Geisteszustand der Visualisierung

  • Die Praxis des geistigen Visualisierens von Amitabha, Bodhisattvas und reinen Ländern ist laut englischsprachiger Wikipedia eine Variante der Achtsamkeitsmeditation. ich selbst habe das schon oft und gerne gemacht, allerdings scheint es eine andere Auswirkung zu haben als vergleichbare Übung der Achtsamkeit, z.B. die Beobachtung des Atems. Dabei betrachtet man die "wirkliche", äußerliche Welt, bzw ihre Auswirkung auf den Geist.


    Bei der Visualisierung von Amitabha selbst, seinem Land oder dem reinen Licht, dass ihm zugeschrieben wird kommt es mir, da man sich ja in der Fantasie ein Bild macht eher so vor, als würde man sich in dem angenehmen Bild dass dabei entsteht verlieren. Es entsteht ein aufmerksamer, fröhlicher Zustand, der sich in Form von mehr Geduld und liebevoller Güte äußert, allerdings scheint man dabei von der äußeren Welt abzugleiten, ähnlich einem Zustand der Trance.


    Besonders deutlich ist mir das geworden, als ich auf chinesische und vietnamesische Videos auf Youtube gestoßen bin, die einem mit strahlenden, schönen Bildern und fast schon psychedelischer Musik in diesen Zustand mehr oder weniger hypnotisieren. Beispiel:

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    Meiner Beobachtung nach ist diese Praktik angenehm, aber vor allem hilfreich um im Leben mitfühlender zu sein, allerdings unterscheidet sie sich radikal von der Betrachtung des äußeren, sie ist ja eher eine Betrachtung des eigenen Geistes und der angenehmen Wunschzustände, die sich dabei erforschen und vor allem zum heilsamen hin verändern lassen.

    Einmal editiert, zuletzt von Sungi ()

  • Die Praxis des geistigen Visualisierens von Amitabha, Bodhisattvas und reinen Ländern ist laut englischsprachiger Wikipedia eine Variante der Achtsamkeitsmeditation.

    Das ist richtig, deswegen hat diese Übung ursprünglich auch die Bezeichnung buddhānusmṛti (Pali: buddhānussati). Smṛti bzw. sati (mit dem Zusatz samyak bzw. sammā) ist das siebte Glied des achtfachen Pfades, idR auf Deutsch mit 'Achtsamkeit' wiedergegeben.

    allerdings scheint es eine andere Auswirkung zu haben als vergleichbare Übung der Achtsamkeit, z.B. die Beobachtung des Atems

    Es handelt sich ja auch um eine andere Übung ... Als kleiner Hinweis: ich finde da, um das ein wenig zu sortieren, Buddhaghosas Klassifizierung der vierzig "Arbeitsgebiete" (kammaṭṭhāna) nützlich, beschrieben in Kap. III - XI des Visuddhimagga. Achtsamkeitsübungen im engeren Sinn sind da die zehn in Kap. VII und VIII beschriebenen anussati, die wiederum in drei Gruppen unterteilt werden. Die erste Dreiergruppe umfasst dabei neben der 'Betrachtung' Buddhas die Betrachtung von Dharma und Sangha - diese auf die 'drei Juwelen' (triratna) gerichteten Betrachtungen sind auch am ehesten miteinander vergleichbar. Die Atembetrachtung (dazu empfiehlt sich Studium des Ānāpānasati Sutta, MN 118) wiederum ist in einer Gruppe eher somatischer Betrachtungen zu finden, insbesondere Betrachtung des Todes (Versiegen der Lebensenergie) und Betrachtung des Körpers. Um


    "wirkliche", äußerliche Welt, bzw ihre Auswirkung auf den Geist

    ... geht es dabei nach meiner Auffassung eher weniger. Auch das mit den "angenehmen Wunschzuständen" würde ich mal überdenken. Das hat mE weder mit buddhānusmṛti noch mit nianfo / nembutsu etwas zu tun.


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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Danke für die Beurteilung der Einschätzung, jetzt hab ich einiges um mich damit auseinander zu setzen.

  • Also ehrlich gesagt, diese Art von asiatischen Videos sind für mich ein so grottenschlechter Kitsch, dass mir ganz übel davon wird.


    Dann höre ich mir doch zum Beispiel lieber Klavierkonzerte von Chopin an oder von Philippe Jaroussky interpretierte barocke Arien.

    Bin nun mal ein westlicher Mensch.

    Diesen asiatischen Kitsch kann ich mir beim besten Willen nicht aufzwingen.


    LG - Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Namaste!


    Zunächst mal kann ich Amdap Einwand nachvollziehen - ich mag derartige Videos auch nicht gern.


    Das eigentliche Ziel bei der visuellen Buddha-Vergegenwärtigung - speziell bei der entsprechenden Nenbutsu-/Nienfo-Praxis auf Amida (Amita, Amitabha, Amitayus) ist aber eben genau die Gegenwärtig-Machung dieses bestimmten Buddhas, seiner Begleit-Bodhisattvas und seines Reinen Landes. Das übt man schon zu Lebzeiten, hat vielleicht auch entsprechende "Visionen" o. ä. und hofft dann, im Augenblick des Todes (respektive im Bardo) diese Praxis halten zu können um dann "wirklich" dorthin zu gelangen.


    Wenn einem dabei so ein Video hilft, dann ist das wohl okay... [hab aber keine Ahnung, ob das der Sinn und Zweck solcher Videos ist!?].

    Wenn diese Praxis und/oder die Videos einem helfen, Mitgefühl und andere positiven Eigenschaften zu kultivieren - um so besser!


    < gasshô >


    Benkei


    Namo-Amida-Butsu

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Klar, das ist eine Theorie, die logisch klingt.


