Beiträge von diamant

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    Vor der Erleuchtung: Holz hacken und Wasser tragen. Nach der Erleuchtung. Holz hacken und Wasser tragen.


    Das ist wahr, aber was, wenn vor der Erleuchtung Politik gemacht wurde?


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    Da es keine Erleuchteten gibt, erübrigt sich Frage.


    Hier herrscht offenbar bei vielen Einigkeit. Obwohl das kein reiner Zen-Thread ist. EInige würden widersprechen: Es GAB zumindest einen, den Shakyamuni. Führt das weiter?


    Selbst im Zen geht man definitiv von Erleuchteten oder Erwachten aus. Man lese die Koansammlungen. Die Sache ist eindeutig. Es gibt ein "davor" und "danach": vor dem "Durchbruch" und danach. Insofern ist die Frage berechtigt. Umformuliert könnte sie so lauten:


    Was unterscheidet jemanden, der eine tiefe Einsicht [ich bevorzuge dieses Wort, auch wenn es rational klingt] in das Wesen des Daseins gewonnen hat und nicht mehr an Dingen, Beziehungen, vielleicht sogar seinem Leben hängt, von anderen, denen solche Eigenschaften abgehen?


    Ich habe hier schon seit langer Zeit - im Bewusstsein, dass man dies als Besessenheit oder Verklärung meiner eigenen relativen Besitzlosigkeit sehen kann - immer wieder behauptet: Ein Erleuchteter (d.h. Einsichtiger) gibt seinen Besitz zum großen Teil auf. Er lebt von dem, was ein bescheidener Mensch, der nicht an den Dingen hängt, so braucht. Und das ist nicht viel. Ich denke, das ist eine Diskussionsgrundlage oder ein Maßstab. Im Einzelfall wird ein erwachter Arzt, der Hausbesuche macht, vielleicht nicht auf sein Auto verzichten können, um effektiv zu sein, aber ein erwachter Autor braucht wohl keines.


    Ein konkretes Beispiel aus meiner jüngeren Vergangenheit. Ich kürze die Geschichte ab. Eine langjährige Bekannte beschloss, dass ich zu viel "schimpfe" (bezieht sich auf meine Kritik am Umgang mit ihrem Kind - statt es deutlich zu ermahnen, wenn sie überhaupt mal Grenzen setzt, haut sie es lieber mal -, und auf meine Fragen, wieso sie nicht regelmäßig arbeite, wo sie doch drei Kinder zu versorgen habe). Ich ahnte es, erfuhr es im Detail aber erst über eine gemeinsame Bekannte: Sie wolle den Kontakt zu mir abbrechen. Daraufhin brachte ich eine Art Wippgerät, das ich jahrelang aufbewahrte und eigentlich ihrem jüngsten Baby aufs Land schleppen wollte, zu (ebenso armen) Wanderarbeitern. Ich lief zwischen deren User19823cken rum, bis ich einen älteren Mann mit zerschlissenen Schuhen sah. Er bekam meine fast neuen Jack Wolfskin, ein Fehlkauf, weil mir der linke Schuh meinen kleinen Zehennagel blutig quetscht. Ich hatte mich zuvor im Zimmer umgeschaut, was ich so alles auf einen Schlag entbehren konnte. Drei Frisbies waren noch dabei. Die kannten sie nicht. Ich führte sie ihnen vor. Großes Gelächter.


    Das war, wenn mich der Grund auch traurig stimmte, Loslassen in Anwendung. Man schaut sich z.B. ab und zu mal in seinem Besitz um und fragt sich, ob manche Sachen nicht anderen mehr nutzen als einem selbst. Ob man sie wirklich braucht. "Besitz" bleibt immer noch genug. Es wäre nicht sinnvoll für mich, die Besitzregeln von anderen, etwa aus dem Palikanon, zu übernehmen. Woody Allen hat ja mal gesagt, er habe, falls er überraschend vor den Schöpfer treten müsse, immer eine frische Unterhose zum Wechseln dabei. Ich habe zwei Dutzend Unterhosen, nicht nur, weil ich zwei übereinander trage (wegen diverser Probleme), sondern weil - Achtung, Sophismus! - ich nicht an den einen Schöpfer glaube, sondern "zahlreiche Daseinsbereiche" durchwandern muss ... :grinsen:

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    Oder braucht man keinen Lehrer?


    Manche ja, manche nein. Im Zen gibt es darüber auch unterschiedliche Aussagen. Manche beziehen sich - schon in seinen Anfängen, dem Chan in China - auf den Shakyamuni des Palikanon, der riet: Sei dir selbst ein Lehrer!


    Aber das kann nicht für jeden und alles gelten. Ich kann eine Sprache im Selbststudium lernen, schwieriger wird es schon mit der Chirurgie. Shikantaza eignet sich sehr gut, um ohne Lehrer auszukommen. Koan-Schulung schon weniger.


    Als "Sangha" sollte man m.E. die ganze Welt betrachten, Menschen und andere Lebewesen. Eine rein buddhistische Sangha als Spiegel herzunehmen verzerrt eher den Blick bzw. engt ihn ein.

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    Das Oberhaupt der Tibeter sagt klar und deulich er ist nicht erleuchtet.


    Der hat ja auch ne Menge Besitz und Macht, die gepflegt sein wollen.


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    Was is’n ein "Erleuchteter"?


