"Ist der Mahayana-Buddhismus überhaupt buddhistisch?"
Auf diese ziemlich provokante Frage konnte man ja - fast zwangsläufig - die prompte "Retourkutsche" erwarten:
Laut den Mahayana Sutren hat der Hinayana mit dem Buddhismus nichts zu tun, bzw. ist mangelhaft und führt nicht zur vollständigen Befreiung.
Spieß 'rumgedreht und Theravada herabgesetzt
-> Ping-Pong-Spiel eröffnet... 
Selbstverständlich gehört der Mahayana-Buddhismus zum Buddhismus, auch, wenn er Buddhas Lehre ergänzt, ausgeschmückt und Schwerpunkte verschoben hat - im Kern geht es um die Befreiung vom Leiden, für alle Wesen.
Im Übrigen lehrt auch der Theravada-Buddhismus, unter Bezugnahme auf den Pali-Kanon, dass, wer Heil für sich UND Andere erstrebt, der bessere Mensch ist:
(Man beachte auch die Fußnote *1!)
Zitat
A.IV.95 Eigenes und fremdes Heil I - 5. Chavālāta Sutta
Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?
Einer, der weder zum eigenen Heile wirkt, noch zum Heile der anderen; einer, der zum Heile der anderen wirkt, nicht zum eigenen Heile; einer, der zum eigenen Heile wirkt, nicht zum Heile der anderen; einer, der sowohl zum eigenen Heile wirkt, als auch zum Heile der anderen.
Gleichwie, ihr Mönche, ein Holzscheit von einem Leichenfeuer, das an beiden Enden glüht und in der Mitte mit Kot beschmiert ist, weder im Dorfe noch im Wald als Nutzholz dienen kann, ebenso, sage ich, ihr Mönche, ist jener Mensch, der weder zum eigenen Heile wirkt, noch zum Heile der anderen.
Da aber ist der Mensch, der zum Heile der anderen wirkt, nicht zum eigenen Heile, unter diesen beiden Menschen der höhere, der bessere.
Und da ist der Mensch, der zum eigenen Heile wirkt, nicht zum Heile der anderen, unter diesen drei Menschen der höhere, der bessere (*1).
Und da ist der Mensch, der sowohl zum eigenen Heile wirkt als auch zum Heile der anderen, unter diesen vier Menschen der höchste, der beste, der würdigste, der größte, der erhabenste. ......
(*1) Mit dem 'eigenen Heil' ist natürlich nicht der materielle Vorteil, sondern das wahre Heil, die Läuterung von den eigenen Schwächen und Leidenschaften gemeint.
Dieses Heil wird von dem vernachlässigt, der ausschließlich zum Heile anderer wirkt und seinen eigenen inneren Fortschritt außer acht läßt. Da aus diesem Grunde seine Wirksamkeit nicht volle Frucht tragen kann und er selbst stets in der Gefahr sittlichen und geistigen Rückschrittes steht, ist er dem dritten Menschentyp unterlegen.
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Oder hier (Anguttara Nikaya VII.64):
Zitat
Zweierlei Menschen gibt es unter denen, die, die Lehre und ihren Sinn kennend, der Lehre gemäß leben:
der eine wirkt zum eigenen Heile und nicht zum Heile anderer;
der andere aber wirkt sowohl zum eigenen Heile als auch zum Heile der anderen.
Wer zum eigenen Heile, aber nicht zum Heile der anderen wirkt, der ist darum zu tadeln; wer aber sowohl zum eigenen Heile als auch zum Heile der anderen wirkt, der ist darum zu loben.
https://www.palikanon.com/angutt/a07_061-066.html#a_vii64
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Und Theravadins lehnen den Mahayana auch ab. Genau wie andersherum.
Das ist ein Pauschalurteil, welches -bestenfalls- auf streng orthodoxe Theravadins zutreffen mag, ebenso schätzen, umgekehrt, viele Mahayana-Anhänger den Pali-Kanon als "Basis"/Grundlage und erheben sich nicht über Theravadins....
Im Lotus-Sutra sagt der Buddha, dass Stimmenhörer (Hinayana-Buddhisten) Nirvana nicht erreichen werden.
Solche Aussagen dürfen hinterfragt werden...
Ebenso wie es zu bezweifeln ist, dass ein Übender mit dem hohen Bodhisattva-Ideal, anderen hilfreich sein kann, solange er selbst noch "im Schlamm steckt":
Zitat
Majjhima Nikāya 8
Selbstentsagung - Sallekha Sutta
.....16. "Cunda, daß jemand, der selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist unmöglich;
daß jemand, der nicht selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist möglich.
