Beiträge von diamant

    (Abgespalten vom Thread "Andere belehren", siehe http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=12&t=14901)


    Grundlage: http://www.eyeofchan.org/docs/…enTheSaintsGoMarching.pdf (Kritischer Aufsatz von Stuart Lachs u.a. zu Sheng Yens Hagiographie)


    So wie void oft Fragen nach dem Verständnis eines Wortes stellt, so könnte ich fragen, was "sauber" heißen soll. Sheng Yen war Soldat. Das ist im klassischen buddhistischen Sinn schon nicht mehr sauber. Sheng Yen hat in seiner Bio gelogen. Das ist nicht sauber. Dann kommt als Ergänzungsvorschlag: sauber "bezüglich sexueller Verfehlungen".


    1) Woher wollen wir das wissen? Ich kenne eine Wissenschaftlerin, die gerade untersucht, warum einige an den Pranger gestellt werden und andere nicht. Das ist ein interessantes Thema. Auch, warum einige auffliegen und andere nicht. Zeiten, die in einer Biografie nur als "solitary retreat" (bei ihm zwischen 1961 und 1968) widergegeben werden, machen mich stutzig. Meist gibt es dann keine Zeugen für das, was da wirklich abging. In Bewerbungen beschönigt man so gern Zeiten, in denen man nix gebacken bekam, aus welchen Gründen auch immer.


    2) Sheng Yens Dharma Drum Tempel ist ein Megafinanzprojekt (100 Mio. USD Spendengelder stecken da drin, siehe Fußnote 76). Auch das ist nicht "sauber". Das ist Status.


    3) Soll Sheng Yen nicht zölibatär gelebt haben ("no sex for monastics" heißt es in seinen modifizierten Gelübden)? Worin besteht dann bitte die Kunst, sich keiner Verfehlungen schuldig zu machen, wenn man dem Sex prinzipiell abschwört? [Anmerkung: Das Thema wurde von Thursday eingebracht, nicht von mir!] Hätte er überhaupt gekonnt, wenn er gewollt hätte? Und wie kann man sich dennoch das Recht herausnehmen, Laien über ihre Sexualität zu belehren, wenn man davon nicht viel versteht? (Dieser Punkt knüpft an das Thema des oben verlinkten Threades an.)


    4) Das führt dann eben auch zu Details in Sheng Yens Lehre, die ich erstaunlich daneben fand. Ich habe das an anderer Stelle geschildert. Und es "erweist" sich auch an seinen Schülern. Ich wollte darüber mal in einen Dialog mit einem seiner Dharma-Nachfolger treten, der seine Werke übersetzt, aber der verweigerte ihn. Dann schaute ich mir das Gesamtwerk von Sheng Yen eben selbst an, soweit in mir verständlichen Sprachen vorhanden. Und kam zum Schluss, dass es zweitrangig ist.


    Sheng Yen werden diverse Nachfolgeschaften angedichtet. Die von Hsu Yun z.B., der ein Selbsternannter war. Zur Sicherheit hatte er auch eine von Dongchu, die aber angezweifelt wird (siehe S. 6, Fußnote 18 im Essay von Lachs, die Geschichte ist ähnlich dubios wie die Deshimarus, allerdings ging es Sheng Yen offensichtlich auch darum, sich materielles Erbe untern Nagel zu reißen). Auch die dritte angebliche Übertragung durch Lingyuan ist seltsam, weil ihr im Grunde nur zwei kurze Gespräche vorausgegangen sein sollen, wobei er eines davon als Soldat hatte. Laut Stuart Lachs ging es bei diesen beiden Übertragungen bestenfalls darum, dass Sheng Yen selbst eine kleine Gefolgschaft aufweisen konnte, also lehrte und Schüler hatte. Das reichte (und sei ähnlich wie im Sôtô-Zen heute).


    Vom japanischen Zen hat sich Sheng Yen keinesfalls hinreichend abgegrenzt, da auch bei ihm kein Erwachen für die Dharma-Übertragung entscheidend war (in Fußnote 28 wird hier z.B. der Vergleich mit Dogen gebracht, der seine Übertragung per Traum beschrieb, und wie sich diese Abspaltung der Übertragung vom Erwachen in der Sung-Zeit vollzog). Das ist für mich - neben einigen seiner inhaltlichen Aussagen - ein Hinweis darauf, dass er nicht wusste, was das ist.

    Zitat

    blue, diamant, könnt ihr euren Kleinkrieg per PN austragen


    Es gibt keinen, ich hatte Doris Hinweise auf die Versuche anderer versprochen, das Thema auf ad hominem et al. zu verschieben. Ich werde künftig einfach nur noch [2. Hinweis ] etc. ohne weiteren Kommentar posten, um Dir entgegenzukommen.


    Mein obiger Satz an blue ist allgemeingültig. Im Buddhismus findet sehr oft eine Idealisierung von Lehrern statt. Der Lehrer kann dem vorbeugen, indem er das Spiel nicht mitspielt und nicht versucht, dem Wunsch (Bilde) der anderen zu genügen, sondern möglichst transparent wird. Mit allen Schattenseiten.


    Dieses Forum bildet freilich keine Lehrer-Schüler-Beziehung ab und kann das auch gar nicht, denn es lebt ja von der Anonymität vieler Beteiligter. Die Möglichkeiten, hier wirksam zu werden, sehen demnach anders aus als bei Begegnungen unter vier Augen.

    [An Doris: 1. Hinweis auf Versuch der Themenverschiebung. Dagegen Michael Elliston, Atlanta: "define the Zen priest as a perfect person who won’t do any harm, including offending conventional mores ... I doubt that many of the Masters of history would fit that picture.” Bereits von mir aufgezählt - die bekanntesten Lehrer waren unmoralisch. Hinweis auf Lernresistenz und Idealisierung von Lehrern. Die richtige Frage an blue wäre, wer ihr Lehrer ist, und dann seine Vergehen zu benennen. Zur Verweigerung der Einsicht gehört aber auch, den Lehrer nicht zu benennen, der diese Idealisierung befördert und sich damit gerade als unmoralisch erweist.]

    Zitat

    Es gibt überlieferte Antworten, aber es gibt auf keine Koan eine festgelegte Antwort. Jeder, der den Weg des Zen beschreitet, muss die Koans selbst beantworten, sonst ist die Antwort wertlos ...