    Angeblich so was wie dieser Typ im Palikanon.

    Sanshin, du hast einfach die Rhetorik treffend wiederholt. Mehr ist das nicht. Natürlich wissen die Praktizierenden, jeder für sich, genau, warum sie es tun. Man kann es im Allgemeinen so zusammenfassen: Weil sie sich mit Zazen besser fühlen als ohne. Hirnphysiologisch wird offenbar das Belohnungszentrum aktiviert. Meditation führt, wenn man nicht gerade einen an der Klapse hat, in der Regel eben zu einem gewissen mentalen Wohlbefinden. Manche wollen auf Teufel komm raus solche Aussagen vermeiden, weil sie einem anderen Ziel (das sie wiederum auch nicht klar formulieren wollen) im Wege stehen könnten, nämlich einer Einsicht ins Dasein, die sie sich erhoffen und die frei von Erwartungen, sozusagen unbefleckt geschehen soll.


    Niemand, der nicht irgendwo mit sich, seinem Leben, seiner Biografie hadert oder sich Sinnfragen stellt, meditiert dauernd. Das, was den Einzelnen ursprünglich zum Zazen treibt, beantwortet auch deine Frage, Sanshin.

    Ich kenn den Milena Verlag nicht weiter, aber wenn Du auf Schräges stehst, empfehle ich die gerade mit einem neuen Roman besprochene Miranda July. Ihr erster Kurzgeschichtenband war stark, und ich werde selbst noch mehr von ihr lesen (auch ihre Filme sind sehenswert und originell, wenn auch zuweilen zäh). Sie fing mal als Lesbe an und hat nun Mann und Kind. In einem Interview in der SZ meinte sie auf die Frage, wie es zum Wandel kam, sie habe sich damals überlegt, was wohl das Spannendste sein könnte, das sie tun könne, und da fiel ihr ein: Sex mit einem Mann!


    Hier zwei alte Konzepthaiku von mir:


    Ihr, irrer Imme,
    in Ihles Innereien,
    ist Ijob Idol.


    Hitzebeständig
    hunderte Hyazinthen.
    Hiroshima.

    Nein, das passt hierher. Weil es aufzeigt, warum a) Soto-Schüler, die in der Regel nicht an einen Stufenweg glauben (wie viele Zenadepten) natürlich dem jhana-Konzept eher abgeneigt sind, b) warum dies - aus einem, wie ich finde, falschen und einseitigen Verständnis von Dôgen - dann sogar zu einer Ablehnung von kensho und satori führt.


    Die Ausgangsfrage hier war: "Was übt man im Zazen eigentlich genau?"
    Ich wage zu behaupten - und es wäre mir lieber, man hätte das aus meinem vorigen Beitrag geschlossen -, dass auch diese Antwort ihren Sinn hat:
    Tiefere Ebenen der Erkenntnis zu erlangen.


    Es ist das Gegenteil von dem, was Brad Warner behauptet. Selbst wenn man die WARNung beherzigt, nichts bemüht und verkrampft zu wollen, ist es m.E. falsch, einem Leser/Schüler zu sagen, dies wäre nicht möglich, würde nicht geschehen oder wäre nicht anzustreben.

    Vor einiger Zeit begann ich darauf hinzuweisen, dass Brad Warner in seinen Blogbeiträgen zunehmend seine Grenzen offenbart. Dies manifestiert sich auch in seinem jüngsten Text hier: https://hardcorezen.info/deepe…tion-are-for-suckers/3767
    Er passt zu dieser Diskussion, weil Brad behauptet:

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    There are no deeper levels of realization.


    Es gäbe also keine tieferen Ebenen der Erkenntnis (bzw. Verwirklichung). Er meint, man würde mit zunehmender Praxis einfach besser erkennen, welche Ebene bereits vorhanden sei ("the level of realization that's already there"). Das Motiv, von kensho, satori etc. zu reden, sieht er darin, anderen in Form von "marketing tools" etwas anbieten zu wollen.
    Seltsamerweise zitiert Brad hier aus einem Brief an einen Fragesteller, dem er zuvor offensichtlich noch die Notwendigkeit eines Lehrers erläutert hat.
    Was aber meint wohl ein Lehrer im Bradschen Sinne dem Schüler geben zu können?


    Brad ist hier ein Paradebeispiel der Dôgen-Anhänger, die den Mangel an Bedeutung von jhana in ihrer Praxis verwechseln mit der Abwesenheit von "Schlüsselerlebnissen", wie sie kensho und satori darstellen können. Der Grund ist simpel: Sie haben diese Erfahrungen offenbar nicht gemacht. Ein rein rhetorisches Ablehnen zum Zwecke des Selbstschutzes von Lesern (nach dem Motto: Erwarte nix, auch kein kensho, sonst bist du verloren) ist hier nicht gegeben, vielmehr werden die Angebote, wie man sie eher aus dem Rinzai kennt, gegen etwas gestellt, was im Grunde nur auf der gleichen Ebene funktioniert: Shikantaza als Glaubensobjekt (nur sitzen IST bereits Verwirklichung). Es ist in der Tat seltsam, dass Brad diese Parallele nicht erkennt, und wenn ich zynisch wäre, würde ich sagen, er hätte sich mal besser um sein Satori Sorgen gemacht. Tatsächlich ist es so ein Zirkelschluss, wie er ein falsches Verständnis von Dôgen kennzeichnet, das leider verbreitet ist.


