Beiträge von Sudhana im Thema „Was ist, wenn das alles quatsch ist?“

    Tychiades:

    Da lese ich dann, dass Bodhidharma seine "Sachen" - Haut, Knochen, Mark usw. auf seine Nachfolger aufgeteilt hat und darunter war auch eine Nonne. Hat sich Dogen das selbst ausgedacht oder ist das aus einer Überlieferung ersichtlich?


    Dōgen hatte die Geschichte vermutlich aus dem Jǐngdé chuándēng lù (景德传灯录), dem 'Bericht von der Weitergabe der Lampe aus der Jingde-Ära', datiert 1004 n.d.Z. Das ist auch mW die älteste Quelle zur Nonne Zongchi - die ältesten Quellen zu Bodhidharmas Biografie erwähnen als Schüler namentlich nur Daoyu Dazu und Huike.


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    Bakram:
    Sudhana:

    Noch weniger die Idee/ Motivation, sich selbst zu nützen.


    Das habe ich auch nie behauptet.


    Nein, sondern

    Bakram:

    Im ursprünglichen Buddhadhamma geht es um das eigene Leiden


    Wer leidet?


    Ansonsten - zum Konzept der zwei Wahrheiten "die einige buddh. Schulen aufstellen" hier etwas dazu, wie dieses Konzept im Theravada aufgestellt wird. Enthält auch sonst sachdienliche Hinweise zum Thema "das eigene Leiden":

    Zitat

    Es ist nur Dukkha, das ins Dasein tritt, Dukkha, das besteht und verschwindet.
    Nichts außer Dukkha tritt ins Dasein, nichts anderes als Dukkha hört auf.


    Da ist kein eigenes Leiden, kein anderes Leiden.

    Zitat

    Warum beziehst du dich auf das Wesen, Mara, bist du in (falsche) Ansicht verstrickt?
    Dies ist ein Haufen reiner Gestaltungen; hier ist kein Wesen zu finden.


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    Ellviral:

    Was ich nicht verstehe ist die Einteilung in die Ebenen. Letztendlich ist es doch nur die die jetzt erscheint. Die Unkonventionelle und die Konventionelle Ebene zu schaffen erschafft ist die Möglichkeiten zu betrügen.


    Eine konventionelle Ebene (Konvention = Übereinkunft, von convenire, "zusammenkommen") eröffnet die Möglichkeit auszutauschen, zu kommunizieren - da, wo das, was Dir erscheint und das, was mir erscheint, zusammenkommt. Das ist ihre Funktion. Natürlich eröffnet Austausch auch die Möglichkeit des Betrugs. Das ist aber nur eine Möglichkeit des Gebrauchs / Missbrauchs von Konvention. Was ist mit Dir? Willst Du nicht verstanden werden oder willst Du betrügen? Oder gibt es da noch andere Möglichkeiten?

    Ellviral:

    Das Befreien läuft ins Leere wenn ich mich auf eine dieser Ebenen konzentriere


    Richtig. So wie es ins Leere läuft, wenn Du Dich auf "Selbst" oder "Andere" konzentrierst.

    Ellviral:

    Von einer Untat kann ich mich befreien


    Ego te absolvo. Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr. Amen.


    Bakram:

    Diese Idee/ Motivation "anderen nützen" existiert nicht in Buddhadhamma.


    Noch weniger die Idee/ Motivation, sich selbst zu nützen. Vielleicht magst Du meine Anmerkung noch einmal lesen, welche Unterscheidung auf konventioneller Ebene ich (noch) für sinnvoll halte und welche nicht mehr. Vielleicht hilft es dem Verständnis, wenn Du "nützen" durch "befreien" ersetzt.


    Die Anstrengung, sich selbst zu befreien läuft ins Leere. Das ist vergeudete Energie, weil es da nichts zu befreien gibt. Das ist Buddhadharma - nicht nur "ursprünglicher", sondern vor allem der hier und jetzt.


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    Bakram:

    Im ursprünglichen Buddhadhamma geht es um das eigene Leiden und nicht um das Leiden von Anderen.