    Ich las gerade "Der Sohn des Samurai. Das Leben des Sessue Hayakawa." Dt. Ausgabe von 1963, übersetzt von Alastair, antiquarisch noch hier: http://www.amazon.de/Sohn-Samu…o-Hayakawa/dp/B0000BJ652/


    Im Original heißt das Buch "Zen showed me the way", weshalb es hier von Interesse sein könnte. Hayakawa (1889-1973, https://de.wikipedia.org/wiki/Sessue_Hayakawa), ein schöner Mann mit ausdrucksstarken Augen, entstammte einem Samurai-Geschlecht und wurde in den Tugenden des Bushido erzogen. Nach einem misslungenen Harakiri-Versuch aus dem Gefühl der Schande (Ungenügsamkeit) heraus, kam er mit dem Rinzai-Zen in Kontakt. Auch wenn seine Schilderungen davon und die Zitate seines Lehrers nicht sonderlich originell sind und auch nur einen kleinen Raum in dem Buch einnehmen, ist es schon als Zeitzeugnis des Hollywood-Filmes interessant. Denn Hayakawa war Schauspieler, drehte u. a. noch in der Stummfilmära mit Cecil B. DeMille und später mit Humphrey Bogart. Viele kennen ihn aus der "Brücke am Kwai". Im Alter wurde er Zen-Priester und führte ein selbst geschriebenes Stück über das Leben Buddhas in Japan auf, tingelte damit durchs Land und machte finanzielle Verluste:


    "Als ich eines Abends auf der Bühne kniete und die Schauspielerin Toshiko Sekiya als Engel auftrat, ertönte ein sonderbares Klappern, das im feierlichen Schweigen der Szene sehr auffiel. Obwohl mein Gesicht die Beseligung des Buddha ausdrückte, öffnete ich doch spaltbreit die Augen und spähte nach der Ursache dieses entzaubernden Geräusches. Ich gewahrte bekümmert, dass der Engel hohe Absätze trug. Und nicht genug damit, als er die Bühne überquerte, trat er auf das Kabel, das meine Strahlenaura mit Strom versorgte, so dass die Bühne sich jäh verdunkelte und die ganze Schlusswirkung verdorben war."


    Es gehört zu Hayakawas Stärken, dass er den darauf folgenden Wutausbruch nicht verschweigt ...


    Filmografie: http://www.imdb.com/name/nm0370564/

    Auch ich. Freilich auch dem, was Thursday sagte.
    Und danke für die (vorübergehende) Schließung des anderen Threads.


    Ein Zenlehrer sagte einmal, es sei die Aufgabe eines Lehrers, dem Schüler, der im Allgemeinen zur Idealisierung des "Meisters" neigt, immer wieder vor Augen zu führen, welche Ecken und Kanten der Lehrer tatsächlich habe. Bis ihm die Illusion des Gutmenschen ausgetrieben sei.

    David Hume meinte, es gäbe keine Seele, kein beständiges Selbst, kein "Ich". "Ich kann mich nie selbst zu fassen bekommen ohne eine Wahrnehmung, ich kann nie etwas anderes als diese Wahrnehmung beobachten." Letztlich bedeuteten metaphysische Begründungen nichts, es zähle einzig die Erfahrung. Man würde nichts verlieren, wenn man seine Vorstellung eines Gottes, einer Wirklichkeit oder eines Ichs aufgäbe.


    Die Autorin des folgenden Artikels aus dem "Atlantic" (englisch) hat sich auf Spurensuche gemacht. Begeistert von den Parallelen im Denken David Humes zum Buddhismus fragte sie sich, woher dieser sein Wissen im 18. Jhd. haben konnte. Und stieß auf den Jesuiten Desideri, der sich auf eine beschwerliche Reise nach Tibet gemacht und dort ein ganzes Dharma-Curriculum absolviert hatte. Eine abenteuerliche Geschichte in doppelter Hinsicht: Da ist zum einen das Leben der Missionare, die sich nicht zu schade sind, tief in die Religion des anderen einzusteigen; und da ist die hartnäckige Autorin, die am Ende Hinweise hat, dass jener Jesuit eine Stadt in Frankreich aufsuchte, in der später auch Hume weilte und ein nie publiziertes Manuskript von Desideri gelesen oder zumindest von seinem Inhalt erfahren haben könnte.


    http://www.theatlantic.com/mag…my-midlife-crisis/403195/

    Stephen Heine: Did Dogen go to China. Japaneses Journal of Religious Studies 30/1-2: 27-59 (2003)


    Aus gegebenen Anlass (siehe die Diskussion mit Thursday http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=12&t=14889&start=30 und hier die Stichworte Tozan und Shinjin datsuraku) fasse ich einen weiteren Beitrag über Dôgen zusammen. Dieser Essay von Stephen Heine, Professor für Religionswissenschaft, stellt u.a. die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Behauptung, dass Dôgen zwischen 1223 und 1227 auf seinen Reisen durch China unter der Führung von Meister Ju-ching Erleuchtung erlangte. Es werden dazu verschiedene Dokumente herangezogen, u. a. das Teiho Kenzeiki zue aus der Tokugawa-Ära in der Interpretation von Nara Yasuaki und ein preisgekröntes Buch von He Yansheng über Dôgens Beziehung zu China.


    Dôgens Zitate und Anspielungen auf Texte der Sung-Zeit dienen als wichtige Basis für die Interpretation chinesischen Chans. Seine Hauptquellen umfassen die Aufzeichnungen Hung-chihs und von Dôgens Lehrer Ju-ching, die er beide als „alte Meister“ (kobutsu) bezeichnet (Ju-ching auch als seinen „früheren Lehrer“, senshi), sowie verschiedene Kôan-Sammlungen und „Übertragungen der Lampe“. Dôgen habe sich wie Marco Polo ein halbes Jahrhundert später vor allem in der kosmopolitischen Hauptstadt Hang-chou aufgehalten. Beider Erzählungen sind in Hinblick auf ihre Historizität in Frage gestellt worden, bei beiden fällt auf, dass sie sich als willkommene Gäste in China beschreiben, obwohl etwas Dôgen zunächst mangels des erforderlichen Gebotenehmens die Teilnahme an der Sommerübung verweigert wurde und nach dem Tod seines Lehrers Myôzen seine Stellung noch mehr geschwächt worden sei. Konnte es da sein, dass Dôgen in einem der Tempel der Fünf Berge in der Provinz Chekiang zum Hauptmönch ernannt wurde?