    Dôgen hat biografisch eine Entwicklung durchgemacht, die sich einem erschließt, wenn man seine Texte in der Reihenfolge ihres Entstehens liest. Steven Heine hat in seiner Forschung auf seine zunehmende Verhärtung im Sinne einer Abwertung des Laienlebens hingewiesen. Dennoch findet man sowohl in Dôgens Gedichten (siehe Eihei Koroku und Sanshodoei) sowie in einigen Kapiteln des Shobogenzo praktisch durchgehend Hinweise auf eine Einsicht, die weit über Shikantaza hinausgeht, zum Beispiel hinsichtlich der Frage nach der Buddha-Natur von Pflanzen und Steinen, und im Kapitel Uji über Seinzeit, das bei Schülern der Sôtô-Schule m.E. einen geringeren Rang einnimmt als bei Philosophen und Denkern außerhalb des Sôtô-Umfeldes, die sich mit Dôgen beschäftigen. Dôgen lässt sich hier sogar als rationaler Denker entdecken. In jedem Fall als ein Mann diverser entscheidender Einsichten oder "Erleuchtungen".


    Ich kann es immer weniger ertragen, wie im Sôtô-Umfeld ein großer Denker und Mann diverser kenshô wie Dôgen auf einen tumben Sitzer reduziert wird. Und dabei hat Brads Lehrer sogar selbst Dôgens Kôan-Sammlung übersetzt, die voller Geschichten über kenshô und satori ist.

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    Ebenso wie im Bhikkhu-Vibhaṅga ist zu sagen, dass all die Vorschriften für die buddhistischen Ordinierten sicherlich nicht dazu bestimmt waren, von Nichtordinierten gehört, gelesen, erlernt und/oder tradiert zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt sollte man diese Werke (und die hier vorliegende Übersetzung) auch betrachten.


    Nein, das sollte man eben nicht. Auch im Rest des Palikanons wird oft dezidiert zu "Ordinierten" gesprochen, so dass man dann einen neuen Textkorpus zu erstellen hätte, aus dem klar ersichtlich wäre, dass er nur für Laien gilt. Das mag zwar interessant sein. Aber hier gilt es, den Text als solchen zu nehmen und wie Literatur kritisch zu beleuchten, inhaltlich, stilistisch, auf seine Logik hin usw. Da die Mönche erwarten, dass sie von anderen am Leben gehalten werden, ist eine solche Forderung wie oben ethisch unredlich. Ein Unterstützer der Mönche/Nonnen sollte sich im Gegenteil ganz genau informieren, was er da erwarten dürfte und ob er das wirklich so - oder in der meist verzerrten Form - unterstützen will.

    Tai:

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    Denn gelingt es mir (z.B. durch Ausrichtung auf die Koan-Frage) diese Aktivität zu unterlassen, ist auch kein Gedanke mehr da, den ich "vorbeiziehen" lassen könnte.


    Die Ausrichtung auf die Koan-Frage setzt doch auch einen Gedanken voraus. Die ausschließliche Konzentration aufs Koan soll die anderen Gedanken durch einen - ans Koan - ersetzen. Wenn der Fall eintritt, dass keine Gedanken mehr einen beschäftigen - schön (für einen kurzen Moment - dann braucht man sie normalerweise, um durchs Leben zu kommen). Daraus folgt dann natürlich, dass einen auch kein Gedanke ans Sitzen mehr beschäftigt. Im Nicht-Denken müsste man also genau das durchschauen, dass es keine Notwendigkeit eines separaten Sitzens mehr gibt. Die besteht nur, solang man (das) denkt.


    Und was das Gedanken betrachten und vorüberziehen lassen angeht - genau mit diesem Gedanken ans Zazen kann man genauso verfahren wie mit allen anderen.


    snoopy:

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    Das was zu den Jhanas so beschrieben wird erlebe/erlebte ich so mit der Zeit


    Ich nicht. Die jhana beruhen auf einem Irrtum, ich habe sie (teils) falsifiziert, wie viele andere auch. Das beste Beispiel ist das Versprechen der Schmerzfreiheit bzw. Indifferenz gegenüber dem Schmerz im 4. jhana. Darauf antworte ich so wie heute einem Ausländer, der von einem Sikh belabert wurde, der doch kurz zuvor mich von hinten ansprach, mit: "You are a lucky man" (ich erwähnte diese Betrugsmasche schon einmal), woraufhin ich mich umdrehte und sagte: "You are a bullshit man". Dem Ausländer klopfte ich auf die Schulter und sagte: "He will betray you. Walk away!" (Er wird dich übers Ohr hauen. Geh weiter.) Von solchen Irrtümern sollte man also Abstand nehmen. Und der Vergleich mit jenem Sikh, einem aus Indien stammenden - in diesem Fall - Scharlatan, ist durchaus treffend, denn die jhana-Philosophie entstand in diesem Land der Magier und Gurus, denen man noch heute wegen ihrer wundersamen Fähigkeiten huldigt. Es war schon lange ein Traum des Menschen, schmerzfrei zu sein. Und wie hier schon gesagt wurde, hat sich auch der Buddha über Rückenschmerzen beklagt. Es handelt sich hier um zwei sich widersprechende Textstellen, die uns sagen, dass wir nicht alles, was das steht, für bare Münze nehmen sollen. Man muss die Lügen durchschauen, genau wie den Sikh, sonst wird man verschaukelt.