    Auch, wenn es mir grundsätzlich widerstrebt, dem Buddhadharma eine Teleologie anzudichten bzw. mir irgendwelche Gründe / Ziele / Vorwände auszudenken für das, was ich tue (bzw. worum es "im ursprünglichen Buddhadhamma" geht), so möchte ich hier doch Folgendes zu bedenken geben: wenn man schon zwischen Selbst und Anderen unterscheidet (was auf konventioneller Ebene und unter praktischen Gesichtspunkten ja auch durchaus sinnvoll ist), dann muss das ja nicht notwendig heißen, dann auch zwischen "sich selbst in die Lage versetzen, Anderen zu nützen" und "Anderen nützen" zu unterscheiden. Es geht hier um karmisches Wirken - und da ist Intention / Motivation entscheidend. In dieser Hinsicht ist eine auf das Selbst und nicht 'alle Wesen' gezielte Motivation im Sinne des Buddhadharma nicht heilsam. Die Unterscheidung ist auch hinsichtlich einer zeitlichen Abfolge ('zuerst ich, dann die Anderen') nicht zweckmäßig. Das 'allen Wesen nützen' wächst ungetrennt von der Fähigkeit dazu - und umfasst das konventionelle 'Selbst' wie auch das konventionelle 'Andere'.


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    Tychiades:

    Über solch ein Ansichtengestrüpp kann noch nicht mal der Kant was ausrichten - der müsste sich ja auch als "Alles" und damit "Quatsch" verstehen.


    Das schafft auch keiner, der meint, "über Kant hinaus" zu sein. Wenn jedoch "über das Gestrüpp etwas auszurichten" nicht als "gegen das Gestrüpp etwas auszurichten" verstanden wird, dann kann das schon klappen.

    Zitat

    Nur wenige verstehen, dass Dharma-Nachfolge Schlingpflanzengestrüpp ist. ... Da die Samen von Schlingpflanzen die Kraft haben, "dem Körper zu entkommen", gibt es Zweige, Blätter, Blüten und Früchte, die Schlingpflanzen umschlingen und - da sie "interagieren und nicht unteragieren" - werden die Buddhas und Vorfahren verwirklicht, das Kōan wird verwirklicht.
    (Dōgen, Shōbōgenzō Kattō)


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    void:

    Es stimmt nicht, dass einfach nur andere Antworten gegeben werden. es werden total andere Fragen gestellt.


    Die 'anthropologische' Frage (Nr. 4) ist im Buddhismus seit frühesten Zeiten zentral - was ist denn Skandha-Modell und anatman-Lehre Anderes als Antworten auf genau diese Frage? Auch die Problemstellung Duhkha und seine Ursache steht mit der 'anthropologischen Frage' in enger Verbindung.
    Die ethische Frage (Nr. 2) ist gleichermaßen zentral. Sila, Vinaya - genau das ist die Auseinandersetzung mit dieser Frage.
    Die Epistomologie (Nr. 1) ist in den älteren Überlieferungsschichten eher implizit angesprochen - im Abhidharma hingegen schon explizit. Im Madhyamaka ist es die zentrale Problemstellung. Frage 3: Nirvana ist die "buddhistische" Antwort auf genau diese Frage.
    Soviel mal eben auf die Schnelle ...


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    Tychiades:
    Sunu:

    Ist was zum genießen halt....


    Für den Schreiber vor allem.


    Ob "vor allem" kann ich nicht beurteilen. Dass es mir Freude gemacht hat, meine Überlegungen zu diesem Thema zu ordnen und in Worte zu fassen, um sie zu teilen (zumindest mitzuteilen) stimmt schon. Ob dazu "Selbstverliebtheit" notwendig ist - glaube ich eher nicht. Eine gewisse "Verliebtheit" in das Thema 'Religion und Quatsch' hingegen schon.


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    Piti:

    Sudhana
    könntest Du Dein Geschriebenes auf 2 Zeilen (kurze Zeilen) zusammenfassen - würde mir helfen Dich klarer zu verstehen


    Bittesehr:
    Zeile 1: "Das Alles" ist "Quatsch".
    (was mit "das Alles" gemeint ist, bitte im Ausgangsposting nachlesen)
    Zeile 2: Was nicht heisst, dass der Quatsch nicht nützlich sein kann.


