Beiträge von drosterman im Thema „Kamma / Karma“

    sati-zen: Das hat man auch über Nietzsche gesagt, dass er der erste Psychologe war. Tatsächlich findet sich Nietzsche's Philosophie teilweise in Buddha wieder. In der Herz- und Diamantsutra finden sich wesentliche Aspekte der Philosophie von Sartre und Wittgenstein. Die westliche Philosophie zeichnet sich leider durch eine große Ignoranz des Buddhismus aus. Das ganze wurde zu lange leichtfertig als "Mystizismus" oder "Metaphysik" abgetan und somit ignoriert. Zum Glück gibt es heutzutage Philosophen, die sich zunehmend mit Buddhismus beschäftigen und ihn ernst nehmen (z. B. Graham Priest). Andererseits hat Achtsamkeit auch längst eingang in die Psychologie gefunden und die Wirksamkeit ist experimentell bestätigt.

    accinca: Dann habe ich deine Position wohl falsch charakterisiert, weil missverstanden. Für dich ist Wiedergeburt also wie das Weiterleben von Tag zu Tag? Im Grunde bin ich schon auf diese Vorstellung eingegangen. Ich denke wir reden hier vielleicht ein wenig aneinander vorbei. Aber so wortwörtlich kann das Weiterleben von Tag zu Tag jedenfalls nicht stattfinden. Denn in der ersten Ebene der Realität entsteht alles bedingt (nach Buddha's eigener Aussage). Somit wäre ein "Weiterleben von Tag zu Tag" nach dem Tod nicht möglich, da alle Phänomene des Bewusstseins bedingt entstehen (vgl. meinen vorher verlinkten Artikel). Da nach dem Tod das Gehirn zerstört ist, wäre es somit auch in dieser Form nicht möglich. Sorry, falls ich deine Sicht wieder fehlcharakterisiert habe.


    Gestern habe ich lange und viel über buddhistische Logik gelesen. Auch über die zwei Ebenen der Realität. Was du als "Jenseits" bezeichnest, ist vielleicht die zweite Ebene der Realität, die man nicht mit Symbolen beschreiben kann? In einem Punkt hast du jedenfalls recht: Man sollte sich von diesen westlichen / christlichen Vorstellungen vom Jenseits und Konzepten wie "Seele" völlig befreien. Eines wird die tiefe buddhistische Leere niemals tun: Die eigenen naiven frommen Vorstellungen und Wunschträume von einem "Himmel", in dem man mit Verwandten weiterlebt, verwirklichen. Oder einfach nur die eigene irrationale Angst vor dem Vergehen und Sterben mit dem Trostpflaster irrationaler Glaubensvorstellung bessern. Das macht höchstens der weichgespülte, populäre Buddhismus mit Reinkarnation etc..

    accinca: Ich denke nun, nachdem ich mehrere verschiedene Übersetzungen online, sowohl deutsch als auch englische, gelesen habe, dass es die Kalamer Rede (Übersetzung) so wohl nicht gibt. Denn die Übersetzungen unterscheiden sich teils signifikant. Jedenfalls bezog ich mich auf folgenden Auszug (Quelle: http://www.dhamma-dana.de/buec…Hilf_Kalamasutta_hilf.pdf)


    "Mit einem derart von Haß und Übelwollen freien, also unbeschwerten, also geläuterten Geiste ist dem edlen Jünger noch bei Lebzeiten vierfacher Trost gewiß:
    „Gibt es eine andere Welt und gibt es eine Frucht, ein Ergebnis guter und schlechter Taten, so ist es möglich, daß ich beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, auf glücklicher Daseinsfährte erscheine, in himmlischer Welt“ - dieses ersten Trostes ist er gewiß.
    „Gibt es aber keine andere Welt und keine Frucht, kein Ergebnis guter oder schlechter Taten, so lebe ich eben hier in dieser Welt ein leidloses, glückliches Leben, frei von Haß und Übelwollen“ - dieses zweiten Trostes ist er gewiß.
    „Wenn nun einem Übeltäter Übles widerfährt, ich aber gegen niemanden Übles im Sinne habe wie kann da wohl mir, der ich nichts Übles tue, Unheil widerfahren?“ - dieses dritten Trostes ist er gewiß.
    „Wenn aber einem Übeltäter nichts Übles widerfährt, so weiß ich mich hier eben beiderseits rein“ - dieses vierten Trostes ist er gewiß.“