    Die Frage war: Was übt man im Zazen eigentlich?


    Es kamen Hinweise auf - in meinen Augen - Geschwurbel (wie das von thigles, das eher an Grübelei erinnert) und vor allem auf Dôgens Ausführungen.


    Die Antwort ist einfach: Man übt "Loslassen".


    Man beobachtet, wie Gedanken auftauchen, wie man versucht, sie weiterzuspinnen, wie man sie aber auch nicht weiterspinnen und einfach ziehen lassen kann. Das ist "Loslassen". Das führt dann z. B. im Alltag dazu, dass man in Situationen, in denen man am liebsten jemanden vermöbeln will oder so, dies auch einfach lächelnd unterbinden kann. Darin liegt ein praktischer Nutzen. (Im Übrigen können, sobald man von Jhana gehört hat, demnach auch im Zazen Gedanken an Jhana aufkommen, wie an alles andere eben auch.)


    Mit der Zeit tauchen dann weniger offensichtliche Gedanken und Bilder aus dem Unterbewusstsein auf, die - ob erfreulich oder erschreckend - mit dem erlernten Gleichmut ebenfalls dahinziehen dürfen.


    Alles Gerede von "nur sitzen" lädt doch bloß zu Karikaturen ein. Die Leute, die nach Dogen sitzen, haben in der Regel feste Zeiten, Orte, Rituale. Da ist es schon vorbei mit dem "nur". Das "nur sitzen" kann man im Grunde "nur" praktizieren, wenn man sich tasächlich hinsetzt, wie es kommt. Alles andere ist, wie die Schule, das Militär, die Arbeit mit der Stechuhr, ein ritualisiertes Verhalten.


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    Bleib also lieber beim Verweilen des Bewusstseins im Hier und Jetzt


    Kunststück, wenn man nix zu tun hat außer sitzen und seine Gedanken beobachten. Dieser Denkfehler zeigt sich auch in diesem immer wieder ritualisiert wiedergekäuten Satz (in diesem Fall offenbar von der zum Verkauf stehenden Domain "dogen-zen.de"):


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    Shikantaza bedeutet "nichts anderes tun als sitzen", und stellt die reinste Form des Zazen dar.


    Nein. Die "reinste" Form des (Za)Zen kann nur ein Leben sein, dass nicht mehr den Alltag vom Ritual des Sitzens trennt, sie kann also gerade nicht darin bestehen, nichts anderes zu tun als sitzen. Die reinste Form des Zazen ist die, in der sich der Geist des Loslassens überall manifestieren kann, und eben nicht nur im Sitzen (wo es leichter - und vor allem leichter vorzuspiegeln - ist als im Alltag des Nichtsitzens). Der Satz würde also klarer heißen müssen:


    Shikantaza bedeutet ein Leben, das nichts anderes als Zen ist. Ein meditatives Leben, das sich permanent im Loslassen übt.

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    Absichtsloses Handeln gibt es ja auch nicht


    Das beschreibt treffend die Grenzen des Theravada (siehe auch nibbuti, der in Dualismen denkt und labelt: Neid, Verlangen usw.). Sehr bedauerlich.

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    ist wohl nur für ihn von Bedeutung


    Genau wie etwas anderes nur für ihn (den Shakyamuni) von Bedeutung war. Das ist das Gleiche. Jeder misst eben irgendetwas Bedeutung zu oder nicht.


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    hat jedenfalls nichts damit zu tun ob die Absicht erkannt wird oder nicht


    Es hat aber mit dem subjektiven Bedeutung beimessen zu tun. Meine Absichten sind eben weitaus weniger entscheidend als meine Wirkungen. Ganz egal, was accinca oder ein anderer Dharma-Interpret davon hält. Daran ist auch objektiv nichts zu ändern. Das versteht man dann, wenn man absichtslos handeln zu können glaubt und dennoch Wirkungen verifizierbar sind.

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    hier irren einige an Meditation interessierte die nur sitzen oder Achtsamkeit („reines Bewusstsein“) nachgehen


    Richtig, und nibbuti irrt gleich mit. Weil er "pars pro toto", den Teil für das Ganze setzt, also sein Theravada-Verständnis für den ganzen Buddhismus. Im Zen ist das Üben der anderen Glieder des achtfachen Pfades nicht unabdingbar fürs Erwachen. Hierzu irrt auch mukti:

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    Die sind ja auch nötig um überhaupt eine rechte Meditation praktizieren zu können.

    Nein, sind sie nicht. Auch ein Stummer kann erwachen, selbst wenn er keine Gebärdensprache spricht. Es ist also z.B. nicht nötig, sich in rechter Rede zu üben, man könnte auch gar nichts sagen (was nicht das Gleiche ist). Etc. pp.


    Bei Dôgen ist, wie Aiko schon sagte, mit dem Zazen das Wesentliche getan. Aber Dôgen ist nur einer von vielen im Zen.