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    Monikadie4.:

    Wenn es nur 2 Cents gewesen wären, hätte ich es auch gelesen.
    Meine Güte, warum so lang?
    _()_


    Wenn Du es nicht gelesen hast - woher willst Du dann wissen, dass es mehr als nur 2 Cents waren?


    Ich zahle gerne in kleiner Münze. Fühl Dich nicht gezwungen, sie anzunehmen und auszugeben.


    ()

    Getreu dem Motto 'Es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem' möchte auch ich hier noch meine 2 Cents beisteuern. Diese laufen weniger auf die Einführung neuer Gesichtspunkte hinaus als auf eine etwas andere Gewichtung der bereits vorgebrachten.

    Hund:

    Ich habe gerade eine Doku über denn Buddhismus angeschaut und mich überfiel kurz das "Absurde"... Orange-gekleidete, glatzköpfige Männer die irgendwelche Textlaute murmeln, im Hintergrund das "unendliche" Universum, komplett unerforscht, gewaltig, mortalisch und riesig. Wie Absurd und kleinlich es aussehen mag aus dem Blickpunkt des Universums, irgendwelche Tiere (Menschen) anzuschauen die "Erleuchtet" werden wollen.


    Das war nur ein Gedanke, und die Frage ist eigentlich wie der Titel es schon sagt, Was wäre denn eigentlich wenn der Buddhismus, kompletter Unsinn wäre. Es gibt keine Erleuchtung, sondern nur Belohnungen vom Gehirn in Form von Wellen die messbar sind, es gibt kein Samsara und auch kein Entkommen davon. Was, wenn der Buddhismus eigentlich nur Wunschdenken ist, das von einem Archaischen Inder in die Welt gesetzt wurde, der nicht akzeptieren wollte das der Mensch leiden muss, sterben muss und auf sich komplett einsam geworfen ist?


    Ich halte es für hilfreich, bei der Betrachtung jeglicher Philosophie / Weltanschauung / Religion / Ideologie systematisch (um nicht zu sagen: schematisch) vorzugehen und zu prüfen, ob und wie hier die menschlichen Grundfragen behandelt (vielleicht gar beantwortet) werden, wie sie Immanuel Kant so griffig formuliert hat:
    1. Was kann ich wissen?
    2. Was soll ich tun?
    3. Was darf ich hoffen?
    4. Was ist der Mensch?
    Kant hat (meines Erachtens zu Recht) darauf verwiesen, dass die Klärung der ersten Frage die höchste Priorität hat. Nur auf dieser Grundlage lässt sich entscheiden, wie weit Antworten auf die anderen drei Fragen überhaupt Gültigkeit beanspruchen können - anders gesagt: einen Anspruch auf Wahrheit erheben können. Können sie dies nicht, dann sind sie offensichtlich blanke Spekulation und damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Antworten lediglich "Quatsch" (also falsch) sind, ziemlich hoch. Insbesondere gilt dies für die Fragestellungen drei und vier - klassische 'Betätigungsfelder' von Religionen, auch von "buddhistischer Religion".


    Was nun wiederum nicht heißen soll, Buddhismus sei (nur) eine Religion. Es ist gar nicht so einfach, eine allgemeingültige Antwort darauf zu geben, was "Buddhismus" (und, btw., auch was "Religion") eigentlich ist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Buddhismus gerade nicht "eigentlich nur Wunschdenken ist, das von einem archaischen Inder in die Welt gesetzt wurde". Das trifft auch dann nicht zu, wenn wir etwas wertungsfreier aus dem "Wunschdenken" ein "Denken" machen. "Buddhismus" ist etwas, das in unseren Köpfen existiert - und zwar in jedem Kopf irgendwie anders, auf eine sehr individuelle Weise. Wie viel von diesen individuellen "Buddhismen" nun tatsächlich mit den Gedanken eines "archaischen Inders" namens Siddharta Gautama übereinstimmt dürfte sich nicht nur - je nach individuellem / persönlichem "Buddhismus" unterscheiden; tatsächlich ist dies gar nicht zweifelsfrei wissenschaftlich (philologisch) zu bestimmen. Die Antworten, die da - jeweils von der persönlichen Warte her - gegeben werden, fallen daher häufig sehr deutlich eher in die Kategorie der dritten Frage (bei der "hoffen" ohne weiteres durch "glauben" ersetzt werden kann) als in die der ersten. Es ist daher ratsam, Behauptungen der Art, man wüßte besser, was Buddha gelehrt hat als Andere, auf ihren tatsächlichen Gehalt zu reduzieren: da wird zumeist lediglich "besser" geglaubt.


