Kamma / Karma

  • drosterman:


    @Monikadie4: Das ist nicht richtig. Das Ziel Buddha's war es nicht das Leid der Welt zu verringern! Es ging darum individuelles Leid zu bewältigen. Dass dazu der richtige Weg ist selbst keine Gefahr für andere darzustellen, halte ich für falsch. Es stimmt, dass vor 2500 Jahren sicher viel Elend geherrscht hat. Es gab keine moderne Medizin, viel Armut und Elend. Aber im Vergleich zu heute muss man dennoch festhalten, dass es Umstände sind, die Buddha nicht vorhersehen konnte. In der heutigen Gesellschaft gibt es gute Ernährung, moderne Medizin und viel weniger Armut. Auf der anderen Seite leben wir in einer Gesellschaft der völligen, extremen Individualisierung. Ohne den Halt einer größeren Familie in vielen Fällen. In der Anonymität von Großstädten. Die Folge sind Einsamkeit, Entfremdung, Zivilisationskrankheiten und verschiedene psychische Probleme, wie etwa Depressionen.


    Da hast Du Recht, es war nicht das Ziel Buddhas, das Leid der Welt zu verringern. Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Dennoch verringert sich das Leid auch in der Welt, sobald ein Mensch den Pfad zur Beendigung des Leids geht. Ist einfach eine logische Folge.


    Die weiteren Aussagen die Gesellschaft betreffend halte ich für reine Spekulation, denn 1. war ich in früheren Zeiten nicht dabei, weiß nur aus der Geschichte, dass es viel Gewalt, Anfeindungen, Diskriminierungen und somit sicher auch Einsamkeit und Depressionnen gab (die nur damals nicht so genannt wurden). Ich jedenfalls möchte nicht vor 100, 200, 300 und wer weiß wieviel Jahren gelebt haben.


    Deine Erfahrungen mit Anonymität in Großstädten, mit extremer Individualisierung usw. kann ich nicht teilen. Dass es sie gibt, ist klar, aber es liegt auch immer an einem selbst. Egal wo ich gewohnt habe in Hamburg, ich hatte immer nette nachbarschaftliche und hilfsbereite Kontakte.


    Zitat

    @Monikadie4: ... Warum fühlt sich ein spirituell erwachter Mensch automatisch mit allen anderen Menschen verbunden? Warum fühlt er sich nicht viel eher mit der Natur verbunden und allen Wesen, die vom Menschen meist geschädigt oder beeinträchtigt werden?


    Tja warum? Ich kenne keinen "wenigstens etwas Erwachten", der nicht auch gleichzeitig eine Verbundenheit zur Natur empfindet, sich entsprechend verhält und sie nicht mehr schädigt - falls er/sie das je getan hat.
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • drosterman:

    Sunu: Wird man mit dieser Art von Selbstlosigkeit nicht zum "punching bag" für jederman? Das ist ähnlich wie die Aussage in der Bibel, halte auch die andere Wange hin... was ich mit völlig unterwürfigem Pazifismus gemeint habe. Wenn etwas schädigend und störend ist - wie die Mitmenschen - ist die beste Reaktion meines Erachtens nicht dies irgendwie durch Selbstlosigkeit zu überwinden. Auch, wenn man das Große Ganze sieht und die Illusion des eigenen Egos überwunden hat, dann ist man immernoch menschlich und leidensfähig. Verursachtes Leid hinterlässt Spuren in der Psyche. Genauso wie unbeantwortete Ungerechtigkeit. Es führt zu Disharmonie. Kann Katharsis nicht auch zur Widerherstellung von Harmonie führen? Meines Erachtens sind Gefühle wie "Gewissen" etc. höchst subjektiv, die von Mensch zu Mensch variieren. Wie man Erlösung erreicht ist meines Erachtens auch abhängig von der jeweiligen Person. Manche finden Erlösung durch Meditation, andere mithilfe einer Beziehung zu einem Menschen und wieder andere durch Katharsis.