    Die bekannte Aussage shinjin datsuraku, Körper und Geist abwerfen, die Dôgen seinem Mentor zuschreibt, stammt mit größter Sicherheit nicht von Ju-ching oder irgendeinem anderen Meister der Sung-Zeit. Dôgen erwähnt auch nicht, dass er selbst in China die Erfahrung von shinjin-datsuraku gemacht habe. Dôgen brachte wahrscheinlich auch keine Ausgabe des Pi-yen chi (Hekiganroku) aus China mit, die er – mithilfe eines Berggottes - in einer einzigen Nacht kopiert haben soll. William Bodiford meint, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit das Übertragungsdokument, dass Dôgen von Ju-ching erhalten haben soll und das als Nationalschatz in Japan gehütet wird, eine Fälschung sei (tatsächlich beschreibt Dôgen selbst Schriftrollen mit typisch chinesischem Charakter, der diesem Dokument fehlt). Es werden ein paar teils gleich in Frage gestellte Hinweise aufgelistet, die für Dôgens Behauptungen sprechen könnten (Artefakte; der Austausch von Mönchen wie Jakuen, der aus China mit in Dôgens Gemeinschaft im Kôshôji kam; sein Schüler Giin, der nach dessen Tod zum Berg T’ien-tung reiste, um Dôgens gesammelte Reden zu präsentieren, und dort wiedererkannt wurde). Es werden grafisch zwei Theorien präsentiert, die Dôgens Wege in China zu rekonstruieren suchen (Landweg und Seeweg-Theorie). Fragwürdig sind auch zahlreiche Schilderungen übernatürlicher Ereignisse, etwa prophetischer Träume Dôgens, die ihm beim Auffinden Ju-chings geholfen haben sollen, oder seltsame Begebenheiten auf seiner Rückreise.


    Die Quellen für Dôgens Reisen sind vor allem das Hôkyôki, Tenzokyôkun, Shôbôgenzô zuimonki und das Kapitel „Shisho“ im Shôbôgenzô, sowie das Denkôroku und Kenzeiki. Letzteres diente Menzan Zuihô im 18. Jhd. als Quelle seiner hagiografischen (Heiligen beschreibenden, beschönigenden) Version, nach der Dôgen auf seiner Pilgerreise zahlreichen Gottheiten begegnete. Das Problem ist also, dass die Quellen entweder von Dôgen selbst stammen oder aus seiner Schule, wo man Generationen nach seinem Tod Biografien über ihn verfasste.


    1241 konvertierten etliche Anhänger der Daruma-shû zum Sôtô-Zen. Kurz danach ging Dôgen in die Berge von Echizen und begründete das Eiheiji-Kloster nahe dem Hajakuji-Tempel, der für die Daruma-shû bedeutend war. Zu dieser Zeit begann Dôgen Ju-ching zu preisen und die Linji-Schule zu attackieren, in deren Linie die Anhänger der Daruma-shû ordiniert hatten. Dôgen betonte die Erfahrung einer direkten Übertragung „von Angesicht zu Angesicht“ (menju) als einzigen legitimen Weg, eine Linie fortzuführen. Dies widersprach dem Gründer der Daruma-shû, Dainichi Nônin, der zwar Schüler nach China geschickt hatte, um die Übertragung in der Linie Ta-huis zu erhalten, aber selbst nie einem Chan-Meister begegnet war.


    Heine kritisiert zunächst die Quelle Hôkyôki, die etwa 50 Dialoge Dôgens mit Ju-ching enthält. Sie schweigt sich über die beiden Jahre vor der Begegnung mit dem Abt aus, und ihr Entstehungsdatum bleibe ungewiss. Der Text wurde postum von Ejô einige Monate nach Dôgens Tod entdeckt und dann erst wieder von Giun 1299 wiederentdeckt. Heute glaubt man, dass diese Schrift erst gegen Ende von Dôgens Leben entstand und keinesfalls wie ein Notizbuch seiner Chinareise anzusehen sei. Eine andere Theorie hält die frühen 1240er-Jahre als Entstehungsdatum für möglich. Denn 1242 war eine Kopie von aufgezeichneten Reden seines Lehrers, das Ju-ching yü-lu (herausgegeben von I-yüan) nach China gelangt, und Dôgen war davon enttäuscht und hatte womöglich sein eigenes Werk dagegensetzen wollen. Legte man das Hôkyôki als verlässliche Quelle beiseite, gibt erst wieder das mehr als zweihundert Jahre nach Dôgens Tod entstandene Kenzeiki eine zusammenhängende Quelle für seine Reise ab. Dôgen selbst hat nur wenig in China geschrieben, ein paar Erinnerungen an seinen dort verstorbenen Lehrer Myôzen und ein paar Verse im zehnten Kapitel des Eihei Kôroku. Dôgen erwähnt Gedächtnisfeiern an Myôzen auffälligerweise kaum und erst spät im Eihei Kôroku, während er Eisai, den Begründer der Tradition aus esoterischem, exoterischem und Meditations-Buddhismus, in der er von 1216-1223 im Kenninji übte, mehrfach preist.


    [Es folgen, stichwortartig, Datierungstheorien und Chronologien zu Dôgens Reise. Zu den bemerkenswerten Einzelheiten gehören m. E. Dôgens Träume vom Vollmond beim Anblick von Patriarchen-Porträts, vom Pflaumenzweig, die Entdeckung von 360 Reliquien (shari) nach Myôzens Tod, das Unterwerfen eines Tigers und Heilen eines Kranken mittels einer Gottheit und eine Sichtung der Kannon auf stürmischer See. Desweiteren folgt eine Auflistung der fünf Übertragungsdokumente (shisho), die Dôgen tief beeindruckten.]


    In Dôgens Übergangsphase zum Eiheiji erwacht sein Interesse, die Übertragungslinie zu diskutieren. Im Kapitel „Shisho“ des Shôbôgenzô wird er mit der Linji-Schule in Verbindung gebracht, ohne dass dafür Nachweise erbracht würden. Die Behauptungen der Übertragung durch Ju-ching von Angesicht zu Angesicht stammen aus den zeitnah entstandenen Kapiteln „Busso“ und „Menju“.


    Es folgt die Wiedergabe zahlreicher Begegnungen Dôgens mit Mönchen und Meistern, wobei ihn oft Äbte von Tempeln der Fünf Berge wenig beeindruckten, aber anonym bleibende Mönche in ihrer schlichten, konzentrierten Hingabe an den Dharma umso mehr. Laut Nara (2001) soll Dôgen gedacht haben, ihm käme niemand in Japan und China gleich. Dôgen beschrieb den Mangel an Erkenntnis in anderen Mönchen mit „keine Nasenlöcher im Gesicht“ und „kein Schwert in ihrem Lachen“.


