Danke Sudhana für deine Klärung. Die ist "Gold" wert, denn es zeigt sich, dass ich deinen besagten Beitrag derart missverstanden habe, wie es kaum noch zu überbieten ist. So verstehe ich es jetzt, kann es nachvollziehen.
Lass mich das letzte Posting ein wenig aufdröseln. Zunächst zur persönlichen Ansprache: ich vermute, Dein beruflicher Hintergrund hat oder hatte etwas mit Psychologie oder Psychotherapie zu tun. Zumindest nehme ich bei Dir ein tieferes Verständnis psychologischer Mechanismen wahr als das durchschnittliche.
Da ging es schon los. Ich hatte mich gefragt, was denn jetzt mein Beruf hier zu suchen hat. Mein (ehemaliger) Beruf hatte nur bedingt etwas mit Psychologie zu tun, aber schon auch ein Stück weit. Psychologie ist eher etwas, das mich einfach schon immer interessiert hat, quasi ein alltime-lifelong-Hobby.
Mir war vorrangig daran gelegen, zu erfahren, wie Du meinen Gedanken eines speziellen Persönlichkeitstyps des Missbrauchers einschätzt - den des 'Scheinheiligen', wie ich ihn genannt habe. Offensichtlich besteht da ja doch ein großer Unterschied zum 'bösen Onkel', der sich an kleinen Kindern vergreift. Wenn auch - auf moralischer Ebene - kein grundsätzlicher.
Also, da kann ich sagen, dass mir die Scheinheiligen noch um einiges unsympathischer sind als die bösen Onkel. Das ist jetzt wirklich nur Hobby-Psychologie: Die Scheinheiligen haben einen noch deutlich größeren Bezug zu Macht/Manipulation/Unterwerfung/Skrupellosigkeit.
Heißt: Für die bösen Onkel Mitgefühl zu entwickeln, das bekomme ich in guten Momenten hin. Bei den Scheinheiligen reicht mein bisheriger Entwicklungsstand für Mitgefühl kaum aus. Immer wenn Menschen sehr perfide vorgehen, komme ich an meine Grenze.
Um meine Argumentation zusammenzufassen: wenn sich Missbrauch ereignet, dann aufgrund von äußeren und inneren Bedingungen. Die 'äußeren' Bedingungen sind der institutionelle und ideologische 'Rahmen', den Christopher in seiner Studie einer Kritik unterwirft. Die 'inneren' Bedingungen hingegen finden sich in der Persönlichkeitsstruktur zum einen von Missbraucher und zum anderen von Missbrauchsopfer, in ihren Motiven und Antrieben. Wenn beides - äußere und innere Bedingungen - zusammentreffen, ist das Eintreten eines Missbrauchs nur eine Frage der Zeit, der 'Gelegenheit'.
Das sehe ich genauso.
Eine dieser gemeinsamen Bedingungen von Missbrauchsereignissen in buddhistischen Institutionen ist nun der 'Scheinheilige'. Es ist meine These, dass die bekannten Fälle (ich erspare uns hier ein namedropping) eine größere Anzahl von Persönlichkeitszügen gemeinsam haben. Solche Gemeinsamkeiten könnten und sollten als Warnzeichen dienen. Als Kriterien für Wegsuchende, die eine/n Wegbegleiter/in, einen 'edlen Freund' (Kalyāṇamitra) prüfen, ob sie sich ihm anvertrauen wollen.
Da bin ich nicht so sicher, ob man das so allgemein sagen kann, dass das eine gemeinsame Bedingung in buddhistischen Institutionen ist. Vielleicht ist das (Scheinheiligkeit) eine von mehreren Möglichkeiten.
Wenn ich mal das Beispiel Genpo Merzel Roshi (USA) nehme: Den halte ich nicht für übermäßig scheinheilig. Das ist für mich ein bedauernswerter Mann, der zwar regelmäßig halbherzig beteuert, therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen, aber es scheinbar nicht tut.
Es wird in buddhistischen Zirkeln bei Diskussionen wie hier ja immer wieder (schon vorhersehbar) darauf verwiesen, der/die Schüler/in habe ja zunächst die Verpflichtung zur gründlichen Prüfung des 'Meisters', bevor er oder sie sich ihm anvertraut. Das hat für mich immer etwas leicht hämisches: selber schuld ... Der Punkt ist doch: was sind denn eigentlich die Kriterien solch einer Prüfung - was kann man denn einem Wegsucher da an die Hand geben?
Ich glaube nicht, dass das hämisch gemeint ist. Das ist ja etwas, das immer für die Opfer gilt. Gleichwohl hilft das natürlich wenig, denn das ist ja genau "die Schwäche" / "das Defizit" der Opfer, dass sie diese Strukturen, in die sie sich da begeben, nicht gut erkennen können.
Da finde ich den Gedanken von dir gut (wenn ich dich richtig verstehe), dass es Aufklärung bedarf, wie Täter beschaffen sind, woran ich denn einen Menschen erkennen kann, bei dem ein paar Alarmlampen bei mir aktiv werden sollten.