    Da scheint mir genau das Problem, dass man sich da schnell so christlich geprägte Vorstellungen macht... Aber Selbstlosigkeit hat m.E. im buddhistischen Sinne nichts mit Unterwürfigkeit zu tun, sondern mehr mit Augenhöhe...Weder stellt man sich über jemanden, noch unter jemanden. Und natürlich haben unterschiedliche Personen auch unterschiedliche "pack ans"... aber letztendlich geht es dann auf dem Weg ja eben auch um die Erkentniss, dass das was einem zu einer Person macht, letztendlich nur bedingt entstanden ist...Hat man das erkannt, dann zieht das wiederum Selbslosigkeit nach sich...
    Was Katharsis betrifft...wie gesagt...man kann bezogen auf die Persönlichkeit, damit bestimmt ein Gleichgewicht schaffen... Aber damit hat man dann halt ständig zu tun, weil ein so hergestellter Ausgleich eben nicht stabil ist...auch weil da gar keine stabile Persönlichkeit ist. Das ist ein bisschen so, wie auch der Alkoholkonsum den Alkoholiker erstmal zur Harmony führen kann.
    Um das zu erkennen, ist es besser das Ganze mit Abstand zu betrachten : "Dadurch entsteht ein Gefühl und so schnell wie es gekommen ist verschwindet es auch wieder".....wenn man es denn lässt, indem man es nicht ergreift, zb. weil man denkt, dass da eine Person ist, die man davor schützen müsste, weil sie sonst aus dem Gleichgewicht geraten kann usw. .

    Einmal editiert, zuletzt von Sunu ()

  • drosterman:

    @accina: Diese Erklärung finde ich wie gesagt unzureichend. Denn es lässt den Fall außer Acht, dass jemand einer Person psychisches Leid zugefügt hat, was zu einer Disharmonie bei dieser Person geführt hat. Und es geht um die Frage wie die Harmonie am besten wiederherstellt werden kann.


    Deine Antwort finde ich noch viel unzureichender denn
    sie erklärt in keiner Weise was du überhaupt sagen willst oder
    warum du glaubst was gesagt zu haben.
    Wie eine angebliche Harmonie anderer, welche angeblich vorher schon
    vorhanden gewesen sei, wiederhergestellt werden kann, ist
    nicht Thema meiner Erklärung gewesen. Das Ziel der Lehre ist
    es zwar das Leiden ein für alle Mal zu überwinden, allerdings
    muß das jeder der das will selber machen und kann nicht erwarten
    das andere seine Harmonie herstellen bzw. diese bei anderen einzuklagen.
    Die eigene Harmonie durch taugliches Verhalten in Gedanken, Worten und
    Taten zu fördern und zu mehren sind für den Weg zur völligen Befreiung
    vom Leiden aber unabdinglich.

  • drosterman:

    xxx: Was ist mit einem Menschen, der kein Gewissen hat? (z. B. Soziopath / Psychopath) Oder jemand, der einfach so nihilistisch eingestellt ist, dass ihn nichts belastet, weil ja eh - in Relation gesetzt zur Größe des Universums - letztlich alles unbedeutend ist, was wir hier auf diesem Staubkorn im Weltall tun oder nicht tun.


    Ein solcher Mensch ist ein sogenannter gewöhnlicher Weltling (Puthujjana) http://www.palikanon.com/wtb/puthujjana.html. Er wird sich nie von dukkha befreien. Muss er auch gar nicht, denn Buddha lehrte keine dogmatische Religion, er lehrte lediglich einen pragmatischen Weg dukkha ein Ende zu machen:


    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."


    Aus Sicht des Buddhismus ist es eigentlich scheissegal wie sich die Menschen untereinander verhalten ethisch oder unethisch. Jeder ist schliesslich selbstverantwortlich und trägt die Konsequenzen, was für ihn dann mehr oder weniger dukkha bedeutet.

  • Bakram:

    Ein solcher Mensch ist ein sogenannter gewöhnlicher Weltling (Puthujjana) http://www.palikanon.com/wtb/puthujjana.html. Er wird sich nie von dukkha befreien.


    Genau und zwar solange nicht, wie er nicht den rechten
    tauglichen Weg nimmt den der Buddha gelehrt hat.
    Manchmal wird ja hier von der abhängigen Verbundenheit
    aller Wesen gesprochen. Die hört hier aber auf.
    So heißt s ja auch schon im Dhammapada 61:

    Zitat

    Triffst du auf deiner Wanderschaft
    den Besseren, den Gleichen nicht,
    So wandre einsam, wackeren Mutes:
    Mit Toren schließt man keinen Bund.

  • Wobei Sunu andeutet, dass im Christentum Unterwürfigkeit gefordert wird. Ganz im Gegenteil (außer vielleicht von Amtskirchen). Es erfordert ebenso Eintreten für Schwache etc. Also tugendhaftes Handeln. Aber eben nicht, Ungerechtigkeit mit Ungerechtigkeit zu vergelten. Insofern sehe ich da durchaus parallelen zwischen Christentum und Buddhismus. Die 5 Silas kommen in den 10 Geboten ja auch mehr oder weniger vor - die Silas kommen halt ohne die religiösen Sachen aus.