    Heine wirft die Frage auf, warum Dôgen seine Beziehung zu Ju-ching im Wesentlichen erst in seiner Übergangsphase der frühen 1240er-Jahre zum Thema machte, wo doch dieser Lehrer für ihn eine solch besondere Bedeutung gehabt haben soll. Andererseits: Warum sollte er, wenn es ihm um die Legitimation einer Linie ging, ausgerechnet den nach anderer Überlieferung wenig bedeutsamen Ju-ching dafür ausgesucht haben? Die Informationen zu Ju-ching stammen vor allem aus dem Shôbôgenzô-Kapitel „Gyôji“ (Teil 2), Keizans Denkôroku und dem Ju-ching yü-lu. Er war ein Patriarch der Chih-hsieh-Linie der Ts’ao-tung Schule, die Dôgen nach Japan brachte. Die andere Hauptlinie der Ts’ao-tung war die Hung-chihs, die von Tômyô E’nichi nach Japan gebracht wurde. Ju-ching übte u.a. auch bei einem Schüler Ta-huis und war Mönch unter einem Linji-Abt, seine Erleuchtung erfuhr er unter Hsüeh-tou aus der Ts’ao-tung-Schule. Hätte Dôgen 1225, zwei Jahre vor Ju-chings Tod, eine lebensverändernde Erfahrung bei diesem gemacht, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies gleich nach seiner Rückkehr nach Japan zum Ausdruck gebracht hätte. Im Hôkyôki finden sich jedoch Kennzeichen von Dôgens Spätphase wie das Betonen der Kausalität (inga) und ein Ablehnen der Einheit von Buddhismus, Konfuzianismus und Taoismus (sankyô itchi).


    Im Folgenden geht es um Unterschiede von Dôgens Darstellung zu denen im Ju-ching yü-lu, den gesammelten Aussprüchen Ju-chings. Als Beispiel wird ein Vers genannt:


    Die Glocke sieht wie ein offenstehender Mund aus,
    die dem Wind aus den vier Richtungen gegenüber gleichgültig ist.
    Wenn du sie nach der Bedeutung der Weisheit fragst,
    antwortet sie nur mit einem Klingelton.


    Dôgen verändert die Bedeutung, indem er das kontinuierliche Klingen der Glocke betont und Spuren des Dualismus zwischen der Glocke und ihrem Klang eliminiert:


    Die Glocke ist eine Stimme, die Leere artikuliert.
    Sie spielt den Gastgeber für den Wind aus den vier Richtungen
    und drückt mit ihrer eleganten, selbstgeschaffenen Sprache
    das Tönen aus: das Klingen des Klingens.


    Im Shôbôgenzô zuimonki (1236-1238) führte Dôgen Ju-chings Hingabe ans Zazen deutlich vor Augen. Die Kritik an Ta-huis und anderen Linien in den Shôbôgenzô-Kapiteln „Shohô jissô“, „Butsudo“ und „Bukkyô“, die Dôgen Ju-ching zuschreibt, unterscheidet sich so signifikant von dessen Tonfall im Ju-ching yü-lu, dass sie wie falsch zitiert oder erfunden wirkt. Nakaseko (1997) analysiert genauer, worin sich die beiden Darstellungen Ju-chings unterscheiden.


    Dôgen unterstellt Ju-ching Kritik an folgendem für das chinesische Chan typischen Inhalten:


    - der Einheit der drei Lehren (laut „Shohô jissô“ im Shôbôgenzô)
    - der intellektuellen Methode (kikan) in den drei Phasen Yün-mens
    - den vier Beziehungen Linjis, den fünf Rängen Tung-shans (Tôzans) und zahlreichen anderen Doktrinen (laut „Butsudô“ und „Bukkyô“ im Shôbôgenzô)
    - der sektiererischen Gespaltenheit der fünf Häuser des Chan, die die Einheit aller Formen des Buddhismus bedrohe (siehe „Butsudô“)
    - der Selbständigkeit der Zensekte (siehe Hôkyôki)
    - der Ansicht, die eine Trennung von Chan und Sutren propagiert (siehe Hôkyôki)
    - dem naturalistischen Trugschluss, der Wirklichkeit bestätigt, ohne sie zu verwandeln (siehe Hôkyôki)
    - einer Tendenz in einigen Chan-Denkern, Kausalität und karmische Vergeltung zu leugnen (siehe Hôkyôki)


    Weiter betont Dôgen Ju-chings Verwendung lyrischer Bilder (siehe „Baika“ und „Ganzei“ im Shôbôgenzô).


    Vieles davon steht im Widerspruch zum Ju-ching yü-lu. In diesem Text wird weder Zazen herausgestellt noch werden Kôan abgelehnt, auch die Faulheit und der Lebensstil der Mönche werden nicht kritisiert. Ju-ching lehnte weder Konfuzius ab noch sah er andere Lehren als dem Buddha-Dharma untergeordnet an, er zeigte sich nicht wegen der Fünf Häuser oder der Selbständigkeit des Chan besorgt oder der Ansicht, die Chan von den Sutren trennen wollte. Er kritisierte nicht die kikan-Formeln Yün-mens noch die naturalistische Häresie. Und er betonte weder Kausalität noch lyrische Metaphern, wodurch er ganz anderen Chan-Meistern der Sung-Zeit ähnelte.


    Dôgen kritisiert im Eihei Kôroku noch andere Chan-Vorfahren, etwa Hung-chi, den er besonders oft zitiert. Selbst sein Mentor Ju-ching bleibt davon nicht verschont (Eihei kôroku III, 194).


    In seinem Fazit meint Heine, diese Diskrepanzen und die mangelnde historische Verifizierbarkeit würden einen Gläubigen wohl nicht größer verunsichern.



    Literatur (Auswahl):


    He Yansheng: Dôgen to Chûgoku Zen shisô. Kyoto 2000.


    Steven Heine: Dôgen casts off “what”? An analysis of Shinjin Datsuraku. Journal of the International Association of Buddhist Studies 9: 53-70. (1986)


    Takashi James Kodera: Dogen’s Formative Years in China. Boulder 1980.


    Shôdô Nakaseko: Dôgen zenji den kenkyû. Tokyo 1997.


    Yasuaki Nara: Anata dake no Shûshôgi. Tokyo 2001.

    Thursday:

    Zitat

    alle fünf Verse sind Ausdruck des Einen


    und kurz zuvor:

    Zitat

    das ist nur der dritte Rang. Weiter ist der nicht gekommen?


    Wonach soll man da suchen? Nach einer Definition von "Verwirrung"?


    "Den (letzten) Rest geben" bedeutete hier, dass dir Tozan doch widerspricht. Das gewöhnliche Leben ist das, was du hier als ungenügend beschrieben hast. Du solltest zwischen "Kohle und Asche" hocken, wie ich das hier auch tue.


    Dôgen hat einfach vergessen, auf die rechte Weise zum Marktplatz zurückzukehren. Der wäre ja auch außerhalb der Klostermauern gewesen.

    Habe ich nicht schon den Verdacht geäußert, dass du an einen Stufenweg glaubst, mit sila-Treppen und Dharma-Architektur?


    Der fünfte Rang gibt dir doch den Rest:


    Zitat

    Wer wagt es, ihm gleichzukommen, der weder ins Sein noch ins Nichtsein verfällt?
    Alle Menschen wollen den Strom des gewöhnlichen Lebens verlassen,
    doch er kommt schließlich zurück, um zwischen Kohle und Asche zu sitzen.