    Aber in der Praxis ist es eher so, dass man sich mit solchen süßlichen Videos einlullt und sich dabei etwas einbildet. Das Erlangte beweist sich aber erst in Situationen der Herausforderung.

    Für mich sind solcherlei Videos unerträglich.


    Wir sollten einmal bedenken, dass unsere Komponisten der klassischen Musik, auch unterschiedlicher Epochen, ganz wunderbare Zwischentöne ans Licht bringen und diese dem sensiblen Zuhörer bewusst machen, wie es solche süßlichen Videos niemals vermögen, weil sie zu flach sind.


    Nicht wenige westliche Buddhisten wenden sich von den großartigen Werken westlicher Komponisten ab - zu Unrecht - , nur, weil es Westler waren und sind. Aber die (menschlichen) Ausdrucksweisen sind so vielfältig, dass es kaum zu ermessen ist.

    Wir sollten auch bedenken, dass Asiaten, die sich von solcher Art Videomusik angesprochen fühlen, meistens Durchschnittsmenschen sind, aber wir überbewerten sie, weil sie Asiaten sind. Das ist ein großer Fehler.


    Auch unter Asiaten gibt es Solche und Solche. Wie kommt es dann wohl sonst, dass großartige Interpreten klassischer westlicher Musik nicht selten aus Asien kommen...?! Das sind weitentwickelte Geistesgrößen, die sensibel und begabt sind und die Großartigkeit westlicher Werke voll erfasst haben.


    LG - Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Wie diese kleine Randbemerkung von der Existenz dieser Videos hier zum Kernthema wird war eigentlich nicht beabsichtigt, such nicht welche Musik besonders kultivierte Menschen mögen. Eher wie man am sinnvollsten Methoden im Amitabha-Buddhismus anwendet und was ihr für Erfahrungen gemacht habt. Ich habe noch etwas nachgelesen, es gibt ja wirklich viele bekannte Varianten. Zu sagen, dass meditative Praxis und verbreite buddhistische Werte dort keine Bedeutung hätten ist wirklich eine falsche, oberflächliche Betrachtung.

  • Du verwechselst da etwas, Sungi, es war keine Randbemerkung.

    Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Amitabha-Praxis etwas Besonderes sei; nur weil wir denken, dass alles, was aus Asien kommt, schneller zum Ziel führt.

    Hast Du schon mal davon gehört, dass sensible Geister in Verbindung mit klassischer Musik (natürlich auch die asiatische klassische Musik!) Hirnregionen aktivieren, die mit Weisheit und Mitgefühl zu tun haben? Wusstest Du, dass die Musik in ihrer Ausdrucksweise ganz nah bei der Sprache steht und somit auch bei den Mantras? Und dass dieses wiederum mit Bewegung zu tun hat (Stichwort: klassisches Ballett, Spitzensport)?

    Der Weg zur Erleuchtung ist gar nicht so einseitig, wie wir glauben.

    Was ist denn einseitig und oberflächlich (wie Du es nennst): der Tunnelblick oder die ganzheitliche Erfahrung, die auf Vernetzung fußt?


    Liebe Grüße...

    Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
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    und es wird dir gut gehen.
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  • Ach ja, und da war ja noch die Frage nach den "Erfahrungen" ( @Sungi : "...was Ihr für Erfahrungen gemacht habt").

    Ich habe jahrelang visualisiert, da hat man natürlich Erfahrungen.

    Meine Grunderfahrung ist die, dass ich nach den vielen Jahren den Eindruck habe, dass die Visualisierung eines speziellen Bewusstseinsaspekts, wie zum Beispiel in Form der Dhyani-Buddhas, zu denen Amitabha ja auch zählt, relativ "umständlich" ist.

    Mir scheint es günstiger, auf den aktuellen Geisteszustand zu schauen und damit zu arbeiten. Das hat auch den großen Vorteil, dass man sich dazu nicht zu bestimmten Zeiten hinsetzen muss, um vielleicht 30-60 Minuten zu meditieren, sondern, dass man in jeder Lebenslage sein "Gepäck" und sein "Werkzeug" immer dabei hat.


    Und noch eine Bemerkung zur (meditativen) Ausdrucksform: typmäßig bin ich so gestrickt, dass mich Amitabha mit seinem Buddhaparadies nicht besonders anzieht. Gut, rein theoretisch mag es Vorteile haben, weil man von dort aus, wie es heißt, viel leichter zur Erleuchtung gelangen kann, durch die Abwesenheit von Hindernissen. Meiner Meinung nach birgt das aber doch ein Hindernis in sich, indem man es dort so schön finden könnte, dass man die Sehnsucht nach Erleuchtung vergisst (ähnlich wie bei den seligen Göttern). Korrigiert mich bitte, aber dann bitte fundiert, falls ich da auf der falschen Fährte bin.

    Was mich allerdings noch anspricht, das wäre dann Vairocana mit seiner Geste der "Drehung des Rades". Vairocana ist kein Buddhaland zugeordnet (gelesen bei Hans Wolfgang Schumann). Seine Mudra erinnert mich an die Unendlichkeit des Alls, und ich empfinde eine Art Geborgenheit, ein Kind des Alls zu sein, die mit zunehmendem Alter zunimmt. Verstärkt wird dieses durch die Forschungsergebnisse, die zum Beispiel Albert Einstein und Stephen Hawking erzielt haben.

    In der Geste der "Drehung des Rades" sehe ich immer wieder Galaxien, welche die unfassbare Unendlichkeit des Alls widerspiegeln.


    Aber das ist wohl etwas Individuelles und diese Sicht will ich keinesfalls einem Anderen aufzwingen.


    Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
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