Beiträge von Maha im Thema „Tätige Nächstenliebe im Buddhismus“

    Ich habe mit der Beschreibung dieses non-dualistischen Seins, in dem keine Unterscheidung mehr zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innen und Außen da ist, meine Probleme …

    Das ist völlig okay. Ich glaube auch nicht, dass Mahayana-Buddhismus für jede/n immer die geeignetste Methode sein muss. Vielleicht ist das einfach nicht dein Ding. Dieser Eindruck entstand zumindest bei mir, als dir im Nachbar-Thread bei der Erwähnung von Koan-Praxis und Zen-Talk nichts anderes einfiel als ein abwertender Bibelspruch über Balken im Auge. Vielleicht erschließt sich dir der Theravada-Buddhismus ja besser.

    Ich meine ja nicht, dass non-dualistische Sicht schlecht ist. Ich glaube nur, dass es da viele Missverständnisse gibt.


    Mein Zitat im Nachbarthread bezog sich auf die Frage, ob man anderen ungefragt ihre Verblendung unter die Nase reiben sollte und darauf wie ich es persönlich mit dieser Frage halte. Ich habe gar nicht wahrgenommen, dass es dabei um Zen oder Koan Praxis ging, beziehungsweise war das für mich nicht der wesentliche Punkt dabei.


    Das Zitat stammt übrigens aus der Bergpredigt und es drückt für mich eine grundlegende Einsicht in die menschliche Tendenz zur Projektion von eigenen Schwächen auf Andere aus.

    Der Buddhismus hat sich ja erst seit den 70ern im Westen verbreitet, als einzelne Lehrer nach USA kamen und den "Hippies" den Dharma gelehrt haben. Seitdem gibt es aber hier schon auch eine Menge engagierter Buddhisten.

    Die "Hippies" sind natürlich in gewissem Sinn auch der Inbegriff von Egozentrik. :lol:

    Es wäre m.E. schön und erstrebenswert, wenn dieses gelebte Mitgefühl auch bei den Buddhisten, in den Sanghas, praktiziert würde....

    Oder?

    Ja, da stimme ich Dir auf jeden Fall zu. Die große Sangha im Sinne der größeren buddhistischen Gemeinschaft von Praktizierenden ist in meinen Augen wichtig als Gemeinschaft für die Entwicklung der Einzelnen. Die spirituelle Freundschaft unter Dharma-Geschwistern - wie unvollkommen auch immer - den Dharma zu teilen aus einem Gefühl der Verbundenheit ist für mich sehr wichtig. Manchmal habe ich das nicht so erlebt in Gruppen oder Zentren, in denen ich war. So etwas muss sich auch entwickeln und muss kultiviert werden von allen Beteiligten.


    Wobei das ja auch noch weit entfernt ist von dem Gleichmut, der keinen Unterschied mehr zwischen Wesen macht, da es eine ingroup / outgroup Unterscheidung beinhaltet.

    Alles nur Gedanken über Gedanken anderer.

    Durch das "nur" klingt es in meinen Ohren etwas abwertend. Haben Gedanken über Gedanken anderer weniger Wert als "reine" eigene Erfahrungen? Das ist doch auch ein wichtiger Aspekt von Bezug auf andere, die vor uns waren oder jenseits unserer eigenen Erfahrung, sich mit ihren Gedanken auseinander zu setzen. Also ich sehen das nicht so negativ. Aber vielleicht war es ja auch gar nicht so negativ gemeint von Dir.


    Die von dir wiedergegebene Lehre verstehe ich so, dass ein Erwachen aus deiner Perspektive (und das ist die einzige, die du jemals haben kannst) das Erwachen aller anderen Wesen miteinschließt. Irgendwer sagte mal: "Wenn du erwacht bist, sind alle Wesen erwacht." Denn nichts, was du jemals erlebst, wahrnimmst oder dir vorstellst, kann getrennt von dir sein. Andersherum verstanden, wäre eine Erleuchtung, die nur dich betrifft und andere ausschließt, wieder geprägt von der Unterscheidung zwischen "Ich" und "Anderen" und könnte nicht als wirkliches Erwachen bezeichnet werden.

    Ich habe mit der Beschreibung dieses non-dualistischen Seins, in dem keine Unterscheidung mehr zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innen und Außen da ist, meine Probleme, weil das oberflächlich betrachtet auch eine Beschreibung eines undifferenzierten frühen menschlichen Entwicklungsstadiums sein könnte. Wenn wir als Säuglinge noch nicht unterscheiden können zwischen Ich und Anderen, zwischen eigenen und fremden Bedürfnissen. Wie kommt es, dass die Beschreibung von vermeintlich sehr fortgeschrittenen spirituellen Verwirklichungen so ähnlich klingt wie das Da-Sein eines Säuglings? Da gibt es doch sehr wahrscheinlich einen wesentlichen Unterschied, der mit entgangen ist, oder?

    Im Christentum geht es ja nicht nur um die Veränderung des eigenen Geistes sondern um die Veränderung der Welt - man soll ja am Reich Gottes mitarbeiten - was ja eine gesellschaftliche Utopie vorgibt - eben eine Gemeinschaft der gegenseitigen Liebe aufzubauen.