    Schauen wir uns beispielsweise diese Behauptung an:

    Sherab Yönten:

    Der Buddhismus geht aber schon davon aus, dass das Bewusstsein (Geist) unabhängig ist vom Körper

    und prüfen sie im Sinne der ersten, der erkenntnistheoretischen Fragestellung. Wobei wir uns durchaus (auch) des im Westen entwickelten Instrumentariums des Erkenntnisgewinns, hier insbesondere der historisch-kritischen Methode bedienen sollten. Man wird dann finden, dass dieser Gedanke erstmals in der ersten Hälte des 6. nachchristlichen Jahrhunderts nachweisbar ist - formuliert von einem indischen Erkenntnistheoretiker / Logiker namens Dignāga. Man wird auch finden, dass zu diesem Zeitpunkt - über ein Jahrtausend nach der vermutlichen Lebenszeit des "archaischen Inders" - die Rezeption indischen buddhistischen Denkens in Ostasien bereits weitgehend abgeschlossen war und die Entwicklung dort bereits eigene Wege ging, während eine nennenswerte Rezeption in Tibet erst im 8. Jahrhundert einsetzte - und damit, anders als in China, auch diesen durch Dignāga gegeben Impuls mit einschloss. Zumal sich dieser Denkansatz später u.a. auch zur religiösen Begründung der spezifisch tibetischen Herrschaftsideologie ("rule by incarnation") instrumentalisieren ließ. Es liegt mir nun fern, der Auffassung " dass das Bewusstsein (Geist) unabhängig ist vom Körper" zu widersprechen (obgleich es gute Gründe dafür gäbe) - es geht mir vielmehr um den Hinweis, wie sehr wir geneigt sind, unser persönliches (meist durch eine spezielle Überlieferungslinie bedingtes) Verständnis von Buddhismus mit "dem Buddhismus" zu verwechseln. Genauer betrachtet gibt es "den Buddhismus" nicht - das ist ein reines Abstraktum, konstruiert aus gemeinsamen Merkmalen all der unzähligen persönlichen "Buddhismen" unter Ausblendung abweichender Merkmale. Dies akzeptiert, kann man dann auf einer höheren (Abstraktions-)Ebene immer noch darum streiten, welche Merkmale "den Buddhismus" ausmachen und welche nicht. Viel mehr als der Minimalkonsens z.B. des Buddhistischen Bekenntnisses der DBU wird dabei freilich nicht herauskommen.


    Doch lassen wir Buddhismus als Religion - d.h. die mit dem Begriff "Buddhismus" verbundenen metaphysischen Spekulationen - vorerst einmal beiseite. Dann lässt sich feststellen, dass gerade in der ältesten Überlieferungsschicht Siddharta Gautama als jemand dargestellt wird, der metaphysische Spekulation nicht nur ablehnt, sondern im Sinne echter Erkenntnis ("Erleuchtung") sogar als kontraproduktiv bezeichnet. Nach dem eingangs angeführten Schema liegt in dieser Überlieferung das Schwergewicht auf Folgendem:


    Zitat

    1. Was kann ich wissen?


    Dies bedeutet (wie bei Kant, wenn auch mit ganz anderem Ansatz) eine Kritik spekulativen Denkens (Erzeugen von "Quatsch"), da dieses notwendig durch die "Geistesgifte" kontaminiert ist. Diese Kritik wiederum ist nur ein Teil einer grundlegenderen Erkenntniskritik, die darauf verweist, dass die Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt grundsätzlich durch die genannten Geistesgifte geprägt ist. Die Quelle dieser Erkenntnis ist nun wiederum nicht Spekulation, sondern Empirie: sie beruht zum einen auf der intensiven Beobachtung und Kontrolle der genannten Wechselbeziehung (sati / smṛti) und zum anderen auf der wiederholten zeitweiligen Aufhebung der Subjekt-Objekt-Dualität und - damit notwendig verbunden - des Ab- und Aufbaus der Subjekt-Objekt-Wechselbeziehung, die die subjektiven Charakteristiken (anatman, anitya, dukkhata) eben dieser Beziehung im Moment ihres Entstehens bzw. Vergehens verdeutlicht. Verbunden damit (bzw. mit inbegriffen) ist zwangsläufig - um dies hier schon vorweg zu nehmen - eine Beschäftigung mit der vierten Frage