    Eigentlich bezog ich mich aber auf die Übersetzung in der englischen wikipedia von der Kalama Sutta, wo obiger Textauszug sich wieder recht deutlich unterscheidet.


    Jetzt frage ich mich, ob verschiedene Strömungen des Buddhismus vielleicht gewisse Arten der Übersetzung bevorzugen, weil es ihre jeweilige Sichtweise untermauert? Selektive Lesart dürfte auch dazugehören. So dürften tibetische Buddhisten, z. B. Dalai Lama (die, soweit ich weiß, ja eher stärker an Reinkarnation glauben) wohl deine Lesart bevorzugen accinca. Während Anhänger des frühen Buddhismus, wie etwa Tich nhat Hanh, die reine (oder vielmehr: tiefe) Lehre bevorzugen.


    Impermanenz impliziert, dass es soetwas wie das Überleben einer Seele nicht geben kann. Ich bin jedenfalls anderer Meinung als du accinca. Meines Erachtens macht der Buddhismus NUR Sinn ohne Wiedergeburt (wohlgemerkt: Ich meine hier Wiedergeburt einer "Seele", von etwas permanentem). (Aber ich respektiere natürlich deine Sichtweise trotzdem völlig!) Aus meiner Sicht gestaltet es sich so: Das ewige Rad des Daseins ist so zu verstehen, dass das Leid mit jedem Lebewesen immer wieder bis zu dessen Lebensende andauert. Danach entsteht neues Leben, mit Leid, das wieder bis an das Lebensende andauert usw.. immer fort. Was also den Tod immer überlebt ist zum einen Energie (nach dem Energieerhaltungssatz wird Energie nur konvertiert in andere Formen von Energie) und unsere Kapazität für Leid / die Tendenz uns eine bestimmte Art zu verhalten, was zu Leid führt. Auch kann es bedeuten, dass bestimmte Verhaltensweisen des eigenen Vaters / Mutter in einem fortleben. Den Zyklus durchbrechen heißt: Im eigenen Leben, d.h. noch zu Lebzeiten, das Leid überwinden.


    Ich bin allerdings gleicher Meinung wie der von Tich nhat Hanh in einem der vielen Videos auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=0pMYebbFUeo


    Nämlich, dass Respekt für alle Formen des Buddhismus entscheidend und wichtig ist. Weil auch diese Formen individuell heilsam sein können. Und es hat noch keinen heiligen Krieg zwischen den verschiedenen Formen des Buddhismus gegeben. Was zeigt, dass Toleranz und Respekt wesentlich sind.


    Dennoch muss ich zugeben, dass ich persönlich mich schon etwas ärgere über den Dalai Lama... Aber das liegt wohl einfach daran, dass ich noch ganz am Anfang oder nichtmal am Anfang meines Weges bin und noch nicht das nötige Geschick habe, sowie Anhaftung nicht überwunden habe, um einer Sichtweise des Buddhismus mit völliger Toleranz zu begegnen, die ich für inkorrekt halte.