    Während im Buddhismus selbst so soziale Haltungen wie karuna, metta mudita nicht als Wege zu einer besseren Welt sondern zu einem friedvolleren Geist gesehen werden..

    Tendenziell verstehe ich das auch so. Wobei es auch im Christentum eine Praxis gab oder gibt, die eine Erlösung der Menschheit durch eine weltabgewandte Praxis hinter verschlossenen Mauern anstrebt. Also nicht wirklich tätig in der Welt. Und im Buddhismus gibt es auch die sozialen Aspekte der Verantwortungsübernahme in sozialen Fragen, wie z.B. bei dem schon erwähnten Engagierten Buddhismus oder Initiativen wie "Mitgefühl in Aktion".


    Bei dem Beispiel mit Buddha und dem kranken Mönch, fällt mir auf, dass hier das tätige Mitgefühl auf die Sangha der Ordinierten begrenzt wird, eben auch gerade weil diese keinen Rückhalt mehr in der Familie als soziale Unterstützung haben.

    Diese Textstell finde ich sehr treffend. Ich frage mich, ob nicht hier die Gleichzeitigkeit der Sorge für Andere und der Selbstsorge das Entscheidende ist. Das eben nicht das eine dem anderen zeitlich vorausgehen muss. Dem entspricht ja auch diese Sicht.

    Ich sehe es ganz laienhaft so, dass im Buddhismus meine Nächsten nicht getrennt von mir existieren und eher ein Teil meiner eigenen Wahrnehmung sind, in diesem Sinne ein unabtrennbarer Teil meiner Existenz. Und so gehe ich mit meinen Nächsten um wie mit mir selbst.


    Mit diesem Eindruck stehst du nicht alleine...


    Der Vorwurf des "Egoismus" haftet den Buddhisten im Westen ohnehin schon ein wenig an, Tenor: "Die sitzen da nur auf dem Kissen herum, während andere, z.B. Christen, die Ärmel aufkrempeln, sich organisieren und praktische Hilfe leisten...!"

    Vielleicht tun wir den westlichen Buddhisten und Buddhistinnen da ja tatsächlich unrecht und es passiert vielmehr in diese Richtung als öffentlich wahrgenommen wird. Man muss ja auch sehen, dass der Buddhismus hier einfach keine fest institutionalisierte Religionsgemeinschaft ist.


    Wenn der Buddhismus seine Glaubwürdigkeit als "friedlichste Religion" mit Schwerpunkt "Mitgefühl für alle Wesen" behalten (und im Westen überleben) will, wäre es m.E. wichtig, nicht länger das Bild zu vermitteln, man "sitze" nur so für sich...


    "An ihren "Früchten" werdet ihr sie erkennen.", ein Ausspruch Jesu -Mt 7,16- , der auch auf Buddhisten anwendbar ist...

    Von void wurde das oben schon angesprochen der Unterscheid zwischen einer Haltung, die die Taten in den Mittelpunkt der moralischen Wertung stellt, und einer Haltung, die die Absicht oder Gesinnung als entscheidend sieht. Da gibt es auch innerhalb des Buddhismus unterschiedliche Ansichten - wie auch im Christentum - könnte ich mir vorstellen.

    Danke für die verlinkten Texte und Textstellen.


    Mich würde aber viel mehr interessieren:


    Wie ist denn eure Sicht auf dieses Thema (sofern ihr eine habt natürlich)? Wie sind eure persönlichen Erfahrungen damit (sofern ihr welche habt)?


    Wie seht und erlebt ihr das?

    Ein Frage, die mich schon länger beschäftigt, ist die, welchen Stellenwert im Buddhismus beziehungsweise in den verschiedenen Spielarten des Buddhismus, die aktive Nächstenliebe hat. Im Christentum gibt es ja die caritas als eine zentrale Tugend, die sich in aktiver Hilfe und Dienst an den kranken und schwachen Mitgliedern der Gesellschaft ausdrückt. Gibt es im Buddhismus etwas vergleichbares? Ich habe mal gehört, dass in vielen Gesellschaften in Asien die buddhistischen Klöster auch Aufgaben im Gesundheitssystem übernehmen etwa bei der Betreuung und Rehabilitation von psychisch kranken Menschen. Das fand ich sehr beeindruckend.


    Ich habe manchmal in den buddhistischen Kreisen hier in unserer Gesellschaft den Eindruck, dass die Motivation zur eigenen Erleuchtung, dem Beenden des Daseinskreislaufs, so im Mittelpunkt steht, dass die aktive Nächstenliebe gar nicht so eine große Rolle spielt. Auch bei dem Bodhisattva-Weg geht es darum, die eigene Erleuchtung zu erlangen, um alle Lebewesen zur Erleuchtung zu führen. Aber so lange man die Erleuchtung selbst noch nicht erlangt hat, kann man da vermeintlich wenig ausrichten. Mal etwas provokant gefragt: Erschöpft sich die tätige Nächstenliebe für uns in einer außerweltlichen Askese und Praxis? Wie seht und erlebt ihr das?