    Zitat

    4. Was ist der Mensch?

    , also ein Arbeiten an der Erkenntnis der Natur des Subjektes des Erkennens.


    Auch, wenn in der Überlieferung darauf verwiesen wird, welche Erkenntnisse mit dieser empfohlenen Methodik des Erkennens zu erlangen sein sollen (im wesentlichen die sog. 'vier edlen Wahrheiten') und was diese Erkenntnis bewirken soll (Lösung des Problems der Leidhaftigkeit der Existenz), so geht es doch vorrangig um die Methodik des Erkennens ("Praxis"). Dass das Ergebnis eines Erkenntnisvorganges zu einem nicht geringen Teil durch die Methode des Erkennens bestimmt ist, darf dabei allerdings nicht vergessen werden. Insofern gilt auch (um auf einen anderen Thread hier anzuspielen): wem sich das Problem der Leidhaftigkeit der Existenz (noch) nicht stellt, für den ist die Methode, eben dieses Problem zu behandeln, nicht gedacht.


    Es ist nun tatsächlich nicht von vorneherein auszuschließen, dass für alle Anderen (d.h. die, die zu einer Lösung des genannten Problems motiviert sind) die angedeuteten Erkenntnisse (die ja im Sinn einer existenziellen Erfahrung, nicht nur einer intellektuellen Einsicht zu verstehen sind) mit der empfohlenen Methode nicht empirisch nachzuvollziehen sind. D.h. dass die verheißenen, auf sprachlich-intellektueller Ebene skizzierten Erkenntnisse, tatsächlich nur "Quatsch" sind. Immerhin wäre auch dies eine Erkenntnis, die sich mit der Methode gewinnen lässt. Das nennt sich Falsifikation.


    Es ist das Problem jeder Methode empirischen Erkenntnisgewinns, dass man sie selbst erst einmal anwenden muss, um die damit evt. zu gewinnenden Erkenntnisse zu verifizieren oder zu falsifizieren. Ansonsten kann man nur glauben - und läuft dabei Gefahr, "Quatsch" zu glauben. Das größere Problem ist jedoch, dass der Glaube im Unterschied zur Erkenntnis keine existentiellen Probleme löst, sondern allenfalls sediert. Bestenfalls führt Glaube im Verbund mit entsprechender Praxis zu Erkenntnis - vorausgesetzt, man hat Glück und glaubt keinen Quatsch. Wie auch immer - eine bessere und zuverlässigere Methode zur Erlangung gültiger Erkenntnisse als die Empirie (im buddhistischen Kontext: Praxis der buddhistischen Lehre, nicht der Glaube daran) ist bislang noch niemandem eingefallen.


    Dass speziell Nagārjuna insbesondere das zentrale Thema der Kritik spekulativen Denkens auf eine Kritik von Sprache und diskursivem Denken als Mittel zur Formulierung von Erkenntnis überhaupt ausdehnte, sei hier nur kurz angerissen. Natürlich widersprach Nagārjuna damit nicht grundsätzlich der Möglichkeit von Erkenntnis - nur der Möglichkeit, Erkenntnis adäquat sprachlich zu formulieren. In diesem Sinn ist die komplette mündliche und schriftliche Überlieferung des Buddhismus "Quatsch". Nagārjuna verwarf allerdings diesen "Quatsch" nicht, sondern verwies auf seinen (lediglich) instrumentellen Charakter. D.h. der Quatsch (nicht zuletzt der von Nagārjuna selbst verzapfte) erfüllt eine Funktion: nämlich die, zu einer Lebenspraxis anzuleiten und zu motivieren, die tatsächliche, existentielle Erkenntnis ermöglicht. Nicht viel anders, als der in diesem Posting hier verzapfte Quatsch.


