Beiträge von Monika im Thema „Nichtbewertung“

    Ich weiß nicht, ob ich Dich jetzt falsch verstehe, Hotei, aber wenn ich vom Nicht-Bewerten schreibe, dann entspringt eben genau dieses meiner Erfahrung. Es ist ein wichtiges Empfinden in mir, wenn ich, einfach aus alter Gewohnheit und weil ich vielleicht etwas überdreht an einer Diskussion teilnehme, Bewertungen vornehme, die ich im Endeffekt wieder zurücknehmen muss, weil mir meine innere Stimme sagt, dass die andere Meinung auch stimmen könnte oder aber ich zugeben muss, dass ich überhaupt keine Ahnung habe. Ich habe nämlich mein Leben lang gerne alles und jedes bewertet - und kam mir dabei sehr klug vor. :lol: Nach Meinungsaustausch über Gott und die Welt, über Klopapier oder Kinohits war ich direkt süchtig. Obwohl ich schon lange behauptete, nicht zu bewerten, stellte ich vor nicht allzu langer Zeit fest, dass ich dies doch immer noch tue - ohne es zu merken. Nach dem Motto "wir kämpfen für den Frieden ..." mit der geschlossenen Faust voraus. Huch, das hat mich Vieles über mich gelehrt.


    Gerade aus dieser Erfahrung heraus habe ich dann gelernt und lerne immer wieder neu!, nicht vorschnell bzw. gar nicht zu bewerten. Etwas anderes ist es natürlich, wenn es sich um Hundenahrung oder sonstwas handelt, das ich entscheiden muss. Alltägliche Entscheidungen gehören für mich nicht in diese Kategorie.


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    stiller_raum:

    Nicht das Bewerten führt zu Leid, sondern das Anhaften an eine Bewertung. Es geht auch nicht darum nicht mehr zu Bewerten.Die Bewertung ist einfach wie ein Werkzeug. Wir können die Bewertung sinnvoll einsetzen, sollten uns aber die Freiheit bewahren nicht bewerten zu müssen. Man hat also die Wahl den Gedanken der Bewertung anzunehmen oder wieder gehen zu lassen.



    Das finde ich gut formuliert.
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    prathiba:

    Was mich auch interessiern würde Monika, worin denn Deiner Meinung nach der Unterschied zwischen Achtsamkeit und Konzentration besteht?


    Meiner Meinung nach haben wir in der Therapie Konzentration geübt. Konzentration hilft zwar auch einen Klarblick zu halten, durch die Nichtbewertung, engt den Geist aber ein. Bei der Konzentration bleibt auch eine Trennung von mir zum Objekt bestehen. Sie bleibt Außenschau. Während Achtsamkeit immer auch Achtsamkeit in mir ist. Um so tiefer ich schaue, um so mehr fühle ich mich mit dem Objekt der Meditation verbunden. Nach meiner Erfahrung Kann auch nur diese Erfahrung wirklich aufrichtiges Mitgefühl entfalten. Achtsamkeit öffnet den Geist, läßt ihn weit werden. Ich übe auch Achtsamkeit seit vielen Jahre im Buddhismus und es ist eine sehr heilsame Erfahrung für mich, während mich die Konzentrationsübungen, im Deckmantel der Achtsamkeit, in der Therapie, kein Stückchen verwandelt haben. Konzentration kann Menschen helfen, aus ihren Gedankenstrudeln auszubrechen, aber dauerhaft helfen wird ihnen nur Achtsamkeit, weil sie eben weiter ist, tiefer geht. Ich sehe einen Unterschied in der Methodik und das was Du beschreibst, ist meiner Meinung nach Konzentration. Sie ist ja deswegen nicht minderwertiger, aber ich finde man sollte schon die Begrifflichkeiten auseinander halten, um sie dann eben in der Therapie auch gezielt einsetzen zu können.


    Mein Verständnis von Achtsamkeit unterscheidet sich offenbar in keiner Weise von Deinem. Konzentration bedeutet für mich, alles Andere außer dem Objekt auszuschalten. Achtsamkeit bedeutet für mich, selbst bei der Konzentration das mich Umgebende dennoch wahrzunehmen. Also, wenn ich mir z.B. konzentriert beim Herausziehen eines Stachels durchaus meiner Umgebung bewusst bin und notfalls fliehen kann, wenn das Haus an zu brennen fängt.
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    prathiba:

    Also Du willst allen Ernstes behaupten, dass eine "nichtbewertende Beobachtung" Achtsamkeit bedeutet?
    Gut, dann gehen wir doch mal gleich zu einem Beispiel aus der Therapie zurück:


    "nicht bewertendes beobachten, dass ein Ausländer gefoltert wird" Ist also in deine Augen Aachtsamkeit? Ich Fall vom Glauben ab!