    Womit dann auch Dôgen und gewissermaßen Aiko irrt. Weil sie dem Frager recht gibt, der Meditation und auf den Atem achten ja eindeutig nicht als deckungsleich mit "alles ist Zazen" versteht. Es ist überhaupt nicht nötig zu verstehen, dass alles "Zazen" ist, sondern zu erkennen - um hier Ellviral aufzugreifen - dass "alles" "wertlos" ist - und zwar in dem Sinne, dass wir es nicht zu einem wert-haften Zwecke tun müssen (tatsächlich wird Zazen aber gemacht, wie hier zu lesen, z.B. "um Ruhe zu haben"). Es ist also idealerweise der Alltag, im dem die Versenkung, d.h. das im Augenblick aufgehen, geübt wird. Auf den Atem konzentrieren mag helfen, ist aber auch nicht unbedingt nötig, denn gerade die Atmung funktioniert ja in der Regel auch ohne jede Konzentration.


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    Als ich die ersten Male meditiert habe, hatte ich das Gefühl irgendetwas falsch zu machen. Die Sitzposition war für mich sehr ungewohnt und eine wirklich ruhige Atmosphäre konnte ich aufgrund einer Baustelle vor meinem Fenster nicht finden. Aber nach einiger Zeit schaffte ich es, mich vollkommen auf meinen Atem zu konzentrieren und spürte die ersten Gefühle einer Art Versenkung.


    Ja, du hast etwas falsch gemacht. Denn du hast den Widerspruch "Baustelle" (Lärm) - Versenkung geschaffen. Aber die Baustelle ist das, was IST. Sich die Baustelle und den Lärm bewusst zu machen und das, was sie mit einem macht, ist wichtiger, als sich ihr zu entziehen.

    Natürlich ist es ein Zirkelschluss, wenn man von Authentizität redet und dann später betont, dass es in der Sotoshu nun mal so und so sein müsse, wenn man sich "Zen-Priester" nennen will. Brad Warner nennt sich z.B. Zen-Priester, hat aber diese Bedingungen der Sotoshu nicht komplett erfüllt. Es gibt sicher viele, die ihn für authentisch halten. Authentizität entsteht im Auge des Betrachters.


    Was ein Mönch ist, hat schon Obaku erklärt. Das ist einer, der sich dem Zen-Verständnis des Dharma widmet. Er übt sich im Loslassen, ums kurz zu machen.


    Ich habe mal mit einem Gangsterboss geredet. Sehr authentisch. Wenn der Gewalt ankündigte, konnte man davon ausgehen, dass er Wort hält.


    Auch mein Schuster ist authentisch. Dazu bedarf es also keines Buddhismus, Dharma oder Zen. Insofern finde ich es schon erstaunlich, wenn man nur 3 authentischen Menschen begegnet ist. Es sei denn, man verengt diesen Blick auf o.g. Zen-Zirkelschluss: Authentisch ist ... (es folgt eben das, was der Authentische oder sein Kreis selbst so definiert). Ich bin oft authentischen Menschen begegnet, die nichts mit Zen am Hut hatten.


    Ich bezweifle, dass man Zen verwirklicht, wenn man "Libido" zum Kriterium eines Lehrers macht (auch wenn ich Beziehungen zu Schülern/Schülerinnen im Zen für unangebracht halte, wenn sich jemand schon auf ein Lehrer-Schüler-Verhältnis kapriziert). Dann hätte eigentlich schon jeder verloren, der sich eine Frau hält. Das sind so dämliche Restwirkungen des Theravada. Die Frage ist bei der Libido, ob man davon lassen kann. Diese Frage ist z. B. bei Genpo, Shimano und Joshu Sasaki gar nicht so leicht zu beantworten, wenn man die Details nicht kennt. Im Augenblick sein, im Hier und Jetzt (um ein Zenklischee zu bemühen), das kann eben auch bedeuten, eine erotische Spannung einfach auszuleben, bis sie vergeht. Wenn sich Ehe- oder sonstige Partner sogar eine offene Beziehung erlauben, welches Recht hätte dann die Sangha, darüber zu richten?


    Leichter ist die Kritik in Sachen Luxussucht. Die drängt ja nach außen, während die Libido oft nach Diskretion verlangt. Es ist also offensichtlicher, dass bestimmte Lehrer die Übung des Loslassens nicht beherrschen, was ihre materiellen Bedürfnisse angeht. Das sind - im Gegensatz zur Libido - meist keine Momentaufnahmen, das ist eine Dauerzustand des Schmückens.


    Interessant ist hierbei auch, dass bestimmt vielen entgeht, wie "authentisch" das Sexleben etwa eines Joshu Sasaki gewesen sein könnte.


    Insgesamt bedaure ich wirklich, wie viele auch hier auf die Prüderie der US-Amerikaner hereinfallen und nicht erkennen, welche Paranoia sich da längst breit macht. Jüngster Fall ist Bill Cosby. Das New York Magazine bildet fast drei Dutzend Frauen (die meisten auffallend hässlich und übergewichtig, wenn auch zugegeben gealtert) ab, die Cosby, auch in Endlostonschleifen auf der Webseite des Magazins, Missbrauch vorwerfen, ohne dass sie ihn zuvor vor Gericht gebracht hätten. Diese öffentlichen Hinrichtungen (auch die Spinnerin, die Karl Dall verklagte, geht ja in die Berufung) sind eine widerliche Krankheit einer puritanisch verwirrten Gesellschaft, von der wir uns nicht anstecken lassen sollten. Von diesem ganzen Geschrei wird nur wenig Justiziables bleiben, aber eine Menge Selbstdarstellung von (wo und von wem auch immer) gekränkten Frauen. Man könnte darin auch ein Scheitern der Frauenbewegung und des Feminismus sehen, wenn es Dekaden dauert, bis irgendwelche rhetorisch verschleierten Dinge berichtet werden. Es wird sich freilich zeigen, dass die Hauptarbeit darin liegen wird, aus einem riesigen Lügengebäude ein paar peinliche Fakten für Cosby zu extrahieren. Das ist leider auch bei Shimano und Sasaki nicht gelungen, und bei Merzel ebenso wenig, obwohl er den anderen im Zen nicht das Wasser reichen konnte. Sexuelle Prüderie wird hier zum Gleichmacher der Kritik. Erbärmlichst.