  • Ein Tor ist jemand der denkt, er würde seinen Weg selbst gehen.

    Zitat


    62
    Mit Sorgen spricht der Tor: "Mein Geld und meine Kinder!
    "Sein" ist nicht mal er selbst, doch Kind und Geld noch minder


    Auf dem Weg trifft man aber auch keine "anderen". Wenn einem plötzlich doch welche über den Weg laufen, dann befindet man sich bereits auf dem Pfad der Toren.



    Zitat

    63
    Ein Tor, der sich als dumm erkennt, ist klug fürwahr;
    Hält er sich selbst für klug, bleibt dumm er immerdar.

  • Sunu:
    Zitat

    63
    Ein Tor, der sich als dumm erkennt, ist klug fürwahr;
    Hält er sich selbst für klug, bleibt dumm er immerdar.


    Interessante Übersetzung.
    Ich finde diese noch treffender:
    63.

    Zitat

    Ein Tor, der seine Torheit merkt,
    Wahrhaftig, weise heißt man ihn;
    Ein Tor, der sich ein Weiser dünkt,
    Wahrhaftig, der wird Tor genannt.

  • Sunu:

    Ein Tor ist jemand der denkt, er würde seinen Weg selbst gehen.

    Zitat


    Wenn man schon sagt ein Tor sei "jemand" dann
    geht er auch "seinen" Weg und dann
    ist ein Tor jemand mit diesen Merkmalen:

    M 129

  • accinca:
    Sunu:

    Ein Tor ist jemand der denkt, er würde seinen Weg selbst gehen.

    M 129


    Ja, nur ist mir noch kein echtes " Selbst" über den Weg gelaufen.
    Aber weil der Tor sich selbst für ein solches Selbst hält...verhält er sich wie ein Tor. In mir "Selbst" ist mir so ein Tor schon oft begegnet, über "andere" mag ich nicht Urteilen. Wenn ich es trotzdem tue, liegt das wohl an meiner eigenen Torheit.

  • Sunu:

    Ja, nur ist mir noch kein echtes " Selbst" über den Weg gelaufen.
    Aber weil der Tor sich selbst für ein solches Selbst hält...verhält er sich wie ein Tor. In mir "Selbst" ist mir so ein Tor schon oft begegnet, über "andere" mag ich nicht Urteilen. Wenn ich es trotzdem tue, liegt das wohl an meiner eigenen Torheit.


    Zur Zeiten des Buddha gab es auch mal so einen
    der die Worte überzogen hatte als der Buddha die
    Ichlosigkeit aller Gebilde darlegte. Bei der Ichlosigkeit
    und kamma hatte er ein Problem.
    In der Überlieferung heißt es dazu:


    -

  • Sunu:
    accinca:

    M 129


    Ja, nur ist mir noch kein echtes " Selbst" über den Weg gelaufen.
    Aber weil der Tor sich selbst für ein solches Selbst hält...verhält er sich wie ein Tor. In mir "Selbst" ist mir so ein Tor schon oft begegnet, über "andere" mag ich nicht Urteilen. Wenn ich es trotzdem tue, liegt das wohl an meiner eigenen Torheit.


    ehrliches Selbst ... hmm...
    Das Selbst ist immer real, damit Realität und somit Teil der Wirklichkeit.
    Ehrlichkeit ist eine moralische Kategorie, es ist eine Wertung, und hat daher nichts beim Selbst zu suchen.


    Ehrlichkeit, Lüge,
    Ablehnung, Zustimmung,
    Verneinung, Bejagung,
    Leugnung, Glaube


    alles Kategorien der Moral, der Ethik, nur existent durch Abgrenzung mit ihrem Gegenteil, jederzeit umdefinierbar, und letztlich willkürlich.


    Dennoch gibt es ehrliches Selbst. Jeder Stein, jeder Baum, jeder Grashalm etc. besitzt ein solches. Denn, wenn man schon eine Ehrlichkeit postuliert, was würde denn lügen? Das Ego!
    Wenn du gesagt hättest: "Ein ehrliches Ego ist mir noch nie begegnet", wäre ich ganz bei dir, denn ein solches gibt es nicht.


    Diese Verwirrung findet sich auch beim Wort "Tor". Tor ist eine Wertung, eine subjektive Meinung. Es gibt keine absolute Instanz, die festlegt, was ein Tor ist und was nicht. Es entscheidet stets nur das Ego über die Torheit des anderen.