    Das hier ist relevant für diese Diskussion: https://thebuddhistcentre.com/…rebirth-and-consciousness


    Der Autor dieses Artikels begründet warum er glaubt, dass Buddha nicht notwendig an die wortwörtliche Widergeburt "des" Bewusstseins glaubte (etwa, weil auch alle Aspekte bewussten Erlebens nur bedingt entstehen und daher von der Funktion des Gehirns abhängen). Über sowas kann man wohl streiten und jeder kann dann bestimmte Zitate von Buddha anführen und dann entweder für die eine oder die andere Seite argumentieren. Aber jedenfalls denke ich ist die Sache nicht so schwarz / weiß. Schließlich hat alles was Buddha gesagt hat viele Nuancen und gerade bei der Diskussion zu "Bewusstsein" gibt es mindestens zwei Ebenen auf denen man den Gegenstand diskutieren kann: die phänomenologische Ebene und die objektive / wissenschaftliche Ebene.


    Die Frage ist also eher: Gibt es etwas permanentes / unveränderliches, das den Tod überlebt und in ein neues Leben übergeht? Da das Selbst ohnehin nur ein mentales Konstrukt ist, da das Bewusstsein als Erscheinung bedingt entsteht, werden lediglich die Atome und Moleküle und die Energien überleben, werden umgewandelt und das kann man dann neues "Leben" nennen. Mittlerweile also finde ich es auch wieder fraglich ob Buddha das gleiche unter Wiedergeburt verstanden hat wie viele, die sich heute als Buddhisten verstehen.

    mukti: Meinst du nicht eher, dass außer Zweifel steht, dass Buddha die Wiedergeburt gelehrt hat? Die Behauptung an sich (dass es sowas wie Wiedergeburt gibt) - als angebliches Faktum - steht schon im Zweifel. ;)


    xxx: Es wäre interessant zu wissen ob es eine offizielle Strömung im Buddhismus gibt, wo das so gesehen und gelehrt wird. Also Buddhismus ohne metaphysische Last. Ich kann mir natürlich vorstellen, dass es zwischen den verschiedenen "Denominationen" des Buddhismus starke unterschiedliche Meinungen gibt. Man weiß ja, dass es in der Religion schon bei Meinungsverschiedenheiten über kleinste Details zu Mord und Totschlag kommen kann...


    accinca: Ich sehe es eher so, dass unrechtes Handeln das Potential in sich trägt, dass es zu Leid führt.
    Weiterhin denke ich nicht, dass es politische Gründe waren, warum er die Wiedergeburt gelehrt hat. Ich denke er hat das selbst geglaubt. Er war ein genialer Philosoph meines Erachtens, weit seiner Zeit voraus. Aber eben nicht unfehlbar. Man kann es einem Mann, der vor 2500 Jahren gelebt hat durchaus verzeihen, dass er an Wiedergeburt geglaubt hat. Ob es heutzutage noch (intellektuell gesehen / jeder kann ja glauben was er will, zum Glück) verzeihbar ist, dass ein erwachsener, gebildeter Mensch des 21. Jahrhunderts sowas glaubt, ist eine ganz andere Frage...

    In der Tat hatte ich keine beleidigende Absicht mit dem was ich geschrieben habe. Es ist wohl eher Ausdruck meiner tiefen Enttäuschung. Denn andererseits hatte ich in der Lehre von Buddha soviel Weisheit und Klarheit gefunden wie bei keinem Philosophen vorher. Andererseits muss ich das dann in Einklang bringen mit diesen Vorstellungen von der Wiedergeburt...


    Danke jedenfalls für die ausführlichen Erklärungen, die ich auch nachvollziehen kann. Leider bleibt da noch mein Problem damit, dass für den, der an eine Möglichkeit der Wiedergeburt und Kamma glaubt, letztlich kaum eine Wahl bleibt als Buddhist zu sein. Dieser Glaube stellt halt für mich ein unnötiges Problem dar, das man sich selbst gibt. Wenn man nicht daran glaubt, dann hat man die Gewissheit, dass einen nach dem Leben nur der Tod erwartet, weil das Bewusstsein mit dem Hirntod nicht mehr existiert. Was ich persönlich als eine enorm beruhigende und begrüßenswerte Tatsache betrachte. Und ist auch im Einklang mit allen wissenschaftlichen Fakten. Ich denke Buddha hat diese Idee vom ewigen Kreislauf aus den zu dieser Zeit in Indien vorherrschenden Glaubenssystemen übernommen und an seine Lehre angepasst. Es ist vielleicht kein notwendiger Bestandteil seiner Lehre.