Daß jemand, der selbst unbezähmt, ungezügelt ist und nicht in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist unmöglich;
daß jemand, der selbst bezähmt, gezügelt ist und in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist möglich.
https://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m008z.html
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Eine Analogie, die mir zum Thema einfiel....: 
Angenommen, Vanille-Extrakt wäre die Essenz der Buddha-Lehre - und jetzt wird damit Vanillepudding (Lehrdarlegung) bereitet....
Dann entspräche,m.E.,
1. der "Theravada-Pudding" dem einfachen, klaren Grundrezept eines Vanille-Puddings
-> ein fester, cremiger Pudding mit intensivem Geschmack nach Vanille
2. Mahayana wäre dementsprechend ein raffinierterer V- Pudding, locker aufgeschlagen (nicht so streng..
), mit Zusätzen wie z.B einem "Sahnehäubchen" (Bodhicitta), Schokostreuseln (Rituale, Götter,...) verschied. Früchten...
Er schmeckt immer noch nach Vanille, aber nicht ausschließlich, bietet Geschmackserweiterungen (die allerdings vom Vanillegeschmack ablenken könnten...)
Solange nicht ein völlig anderer Pudding (z.B. Himbeerpudding) kreiert wird oder unpassende "Ergänzungen" wie Sardellenpaste (
) hinzugerührt werden, bleibt es - m.M.n. - Buddhismus. 
Fürs Zen und tib. Buddhismus gibt es Hirnforschung, die auf gesteigerten Altruismus hinweist.
Quelle(n)?
Immerhin wurde von der Neurowissenschaftlerin und Psychologin Prof. Dr. Tania Singer nachgewiesen, dass die - auch im Theravada-B. praktizierte - Metta-Meditation Empathie und Mitgefühl steigern kann.
Zitat
Mitgefühl lässt sich trainieren!
Das von Tania Singer initiierte ReSource-Projekt am Max Plank Institut in Leipzig ist die umfangreichste und längste Meditationsstudie, die es bisher gegeben hat.
Tania Singer hat in dieser Studie verschiedene Meditationsarten miteinander verglichen, um zu erkennen, welche wie wirkt.
Sie wollte herausfinden, wie sich neben Achtsamkeit auch Mitgefühl, Perspektivenübernahme und eine universalistische ethische Haltung am besten schulen lassen. Die ersten Resultate liegen nun vor. .....
....Affektiv-emotionale Perspektivenübernahme mit einem unangenehmen und einem angenehmen Erlebnis in einem Zweiergespräch, kombiniert mit Metta/karuna-Meditation (liebevolle Güte/Mitgefühlsmeditation) fördern die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen.
Das limbische und paralimbische Netzwerk für Mitgefühl, Fürsorge und prosoziale Motivation im Gehirn verdickt sich durch solche Übungen.
Dieses Netzwerk ist grundlegend für Vertrauen und Altruismus. Dabei werden u. a. Oxytocin und Opiate im Gehirn ausgeschüttet, die zentral sind für soziales Verhalten und gelingende zwischenmenschliche Wechselwirkungen.
Quelle:
https://zen-integral.com/mitge…-singers-resource-studie/
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In Theravada-Laendern zeigt sich m.E. aktuell auf sozialer Ebenen ein stärkere Mangel daran als in vom Mahayana geprägten.
Aha.... 
Mal abgesehen davon, dass es ja vielerlei Ursachen für Mangel an Altruismus auf sozialer Ebene geben kann - hast du konkrete Belege für deine Behauptung?
Abschließend möchte ich noch auf das "buddhistische Bekenntnis" der DBU verweisen, das Gemeinsamkeiten der verschiedenen buddhist. Traditionen betont und resümiert:
Zitat
...Ich bekenne mich zur Einheit aller Buddhistinnen und Buddhisten, und begegne allen Mitgliedern dieser Gemeinschaft mit Achtung und Offenheit.
Wir folgen dem Buddha, unserem gemeinsamen Lehrer, und sind bestrebt, seine Lehre zu verwirklichen.
Ethisches Verhalten, Sammlung und Weisheit führen zur Befreiung und Erleuchtung. ....
https://buddhismus-deutschland…uddhistisches-bekenntnis/
Liebe Grüße, Anna