    Zitat

    Dafür hängst du an dieser Erfahrung, wie an dem berühmten Ast.


    Huangpo sagte dazu:


    Zitat

    Frage: „Wenn es wirklich so ist, wo ist dann Erwachen (bodhi)?“ Der Meister antwortete: „Erwachen ist nirgendwo! Selbst Buddha hat nie Erwachen erlangt, weil es alle fühlenden Wesen nie verloren haben. Es wird weder vom Körper erlangt noch vom Geist gesucht. Alle fühlenden Wesen sind in der Tat eine Form der Weisheit.“


    Deines ist etwa das gleiche Missverständnis wie im Schmuddelthread. Auch der Sex hat keine übergeordnete Bedeutung für mich, und in der Tat macht er nur ein paar Stunden pro Woche aus, weniger als meine Einkäufe für Lebensmittel. Die Verschiebung entsteht im Auge des Betrachters, und weil es durchaus auch langweilt, sich immer wieder damit zu beschäftigen, wechsle ich jetzt auch zunehmend in den "Zusammenfass-Modus". Es dürfen einfach andere sprechen, und künftig könnt ihr euch daran orientieren oder weiter um eure eigenen Abneigungen kreisen. Ich habe a) eine sarkastische Signatur, die ein anderer User einst inspirierte, b) erzähle ich einfach aus meinem Leben. Das ist alles in diese Richtung. Es sind andere, die dann immer darauf herumreiten und daran hängen, und ellenlange Personenthreads konstruieren, um etwa davon abzulenken, dass sie möglicherweise nicht mich, sondern Dôgen, Huineng und Huangpo nicht oder anders verstanden haben. Nach dem Motto: "Ah, dann bist du also ..." oder "Willst du also behaupten, dass ..." Auf diese Frage kann ich natürlich dann antworten. Der Unterschied besteht darin, dass ich die Man-Formulierungen, die du benutzt, verlassen kann und "ich" sagen darf. Foucault- ein weiterer Philosoph, der im Zen wilderte - sagt doch auch nix anderes als das: Ja, wir geben Namen, nein, das ist nicht das Namenlose. Eine Binsenweisheit. Genau, wie weiterhin "ich" sagen zu können. Wogegen du dich da sträubst, weiß ich nicht. Foucault heißt immer noch Foucault, weil er oft genug "ich" sagte. Genau wie Keido und Kodo.


    Die Frage ist ja auch, warum du den Erfahrungen Dogens folgst und nicht den gleichen Maßstab an ihn anlegst.


    Huangpo sah es so:


    Zitat

    Erwachen bedeutet, nichts zu erlangen. Selbst jetzt, wenn du einem Gedanken zu entstehen erlaubst, bekommst du nichts.


    Und genau das ist der Clou. Man bekommt nichts, und doch wird das Leben Fülle. (Und ich weiß, das klingt wie ein Spruch von der Kanzel.)


    Und hier ein Beispiel, mit welchem "Selbst"bewusstsein Linji auftrat:


    Zitat

    Warum ist das so? Weil meine Einsicht von anderer Art ist. Nach außen werde ich nicht von Weltlichem und Heiligem genarrt. Nach innen verweile ich nicht im Absoluten. Ich erkenne durchdringend, und ich hege nicht die Spur eines Zweifels.“


    Und speziell für Thursday sprach er dies ;) :


    Zitat

    Wenn du aber die wahre Bedeutung der zehntausend ungeborenen Phänomene erfasst, wirst du verstehen, dass der Geist wie ein Phantom ist und nicht ein Staubkorn oder ein Phänomen existiert, sondern überall Reinheit herrscht.

    Zitat

    Ich hatte dir doch schon mal hier gesagt, Satori ist nicht zu erfahren


    Das mag ja für dich so sein. Was bedauerlich wäre.


    Ich habe geantwortet, dass dies Rhetorik ist, die nichts mit den tatsächlichen Geschehnissen zu tun hat. Man erfährt kein Satori, weil dies bloß ein Wort ist, aber man erfährt etwas, das man als bedeutsam empfindet und das entsprechende Wirkungen entfaltet. Deine Rhetorik führt zu nichts, von mir aus kannst du so Schüler unterweisen, die du davon abhalten willst, sich Vorstellungen zu machen. Ich habe eine entscheidende Erfahrung glücklicherweise gemacht, bevor ich von Lektüre usw. beeinflusst war, und musste mich mit diesem Problem nicht herumschlagen. Die Schüler, die dir begegnen, werden aber all diese Beschreibungen kennen, wie die von Keido: "I looked at the hill and it was truly amazing. i was totally lost as if there was no 'me'." Erstaunen beim Anblick der Natur, Selbst-Verlorenheit ("da war kein 'Ich'").


    Ich vermeide bekanntlich derartige Klischees, aber ich kann da schon erkennen, welche Neigung andere hatten, das als "Erfahrung" zu beschreiben. Und vor allem hab ich keine Angst vor Neurowissenschaftlern und anderen, die daraufhin eine Entschlüsselung vornehmen, und will mich nicht vorsorglich mal jeder Zuschreibung entziehen. Gerade deshalb, weil nicht die Erahrung, sondern der Weg danach (das konkrete Handeln) für mich entscheidender sind. Wir wissen doch, dass das Namenlose nicht umsonst so heißt. Wir wissen auch, dass Annäherungsversuche wie die Keidos schon relativ gut sind, wenn man sich darauf einlässt, darüber zu schreiben oder zu reden.


    Zitat

    Dogen hat erfahren, dass Körper-Geist abfallen, das ist geschehen. Und er hat das als Begriff verwendet, weil der Abt das auch so bezeichnet hat.


    Wow, das ist wirklich hartnäckige Lernresistenz. Okay, ich fasse demnächst noch mehr wissenschaftliche Essays über Dogen zusammen, weil ich gerade zwischen ein paar kleinen Verpflichtungen nichts Größeres anfangen kann. Durch die Literatur, die man über Dogens Lehrer hat, ist das widerlegt. Der Ausdruck Körper und Geist abfallen stammt von Dogen. Er ist in keiner anderen als seiner Schrift über Rujing überliefert.


    Zitat

    du erkennst sofort, unmittelbar, deine Verwandten


    Ich hänge mir nichts auf und erkenne sie anders. Ich erkenne es auch in einem dreijährigen Kind. Das würde mich aber nicht darauf bringen, eine Philosophie wie die Tibeter zu stricken. Das Kind bleibt sterblich, das Leben chaotisch und unvorhersehbar, und der Mensch - ich auch - kann sich immer täuschen. Doch um diese Art von "Ungenügsamkeit" zu erkennen, braucht es nicht mehr als gesunden Menschenverstand. Die Tatsache etwa, dass dies so ist und ich durch den buddhistischen Weg ein besonderes Bewusstsein für die Vergänglichkeit habe, lässt mich um so mehr die Zeit schätzen, die ich mit einem solchen Menschen verbringen kann. Das objektiv Ungenügende führt zur Genüg-sam-keit und zur "Vollkommenheit des Augenblicks".