    Natürlich ist die Wissenschaft immer nur eine Approximation an die Wirklichkeit bzw. nur ein unvollständiges Bild. Es kann ja sein, dass das Universum zyklisch ist. Dass nach dem Ende des Universums es den großen Kollaps gibt und dann ein neuer Big Bang entsteht. Das ist zumindest eine Hypothese in der Kosmologie. Es kann auch sein, dass sich das eigene individuelle Bewusstsein aufspaltet in unzähligen Paralleluniversen, wie es eine Interpretation der Quantenmechanik aussagt. Es kann auch sein, dass Information immer erhalten bleibt und nur in andere Formen konvertiert wird, wie auch Energie. Aber solche Hypothesen würde ich jetzt nicht zu Rate ziehen um irgendwie nachträglich dem Validität zu verleihen was als Glaubenssatz im Buddhismus ausgesagt wird. Dafür gibt es eben keine rationale Begründung bzw. eher fast alles spricht dagegen. Es ist schlicht nicht denkbar wie komplexe Struktur wie das Bewusstsein in irgendeiner Form den eigenen Tod überleben sollte. Zumal man schon an hirngeschädigten Personen sieht, dass sie zwar noch leben, aber ihr Bewusstsein teilweise oder ganz zerstört / verloren ist. Dann soll dieses Bewusstsein nach dem Tod plötzlich wieder in takt sein? Schlicht nicht vereinbar mit heutigem Wissen über Neurologie. Gibt es auch eine Version des Buddhismus, die solches berücksichtigt? Oder ist es dann nicht mehr hinreichend religiös, dass sich Leute dafür interessieren würden?

    Im achtgliedrigen Weg sehe ich vorallem im ethischen Teil des Weges, also "rechtes Handeln" und "rechte Rede" einen eklatanten Widerspruch zum eigentlichen Ziel, nämlich Leid zu überwinden.
    Die Definition des Kamma führt doch letztlich zu immensem Leid auf Seiten desjenigen, der es verinnerlicht hat bzw. daran glaubt. Wenn man daran glaubt, dass das eigene Wirken garantiert in diesem oder einem anderen Leben auf einen zurückfällt, ist das eine sehr belastende Erkenntnis. Vorallem eine mit Ungewissheit verbundene. Sagen wir man begeht eine unethische Tat. Dann muss man quasi damit rechnen, dass dies garantiert in diesem oder in einem späteren Leben negative Konsequenzen haben wird. Dieser Glaube führt definitiv zu Leid.


    Das sehe ich auch bei der starken Abneigung von Buddha gegenüber bewusstem Lügen. Ich lese derzeit "Der edle achtgliedrige Heilsweg" und darin steht, dass ein Bodhisatta praktische alle ethischen Verfehlungen mal begehen darf, aber niemals bewusst lügen würde. Buddha selbst sagt sinngemäß, dass jemand der mal bewusst lügt praktisch seine gesamte spirituelle Errungenschaft in diesem Moment ausgeschüttet hat.


    Das sind unrealistisch hohe Standards denen man dann versucht gerecht zu werden. Aber da man menschlich ist wird man dem nicht gerecht werden. D.h. man kommt zwangsläufig zu kurz. D.h. man wird sich zwangsläufig schlecht fühlen. D.h. man wird zwangsläufig leiden.


    Der ganze ethische Teil des achtgliedrigen Wegs bezieht seine Wirkkraft aus der einen metaphysischen Annahme, der eine Artikel des Glaubens:
    a) Die Behauptung, dass sich der Daseinskreislauf endlos dreht.
    b) Dass das individuelle Bewusstsein den Tod des Körpers überlebt.