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    Der Fall Merzel hat ne lange Geschichte, die sogar bis auf die zurückreicht, die ihn in sein vormaliges Amt gehievt haben. Keine besondere Überraschung.


    Richard Baker "Roshi" wurde von Shunryu Suzuki Roshi ins Amt gehoben. Ähnliche Vorwürfe wie bei Merzel brachten ihn zu Fall. Nun müsste man hier also von einer "Überraschung" ausgehen. Ist es aber nicht, weil die o.g. Prüderie ein Ritual ist. Das fehlende Überraschungsmoment besteht darin, dass es nicht gelungen ist, sich von dem sila zum Ehebruch zu verabschieden (wie es der größte Teil der Nicht-Buddhisten und - heimlich - wohl auch der Buddhisten in der Praxis tun dürfte), und dies stattdessen mit christlicher Sexualmoral zu einem stinkenden Sündenbrei vermischt wird. Es bräuchte womöglich nur ein bisschen Recherche zu Sawakis und Deshimarus Sexleben, und schon wieder würden irgendwelche Leute überrascht. Insofern geht Elkes Hinweis in die richtige Richtung: Wehe dem, der einen anderen auf dem "hohen Sitz" sieht!

    Meine Behauptungen sind aber nachweisbar. Sie haben sich auch nicht auf diesen Tempel bezogen, sondern auf die tatsächlichen Geschehnisse an den jeweiligen Orten. Daraus wurde eine Frage abgeleitet. Deshalb ist dein Einwurf "besser als üble Nachrede" irreführend. Es fand keine üble Nachrede statt.


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    im Dhamma ist die Absicht & Wirkung einer Handlung entscheidend


    Der erste Teil ist esoterischer Quatsch. Man kann die Absicht eines Menschen nicht kennen, da man (noch) nicht hinreichend in sein Hirn schauen kann. Auch er selbst weiß oft nicht genau, was seine Absicht ist.


    Ich halte es in jedem Fall für besser, wenn man statt berobten Mönchen mir Geld anvertraut. Absicht und Wirkung sind hier ganz im Einklang. :D

    Die ersten Seiten kannst du dir kostenlos als Leseprobe schicken lassen bei Amazon. Darin findest du bereits die Perle, dass Japan das einzige Land sei, in dem "diese Art von Zen" (zitiert nach Gedächtnis) noch praktiziert würde. Das ist das Niveau, das du erwarten kannst.


    Vergiss nicht, dass diese Schreiber oft keine gescheite Ausbildung im Buddhismus haben. Weder an einer Hochschule noch in einem - in diesem Fall müsste man erwarten: japanischen - Tempel.


    Wie schön, dass es diese digitalen Leseproben gibt.

    Vielen Dank erstmal an Aiko, habe wieder interessante neue Details von Dir erfahren.


    Wenn man wissen will, ob etwas in der Sotoshu korrekt verzeichnet ist, kann man sich an info@sotozen.eu wenden, die europäische Dependance der Soto-Schule.


    Zu dem Begriff "Priester" (den "Osho" gibt es ja auch im Rinzai) ist zu sagen, dass er üblicherweise nicht geschützt ist. Daraus folgt schon, dass sich in den meisten Ländern jeder so nennen kann. In manchen Religionen wie dem Judentum und Islam braucht man gar keine Priester. Das ist leider im Buddhismus dumm gelaufen. Als Beispiel brachte ich hier schon mal Brad Warner - er nennt sich Zen-Priester, aber er hat gar nicht die nötige Ausbildung vollständig durchlaufen, die dafür vorgesehen ist von der Soto-Schule. Auch er ist also ein Beispiel dafür, dass sich im Grunde jeder Zen-Priester nennen kann. Auch wenn man von einem solchen erwarten dürfte, dass er Zeremonien so durchführen kann, wie in Japan üblich. Im Dhammapada hei0t es (20. Vers meiner engl. Übersetzung), dass derjenige einen Anteil an der Priesterschaft habe, der dem Dharma folge, Leidenschaften, Hass und Illusionen aufgegeben habe und Gleichmut besitze.


    Erst recht kann man sich "Zen-Mönch" oder "Zen-Nonne" nennen. Dazu wird im Grunde nur nötig sein, dass man eine aufrichtige Entscheidung trifft, den Zenweg mit seinen üblichen Vorstellungen zu üben (z.B. "Loslassen", "Erwachen", "Zazen"). Wenn man das versteht, gibt man auch nix mehr auf solche Benennungen.


