Beiträge von Frieden-und-Freude im Thema „Was ist, wenn das alles quatsch ist?“

    Tychiades:


    Entwicklung ist was grundlegend anderes als Transformation - und wenn man das Konzept der 8 jhanas betrachtet, so geht es genau um diesen "Bruch" zwischen sinnlich-erfahrbarer Entwicklung und nicht mehr sinnlich-erfahrbarer Transformation.


    Da scheint der Kern des Missverständnisses zu liegen:
    Du scheinst zu glauben, dass diejenigen, die von "Erfahrung" und "Entwicklung" sprechen, ausschließlich den Bereich des "Sinnlichen" meinen. Und dadurch stets im "Sinnlichen" verhaftet bleiben, während es Dir um "Transformation" geht, die nicht-sinnlich sei.


    Zunächst mal stimmt es natürlich, dass Du während der Dauer der meditativen Vertiefungen außerhalb des Bereichs sinnlicher Erfahrung bist. Denn Hören, Sehen, Fühlen, Schmecken und Körperwahrnehmung sind verschwunden.


    Wenn Du aus diesem Vertiefungs-Zustand zurückkehrst, ist Deine Achtsamkeit und Dein Erkenntnisvermögen für eine Weile verbessert. Man kann dann Einsicht erlangen, indem man sich an die Jhana-Erfahrung erinnert.
    Beispielsweise wird deutlich, dass die körperlich-sinnliche Existenz wirklich "Dukkha" ist. Und dass man nicht identisch ist, mit dem, was handelt und denkt. Dass es also kein einheitliches konstantes "Ich" gibt.


    In dem Zustand der Vertiefungen ist das alles nicht erkennbar, da das Denken aufgehört hat.


    Die "rechte Sammlung" ist Teil des achtfachen Pfades.
    Manche Praktizierenden erreichen meditative Vertiefungen, andere nicht.
    Das ist aber nicht entscheidend: Die Jhanas sind hilfreich, aber nichts Geheimnisvolles, das irgendeine besondere mystisch-religiöse Kraft oder Dimension hat. Sie sind auch keine "Erleuchtung", obwohl man davon überwältigt sein kann und es sich so anfühlt wie eine "Erleuchtung". Sie sind lediglich hilfreich, um anschließend Einsicht zu entwickeln.


    Wer sie nicht erfährt, kann trotzdem große Fortschritte in der Praxis machen, auch mit weniger "Sammlung".


    Es kommt eben darauf an, alle Teile des achtfachen Pfades gleichermaßen zu üben.
    Und wer übt, der entwickelt sich. Ob man diese Entwicklung nun als "psychische Entwicklung" oder als "geistige Entwicklung" oder als "spirituelle Entwicklung" oder als "Transformation" bezeichnet, erscheint unwichtig.


    In jedem Fall gibt es einen Zusammenhang zwischen der praktischen Übung des achtfachen Pfades und den Resultaten der Übung.
    Resultate sind z.B. mehr Achtsamkeit im Alltag, langfristig ein allmähliches Loslassen von Gier und Aversion, mehr Freundlichkeit gegenüber anderen und sich selbst, mehr innerer Frieden und mehr Freude.


    Dieser Zusammenhang zwischen der Praxis und den Resultaten der Praxis ist durch Erfahrung nachvollziehbar: Zum einen durch die eigene (innere) Erfahrung, wenn jemand feststellt, dass er z.B. seltener und weniger stark wütend wird.
    Zum anderen durch die Beobachtung des Verhaltens, also von außen, indem andere Menschen feststellen, dass sich jemand verändert.


    Das meinte ich damit, dass die Praxis (des achtfachen Pfades) ein empirisch prüfbares System der menschlichen Entwicklung ist.


    Also selbst wenn alle darüber hinausgehenden metaphysischen Bestandteile der verschiedenen buddhistischen Richtungen "Quatsch" sind, bleibt die Praxis davon völlig unberührt.


    Viel mehr kann ich dazu nicht beitragen. Deshalb verabschiede ich mich vorläufig aus der Diskussion.


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    fotost:

    Du kannst an meiner 'Richtung' säkularer Buddhismus sehen, daß ich metaphysische Gedanken ablehne.


    Könntest Du etwas zu den von Dir angesprochenen Elementen sagen, bei denen Du bezweifelst, ob sie für wichtige Ziele der Lehre nötig sind?