    Tai: Diese Berichte gibt es ja. Im Falle Linjis: Er hat nach seinem Erwachen noch weiter geübt und auch andere Lehrer aufgesucht. Später ging er auf Pilgerreise nach Henan, um den Gedächtnisturm zu Ehren Bodhidharmas zu besuchen. Dann lehrte er in seinem Tempel. insoweit eine recht verbreitete Geschichte (siehe Kirchner, The Record of Linji, S. 68f.).


    Hier scheint es mehr darum zu gehen, wie die Betreffenden ihr satori beschrieben, und da habe ich ein paar Beispiele, die Thursday widerlegen könnten. Der Einfachheit halber, um mir diesmal die Quellensuche zu ersparen, die vom englischen Wiki-Eintrag unter kensho:


    Hakuin nach seinem ersten kenshô:

    Zitat

    Von Freude übermannt, schrie ich heraus: "Der alte Yen-t'ou lebt, es geht ihm gut!" Danach wurde ich jedoch übermäßig stolz und arrogant.

    (Von Hakuin kennen wir ja zahlreiche selbstkritische Berichte, auch über die "Zen-Krankheit".)


    Sein Lehrer Shoju Rojin hat ihn einmal zurechtgewiesen, weil Hakuin auf die Frage, warum er Mönch geworden sei, geantwortet hatte, er fürchtete, in die Hölle zu fallen (vgl. hier mit den Ängsten Thursdays, ungenügend zu sein). Als er später seines Hauptschülers Toreis Antwort auf diese Frage entgegennahm - "Ich will dem Heil der Menschen dienen" - soll Hakuin gelacht und gesagt haben, dies sei eine viel bessere Absicht als seine damalige. Es gibt hier also einen feinen Unterschied: Geht man den Weg nach dem Satori im Glauben an die Ungenügsamkeit (falls dies überhaupt möglich ist) oder im Glauben an die Heilsmöglichkeit der anderen und der eigenen Wirkung darauf? Und wie diese dann ggf. aussieht, diese Frage hat jeder für sich selbst zu beantworten.


    Keido Fukushima:

    Zitat

    Das Leben war nicht mehr dasselbe für mich. Ich war frei.


    Natürlich geht es darum, diese Erfahrung dann im weiteren Leben zu verwirklichen, zu manifestieren. Ich meine freilich, dass dies nicht mehr unter den Aspekten von sila und Textstudium geschieht, sondern in der hier genannten Reaktion auf das, was sich im Alltag ergibt. Es ist nicht möglich, dass irgendeine sila oder irgendein Text an das heranreichen, was man da erlebt hat. Insofern kann man diese Texte, Weisungen und Wort aus der neuen Sicht interpretieren, aber die Weisung kann nicht das satori erfassen. Ich würde hier von einer kleinen Ethik davor und einer großen Ethik danach sprechen.

    Zitat

    genau deshalb kommt auch einer, der Satori erfahren hat, überhaupt nicht auf den Gedanken, er sei in Ordnung.


    DU hast also Satori erfahren. Und DU kommst nicht auf den Gedanken, du seist in Ordnung.


    Wenn nicht, wer ist dann "einer"?


    Zitat

    Es sei alles in Ordnung. Gar nichts ist in Ordnung.


    Das sind zwei verschiedene Sichtweisen. Die absolute, nach der alles in Ordnung ist, und die phänomenale, nach der man genau unterscheidet und sich um die konkreten Probleme kümmert. Man kann das ja auch machen, ohne je von einem Satori gehört oder dieses erfahren zu haben. Wer es erfahren hat, nimmt sich der Dinge mit einer anderen Grundhaltung an. Zum Beispiel ohne Helfersyndrom.


    Zitat

    sie sind Weisungen für das konkrete Handeln


    Ach je, da wär mein Handeln aber sehr beschränkt. Ich schlage mich weniger mit Ehebruch und sexuell anziehenden Nonnen und Strafgefangenen herum als z.B. mit der Frage, wie sehr ich Verantwortung für das Einschränken von Handlungsspielräumen von Scharlatanen übernehmen will, die mir so übern Weg laufen. Und da sind die sila echt hilflos. Du kannst ja mal eine neue Serie mit Ochsenhirbildern machen. Da kommt dann im 9. wieder die Peitsche vor.

    Zitat

    Klar, wir können jetzt allerhand tiefschürfende Erkenntnisse zur Auswirkung eines Satori auf 'dein Leben danach' produzieren


    Es gibt ja genug Berichte von denen, die meinen, Satori erfahren zu haben, über ihr "Leben danach". Es gibt hinreichend Biografien und Autobiografien, aus denen sich das erschließen kann (oder auch nicht). Es ist keinesfalls so, dass die Betroffenenen (oder Betreffenden) da immer geschwiegen hätten. Es gibt sogar von Hsu Yun (wenn auch ein Selbsternannter) und anderen Texte für das "Üben danach" (im Sinne von "Kultivieren" oder Verfeinern).

    Zitat

    Aber ähnliche gestrickten Leuten gehen diese Urteile immer locker durch die Finger und über die Lippen.


    Vielen Dank, dafür, Thursday ... Ich bitte void einfach, mich zu informieren, wenn wieder gewisse Grenzen überschritten werden. Es lohnt ja nicht, dauernd darauf einzugehen.


    Was Muho mal bedauerte war, wenn Menschen Zazen machen und sich nichts an ihrem Leben (ihrem "alten Ich") ändert.

    Man muss aber auch nicht immer von sich auf andere schließen, Thursday.


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    Wenn man seinen Neigungen nachgibt, sind Veränderungen immer zum Schlechteren.


    Diesen Satz kann man so oder so verstehen. Deshalb erwähne ich nochmal, dass ich einst zölibatär lebte und dieser Neigung dann nicht nachgab, weswegen in dieser Logik meine Veränderungen also zum Besseren geschahen. ;)


    Zitat

    Durch die Reaktionen der anderen Menschen erfahre ich mich in meinem Feld.


    Ja, aber man kann sich das Feld zuweilen aussuchen, in dem man lebt. In meinem Feld z.B. zieht keiner die Augenbrauen hoch, es gibt kaum Zicken und die meisten Menschen lächeln. Dieses Feld hier ist dagegen virtuell. Was das für Auswirkungen hat, sieht man z.B., wenn in dem gegenwärtigen Jahr, wo ein gewisser Asso-Blog eigentlich fast beendet war, die höchsten Zugriffszahlen seit Bestehen geschehen.