    Die Lage im Christentum ist etwas komplexer. Es gibt Orden, die nur ein Gelübde in den Vordergrund stellen (wie die Dominikaner den "Gehorsam"), andere betonen die Gebundenheit an ein Kloster (wie die Benediktiner). Und es gibt in der Regel zeitlich begrenzte Gelübde, die man wiederholt erneuern kann (z.B. jährlich) oder aber in "ewige Gelübde" überführen.


    Zu Kobun Chino: Was für eine Tat! Ohne nachzudenken als Nichtschwimmer in den Teich zu springen, um die Tochter vielleicht noch zu retten! Auf der anderen Seite steht da die Dummheit und Achtlosigkeit der beteiligten Eltern (oder auch der Sangha incl. Palmers). Ich muss sogar dann ständig in der Nähe sein, wenn das Kind Schwimmflügel im Nichtschwimmerbecken trägt. Wenn bloß einer davon wegrutscht, wird's schon gefährlich.


    Wenn ich Vanja Palmers seltsame Ideologie zum Schwein usw. (alles hier schon diskutiert oder anderswo) lese, dann ist da eine Welt zwischen ihm und Kobun Chino. Auch wenn man Kobun liest oder hört, kann sich einem das erschließen. Selbst wenn er Vanja irgendeinen Rang verliehen hätte, er wäre ja nicht der erste, der sich da geirrt haben könnte. Auf der anderen Seite versucht Vanja wohl so seinen Teil der Verantwortung abzutragen.

    Klar, in Thailand ist gerade "Buddhist Lent"/Khao Pansa (http://de.wikipedia.org/wiki/Khao_Phansa) . Feiertag(e), und an der Rezeption fragte man mich mal wieder, ob ich "Tambuun" tun wolle, also was Gutes, d.h. Geld für einen Tempel in einer entfernten Provinz spenden. Ich sagte: "Ich komm gleich wieder." Dann brachte ich der Rezeptionistin, die mich derart angesprochen hatte, einen Simpson-Kuli und Notizzettel. "Hier ist mein Tambuun für dich", sagte ich. Und dann: "Kennst du die Videos über Mönche, die Sex haben und im Luxus leben oder Leute ohrfeigen?" - "Ja. Aber in diesem Tempel sind die nicht so."


    Aha. Aber sie sorgen dafür, dass weit weg davon jemand Umschläge mit Geld einsammelt. Und die werden nicht einem Treuhänder gegeben, die landen direkt bei den Mönchen. Wenn diese besagten Thais, die mich immer mal wieder wegen so was ansprechen, ein bisschen heller wären, würde ich ihnen einfach sagen, sie sollten mir das Geld geben, ich sei schließlich auch Mönch (siehe "Felsentor"-Thread).


    Seufz!

    Hm, Jojo, ich sehe da eine gewisse Ansicht, die dir natürlich unbenommen ist und die natürlich so auch in Deutschland gelehrt wird. Sie spiegelt sich in (meines Erachtens) a) Irrglauben und b) Rhetorik.


    Irrglaube ist, dass Aufmerksamkeit Schmerzen per se auflöst. Ich habe das hier schon oft gesagt, die Menschen unterschätzen den Schmerz. Es gibt ja auch Leute, denen eine Paracetamol gegen Kopfschmerzen hilft. Ich kenne keine Kopfschmerzen, gegen die ich Paracetamol nehmen könnte. Aber etliche Zenlehrer, von Suzuki bis Deshimaru, die in ihrem Sterbeprozess über Schmerzen geklagt haben (laut Zeugen). Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Vor allem steht da wohl ein Wunsch dahinter (warum würde es sonst erwähnt?), und darum lohnt es sich m.E. vor solchen zu hohen Erwartungen an die Meditation zu warnen.


    Zitat

    wann immer sich etwas auflöst - dem eine bestimmte Art von Aufmerksamkeit voraus gegangen ist


    Ich glaube, du bist noch jung. Wenn man älter ist, stellt man fest, dass sich viele Dinge gerade dadurch auflösen, dass man ihnen KEINE Aufmerksamkeit (mehr) schenkt. Das beste Beispiel ist Liebeskummer. Den erwähne ich, weil er unter "Leiden" fallen würde und unter mentaler Anhaftung, also "Trübung".


    Nun zur Rhetorik:

    Zitat

    einfach weil es einen in den eigenen Körper zwingt.


    Das Sitzen. Allerdings bist du sowieso in diesen Körper gezwungen, auch ohne Zazen. Um in dieser Rhetorik zu bleiben, die m.E. sinnlos ist.


    Zitat

    wenn der Schmerz wegfällt, verschwindet auch die Aggression, da ist nichts mehr zu steuern.


    Ist das wünschenswert? Ich bin froh, dass gerade Rainald Goetz den Büchner-Preis bekommen hat, den wohl bestdotierten für Literaten in Deutschland. Goetz hat sich einst bei den Literaturtagen in Klagenfurt als junger Mann während einer Lesung die Stirn aufgeritzt und dann blutend weitergelesen. Er ist noch heute mit 60 Jahren ein neurotischer Zappelphilipp, dessen Antriebskraft nach eigener Aussage auch die Wut ist. Aber dieser Mann ist hochaufmerksam, ein sehr guter Beobachter. Außerdem nicht blöd, hat mehrere Doktortitel. Diese Idee, man müsse dies und das ausmerzen, was Menschen antreiben kann (und nicht nur unheilsame Folgen haben muss), ist mir suspekt.