    Zitat

    2. Was soll ich tun?

    Mit dem oben Gesagtem ist die Frage "was soll ich tun?" implizit schon angesprochen bzw. zu einem wesentlichen Teil schon beantwortet: sich um gültige Erkenntnisse bemühen (konkret: Ausübung des 6., 7. und 8. Pfadgliedes). Vor allem ist diese zweite jedoch eine Frage nach einer Ethik, also im Unterschied zum oben Angeführten nach der Ausrichtung persönlichen Handelns und Verhaltens im sozialen Kontext. Zumindest im Buddhismus ist es nicht so, dass dieses Tun (nur) als das Ergebnis (selbst gewonnener oder geglaubter) Erkenntnisse angesehen wird. Das wäre eine einseitige Abhängigkeitsbeziehung, während auch hier eine Beziehung wechselseitigen Bedingens anzunehmen ist. D.h. die Modifikation des Handelns / Verhaltens (von Körper, Geist und Sprache / diskursivem Denken entsprechend den Pfadgliedern 3, 4 und 5) ist nicht nur Anwendung von Erkenntnis, sondern auch Mittel des Erkennens, insofern es den 'Stoff' empirischer Untersuchung im unter 1. genannten Sinn, d.h. die Subjekt-Objekt-Wechselbeziehung, modifiziert. Erkenntnis ist hier ganz wesentlich die Erkenntnis von Unterschieden in Bezug auf kausale Zusammenhänge, die sich durch Verhalten / Handeln / Praxis erzeugen lassen. Genau das ist auch der Punkt, um den es bei karma geht - empirisch beobachtbare Zusammenhänge von Ursache und Wirkung, ohne dass da irgendwelche Spekulationen (die zumindest potentiell "Quatsch" sind) bemüht werden müssen.


    Soweit ist vielleicht schon deutlich geworden, dass speziell "mein Buddhismus" keine Religion ist, sondern ein Regulativ meiner Lebensweise - ein "Yoga". Mehr muss es auch nicht sein. Auch hier genügt Empirie - die konkrete Erfahrung dieser bestimmten Lebensweise im Vergleich zu anderen, mit denen ich ebenfalls Erfahrungen gemacht habe und (deutlich abgeschwächt) die Andere mit anderen Lebensweisen machen. Das soll nun nicht heißen, dass ich völlig ohne "Quatsch" auskomme - zu dieser Lebensweise gehört es, mit Anderen zu kommunizieren und ohne "Quatsch" geht das nicht. Und es gehört auch (immer noch, wenn auch mit abnehmender Tendenz) zu dieser Lebensweise, mittels "Quatsch" Begründungen und Rationalisierungen für sie zu formulieren - nicht nur für Andere, auch für mich selbst. Genau dafür ist der ganze Quatsch ja da - man sollte ihn nur nicht über Gebühr ernst nehmen.


    Kommen wir nun noch abschließend zu

    Zitat

    3. Was darf ich hoffen?

    (nachdem 4. schon oben unter 1. mitbehandelt war). Wie ich schon andeutete, ist "hoffen" nicht mehr als ein dem Zweifel unterworfener Glaube. Die dritte Fragestellung - das hat auch schon Kant deutlich gemacht - zielt nun natürlich speziell auf den Bereich 'Religion', wobei nach meinem Verständnis der buddhistische Begriff Śraddhā deutlich mehr in Richtung 'Hoffnung' geht als in die Richtung eines (bedingungslosen) Glaubens, wie er inbesondere von den monotheistischen Religionen (bzw. Theologen und Geistlichen) als heilsnotwendig gefordert wird. Ich nenne Śraddhā gerne einen "Glauben auf Vorschuss" - einer, der sich bewähren muss und falls er dies nicht tut bedenkenlos gekündigt werden kann. Generell ist 'Religion' als ein der europäischen Geistesgeschichte entstammender (und ihr verhafteter) Begriff nur begrenzt geeignet, diesem geistesgeschichtlichen Kontext fern stehende Erscheinungen wie etwa den Buddhismus zu bezeichnen - in der Regel provoziert das speziell bei Angehörigen der durch diese Geistesgeschichte geprägten Kultur Miss- und Fehlverständnisse.