    Nun bleib mal hübsch auf dem Teppich und verwechsel die von mir bevorzugte buddhistische Achtsamkeitsmethode nicht mit Deinen unreflektierten Fantasien.

    Kleckse:

    Monika
    Welche Achtsamkeitsübung meintest Du ?


    Auszug aus:
    M. 10. (I,10) Satipatthāna Sutta, Die Pfeiler der Einsicht


    Ja, die meine ich. Empfehlen kann ich das Buch von Analayo "Der direkte Weg Satipatthana"


    _()_ Monika

    Zitat

    ...Das wurde aber in dieser Therapie vermittelt. Man sollte sich alles anschauen, ohne zu bewerten. So wird aus einem Menschen ein gleichgültiger anstatt ein gleichmütiger Mensch.


    In der Achtsamkeitsmeditation des Buddha wird genau so vorgegangen. Diese Methode wende ich seit Jahren an. Sie ist sehr wirksam und hat keineswegs dazu geführt, dass ich gleichgültig geworden bin, sondern ganz im Gegenteil. Ich bin sehr hellhörig geworden einerseits was meine eigene Vorstellung von mir selbst war und andererseits meine Wahrnehmung anderen gegenüber. Dass es - im übrigen auch hier im Buddhaland unter buddhistisch orientierten Usern - zu dem Irrtum kommen kann, dann bräuchte "man" sich ja nicht mehr zu kümmern, zu ändern oder wäre nicht mehr verantwortlich, liegt eben daran, dass diese Praxis und ihre Auswirkungen noch nicht wirklich tief genug erfasst wurden.


    Und deshalb wundert es mich nicht, dass während einer Therapie die verschiedensten Menschen den Ansatz unterschiedlich interpretieren und die Chance wittern, ihre unheilsame Verhaltensweise rechtfertigen zu können.


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    Ellviral:
    Monikadie4.:

    So wie jeder verantwortungsbewusste freie Mensch lebt. "Tue Recht und scheue niemand" war der Lieblingsspruch meines Vaters.
    _()_ Monika


    Wann hast Du den Spruch richtig erfahrend, verstanden?
    Nur so aus Neugier. :)


    Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht mehr. Ich habe mich eigentlich von Anfang an - also seit meiner Berufsausbildung - daran zu halten versucht, vor allem, wenn ich "scheu" empfand, dann gab ich mir einen Ruck.
    Gerade seitdem ich mich in den letzten 4 Jahren intensiver mit der Lehre auseinandergesetzt habe, kam mir dieser Spruch und mein gütiger, großherziger Vater immer wieder in den Sinn.
    Also eigentlich erst in den letzten Jahren, wenn ich es genau betrachte. Und ich bin schon 65. :lol:
    _()_ Monika

    Kleckse:


    Frage:
    Wie lebe ich dann ein buddhistisches Leben, wenn ich immer mit einem Auge auf die Moralvorstellungen der jeweiligen Gesellschaft schauen muss.


    So wie jeder verantwortungsbewusste freie Mensch lebt. "Tue Recht und scheue niemand" war der Lieblingsspruch meines Vaters.
    _()_ Monika

    Kleckse:
    Monikadie4.:

    Solange ich nicht weiß, was Gut und was Böse ist, solange ich noch (Aus-)Wege suche, um meinen Neigungen folgen zu können, solange werde ich auch Leidvolles aufbauen.


    Das dick unterstrichene, Monika. Kannst Du, würdest Du da mal mehr zu schreiben?


    Ja, das ist gar nicht so einfach. Ich kann da nur von mir ausgehen. Bevor ich mich intensiv mit der Lehre beschäftigte, war es für mich ganz selbstverständlich, meine Meinungen zu vertreten und womöglich andere zu überzeugen. Sei es nun auf politischem Gebiet oder was die Rechte von Mann und Frau anbelangt etc. Ich war da ganz stolz, wie stark ich mich durchsetzen konnte, habe so manchen Mitmenschen überrannt und platt gemacht und auch nicht mit Kraftausdrücken gespart. Aus heutiger Sicht sehe ich meine mehr oder weniger tiefgreifenden Irrtümer. Ich habe einige Menschen vor den Kopf gestoßen, mich lautstark über die Gefühle anderer hinweggesetzt, immer in dem Glauben, das wäre richtig so, ich hätte das Recht, "andere aufzuklären". Oder die vielen Missverständnisse, die entstanden sind, weil ich nicht richtig zugehört habe, die Fehler als alleinerziehende Mutter der 68er Generation, die mir erst heute richtig bewusst werden.