    Dieser Artikel des Glaubens ist unendliche Quelle von Leid und führt das ganze Ziel des achtgliedrigen Wegs ad absurdum. Zum Glück gibt es keinerlei Grund warum man sowas glauben sollte.


    Ich kann es aus pragmatischer Sicht natürlich verstehen. Buddha lebte sicherlich in einer Community. Damit sich die Mitglieder dieser Community nicht gegenseitig belügen, bestehlen etc. ist es nötig einen ethischen Code einzuführen. Aber es reicht nicht den Leuten einfach zu sagen, dass es besser für sie ist sich gut zu verhalten. Ein bisschen Angst vor schweren Konsequenzen, in diesem oder im nächsten Leben, wirkt da weitaus besser.


    In dem vormals genannten Buch steht auch, dass der Weg seine Wirkung verfehlt, wenn man nur die Achtsamkeit und rechte Sammlung übt und den ethischen Teil ignoriert. Dafür gibt er aber keine schlüssige Begründung. Logisch erschließt sich mir nur, dass schlechte Taten potenziell auf einen zurückfallen können. Es daher der Verringerung potenziellen Leids zuträglicher ist, solche Handlungen zu unterlassen. Eine gute Handlung hat immer tendenziell weitaus eher einen positiven Effekt auf den so handelnden. Während eine schlechte Handlung entweder keinen Effekt hat (man kommt damit davon), oder man wird erwischt und bestraft.


    Ist der Buddhismus eurer Meinung nach auch ein "Angstsystem" wie das Christentum? Nur statt wie im Christentum die Angst vor der Hölle Menschen davon abhalten soll schlechtes zu tun, ist es im Buddhismus die Angst vor den unweigerlichen Konsequenzen in diesem oder späteren Leben (Buddha spricht auch von der Möglichkeit der höllischen Widergeburt). Ich bin kein Fan des Christentums, aber da hat man immerhin die Option zu beichten (im Katholizismus) und auf Vergebung zu hoffen...

    Bakram:
    Zitat


    [...] Ganz im Sinne von "ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen" ist samma samadhi nur auf dem Boden der Sittsamkeit möglich


    So ganz überzeugen mich diese Beiträge nun nicht. Geht es im Grunde hier nicht letztlich um den naturalistischen Fehlschluss? Es gibt womöglich keine rationale Begründung warum man sich ethisch verhalten sollte.


    xxx: Was ist mit einem Menschen, der kein Gewissen hat? (z. B. Soziopath / Psychopath) Oder jemand, der einfach so nihilistisch eingestellt ist, dass ihn nichts belastet, weil ja eh - in Relation gesetzt zur Größe des Universums - letztlich alles unbedeutend ist, was wir hier auf diesem Staubkorn im Weltall tun oder nicht tun.


    Sunu: Wird man mit dieser Art von Selbstlosigkeit nicht zum "punching bag" für jederman? Das ist ähnlich wie die Aussage in der Bibel, halte auch die andere Wange hin... was ich mit völlig unterwürfigem Pazifismus gemeint habe. Wenn etwas schädigend und störend ist - wie die Mitmenschen - ist die beste Reaktion meines Erachtens nicht dies irgendwie durch Selbstlosigkeit zu überwinden. Auch, wenn man das Große Ganze sieht und die Illusion des eigenen Egos überwunden hat, dann ist man immernoch menschlich und leidensfähig. Verursachtes Leid hinterlässt Spuren in der Psyche. Genauso wie unbeantwortete Ungerechtigkeit. Es führt zu Disharmonie. Kann Katharsis nicht auch zur Widerherstellung von Harmonie führen? Meines Erachtens sind Gefühle wie "Gewissen" etc. höchst subjektiv, die von Mensch zu Mensch variieren. Wie man Erlösung erreicht ist meines Erachtens auch abhängig von der jeweiligen Person. Manche finden Erlösung durch Meditation, andere mithilfe einer Beziehung zu einem Menschen und wieder andere durch Katharsis.


