Krishnamurti verfolgt im Grunde folgende Auffassung:
Wenn ich mich auf die Suche nach etwas (Wahrheit, Erlösung, Rettung, etc.) begebe, werde ich auch etwas finden, das dem entspricht, was ich suche, weil die Suche immer schon das impliziert, was dann gefunden werden soll. (Joseph Beuys: Nicht suchen, finden!)
Wenn ich etwas suche, ist damit zugleich auch eine ganze Vorstellungswelt verbunden, wie das, was ich finden möchte, beschaffen sein soll. Diese Erwartungen erfüllen dann verschiedene religiöse und spirituelle Systeme, indem sie anhand der Konstanten Alter, Krankheit, Tod und Leiden Wege suggerieren, die die als beängstigend und unzufriedenstellend erlebte Wirklichkeit gegen eine andere Seinsebene einzutauschen vorgeben. Wie sehr diese neue Ebene auf Autosuggestion und Abhängigkeit beruht, kann man anhand der Gewaltbereitschaft messen, wenn diese Systeme durch andere, konkurrierende Systeme infrage gestellt werden. Mit der Wirklichkeit haben sie jedenfalls meist nicht viel zu tun. Es sind tröstliche Spiele, Halluzinationen.
Religiöse Konzepte dienen ja nicht vorrangig der Welterklärung sondern sind upāya - geschickte Mittel. Wie man aus der Medizin weiß hat jedes Medikament seinen Beipackzettel - wann und unter welchen Bedingungen es genommen werden soll, was die Risiken und Nebenwirkungen sind
Bei den Hindus gibt es bzw den Begriff "bhakti-yoga":
Bhakti-Yoga (Sanskrit, m., भक्ति योग, bhakti yoga) oder Bhakti Marga (Sanskrit: "Weg der Hingabe") ist im Hinduismus die Bezeichnung für den Weg der liebenden Hingabe an Gott, der meist als persönlich angesehen wird. Bhakti ist in allen Hauptrichtungen des Hinduismus, dem Vishnuismus, Shivaismus und Shaktismus, zu finden. Dabei nutzt Bhakti Gefühle als einen Weg, Gott nahezukommen oder sich mit ihm oder ihr zu vereinen. Meist setzt das eine dualistische Gottesvorstellung voraus, da man annimmt, dass Liebe ein Objekt benötige.
So wie das ich im Buddhismus auf anderem Weg aufgegeben wird, wird es hier in der Liebenden Hingabe aufgegeben. Einerseits geben zahlreichen Heilige Zeugnis davon ab, wie das im Idealfall gut funktioniert, aber ebenso klar sind die Nebenwirkungen, die eben an der egoistischen Anhaftung an diesen Gott besteht. Teilweise sieht man das sogar bei einzelnen Menschen wie dem heiligen Franziskus.
Ich denke, man mus sich der Ambiguität stellen, dass religiöse Methoden einerseits funktionieren aber auch schädliche Nebenwirkungen haben können. Viele religiöse Menschen tun das nicht - sie negieren die Risiken und Nebenwirkungen. Sie denken z B dass nur weil bhakti heilsam ist, die damit verbundenen Konzepte auch die Welt erklären, die Gesellschaft organisieren sollten und teilweise andere mit Gewalt dazu gebracht werden sollen.
Während Krishnamurti der Ambiguität in die andere Richtung entkommt. Nur weil etwas erhebliche Risiken und Nebenwirkungen hat, bedeutet es ni hat, dass es nicht funktioniert. Jemand kann durchaus durch Hingabe sein Ego verkleinern, unabhängig ob die damit verbundene Gottesvorstellung ein Äquivalent in der Realität findet. Von daher schüttet Krishnamurti das Kind mit dem Bad aus.
Die Aussage, dass bei manchen Systemen die Risiken die Vorteile überwiegen, ist die eine Sache. Religiöse Pfade generell auf ihre negative. wirkungen zu reduzieren, ist aber eine Extremposition, die in ihrer Tendenz zu Verallgemeinerung und Dogmatik ebenfalls zu hinterfragen ist .