    Daher: Lasset uns wie Steine sein.

  • accinca:

    Zur Zeiten des Buddha gab es auch mal so einen
    der die Worte überzogen hatte als der Buddha die
    Ichlosigkeit aller Gebilde darlegte. Bei der Ichlosigkeit
    und kamma hatte er ein Problem.
    In der Überlieferung heißt es dazu:


    Das mag sein. Alles was ich sagte war aber, dass jede Tat durch das "Selbst" bedingt entsteht.

  • Spacy:

    solches. Denn, wenn man schon eine Ehrlichkeit postuliert, was würde denn lügen? Das Ego!
    Wenn du gesagt hättest: "Ein ehrliches Ego ist mir noch nie begegnet", wäre ich ganz bei dir, denn ein solches gibt es nicht.


    Diese Verwirrung findet sich auch beim Wort "Tor". Tor ist eine Wertung, eine subjektive Meinung. Es gibt keine absolute Instanz, die festlegt, was ein Tor ist und was nicht. Es entscheidet stets nur das Ego über die Torheit des anderen.


    Daher: Lasset uns wie Steine sein.



    Selbst ist nur ein Wort, kann aber implizieren, das etwas für sich unabhängig besteht...so ein Selbst ist mir noch nicht über den Weg gelaufen....nur die Vorstellung, die so ein Selbst annimmt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass alle Dinge die mir als ein "ehrliches" Selbst erscheinen, in Wirklichkeit bedingt entstehen....also eben nicht aus sich selbst heraus bestehen. Aber selbst das ist nur ein Urteil, welches bedingt durch meine Wahrnehmung entsteht.

  • Sunu:

    Das mag sein. Alles was ich sagte war aber, dass jede Tat durch das "Selbst" bedingt entsteht.


    Sunu:


    Aber selbst das ist nur ein Urteil, welches bedingt durch meine Wahrnehmung entsteht.


    Ja.


  • Das Selbst ist nur ein Synonym für das ICH, ergänzt um einen entgegengesetzten Vektor.


    Du sagst: "Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass alle Dinge die mir als ein "ehrliches" Selbst erscheinen, in Wirklichkeit bedingt entstehen....also eben nicht aus sich selbst heraus bestehen."
    Ich sage: "Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass alle Dinge die mir als ein "ehrliches" Selbst erscheinen, in Wirklichkeit unbedingt entstehen....also aus sich selbst heraus bestehen."


    Es gibt immer einen Weg zu sich selbst - man muss nur bereit sein, ihn zu ertragen!


    Du unterschätzt die Autopoiesis dessen, was wir Dasein nennen.


    -> Lasset uns sein, wie ein Stein.


    PS: Interessant, dass du nicht auf die Torheit eingehst...

  • Im achtgliedrigen Weg sehe ich vorallem im ethischen Teil des Weges, also "rechtes Handeln" und "rechte Rede" einen eklatanten Widerspruch zum eigentlichen Ziel, nämlich Leid zu überwinden.
    Die Definition des Kamma führt doch letztlich zu immensem Leid auf Seiten desjenigen, der es verinnerlicht hat bzw. daran glaubt. Wenn man daran glaubt, dass das eigene Wirken garantiert in diesem oder einem anderen Leben auf einen zurückfällt, ist das eine sehr belastende Erkenntnis. Vorallem eine mit Ungewissheit verbundene. Sagen wir man begeht eine unethische Tat. Dann muss man quasi damit rechnen, dass dies garantiert in diesem oder in einem späteren Leben negative Konsequenzen haben wird. Dieser Glaube führt definitiv zu Leid.


    Das sehe ich auch bei der starken Abneigung von Buddha gegenüber bewusstem Lügen. Ich lese derzeit "Der edle achtgliedrige Heilsweg" und darin steht, dass ein Bodhisatta praktische alle ethischen Verfehlungen mal begehen darf, aber niemals bewusst lügen würde. Buddha selbst sagt sinngemäß, dass jemand der mal bewusst lügt praktisch seine gesamte spirituelle Errungenschaft in diesem Moment ausgeschüttet hat.


    Das sind unrealistisch hohe Standards denen man dann versucht gerecht zu werden. Aber da man menschlich ist wird man dem nicht gerecht werden. D.h. man kommt zwangsläufig zu kurz. D.h. man wird sich zwangsläufig schlecht fühlen. D.h. man wird zwangsläufig leiden.


