Liebe Anna Panna-Sati .
Mir scheint, dass wir aneinander vorbeireden, denn niemand würde das heilende oder beruhigende Potenzial von Musik oder Mantras bestreiten.
Doch im Buddhismus, insbesondere im Theravāda-Buddhismus, geht es primär darum, Nibbāna zu erreichen – und nicht, zugespitzt formuliert, darum, Depressionen oder Krebs zu lindern. Wenn man diese beiden Ebenen miteinander vermengt, entstehen zwangsläufig Missverständnisse.
Im Theravāda-Buddhismus lernt man, den gesamten Prozess der Wahrnehmung – der meist vollkommen automatisch und nach bestimmten Mustern abläuft – zu verlangsamen und schrittweise zu dekonstruieren.
Sieh hier:
Zitat
"Was das angeht, Bāhiyer, kannst du dich so üben: 'Gesehenes gelte dir nur als Gesehenes, Gehörtes nur als Gehörtes, sinnlich Erfahrenes nur als sinnlich Erfahrenes, Erkanntes nur als Erkanntes.' So kannst du dich üben, Bāhiyer. Wenn dir Gesehenes nur als Gesehenes, Gehörtes nur als Gehörtes gelten wird sinnlich Erfahrenes nur als sinnlich Erfahrenes, Erkanntes nur als Erkanntes, dann, bist 'du' nicht 'dort' Bāhiyer, dann ist 'das' nicht 'deine' Sache, dann Bāhiyer, bist 'du' weder 'hier' noch 'jenseits' noch 'dazwischen': Das eben ist das Ende des Leidens. "[18]
Und so kommentiert der Bhikhu Anālayo:
Zitat XI.4 DIE BELEHRUNG DES BÂHIYA
Laut einer Lehrrede im Udâna war „Bâhiya mit dem Rindengewand“ ein
nichtbuddhistischer Asket, der sich einmal mit der Bitte um Belehrung an
den Buddha wandte, während dieser Almosenspeise sammelte. Während sie
noch auf den Straßen der Stadt unterwegs waren, gab der Buddha ihm eine
kurze Belehrung über ein Wahrnehmungstraining, was dazu führte, dass
Bâhiya sofort vollständiges Erwachen erlangte.50 Die rätselhaft anmutende
Belehrung des Buddha lautet:
„Wenn in dem Gesehenen nur das ist, was gesehen wird, in dem Gehörten nur
das, was gehört wird, in dem Gefühlten nur das, was gefühlt wird, in dem Erkannten
nur das, was erkannt wird, dann bist du nicht ‚durch dieses’; wenn du
nicht ‚durch dieses’ bist, dann bist du nicht ‚darin’; wenn du nicht ‚darin’ bist,
dann bist du weder ‚hier’ noch ‚dort’ noch ‚dazwischen’. Dies ist das Ende von
dukkha.“51
Diese Belehrung richtet das reine Gewahrsein auf alles, was gesehen, gehört,
gefühlt oder erkannt wird. Wenn man das reine Gewahrsein auf diese Weise
aufrechterhält, so wird der Geist daran gehindert, die rohen Daten der
Sinneswahrnehmung zu bewerten und mit Vorstellungen anzureichern. Dies
entspricht dem Abschneiden der ersten Phasen in der Abfolge des Wahrnehmungsprozesses
durch achtsame Aufmerksamkeit. Hier registriert das
reine Gewahrsein einfach das, was an einem Sinnestor entsteht, ohne voreingenommene
Formen des Wahrnehmens und ohne unheilsame Gedanken
und Assoziationen hervorzurufen.52 In Hinsicht auf die Sinneszügelung wird
die Phase des Schaffens eines „Zeichens“ (nimitta) dadurch in das bewusste
Gewahrsein gebracht.53 Reines Gewahrsein in dieser Phase des Wahrnehmungsprozesses
zu verankern hindert die latenten Neigungen (anusaya),
die Einflüsse (âsava) und die Fesseln (saáyojana) am Entstehen.
Zusammengefasst, rein praktisch betrachtet: Was bedeutet es, im Gehörten nur das Gehörte wahrzunehmen? Ein Autor erzählte von einem Freund, der häufig mit seiner Frau stritt. Doch irgendwann realisierte er, dass sich lediglich ihr Mund bewegte, Geräusche herauskamen, diese aber keinen Sinn ergaben.
Ein Beispiel aus meinem eigenen Erleben: Eine wunderschöne Blume auf einer Wiese ist in Wirklichkeit keine Blume – sie ist nur ein bunter Fleck. Dank einer enormen Vielzahl von Prozessen, vielleicht mehr als 17, kann ich diesen Fleck als "Blume" identifizieren. ich ettikketiere sie. Doch wenn ich diesen Prozess bewusst wahrnehme, gibt es wahrscheinlich innere Verbindung mehr zu der Blume.
Ohne Achtsamkeit und Weisheit kann man nicht nur die Schönheit einer Blume verpassen, sondern das ganze Leben. Oder?
Und auch die schöne Musik, Tja.. 
Alles Gute! 
PLUS:
P.S.Nun, ich meinte eigentlich den traditionellen, konservativen Theravāda-Buddhismus und nicht Mahāyāna oder Tantra, die späteren Entwicklungen. In diesen späteren Traditionen kann man unzählige ewige Buddhas im Himmel platzieren – je mehr, desto besser – und auch den Medizin-Buddha sowie Musik einbeziehen. Doch selbst der Buddha lehnte die strengen Riten der alten Brahmanen ab, die er als Fesseln betrachtete.
Wir gelangen stets zu dem Punkt, dass der frühere (oder eher ursprüngliche) Buddhismus, gemäß der Klassifikation von E. Conze, nicht im Mahyayna- Tantra zu suchen ist. Sowohl H.W. Schumann als auch M. Schmidt betonen die frappierenden Unterschiede.
Im Wahrnehmungsprozess interpretieren wir nahezu augenblicklich Musik oder Klänge als angenehm oder unangenehm, wobei in diesem kurzen Moment eine enorme Anzahl von Zuständen erfasst wird. In dem Gesehenen nur das Gesehene, im Gehörten nur das Gehörte usw., denn der Prozess der mentalen Ausschweifung entsteht sofort und unwillkürlich. Was würde den Faden sprengen. Also Adieu