    Das ist konsequenterweise ein Thema, das mich beschäftigt und sicher sehe ich solche Elemente. Da ich kein Bilderstürmer bin und auch zu den roten Garden nichts tauge ist mein erster Impuls bei solchen Momenten immer eine mögliche historische Erklärung aus den zeitlichen Bedingungen heraus und wenn das nicht weiter bringt der Versuch, diese Elemente rational, säkular zu interpretieren


    Zunächst mal gibt es ja unterschiedliche buddhistische Richtungen mit jeweils verschiedenen metaphysischen Elementen. Die Antwort auf Deine Frage wird also unterschiedlich ausfallen, je nachdem, welche Richtung von "Buddhismus" wir uns anschauen.


    Mein Eindruck ist, dass der Buddha ein Aufklärer war, der es für Zeitverschwendung angesehen hat, über Fragen nachzudenken oder zu diskutieren, die jenseits des Bereichs der Erfahrung liegen. Auch da, wo er metaphysische Begriffe aus dem Brahmanismus übernimmt, scheint er sie jeweils moralisch-pragmatisch umzudeuten.
    (Vielleicht ist es nützlich für Dich, wenn Du Dir die Arbeiten von Richard Gombrich anschaust.)


    Es kann natürlich sein, dass ich mich in der Einschätzung des Buddha als Aufklärer irre. Letztlich bleibt das ebenso hypothetisch wie bei der Diskussion über Sokrates, der ja auch nichts Schriftliches hinterlassen hat. (Und den ich ebenfalls gern als Aufklärer interpretiere.) :)


    Ansonsten: Ich möchte mich gar nicht an den theoretischen Debatten in diesem Forum beteiligen.
    Mir geht es ja gerade um die Praxis.


    Es ist mir auch nicht wichtig, einen "säkularen Buddhismus" theoretisch zu begründen oder zu verbessern. Sondern darauf hinzuweisen, dass es auf die Praxis des achtfachen Pfades ankommt. Also darauf, Sila, Samadhi und Panna zu entwickeln. Vollkommen gleichgültig, wie und wo man sich "weltanschaulich" verortet.


    Sich mit einer "Richtung" zu identifizieren, halte ich bereits für ein Hindernis auf dem achtfachen Pfad. Das gilt vermutlich ebenfalls für den "säkularen Buddhismus".
    Einen großen Teil seiner Energie in solche Diskussionen zu stecken, erscheint kontraproduktiv.


    Wichtig ist mir allein: Die Praxis (der achtfache Pfad) ist ein empirisch prüfbares System der psychischen Entwicklung. Daran kann man sich orientieren.

    Hund:

    Wenn dem Buddhismus die Reinkarnation, Karma, Überweltliche Bereiche usw abgesprochen werden und eine "reduzierung" erfolgt zur einer "nur" Mitgefühls und der meditativen Versenkungs Lehre mit paar Ethischen Kalender-Sprüchen des Buddha, mutiert dieser neue Buddhismus (Meiner Meinung nach) zur einer "Achtsamkeit-Wellness-Ethik" Floskel. (...)
    Und um zu meiner Anfangs-Frage zurück zu kehren, finde ich es eben schwer mit dem Religiösen Buddhismus, also dem kompletten Buddhismus, bis zum Schluss mit all seinen "nicht-überprüfbaren" metaphysischen Ideen abzufinden.


    Wenn ich Dich richtig verstehe, kannst Du weder den religiösen Buddhismus akzeptieren (wegen der metaphysischen Ideen) noch den säkularen Buddhismus, weil die metaphysischen Ideen fehlen und Dir das dann irgendwie flach und reduziert vorkommt.


    Auch ich finde einen "Achtsamkeits-Wellness"-Buddhismus mit ein paar ethischen Kalendersprüchen unbefriedigend.
    Aber das ist doch auch gar keine echte Praxis des achtfachen Weges. (So etwas wäre dann auch gar nicht ernsthaft als "säkularer Buddhismus" zu bezeichnen.)


    Da stellst Du Dich selbst unnötigerweise vor zwei radikale Alternativen.


    Du könntest die metaphysischen Ideen vorläufig einfach auf sich beruhen lassen und Dich der Praxis zuwenden. Das ist in jedem Fall mehr als "Wellness" mit Kalendersprüchen. :)

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    An der Praxis der Meditation ändert das alles nichts.
    Insofern: Der ideologische Überbau ist für die Praxis irrelevant.


    Also bitte, dagegen spricht doch einfach schon die pure Verschiedenheit aller möglichen Meditationsarten.


    Gemeint war:
    Die Ergebnisse einer bestimmten meditativen Praxis (in diesem Fall: die jhanas) hängen nicht ab von dem ideologischen Überbau.


    Ob man die aus der Meditation entstehenden Bewusstseinszustände neurowissenschaftlich erklärt oder religiös, ist also für die Praxis irrelevant.


    Tychiades:


    Brasington hat ja auch einen ideologischen Überbau für seine Praxis. Auch das label "säkular" ist ein ideologischer Überbau. Praxis und Ideologie (Studium) bedingen sich.