    Der ganze ethische Teil des achtgliedrigen Wegs bezieht seine Wirkkraft aus der einen metaphysischen Annahme, der eine Artikel des Glaubens:
    a) Die Behauptung, dass sich der Daseinskreislauf endlos dreht.
    b) Dass das individuelle Bewusstsein den Tod des Körpers überlebt.


    Dieser Artikel des Glaubens ist unendliche Quelle von Leid und führt das ganze Ziel des achtgliedrigen Wegs ad absurdum. Zum Glück gibt es keinerlei Grund warum man sowas glauben sollte.


    Ich kann es aus pragmatischer Sicht natürlich verstehen. Buddha lebte sicherlich in einer Community. Damit sich die Mitglieder dieser Community nicht gegenseitig belügen, bestehlen etc. ist es nötig einen ethischen Code einzuführen. Aber es reicht nicht den Leuten einfach zu sagen, dass es besser für sie ist sich gut zu verhalten. Ein bisschen Angst vor schweren Konsequenzen, in diesem oder im nächsten Leben, wirkt da weitaus besser.


    In dem vormals genannten Buch steht auch, dass der Weg seine Wirkung verfehlt, wenn man nur die Achtsamkeit und rechte Sammlung übt und den ethischen Teil ignoriert. Dafür gibt er aber keine schlüssige Begründung. Logisch erschließt sich mir nur, dass schlechte Taten potenziell auf einen zurückfallen können. Es daher der Verringerung potenziellen Leids zuträglicher ist, solche Handlungen zu unterlassen. Eine gute Handlung hat immer tendenziell weitaus eher einen positiven Effekt auf den so handelnden. Während eine schlechte Handlung entweder keinen Effekt hat (man kommt damit davon), oder man wird erwischt und bestraft.


    Ist der Buddhismus eurer Meinung nach auch ein "Angstsystem" wie das Christentum? Nur statt wie im Christentum die Angst vor der Hölle Menschen davon abhalten soll schlechtes zu tun, ist es im Buddhismus die Angst vor den unweigerlichen Konsequenzen in diesem oder späteren Leben (Buddha spricht auch von der Möglichkeit der höllischen Widergeburt). Ich bin kein Fan des Christentums, aber da hat man immerhin die Option zu beichten (im Katholizismus) und auf Vergebung zu hoffen...



  • Wer etwas wissen will, sollte sich schon ein wenig öffnen. Die Frage hier ist nicht, ob "der Buddhismus" ein "Angstsystem" "ist", wie du sie stellst. Denn das ist sicher nicht so, das weißt du ja auch, sonst würdest du dich nicht damit beschäftigen.


    Ausser dir geht es bei deinen bisherigen Beschäftigungen mit "Buddhismus" und deinem Post hier um andere Dinge als um Freiheit, tieferes Verständnis, Frieden, ohne jetzt einmal den großen Begriffe (Nibbana) zu benutzen.


    Deine ganzen Fragen gründen sich auf mangelndes Wissen bezüglich der Lehre, drostermann. Würdest du mehr gelesen haben, wären dir deine hier präsentierten Vermutungen und Fragen im Nachhinein sicher peinlich.


    Trotzdem ein Hinweis zum Beginn:


    Gedanken und Vorstellungen erzeugen (mitunter) Leid. Der Buddha erklärt dir sehr genau, wie es geht, dass du unter bestimmten Vorstellungen und ihren emotionalen Konsequenzen nicht mehr leidest. Du durchschaust sie als Vorstellungen.


    Das ist Buddhismus. Handeln (Meditieren, Konzentration, Rechte Rede, Rechtes Handeln) nicht Hoffen.


    Ich wünsche mir als Teilnehmer dieses Forums etwas mehr rechte Rede von dir, drostermann: du schreibst: "zum Glück gibt es keinen Grund (an Wiedergeburt) daran zu glauben". Das weißt du aber nicht. Du müsstest richtig schreiben: ich sehe (zum Glück) bisher keinen Grund. So ist es nämlich :)


    Der Buddha sah allerdings schon etwas (Gründe), weswegen er das alles ja lehrte.


    Gruß

  • pops:

    Ich wünsche mir als Teilnehmer dieses Forums etwas mehr rechte Rede von dir, drostermann: du schreibst: "zum Glück gibt es keinen Grund (an Wiedergeburt) daran zu glauben". Das weißt du aber nicht. Du müsstest richtig schreiben: ich sehe (zum Glück) bisher keinen Grund. So ist es nämlich


    Ich sehe in der Argumentation von Drostermann keinen Grund für obige Kritik. Die Zweifel von ihm hatte ich auch mal. Als ich las, dass auch der Buddha von Höllenqualen usw. sprach, dachte ich, das unterscheidet sich ja überhaupt nicht vom Christentum.


