Beiträge von Doris im Thema „Buddhismus ohne Wiedergeburt?“

    Zitat

    Edit: Irgendwie sollte es da wirklich eine neue Richtung im Buddhismus geben, für die Leute im Westen, die einen säkularen Buddhismus leben wollen, denn eigentlich sind die anderen Richtungen nicht darauf ausgelegt. Auch der Zen-Buddhismus nicht ...


    Das gibt es schon. Den Säkularen Buddhismus.
    Der Zen und der Chan sind genau auf dieses ausgelegt. Jedenfalls kenne ich da nichts anderes.
    Sogar im Vajrayana nimmt das nicht jeder mit der Wiedergeburt so, wie Du Dir vorstellst.


    Glaubst Du, dass alle, die Dein Wiedergeburtskonzept bezweifeln, außerhalb ihrer Traditionen stehen?


    Hast Du den Payer nicht gelesen, der explizit vom Theravada ausgeht?

    Danke Sudhana!


    Hier noch die Ausführungen von Payer zu dem Thema:


    http://www.payer.de/einzel/karma.htm



    Darauf möchte ich Dir eigentlich nicht antworten, weil ich ahne, dass Du auf etwas ganz mystisches aus bist. Dann kann ich Dir nicht bieten. Es ist alles ganz banal und für jeden erfahrbar.

    Zitat

    Alles, was man definiert, jede unserer „göttlichen“ Ideen ist Trennung.


    Denk ich auch.
    Was ich oben beschrieben habe, ist erst mal eine Ebene von Wiedergeburt, die leicht nachzuvollziehen ist.
    Noch weiter geht es dann, wenn man berücksichtigt, dass alles, was wir erleben, wir mit unserer beschränkten Mitteln erleben, mit dem was unser Körper aufgrund seiner Bauweise erfassen lässt. Also ist alles nur ein minimaler Aspekt das Wirklichkeit. Mehr geht nicht bei uns Menschen. Aber diese Beschränktheit können wir erkennen. Je tiefer wir das erfassen, desto mehr fallen die Trennungen weg. Dann erkennen wir, dass der Mensch, den wir gerade als Kaufmann erfahren, nur in unserem Kopf als "Kaufmann" existiert. Eigentlich sind wir der Kaufmann, weil der gerade in unserem Kopf entsteht. So geschieht es immer wieder. Der Kaufmann ist nicht da draussen, sondern der entsteht da drinnen in mir.
    Vorhin hat mich eine kluge junge Dame auf einen Punkt hingewiesen, den sie von einem klugen älteren Mann bekommen hat, der das sicherlich von einem noch klügeren Mann erhalten hat, und der die Berichte des Buddhas in den Sutren über "seine" Widergeburten erklärt und absolut Sinn macht, und das Phänomen dieser Wiedergeburtsgeschichten erklärt. Der ältere Mann sagt, der Buddha sprach als Bodhisattva.
    Ich denke dazu: Ein Bodhisattva kennt keine Trennung mehr von Ich und Du, weil er diese Dualität durchschaut hat. Deshalb kann er sagen "er sei einst ein Kaufmann gewesen". Das ist also das mit dem Finger-auf-den-Mond-zeigen-Ding konsequent durchgezogen.

    Irmin82:

    Mir war das echt nicht klar, was ich mit dieser Frage auslöse und dass für viele Menschen ein materialistischer. atheistischer Buddhismus so wichtig ist.
    Finde das eigentlich auch ganz komisch, weil man sich dann ja echt einfach als Atheisten bezeichnen kann und halt so Meditationsübungen zur Entspannung machen kann. Und dass man sich halt sagt: Okay, nicht töten, lügen, stehlen, kein sexuelles Fehlverhalten (ist eigentlich normal) und Alkohol und Drogen sind auch nicht gesund. Und das Leben ist schön und ich versuche Menschen zu helfen. Und ja, man sollte halt auch nicht egoistisch sein ... Die Frage, die dann halt kommt, ist, ist Buddhismus eigentlich eine Religion?