    Ja, jeder hat einen weltanschaulichen Hintergrund. Auch derjenige, der sich weder als "religiös" noch als "säkular" bezeichnet.


    Eine meditative Praxis funktioniert aber unabhängig von dem weltanschaulichen Hintergrund.
    Verschiedene ursprünglich buddhistische Meditationstechniken werden z.B. erfolgreich in der Psychologie eingesetzt, häufig ohne dass die Beteiligten den buddhistischen Hintergrund überhaupt kennen.


    Im Prinzip kann auch jeder Mensch den achtfachen Pfad gehen, unabhängig ob er einer Schule des "Buddhismus" angehört oder säkular ist oder Christ oder sonst etwas. :)


    Jeder kann sich in Sila, Samadhi und Panna üben.


    Und wer das übt, geht den Weg des Buddha. Unabhängig davon, ob er sich als "Buddhist" bezeichnet.
    Und wer es nicht übt, geht den Weg des Buddha nicht. Auch wenn er sich als "Buddhist" bezeichnet.

    Ich frage mich, ob die Auseinandersetzung zwischen "religiösen" Buddhisten und "säkularen" auch friedlich ablaufen kann.


    Ein Beispiel: Leigh Brasington, bei dem ich viel gelernt habe, ist ein säkularer Buddhist und Schüler Ayya Khemas (traditionell Theravada).


    Leigh Brasington spricht trotz seiner säkularen Auffassungen weiterhin liebevoll und respektvoll über Ayya Khema.
    Dennoch erklärt er das, was in den meditativen Vertiefungen passiert, ausschließlich auf Grundlage der Neurowissenschaften.


    An der Praxis der Meditation ändert das alles nichts.


    Insofern: Der ideologische Überbau ist für die Praxis irrelevant. Und man könnte diesbezüglich Frieden schließen. Die einen brauchen das eine, die anderen das andere. :)

    Moosgarten:
    Monikadie4.:

    Was würdest Du denn gerne anstelle des achtfachen Pfades für einen Weg gehen wollen?
    Was gibt es denn für Alternativen?


    Die Frage ist jetzt schon mehrmals (rhetorisch) gestellt worden und es wurde jedes mal so getan, als gäbe es keine Alternative: natürlich gibt es sie, nämlich einfaches gemeinverträgliches, soziales Handeln. Das braucht keinen religiösen Überbau - der schafft nur zusätzliche Probleme.


    Das ist ein interessantes Argument, finde ich.


    Wobei sich der achtfache Pfad ja nicht auf "gemeinverträgliches soziales Handeln" beschränkt.
    Es geht zusätzlich darum, Achtsamkeit, Konzentration, innere Ruhe, Freundlichkeit und Einsicht zu entwickeln und Begehren und Aversionen zu reduzieren.

    Ob ein zusätzlicher metaphysisch-religiöser Überbau nötig ist, bezweifle ich ebenfalls. Denn der schafft, wie Du sagst, häufig zusätzliche Probleme.


    (Andererseits scheinen viele Menschen so etwas zu benötigen, als Motivation für ihre Praxis. Insofern bin ich mir da nicht sicher.)


    Natürlich gibt es Menschen, die sich einreden, bestimmte Fähigkeiten zu haben und die sich komplett von der Realität ihrer eigenen Gefühle abschotten.
    Bei diesen Menschen hilft aber auch nicht der Hinweis, andere Menschen zu fragen. Denn sie suchen nur Bestätigung von den Gleichgesinnten (z.B. anderen Sektenmitgliedern).


    Wenn man mit jemand zu tun hat, der sektenähnlich indoktriniert ist oder sich nur rechthaberisch auf der Ebene von "right view" bewegt, sollte man direkte (konfrontative) Kritik vermeiden und besser fragen: "Bist Du wirklich so rundum glücklich, wie Du sagst?" ... oder "Du sagst, Du bist friedfertig, aber beobachte mal die Art und Weise, wie Du sprichst, ist das friedfertig und fühlst Du Dich dabei auch friedlich."


    Also die Aufmerksamkeit auf die tatsächlichen Gefühle und Geisteszustände lenken. Das wirkt noch am ehesten gegen Gehirnwäsche.


    Wer den achtfachen Pfad praktiziert, entwickelt Achtsamkeit gegenüber den eigenen Gefühlen und dem eigenen Verhalten. Der Praktizierende bekommt also durch seine innere Wahrnehmung eine direkte Rückmeldung: Werden Aversionen stärker oder schwächer? Wird die Gier stärker oder schwächer? Erlebe ich mehr Freude in meinem täglichen Leben oder weniger?


    Die Achtsamkeit darauf können die meisten Menschen entwickeln. Und ich halte das für entscheidend bei der Praxis, deshalb habe ich es betont.