    Das Alles als "Gut und Böse" zu bezeichnen, ist natürlich zu oberflächlich und grob und steht eigentlich nur für "Schwarz und Weiß", aber letztlich sehe ich das heute so - jedenfalls als heilsam und unheilsam. Das Böse daran war, dass ich mit meiner scharfen Zunge kokettiert habe, dass es mir gefiel, anderen die Stirn zu bieten. Es machte mir Spaß, jemanden herunterzuputzen, und zwar lediglich aufgrund von Bewertungen.
    Ich habe vielen Menschen unnütz weh getan - und das im guten Glauben, im Recht zu sein. Deshalb ist es mir sehr wichtig geworden, mich aus dem "gesellschaftlich akzeptierten Bewertungssystem" herauszunehmen. Es bedeutet selbstverständlich nicht, dass ich keine Bewertungen mehr vornehme - geht ja gar nicht s.o. und wäre auch nicht das, was der Buddha meinte, aber es ist kein Automatismus mehr.
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    Im Buddha-Dharma geht es vor allem darum, zu erkennen, wie alles funktioniert und ineinander läuft, wie die Dinge entstehen und vergehen. Sobald ich dieses begriffen habe und entsprechendes Unterscheidungsvermögen entwickelt habe, kann ich mich entweder dafür oder dagegen entscheiden. Solange ich aber noch unwissend bin, werde ich entsprechend unwissende Entscheidungen treffen. Deshalb halte ich es für wichtig, die entsprechenden Mittel erstmal anzuwenden, um meinen Geist darin zu schulen und Klarheit zu schaffen bzw. immer klarer zu werden. Solange ich nicht weiß, was Gut und was Böse ist, solange ich noch (Aus-)Wege suche, um meinen Neigungen folgen zu können, solange werde ich auch Leidvolles aufbauen. Erst wenn ich mir selbst auf die Schliche gekommen bin und ernsthaft davon frei werden will, kann ich davon sprechen, mich "auf dem Pfad zu befinden".


    Es geht vor allem überhaupt nicht darum, die Dinge nicht voneinander unterscheiden zu können. Das tat auch der Buddha. Aber es geht darum, wie Kleckse schreibt


    Zitat

    Ich wäre froh, wenn da nicht ständiges Bewerten(müssen) da wäre und das auch bei den subtilsten Dingen und Regungen, weil es teils eine selbstständig agierende Einheit ist, die da wertet und ich garnicht dabei bin sozusagen.
    Es entstehen Regungen/Empfindungen/Gefühle aufgrund von Unwissenheit in den Ablauf aller "Dinge".
    Muss doch nicht sein auf Dauer.


    _()_ Monika

    Frank1:

    Man muss bewerten, um zu entscheiden, aber bewertend muss ich sagen, das Bewertungen wahrscheinlich meistens relativ und nicht unbedingt der Realität entsprechen und Bewertungen falsch bewerten. Deswegen würde ich bewertend sagen, man muss mit seinen Bewertungen vorsichtig sein, sie können ohne Wert sein.


    Frank


    Was ich früher als negativ bewertete, bewerte ich heute vielleicht positiv und umgekehrt. Die Bewertungen hängen von unseren Idealen ab, von Prinzipien usw. Eine Frau, die sich im tiefsten Mittelalter heilend betätigte und Kräuter bei Vollmond sammelte, galt als Hexe. Ein Mann, der sie zu Tode folterte, "vollendete nur Gottes Werk".
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    Ja, Helmut, wunderbar. Hier bedarf es schon etwas mehr als nur eines ständig seine Meinung verteidigenden Verstandes.
    _()_ Monika

    Kleckse:
    Zitat


    Genau das bringt es für mich zum Ausdruck. Es geht um's intuitive Erfassen. Wem das abgeht, der hat es halt auch schwer, diese Lehre zu verstehen.


    Das dachte ich bisher auch immer, dass es um das "intuitive Erfassen" geht. Es ist nicht falsch, intuitiv, ohne intelektuelles Verstehenwollen heranzugehen, aber mMn. geht es mehr in Richtung "Los-lassen" von Altbekanntem und gewohnten Verhaltensmustern IM "eigenen" Geist und im "eigenen" Verstehen der Dinge. Los-lassen hin zu einem Finden vom Rechten Verständnis der Dinge.