    Zitat

    Man kann einen anderen nur dann um Vergebung bitten


    Auch das noch. Noch mehr Christentum. Schön, wenn du jemanden hast, den du um Vergebung bitten willst (wir hatten ja offenbar Einblick in diese Geschichte), dann versuch es halt mit diesem Weg. Ich vergebe einstweilen allen einfach mal selbst. (Vorsicht, dieser Gutschein gilt nur bis ... :badgrin: )


    Zitat

    Im Plattform-Sutra, das hier ja auch schon in Bausch und Bogen verworfen wurde, durch den, der sich hier seiner Fehler kleshas rühmt, also im Plattform-Sutra gibt es ja das Kapitel über die Reue.


    Was daran auffällt, ist doch die komplette Verdrehung der Tatsachen. Aber wahrscheinlich ist das eine Antwort auf bel, der auf meiner Ignorliste steht. Ich hab hier jedenfalls Hui-neng hochgehalten und Dôgens Verständnis des Plattformsutras kritisiert.


    Es steht doch genau da:


    Zitat

    allen Arten von Übel, die unter dem Einfluß von Verwirrung, Nichtwissen, Anmaßung, Unehrlichkeit, Neid und Eifersucht entstanden sind


    Genau diese Übel gilt es zu bereuen. Dazu muss man eben ehrlich sich selbst gegenüber sein. Es ist nicht wichtig, ob ein anderer irgendetwas in einen hineininterpretiert, der genau mit diesen Dingen selbst zu kämpfen hat.


    Und es ist ein angenehmes Gefühl, über einen langen Zeitraum ohne Neid, Eifersucht, Verwirrung usw. durch die Welt zu gehen. Was nicht heißt, dass sie sich nicht immer mal wieder melden.


    Interessant ist, wie sich dadurch, dass ich dich nicht auf die Ignorliste setzte, dieser Thread wieder zu einer Personendebatte entwickelte (was natürlich auch immer noch mit meinem Zutun verbunden ist, ich weiß), bei der am Ende sogar unklar blieb, von wem oder was du redest (bereuen, Arme mit Medizin zu versorgen oder bettelnden Müttern Windeln und Nahrung für ihre Babys zu geben, ist genauso belämmert wie zu bereuen, dass man Spaß am Sex mit Menschen hat, die daraus ebenfalls ihren Spaß ziehen). Da ich jetzt ja das Wichtigste an den Anfang des Threads stelle, bringt das eigentlich nichts mehr im Hinblick auf eure übliche Strategie, vom Thema abzulenken und die eigentliche Kritik (hier im doppelten Sinne - von und an Dogen) vergessen zu machen.


    Was manche von euch hier vorführen ist doch Folgendes: Man kann auf vielfältige Art gegen den Kodex "guten Benehmens" im Buddhismus verstoßen, wie ihn die Masse verstehen dürfte. Wenn man damit ein Problem hat, dann wird dem aber seltsamerweise so begegnet, dass man sich selbst auch wiederholt gegen diesen Kodex benimmt. Was mir dann wieder nur das Argument liefert, dass man so eh nicht aus der Nummer rauskommt (auch nicht mit dauerhaftem Zazen, Klosteraufenthalten, Einbringen von christlichen Werten, Literaturkenntnis usw.). Es kommt mir so vor, als würdet ihr euch schlichtweg in mir spiegeln (wie ich mich in euch). Mit dem Unterschied, dass ihr den Spiegel polieren wollt. Und euch - Achtung, Pointe - und euer Dogenverständnis damit ja tatsächlich in die Nordschule einreiht.


    Vergesst also bitte nicht:


    Zitat

    Im Ursprung ist da kein Ding, an das sich Staub haften kann.

    (Hui-neng)

    Sudhana:

    Zitat

    Vergebung, schätze ich.


    Es dauert nicht mehr lange, dann wird deine Herablassung, Sudhana, auch dich noch ins Killfile führen. Wann lasst ihr endlich euer Christentum hinter euch?


    Zitat

    Dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.

    und

    Zitat

    dass er sich damit selbst belügt.


    Gehe zurück an den Anfang. Gehe nicht über Los!


    Zitat

    Auch die Kreuzigung hat eine Erlösungs-Wollust.

    (Altenberg)


    Unterdessen habe ich noch ein paar schöne Stellen für Thursday außerhalb der Zentradition gefunden (die allein genügt ja hier nicht), und tippe sie nun ab, da Thursday anderswo eine gewisse Neigung zu den Künsten erkennen ließ. Wobei das erste Zitat auch an Sudhana gerichtet sein könnte. Die folgenden Worte stammen aus Peter Altenberg: Wie ich es sehe (Reaktionen sind wie üblich hier vorsehbar). Ich habe seine Interpunktion bis auf eine übernommen.


    Zitat

    "Sein eigenes Leben nicht ernster nehmen als ein Stück von Shakespeare! Aber auch nicht minder ernst! Sich von dem Leben in Besitz nehmen lassen wie im Theater. Das Theater des Lebens. Der ideale Zuschauer seiner selbst zu sein! Ganz drin sein und dennoch aus den facheusen Complicationen herauskommen können in die frische Nachtluft; erlebt haben, was man nicht erlebt hat, nicht erlebt haben, was man erlebt hat!


    So reinigst Du Dich von Dir selber!!


    Und die "Tragödien deiner selbst" bringen Dir das Lächeln - der Weisheit! Die tragischen Schwächungen: Essen, wenn man nicht hungrig ist. Trinken, wenn man nicht durstig ist. Sich bewegen, wenn man Ruhe - bedürftig ist. Sich begatten, wenn man Liebe - los ist."


    Das ist ein wunderbarer Text. Er kehrt "essen, wenn ich hungrig bin; schlafen, wenn ich müde bin" um und sagt doch das Gleiche: Wer nicht IN Samsara Nirwana erlebt, hat weder die wesentliche Botschaft Dôgens noch seiner Vorgänger verstanden und reitet auf ewig den Ochsen (des klesha und sila-Dualismus) weiter!


    Und speziell für Thursday ("Kron-Wächter der Ideale sind wir. Vehm-Richter der Unzulänglichkeiten. Unsere Seele guillotinirt und setzt auf Throne! Ha ha ha ha ..."):


    Zitat

    Es gibt drei Idealisten: Gott, die Mütter, die Dichter! Sie suchen das Ideale nicht im Vollkommenen --- sie finden es im Unvollkommenen.