    Doch davon abgesehen - zweifellos gibt es auch im Buddhismus (bzw. den unzähligen in den Köpfen herumspukenden Buddhismen) jede Menge metaphysischer Spekulationen bzw. "Glaubenswahrheiten". Dass diese - zumindest nach mahayanischer Auffassung, für die der oben genannte Nagārjuna oder auch die Upāya-Doktrin des Lotossutra stehen mag - nicht Aussagen mit einem absoluten Wahrheitswert sind, sondern lediglich (bestenfalls) eine zur Wahrheitserkenntnis hinführende Funktion haben, wird dabei leider häufig übersehen. Nicht zuletzt auch hier im Forum, bei diversen Zänkereien über solche gelegentlich als unverzichtbare Dogmen missverstandenen Spekulationen bzw. "hilfreiche Mittel". Als Beispiel:

    Hund:

    Wenn dem Buddhismus die Reinkarnation, Karma, Überweltliche Bereiche usw abgesprochen werden und eine "reduzierung" erfolgt zur einer "nur" Mitgefühls und der meditativen Versenkungs Lehre mit paar Ethischen Kalender-Sprüchen des Buddha, mutiert dieser neue Buddhismus (Meiner Meinung nach) zur einer "Achtsamkeit-Wellness-Ethik" Floskel.


    Entkleiden wir diese Aussage einmal ihrer provozierenden Polemik, dann kann man sich schon fragen, wo bei einer Praxis des Mitgefühls - die sich zwangsläufig in der Übung der Pfadglieder 3, 4 und 5 manifestiert, also der praktischen Umsetzung der "ethischen Kalendersprüche Buddhas" - und "meditativer Selbstversenkung", also der Praxis der Pfadglieder 6, 7 und 8, eigentlich das große Defizit sein soll. Sicher, die ersten beiden Pfadglieder sind da nicht erwähnt - aber ohne diese gehen auch die anderen sechs nicht. Nebenbei: das als "Achtsamkeit-Wellness-Ethik" zu diffamieren, zeugt schon (falls es nicht rein provokant gemeint war) von einer recht ungesunden Überheblichkeit. Wobei mir durchaus bewusst ist, dass speziell der Begriff "Achtsamkeit" zu einem Versatzstück im esoterischen Supermarkt degeneriert ist und dort in den unsäglichsten Kontexten (auch solchen mit 'buddhistischem' Anstrich) auftaucht. Trotzdem - wenn man "Wellness" mit (zumindest partieller) Leidfreiheit übersetzt, sehe ich nicht, was an einer Ethik, die zu Achtsamkeit und zu (zumindest partieller) Leidfreiheit führt, auszusetzen bzw. "unbuddhistisch" sein soll. Es kommt immer darauf an, wie sich eine solche "Ethik" in der alltäglichen Praxis einer konkreten Person darstellt. Wer für seine persönliche Praxis den "Quatsch" braucht - z.B. "Reinkarnation, Karma, Überweltliche Bereiche usw." bzw. die Hoffnung darauf oder den Glauben daran, dem sei dies herzlich gegönnt. Um mit Fritz Teufels Worten zu sprechen: Wenn es denn der Wahrheitsfindung dient .... Das heisst nicht, dass die Praxis des derart gläubigen Buddhisten automatisch wert- oder wirkungsvoller, buddhistischer oder unbuddhistischer ist als die desjenigen, der sich nach einer vom gläubigen Buddhisten so titulierten "Achtsamkeit-Wellness-Ethik" richtet. Nur, dass individuell verschiedene Upāya aufgegriffen werden. Das eine ist so Quatsch wie das andere. Entscheidend ist vielmehr: wenn die persönliche Praxis (wie auch immer sie aussehen mag) nur auf "Quatsch" beruht und nicht dazu führt, diesen irgendwann fallen zu lassen, dann läuft da nach meiner Auffassung mit der Praxis etwas schief - dann sind diese Mittel nicht mehr nützlich. Insofern ist der Zweifel daran ein durchaus gesundes Zeichen.


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