    Hi Kleckse,
    intuitives Erfassen schließt intelektuelles Verstehen ja nicht aus, sondern erweitert dies. Intuitives Erfassen ist offenbar auch nicht jedem gegeben. Und mit dem Verstand allein durchstößt keiner die Schleier. Der Verstand aber hilft bei der Übersetzung des Erfassten in Worte. Er muss zum Diener werden und nicht "Herr im Haus". Desto weniger ich also Meinungen und Ansichten vertrete (diese vielleicht in vielen Jahren immer mehr abgelegt habe), dafür aber durch Stille entsprechende Durchblicke erhalten habe, desto klarer wird die Sicht. Buddhismus bedeutet Geistesschulung. Ein geschulter Geist sieht mehr und kann deshalb auch anders handeln. So öffnet sich eine Tür nach der anderen.
    _()_ Monika

    Hotei:


    Ich hatte schon immer das Gefühl das die Phänomene substanzlos sind,weder vollkommen noch unvollkommen,weder rein noch unrein,sie sind einfach was sie sind,SOheit,vernetzt,Leer und sie können mir nicht ans Bein pinkeln.Aber das urteilende,benennende Anhangen pinkelt mir ans Bein,dieses komische Ich-ich-ich-will....ich,ich,ich will nicht-Dings.Damit pinkel ich mir selber ans Bein und erzeuge Karma und Klesha noch und nöcher.Also Staub.


    Genau das bringt es für mich zum Ausdruck, Hotei. Es geht um's intuitive Erfassen. Wem das abgeht, der hat es halt auch schwer, diese Lehre zu verstehen.
    _()_ Monika

    accinca:


    Ist so ein Unsinn nicht entsetzlich?
    Als hätte der Buddha eine solche Lehre gelehrt.
    Zwar ist der Wahn leer aber noch leerer ist es ohne Wahn sog ich mal dazu.


    Sollte dies hilfreich sein und die Eingangsfrage beantworten? ;)

    Hinzufügen möchte ich noch, dass sich die Nicht-Bewertung im Zen auf das Herzsutra bezieht und letztlich Leere bedeutet. Aus meiner Sicht geht es eigentlich um das ewige Geschwätz über Begrifflichkeiten: Das ist mein, so bin ich, so bist Du, so nicht, so doch ... Mit dem Aufhören dieses ständigen Hin und Her der Begriffe und somit Formen kommt der "Affen"Geist zur Ruhe. Dann herrscht Frieden.


    Hallo Prathiba,
    ich verstehe Zen im Hinblick auf die Bewertung so, dass es darum geht, aus dem "Gut - Böse" - also der Dualität auszusteigen. Dies hat nichts mit dem Alltagsleben eines Haushälters zu tun, der ständig irgendwelche mehr oder weniger wichtigen Entscheidungen treffen will/muss, z.B. giftige Pilze und essbare Pilze zu unterscheiden. Das bedeutet ja nicht, dass die Giftigen Schlechte wäre.


    Wenn also beim obigen Beispiel ein Zenmeister einen Mönch "rausschmeißen" will, dann ist diese Entscheidung aus seiner Sicht notwendig 1. für den Mönch, der was lernen soll und 2. möglicherweise wichtig für die anderen Mönche, die auch lernen sollen oder geschützt werden müssen. Dieser Zenmeister würde aber nie tief in seinem Herzen diesen "unartigen" Mönch verurteilen. Er bewertet lediglich sein Verhalten.


    Der Unterschied liegt deshalb für mich in der Be-Urteil-ung im Gegensatz zur notwendigen Wertfestsetzung.


    Eine Rose ist eine Rose und eine Kornblume eine Kornblume. Ich finde beide schön, aber eine Kornblume kann nun mal keine Rose sein und umgekehrt. Da sie keine Wahl haben, gibt es für mich auch nichts zu bewerten. Bei einem Menschen ist das da schon anders. Wer sich mit Nadeln spickt und seine Haut überall tätowieren lässt, hat natürlich das Recht dazu. Er ist für mich deshalb noch kein unangenehmer Mensch. Würde er mich fragen, wie ich das finde, müsste ich ehrlicherweise sagen "das mag ich nicht". Es würde aber nichts an unserem Verhältnis ändern.


    Darin liegt für mich der Sinn des Nicht-Bewertens. Handlungen können unheilsam sein oder heilsam, aber der Mensch, das Tier, die Pflanze, die gesamte Welt an sich nicht - sie sind weder noch.


    _()_ Monika