    Zitat

    Wir aber sind keine Auerhähne mit gesträubtem Gefieder. Wen brauchen Wir zu bethören?! Nicht für Minuten werden wir zu inneren Dichtern. Wir sind es! Ein Leben lang! Keine Räusche machen Uns blind und taub. Durch-Schauende, Fern-Hörende bleiben Wir. Wir leben in schrecklicher und tyrannischer Ruhe. Wir berauschen Uns nicht an Uns. Nüchterne Berauschte sind Wir!! Nichts macht uns zu wahnsinnigen Sängern. Denn Wir sind selbst ewig die "Mensch gewordenen" Symphonien Beethoven's. Wer kann Uns singen, wer verstummen machen?! Uns Welt-Gesänge?! Ihr?!"

    Zitat

    "Was immer du tust, stelle mit ganzem Herzen den inneren Meister in Frage, der wahrnimmt, begreift und fühlt."

    (Man-an)


    Selbst dein Zweifler wird noch in Frage gestellt.
    Wahrscheinlich meinst du einfach das Leben mit den klesha. Aber die werden nicht aufgelöst, indem man weiter, wie vor dem 7. Bild in der Ochshirt-Serie, auf den sila herumreitet. Deren Macht wird dadurch gebrochen, dass man ihr Wesen durchschaut hat und ihnen nicht mehr die alte Bedeutung beimisst.

    Zitat

    was suchst du hier noch?


    Ich suche hier nichts. Ich hoffe, dass ich dem ein oder anderen was gebe.


    Zitat

    aber andere sehen das nicht so


    Das ist aber nicht mein Problem. Wie du oder andere die Dinge sehen, das ist doch eure Sache.


    Zitat

    Da wird auch kein Gefühl vermittelt, denn Gefühle sind bedingt


    Das mag man für den Moment sagen, in dem es geschieht. Von dem sprach ich aber nicht. Sondern von dem Zustand, der JETZT mein Leben bestimmt. Aus der Einsicht folgen auch Gefühle. Der Weg dorthin und die Einsicht selbst sind nicht das Gleiche wie der Weg danach. Was sich verändert hat, manifestiert sich nach außen im Handeln - und ganz sicher nicht in Gefühllosigkeit. Der Clou ist hier wie bei allem, von diesen Gefühlen ggf. auch lassen zu können. Darin besteht das eigentliche "Gefühl der Befreiung": dass es sich sogar von sich selbst frei machen kann. Dass es da ist, ohne dass es ein Anhaften erfordert.


    Pai-chang sagte dazu:


    Zitat

    Was Gier und Abneigung genannt wird, wenn einer noch nicht erwacht und nicht befreit ist, das heißt erleuchtete Weisheit nach dem Erwachen. Darum sagt man: 'Er ist von dem Mensch, der er vorher war, nicht verschieden, doch sein Handeln ist anders ausgerichtet.


    Thursday:

    Zitat

    die ganze Unzulänglichkeit zu erkennen ist keine Gefühlssache - sie ist ein Fakt


    Ich weiß nicht, was du damit sagen willst. Es gibt ja im "Thursday Zen" offenbar jenen Moment nicht. Und um bloß intellektuelles Erkennen kann es auch nicht gehen. Was geht da bei dir ab, wenn "Erwachen ist" und du doch "Unzulänglichkeit erkennst" (falls das auf deiner Erfahrung beruht)? Was meinst du da mit "Unzulänglichkeit"?


    Zitat

    Wenn die Gefühle von Beschmutzung und Reinheit beendet sind ...

    , so beginnt ein weiterer Satz Pai-changs. Man könnte auch Unzulänglichkeit und meinetwegen Vollständigkeit sagen. An beidem gilt es nicht zu haften.

    Zitat

    weil es immer noch weiter geht - weil du deine ganze Unzulänglichkeit erkennst, wenn das Dharma vollständig gegenwärtig ist


    In einer Hinsicht geht es natürlich immer weiter. Aber nicht mit dieser Ansicht. Die Unzulänglichkeit ist einfach kein Thema mehr - ich würde da wieder mein Wort "Binsenweisheit" für benutzen (Unzulänglichkeit in welcher Hinsicht? Im Hinblick auf unrealistische Erwartungen.) Ich finde, man sollte Dôgen an dieser Stelle, die dann zitiert ist, nicht folgen. Das ist mir viel zu grüblerisch. Es ist auch nicht nötig, irgendeinen Dharma in Körper und Geist aufzunehmen. Befreiung im Sinne des Zen vermittelt das Gefühl, das man in Ordnung ist, wie man ist. Nicht das Gefühl der Unzulänglichkeit. Es fehlt ja eben nichts mehr. Man ist in Ordnung mit seinen klesha und seiner Unzulänglichkeit. Man ist in Ordnung, eben weil man das durchschaut hat: Dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst.

    Da Kuo-an den Ching-chu in seinem Vorwort erwähnt und der nur 5 Bilder hatte, gehe ich davon aus, dass diese früher entstanden (so steht es wohl auch bei D. T. Suzuki, Manual of Zen Buddhism). Und da wurde der dunkle Ochse/Büffel allmählich immer weißer, bis er verschwand.


    http://terebess.hu/english/oxherd21.html (hier weiter unten auch eine andere Darstellung von Chu-hung und Pu-ming)


    http://terebess.hu/english/Kuoan1.html (hier wirkt auch die kreisförmige Darstellung auf mich nicht wie ein Hinweis auf stets anwesendes Satori, sondern eher wie eine künstlerische Entscheidung)

    Das hast Du schön gesagt, Thursday.


    void: Eine gute Frage. Ich musste eben "OchsENhirtbilder" bei Google eingeben, weil "Ochshirtbilder" kaum Treffer ergab. Ich wollte die klassische, in Japan beliebte (Kuoan)-Version mit 10 Bildern und eine der anderen mit weniger Bildern verlinken, die in der Regel mit dem 8. in jener Serie enden.
    Hier die klassische Version: http://homepage2.nifty.com/sanbo_zen/cow_d.html
    Auf Bild 8 sind "Ochs und Hirte verschwunden". Das wäre Satori. Auf Bild 9 kehrt man in den Alltag zurück, unterscheidet sich nicht groß von anderen, wie es auch Thursday erwähnte, oder "die Dinge sind, wie sie sind" (siehe auch mein Buchtipp zu Searle). Auf Bild 10 erfolgt die Umsetzung des Satori in diesem Alltag ("Marktplatz").


    Interessant ist diese Abbildung, weil sie auch den Konflikt beinhaltet, den ich ansprach, wenn man statt auf den Markplatz zurückzukehren weiter Ochsen zähmt: http://www.laetusinpraesens.or…ero_files/ten_texts_2.jpg


    Man beachte auch Bild 7: "discipline's whip is idle" - Die Peitsche der Disziplin ruht. Da muss man also durch. Das passiert, bevor Ochs und Hirte verschwinden.