    1. Ich glaube an Gott.
    2. Wenn ich mich entspannen möchte, dann gehe ich meinem Hobby nach.
    3. Ethos steht an erster Stelle. Selbst Meditation usw. kommen erst lange danach. Und wenn das so einfach wäre, dann wäre jeder Mensch so und würde sich danach richten. Aber wir sehen ja, dass selbst große Meister Probleme haben.
    4. Wer bin ich und wie funktioniere ich? Wie erlebe ich die Welt und wieso? Wie kann ich mit meinem beschränktem Welterleben (namarupa) mein Leben optimal gestalten? Bin ich Herrin in meinem Haus und wie kann ich das so weit wie möglich werden? … Alles weiteren Fragen erübrigen sich aufgrund meines Gottvertrauens.


    Das alles kann ich auch manchmal sehen.
    Wenn ich mich ehrlich erforsche und manchmal ganz von mir ablassen kann, dann sehe ich so viele meiner Ahnen in mir. Ich kann empfinden, was sie empfunden haben, erkennen, was sie gedacht haben, ihre Untaten empfinden, ihre Freuden, ihr Verstrickungen, ihre Größe, ihre Ängste … Ich bin sie alle, sie alle sind meine Ahnen, ich bin ihre Wiedergeburt. Ich empfinde das nicht nur nach, im Sinne des Einfühlens, ich merke oft genug, wie ich in dem Moment genau wie sie bin.
    Jeder kann das. Nicht nur auf einer oberflächlichen Weise, sondern ganz tief.
    Und das deckt sich vollkommen mit dem, was so in den Texten steht.
    Ich schätze, dass das für einige Menschen einfach viel zu banal klingt.

    Zitat

    Da würde ich eher diese Sichtweise als Spekulativ bezeichnen,


    Nö, nicht spekulativ. Ich kann Dir genau sagen, dass ich einen Haufen Dinge von meinen Vorfahren habe. Angefangen von meinen Erbanlagen bis hin zu Eigenschaften usw.


    Zitat

    indeutig vom Samsara als Kette sich fortsetzender Daseinsformen die Rede


    Sicher. Leben gebiert Leben.


    Zitat

    on all den krampfhaften Umdeutungen und Interpretationen dieser Lehre


    Ich sehe krampfhaftes Festhalten an Vorstellungen, die dann mit aller Gewalt und Verschwurbelungen erklärt werden müssen. Am Ende heißt es dann immer, dass man das ohnehin nicht verstehen kann. Das scheint das einzige zu sein, was am Dharma nicht zu verstehen ist. Kommt Dir das nicht komisch vor?


    Zitat

    Warum sich da manche nicht offen halten


    Doch. Aber es ist völlig uninteressant für die Praxis und juckt mich überhaupt nicht. Außerdem taugt das nur zu Spekulationen.

    Zitat

    Ich lehre das Leid zu beenden, aber es ist schwer zu verstehen und zu praktizieren. Ist aber nicht unbedingt nötig denn was immer man tut, mit dem Tod ist es sowieso für immer vorbei. Es gibt keine andere Welt, kein nächstes Dasein, keine kamma-Auswirkung nach dem Tod, keine Daseinsfährten auf die man dann gerät. Niemand kann sich an seine früheren Leben erinnern, auch ich nicht, es gibt keine.


    Doch, die künftigen Auswirkungen gibt es. Es sind die folgenden Generationen, die das zu spüren bekommen.
    Wer aber auf sein Ich fixiert ist, der wird nur sich im Augen haben und spekulative Wiedergeburten seiner selbst.
    Der praktiziert für SEINE nächste Wiedergeburt. Das mag er tun. Mein Dharma-Lehrer hat es als Versprechung geschildert, für diejenigen, die sonst an ihrem Versagen verzweifeln.