    raterz: Da du keine Begründung lieferst warum schlechte Handlungen im "world-wide-web" irgendwann wieder auf einen zurückfallen, muss ich das als unbewiesene Auffassung betrachten. Was ist mit dem "Dämon", der in mir erzeugt wird durch einen Schaden, der mir ein anderer Menschen (oder mehrere) zugefügt haben? Hat hier schonmal jemand den Film "The Punisher" (2004) gesehen?
    Ist das Ende dieses Films nicht zutiefst befriedigend? Wer das anders sieht, möge das begründen!


    @Monikadie4: Das ist nicht richtig. Das Ziel Buddha's war es nicht das Leid der Welt zu verringern! Es ging darum individuelles Leid zu bewältigen. Dass dazu der richtige Weg ist selbst keine Gefahr für andere darzustellen, halte ich für falsch. Es stimmt, dass vor 2500 Jahren sicher viel Elend geherrscht hat. Es gab keine moderne Medizin, viel Armut und Elend. Aber im Vergleich zu heute muss man dennoch festhalten, dass es Umstände sind, die Buddha nicht vorhersehen konnte. In der heutigen Gesellschaft gibt es gute Ernährung, moderne Medizin und viel weniger Armut. Auf der anderen Seite leben wir in einer Gesellschaft der völligen, extremen Individualisierung. Ohne den Halt einer größeren Familie in vielen Fällen. In der Anonymität von Großstädten. Die Folge sind Einsamkeit, Entfremdung, Zivilisationskrankheiten und verschiedene psychische Probleme, wie etwa Depressionen.


    jianwang: Ich verstehe deinen Punkt. Natürlich gibt es da nichts was man "erlangen" könnte. Oder nichts, was nicht letztlich eine Illusion darstellt. Aber lebenspraktisch betrachtet stimmt das nicht ganz. Es kann einen Unterschied machen, ob man mehr Geld in der Tasche hat, weil man gut manipulieren und lügen kann.


    fotost: Der Sozialstaat ist in der Tat etwas gutes. Aber schon seit längerer Zeit stark im Abbau begriffen. Aktuelle Pläne der Politik (wie von Macron kürzlich vorgeschlagenen "vereinigten Staaten von Europa") werden dazu beitragen, dass die Amerikanisierung des Arbeitsmarktes in Europa fortschreitet. Bisher wurde diese Amerikanisierung hier durch die Hintertür durchgeführt: Leiharbeit, Stellen zweiter oder dritter Klasse, neben den eigentlichen regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Ich finde das sogenannte "ehrenamtliche Engagement" ist eher fragwürdig. Wenn es Aktivismus ist, der oft für die Gesellschaft nicht gerade förderlich ist oder eher destruktiv. Gerade ursprünglich liberale Massenbewegungen haben sich in neuester Zeit zunehmend radikalisiert und zeigen zunehmend antidemokratische Tendenzen.
    "Echte innere Bindung" sucht man in der Anonymität von Großstädten auch vergeblich. Überhaupt denke ich, dass die "Echtheit" zwischenmenschlicher Beziehungen eher stark abgenommen hat, wenn Menschen vorallem über soziale Netzwerke in Kontakt treten und oft zunehmend oberflächliche Beziehungen suchen und führen (Tinder etc.).


    @accina: Diese Erklärung finde ich wie gesagt unzureichend. Denn es lässt den Fall außer Acht, dass jemand einer Person psychisches Leid zugefügt hat, was zu einer Disharmonie bei dieser Person geführt hat. Und es geht um die Frage wie die Harmonie am besten wiederherstellt werden kann.


    Doris: Was ist, wenn die Katharsis nicht blind, sondern bewusst und gezielt ausgeübt wird?