    Ich nehme aber gerne die Anregung an, den Umgang mit anderen Menschen als Kriterium einzubeziehen. Vielleicht könnte man ergänzen:
    "Achte außerdem auf die Art und Weise, wie Du auf andere Menschen reagierst, wie Du mit ihnen umgehst und wie sie auf Dich reagieren und mit Dir umgehen. Ist der Kontakt friedlicher und freundlicher?"


    Wenn ja, ist Deine Praxis auf einem guten Weg.
    Wenn nein, überprüfe Deine Praxis.


    Es gibt da allerdings ein Problem. Wenn jemand beginnt, den achtfachen Pfad zu praktizieren, ändert er bestimmte Gewohnheiten. Trinkt z.B. keinen Alkohol mehr und nimmt weniger an Partys oder dergleichen teil, wo es um oberflächliche Vergnügungen geht. Insofern wird er als erstes feststellen, dass die bisherigen Freunde und Bekannten unter Umständen negativ auf seine Entwicklung reagieren. Und zwar gerade dann, wenn er ernsthaft und richtig praktiziert.

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    Wenn Du dieser Mensch bist, sage ich "Du". Wenn ich es bin, sage ich "ich". (Auch dann, wenn es kein "Ich" gibt. Das sind halt die Grenzen der Sprache.)


    Wo sind da Grenzen der Sprache? Ich meinte das völlig konventionell. Wenn du mit dem Buddhismus was für dich willst ("dass ich friedlicher, liebevoller und glücklicher werde") biste einfach aufm falschen Dampfer. So wird das nämlich nix.


    Da hast Du mich missverstanden. Vielleicht habe ich noch immer nicht klar genug ausgedrückt, was ich meinte.


    Ich probiere es noch einmal:


    "Buddhismus" ist - aus meiner Sicht - in erster Linie ein System der psychischen Weiterentwicklung.
    Der Weg dieser Weiterentwicklung ist der achtfache Pfad.
    Die "Früchte der spirituellen Entwicklung" sind bestimmte Ergebnisse, die sich bei Menschen zeigen, die den Pfad tatsächlich gehen. Ein solcher Mensch wird liebesfähiger, freudvoller und friedlicher.


    Ganz unabhängig davon, ob das Motiv, diesen Weg zu gehen, ursprünglich "egoistisch" war oder nicht. Es sind einfach die Ergebnisse der Praxis des achtfachen Pfades.


    Wenn jemand feststellt, dass er diese Qualitäten zunehmend entwickelt, praktiziert er richtig.
    Wenn jemand feststellt, dass diese Ergebnisse ausbleiben, praktiziert er falsch (oder gar nicht).


    Insofern ist "Buddhismus" als Praxis anhand von Erfahrung überprüfbar.

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    Für mich ist das überhaupt das entscheidende Kriterium für buddhistische Praxis: Führt sie dazu, dass ich friedlicher, liebevoller und glücklicher werde?
    Wenn ja, dann stimmt der Weg.
    Wenn nein, überprüfe ich die Praxis.


    Genau da liegt das Problem. Ich Ich Ich. Falsches Kriterium.


    Wie Du meinst. :)


    Es lässt sich auch anders formulieren: "Buddhismus" ist ein System der psychischen Weiterentwicklung von Menschen.
    Wenn Du dieser Mensch bist, sage ich "Du". Wenn ich es bin, sage ich "ich". (Auch dann, wenn es kein "Ich" gibt. Das sind halt die Grenzen der Sprache.)

    Hund:

    Was, wenn der Buddhismus eigentlich nur Wunschdenken ist, das von einem Archaischen Inder in die Welt gesetzt wurde, der nicht akzeptieren wollte das der Mensch leiden muss, sterben muss und auf sich komplett einsam geworfen ist?


    Es gibt in der Lehre des Buddha metaphysische Bestandteile. Und die können natürlich "Quatsch" sein.
    Andererseits gibt es empirisch prüfbare Bestandteile der Lehre: Das ist die PRAXIS, der achtfache Pfad. Wenn Du Freundlichkeit und innere Ruhe entwickelst, spürst Du die segensreichen Konsequenzen unmittelbar in Deinem Leben.


    Und zwar bei jedem einzelnen Schritt auf dem Weg.


    Für mich ist das überhaupt das entscheidende Kriterium für buddhistische Praxis: Führt sie dazu, dass ich friedlicher, liebevoller und glücklicher werde?
    Wenn ja, dann stimmt der Weg.
    Wenn nein, überprüfe ich die Praxis.


    Die theoretischen Debatten über buddhistische Metaphysik sind ja meistens nur Hindernisse, die von der Praxis ablenken.