    Man kann aber realistischer auf sich selbst blicken und erkennen, dass man Teil eines Organismus ist, in dem alle Informationen weitergegeben werden. Hat man Mitgefühl mit den Wesen, die gleichzeitig mit einem Leben und die nach einem kommen, wenn man seine Untrennbarkeit und Verbundenheit erkennt, dann kann man von dem Glauben an einem Leben danach ablassen, weil man weiß, dass man aufgeht und nichts verloren geht. Man kann erforschen, wie vieles woran wir leiden, durch die Taten unserer Vorfahren bedingt sind. Jeder kann diesen Zusammenhang erkennen. Deshalb kann man dann die Verantwortung für künftige Taten übernehmen, indem man die Folgen der alten unheilsamen Dinge neutralisiert und heilsame Entwicklungen in Gang setzt. Vieles davon wirkt schon im eigenen Leben, vieles wird erst den nachkommenden Generationen zuteil.
    Deshalb ist das Mitgefühl so enorm wichtig, weil man nie für sich selbst allein praktiziert, sondern für alle Wesen, auch die nachkommenden.


    Ja, man kann sich auch entscheiden sich umzubringen und nix zu tun. Aber das ist nicht der Weg, der Menschen glücklich macht oder irgendwas ändert. Und er ist nicht der Vorschlag, den Buddha uns machte. Es ist unnatürlich, weil es dem angeborenen Lebensinstinkt und dem Wunsch der Wesen glücklich zu sein entgegen steht. Diese Grundannahme des Buddhas, wird bei solch einem Nihilismus vergessen.

    Zitat

    Überliefert sind jedenfalls zahlreiche Aussagen des Buddha wo man nach dem Zerfall des Körpers, nach dem Tod überall hingelangen kann.


    "MAN" ist hier das Wort, dass den Fehler enthält. Hier ist atta in Reinform.

    Irmin82:

    Hallo,
    ich wollte mal fragen, ob der Buddhismus ohne den Glauben an die Wiedergeburt überhaupt möglich wäre. Denn als Atheist/Materialist hätte ich ja eigentlich sofort Nirwana sobald ich tot bin. Also das Wollen hört auf, ich höre auf zu existieren. Erst der Kreislauf der Wiedergeburt macht dies hier alles erst so richtig leidvoll, weil ich es eben nicht nur einmal hab, sondern immer wieder erleben muss. Deshalb macht auch Selbstmord keinen Sinn, weil es mich ja einfach nur in eine neue Wiedergeburt zwängt. Ohne Wiedergeburt könnten wir uns doch alle einfach abknallen und das war's, kein Leid mehr.


    Ein neuer Versuch.


    Das sieht nach einer einfachen Lösung aus, und womöglich hast Du sogar Recht.
    Was dem entgegensteht, ist der natürliche Drang eines jeden Lebewesens, den Tod möglichst zu vermeiden, also möglichst lange hinauszuziehen. Demnach gilt es diese gewonnene Zeitspanne möglichst angenehm zu verbringen. Der Herr Gautama hat das probiert und ist auf einen speziellen Dreh gekommen (andere sicher auch). Kannst Du nachlesen. Er lebte in einer Zeit und Kultur, in der das Konzept der Wiedergeburt in aller Munde und Köpfe war. Das ist natürlich eine reine Glaubenssache, wie die Homöopathie. Trotzdem hat sich das Konzept bis heute erhalten. Und da sich der Begriff in allen Kulturen erhalten hat, in denen der Buddhadharma Einzug gehalten hat, könnte ein Körnchen davon vielleicht überzeugend sein?
    Nun, dieses Körnchen, unabhängig von allem Glauben und für jeden einwandfrei überprüfbar, ist die ständige Wiedergeburt der Ich-Illusion, also dass da ein festes Ding, ist, das sich Ich nennt.
    Diese Illusion entsteht ständig neu, von Augenblick zu Augenblick. Damit werden wir zu tun haben, solange wir leben. Offensichtlich können wir jedoch lernen, nicht mehr auf diese Illusion reinzufallen, immer wieder einen Schritt zurück zu treten. Das schafft Freiräume im Handeln. Wenn wir dann tot sind, gibt es gar keine Illusionen mehr – Parinirvana.


    Wenn Dir das zu mühsam ist, kannst Du Dir natürlich gleich eine Kugel verpassen. Aber andere solltest Du mit dieser wohl gutgemeinten Tat verschonen, da sie das Recht haben, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Leben verbringen wollen, und Heilsbringer dieser Art einfach ätzend sind.

