er sei "der einzige unter dem Himmel ...". Man braucht für so einen eingebildeten Reichen auch eine gehörige Portion Misstrauen.