    @Monikadie4: Durch Überwindung von Anhaftung und Verlangen verhält man sich automatisch "ethischer"? Auch diese Folgerung erschließt sich mir nicht. Es hängt natürlich davon ab was man unter "ethischem Verhalten" genau versteht. Und das ist ja auch Änderungen unterworfen, abhängig vom Zeitgeist. Ob der spirituelle Erwachte immer unbedingt automatisch mit dem Zeitgeist geht, wage ich zu bezweifeln. Aber das geht wohl eher in den Bereich sozialer Normen und Gesetze. Warum fühlt sich ein spirituell erwachter Mensch automatisch mit allen anderen Menschen verbunden? Warum fühlt er sich nicht viel eher mit der Natur verbunden und allen Wesen, die vom Menschen meist geschädigt oder beeinträchtigt werden?

    Was ist, wenn man sich der Illusion des Ich zwar völlig bewusst ist, aber dennoch lügt und täuscht und manipuliert, einfach aus dem Grund heraus, dass man durch dieses Verhalten das eigene Leid verringert? Darum geht es doch vornehmlich im Buddhismus. Ich sehe einfach nicht warum das nicht situationsabhängig ist, wann welches Verhalten zur Leidminimierung zu bevorzugen ist. Nehmen wir an ich bin in Gesellschaft von Menschen, die mir nichts gutes wollen. Ist es da immernoch eher angebracht "gut" zu diesen mir feindlich eingestellten Menschen zu sein? Das wäre für mich sehr analog zu dieser christlichen Version von Nächstenliebe, die eine totale Selbstaufgabe beinhaltet und einen völlig unterwürfigen, irrationalen Pazifismus. Die gleiche Frage stellt sich im Bezug auf die Gesellschaft. Buddha konnte nicht vorhersehen, dass wir in über 2000 Jahren Zukunft mal in einer westlichen Zivilisation leben und in einer doch sehr kalten, egoistischen Gesellschaft in der man absolut gar nichts geschenkt bekommt und man - wenn man keine Familie mehr hat z. B., weil alle verstorben sind - auf sich alleine gestellt ist.
    Zweite Frage: Was ist mit dem in der Psychologie wohlbekannten positiven Effekt der Katharsis? Das Ausleben einer Emotion wie Wut, Aggression und Rachegedanken mit dem entsprechenden reinigenden und befreienden Effekt den das haben kann. Wer garantiert, dass jeder Mensch es schafft Rachegedanken (nachdem ihm großes Unrecht durch andere angetan wurde, als Beispiel) einfach durch meditiatives Training zu überwinden?

    Da ich gerade Dhammapada lese hat sich für mich eine Frage ergeben zu Kamma / Karma (auch wenn das Konzept da gar nicht direkt erwähnt wird). Ich finde vieles in der Lehre ja erstaunlich logisch und kohärent. Aber mir erschließen sich einige Behauptungen zu Kamma einfach nicht. Was konstituiert einen "guten Geist" und was einen schlechten, wie in den ersten beiden Versen erwähnt? Sind das nicht höchst subjektive Kategorien? Sagen wir ich verschaffe mir durch Täuschung, Manipulation und Lügen Vorteile. Inwiefern ist das hinderlich für meine sprituelle Entwicklung? Solange ich dabei keine Reue empfinde. Diese und andere Fragen beschäftigen mich, wenn es ethische Aussagen Buddha's betrifft. Es klingt natürlich immer schön, wenn eine Religion "predigt" man sollte möglichst nett und lieb zu seinen Mitmenschen sein. Aber für mich verlangt das nach einer rationalen Basis WARUM es bitte dem spirituellen Weg hinderlich sein sollte, wenn man kein guter Mensch ist. Ich sehe auch nicht den Zusammenhang zwischen Achtsamkeit, Meditation, das Überwinden von Anhaftung und Verlangen auf der einen Seite und sogenanntem ethischen Verhalten auf der anderen. Wäre an Erklärungen interessiert.