    Ne, ne.
    Es gibt ein Wohlgefühl, das auch während des stärksten Schmerzes vorhanden ist.
    Der Schmerz ist, egal wie tief, immer auf der Oberfläche. Darunter ist Wohlgefühl, Frieden, unbegrenzte Freude …


    Du kannst offensichtlich nicht nachvollziehen, was dieses Wohlgefühl bedeutet. Ich schätze, Du störst Dich an "wohl" und "Gefühl".

    mukti:

    Man kann nicht von den Sinnesgenüssen lassen wenn man nicht ein höheres Wohlgefühl hat. Dann muss man aber auch über dieses Glück hinausgehen wenn man die Wiedergeburten beenden will. Aber das sind schon die höheren Regionen der Lehre, die wohl hier kaum jemand erreicht hat.


    Man muss über gar nichts hinausgehen.
    Es genügt, die Dinge zu nehmen wie sie sind und damit so gut wie möglich klar zu kommen. Wenn es weh tut, tut es weh, wenn es gut tut, tut es gut. Heute ist es so, morgen so. Tun, was zu tun ist.

    Element:
    Doris Rasevic-Benz:

    Wenn der Buddhadharma nicht ein Wohlfühlen, denn das ist Leidfreiheit [...]


    Leidfreiheit ist nicht davon abhängig, dass etwas "gefühlt" wird.


    Diese Unabhängigkeit schafft ein Wohlgefühl. Das ist nicht vergleichbar mit einem Wohlgefühl wie bei einer Massage oder einem Lottogewinn, sondern ein grundlegendes Wohlgefühl: Egal was sonst gerade passiert, da ist immer ein spürbarer, erfahrbarer unerschütterlicher Kern des Wohlbefindens.
    Dieser Kern ist immer vorhanden. Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem Sein öffnet den Blick auf dieses Kern.

    Nicht nur sinnvoller, auch wenn man über Sinn und dessen Existenz geteilter Meinung sein kann …
    Wenn der Buddhadharma nicht ein Wohlfühlen, denn das ist Leidfreiheit, zum Ziel hat, dann wäre es lediglich eine Methode aus dem Bereich Masochismus, mit dem man sich auf eine – sagen wir mal – spezielle Art wohlfühlen kann. Leiden kann ja durchaus sinnstiftend sein …


    Aber Leid, besser Mangelhaftigkeit, ist dem Leben zu eigen. Der Körper hat diese Fähigkeit, da er Leiden als überlebensmotivierend benötigt, der Geist kann Leiden, da er Teil des Körpers ist. Leben bedeutet ständigen Wandel, was Leid versuchen kann. Es ist einfach so. Das ist eine Facette des Lebens. Eine. Sonst gäbe es keine "Erleuchtung", sonst wäre der ganze Kladderadatsch, der sich Buddhismus schimpft, umsonst. Denn es soll ja, laut Buddhismus, Leute geben, die sich vom Leid befreit haben und dabei am Leben sind. Oder etwa nicht? Mir ist nicht bekannt, dass von denen einer Selbstmord begangen hat oder humor- und freudbefreit war oder ist. Bekannterweise haben auch diese Menschen einen Körper, der krank wird und dahinsiecht. Sie gelten dennoch als leidbefreit. Warum denn, wenn das Leben, ach, so miserabel wäre? Bei denen hat sich doch rein körperlich gesehen nichts verändert. Das Leben ist also nicht schuld. Es muss wohl was anderes sein, das die Leute so unglücklich macht.

    Das finde ich höchst bedauerlich, wenn man so ein negatives Bild von seinem Leben hat.
    Ich habe eine endlose Liste von wundervollen Ereignissen in meinem Leben. Nicht zuletzt von all den Menschen und Tieren, mit denen ich zusammen ein Stück des Weges gehen durfte. Allein dafür würde ich es tausendmal wiederholen.


    Und auch die Dinge, die sich unangenehm anfühlten, und davon gibt es eine Menge, möchte ich nicht missen. Keine einzige Sekunde. Ich bin einfach nur dankbar. Das Leben ist ein einziges Wunder, und ich staune jeden Tag aufs neue.