    Jinen: Sicher ist "Akzeptieren" auch noch eine Ich-Handlung. Aber auch "da ist nur Nembutsu" ist eine persönliche Ansicht (woher sollte sonst Nembutsu kommen?). Für mich ist das eines der Probleme in der Art, wie über diese Dinge gesprochen wird. Da die meisten Buddhisten voraussetzen, es gäbe kein Selbst und ein Ich sei eine Täuschung, wird versucht, das Eigentliche so zu fassen, als sei es unabhängig von einer individuellen Sicht und Erfahrungsweise. Wenn dem so wäre, hätte es beispielsweise schon keine verschiedenen Zenschulen gegeben. Das, was davon unabhängig gedacht wird, geht natürlich über "Vernichten" oder "Akzeptieren" hinaus. Aber "Akzeptieren" ist ein praktischer Aspekt, der sich im Leben anders äußert als "Vernichten". Wenn es eine "Trübung" ist, sich gegen Angreifer zu wehren, dann mag ich zwar eine Trübung vernichten, werde dann aber ggf. selbst vernichtet. Wenn ich die Trübung "Aggression" annehme, kann ich damit aktiv arbeiten.


    Jojo:

    Zitat

    und anschließend steht man vom Kissen auf und irgendwas ist weg


    Und möglicherweise kommt es wieder, weil man den Vorgang zu sehr ans Auf-dem-Kissen-sitzen bindet ...


    Zitat

    Und meine Erfahrung ist: Vernichten ist genau das, was passiert, wenn die Aufmerksamkeit stimmt.


    Erst mal scheint hier ein Zirkelschluss verborgen: Wenn also nicht vernichtet wird, dann stimme die Aufmerksamkeit eben nicht.
    Das erinnert mich wieder an den Groucho Marx-Witz: "Mein Bruder Harpo hat jeden Tag mehrmals masturbiert. Nun war er beim Analytiker." - "Und, hat er aufgehört damit?" - "Nein, aber er weiß jetzt, warum er es macht."
    Meines Erachtens führt das bloße Gewahrsein nicht zum Vernichten. Beispielsweise kann ich mir eines Schmerzes sehr bewusst sein, aber er geht deshalb nicht weg. Auf der geistigen Ebene kann ich mir eines aggressiven Anliegens bewusst sein, aber es lässt sich dadurch ggf. einfach besser steuern, also kontrollierter. Ohne die Wertung - und das sehe ich als wesentlich im Gesamtkonzept Mahasi und Co. - gehen die Dinge, die als "unheilsam" betrachtet werden, nicht in jedem Fall weg. Das, was sie wegschaffen will, ist tatsächlich auch ein Ego. Darum macht Harpo Marx in obigem Beispiel weiter, weil es schlicht Spaß macht, aber er versteht nun etwas mehr den Grund seines Tuns. Hier im Forum gibt es Hardcore-Theravadin, die durch ihre Zitiererei den Eindruck erwecken, sie glaubten tatsächlich, ein Mensch, der keiner Gefühlsregungen mehr habe (und keinen solchen Spaß wie Harpo) sei ein Ideal. Und dahin denkt leider auch Mahasi. Er meint, man käme durch solche Vipassana-Übungen näher ans Menschenideal und endet bei einem, der sich bereitwilig zum Schlachtopfer anderer machen lässt. Dabei müsste er, wenn er bei solchen Gedanken und Gefühlen seine eigene Methode praktiziert, etwas anderes feststellen, meiner Ansicht nach: Dass nämlich "Absicht: Wehren/Selbsterhalt" und "Anwenden: Schlagen" an sich keine Trübung sind, sondern sein Menschsein mit ausmachen. Ich denke, man kann sich darüber nur täuschen, wenn man gleichzeitig während des Etikettierens etwas mitdenkt, und zwar wertend. Das, was Mahasi dann doch meinungsstark ablehnt, ist nämlich durch das reine Gewahrsein nicht ablehn-, sondern annehmbar.


    blue: Ich gebe dir einen Link, das nächste Mal google einfach selbst, indem du dir den Satz entsprechend in die Suchmaschine kopierst. Deine Zweifel sind dein Problem. http://www.accesstoinsight.org…hasi/wheel298.html#ethics (Eliminating the Unwanted)

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    Es geht beim Etikettieren / Noting nicht ums Funktionieren.


    Das denke ich jedoch schon. Denn Mahasi trifft die klassischen Wertungen in seinem "Gesamtwerk", nach denen es z.B. unmöglich ist, ein Stromeintreter zu sein, wenn man nicht bestimmten Geboten im Wortlaut folgt etc. Das Etikettieren ist also nur Teil eines Paketes, in dem der Sinn der Übung klarer wird - ein "Mustermensch" zu werden, wie ein Mustermensch zu funktionieren.


    Das Etikettieren und Bewusstmachen soll dazu dienen, etwas abzulegen und einem Ideal gerecht zu werden. "Jeder Moment der Achtsamkeit (awareness) bedeutet ein allmähliches Vernichten latenter Trübungen (defilements)", so hat er es mal ausgedrückt. Ich setze hier dagegen, was nach meiner Erfahrung im Zen geschieht (und für mich ist Zazen nicht korrektes Sitzen, sondern eben diese Form geistiger Wachsamkeit und das Beobachten innerer Vorgänge): "Jeder Moment der Achtsamkeit ist ein allmähliches Akzeptieren der Trübungen."