    Ich bin allerdings zu guterletzt auch zu der Einsicht gelangt, dass mich diese Details alle nicht weiter interessieren. Ich halte den Weg für den einzig richtigen. Leid wird allein dadurch vermieden, dass ich lerne, meine Gedanken und daraus folgenden Handlungen zu beherrschen. So wie der Dalai Lama sagt: "Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück".


    Ich habe die Regie über mein Leben übernommen, ich habe es (bedingt) in der Hand, wie mein Leben verläuft. Und dieses verläuft seit vielen Jahren leidfrei. Erlebe ich dennoch Leid, so vermehre ich es nicht durch verzweifeltes Grübeln und Graben im WARUM. Denn das ist mir bisher immer klar gewesen, sei es durch Krankheiten, die Folgen früheren falschen Verhaltens sind, oder Probleme mit Menschen, die auch aus vergangenem Verhalten herrühren. Ich sehe alles als mein Karma. Und ich ertrage, was ich nicht ändern kann.
    Leid empfinde ich nur, wenn ich verzweifel, wenn ich meine Gedanken nicht beherrsche und mich damit quäle.


    Alles andere überlass ich der Unvermeidlichkeit meines Seins.
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Auch ich sehe in Drostermans Text keine beleidigende Absicht :)


    drosterman: Der Buddha war sehr realistisch. Meiner Ansicht nach erwartet er nichts Übermenschliches von uns. Aber er kannte die Menschen. Und er wollte ihnen die Wichtigkeit ganz klar machen. Schließlich neigen wir alle zu Rechtfertigungen. Und damit zu kleinen "Notlügen". Wenn man aufpasst ist man überrascht, wie oft man am Tag die Unwahrheit sagt, oft durchaus aus positiven Gründen.
    Der Buddha hat aber einen Weg gelehrt, der, will man ihn tatsächlich gehen, unglaublich radikal ist. Jede Lüge ist egobehaftet - ICH will (etwas erreichen, jemand nicht verletzen, nicht geschimpft werden...) Also, um das Ego zu überwinden: NICHT LÜGEN.


    Ich denke, so ist es gemeint. Es gibt ja auch keine Strafe. Nur erkennen und den Vorsatz nehmen, es besser zu machen in Zukunft.

  • drosterman » 02.02.2018, 01:54 :

    Im achtgliedrigen Weg sehe ich vorallem im ethischen Teil des Weges, also "rechtes Handeln" und "rechte Rede" einen eklatanten Widerspruch zum eigentlichen Ziel, nämlich Leid zu überwinden.


    ...


    Hallo lieber drosterman.


    Das Gegenteil ist der Fall, meiner Meinung nach.


    Rechtes (Richtiges) Handeln und Rechte (Richtige) Rede sind notwendig, um das eigentliche Ziel, das Leid zu überwinden, zu verwirklichen.


    Letztendlich geht es ja darum Unwissenheit (Verblendung) zu beseitigen, um Leid und Unbefriedigtheit restlos und für immer zu beenden.


    Um Unwissenheit (Verblendung) zu beseitigen, muß man aber vorher oder gleichzeitig das Begehren verringern. Weil sich Begehren wie ein Schleier um alles legt. Man kann nicht klar und unvoreingenommen denken und auf die Dinge schauen mit Begehren. Je stärker das Begehren, um so stärker ist dieser Schleier, die Verwirrrung.


    Begehren ist Gier und Hass in der gröbsten Ausformung, Begierde und Ablehnung in mittlerer Ausformung, Zuneigung und Abneigung in schwächerer Ausformung, das Begehren etwas haben zu wollen und nicht haben zu wollen (weg-haben-wollen) in subtiler Ausformung.


    Und um dieses Begehren, was sich in unterschiedlichen Intensitäten zeigen kann, zu schwächen, sind genau Rechtes (Richtiges) Handeln und Rechte (Richtige) Rede eine notwendige Übung, vor allem auf grober und mittlerer Ebene des Begehrens. Es gibt natürlich noch viele andere wichtige Übungen, wie rechten Wandel nicht nur in Taten und Worten, sondern auch rechten Wandel im Denken, was aber schon eine feinere Ebene ist. Oder ein Pfeiler des edlen achtfachen Pfades der Rechte (Richtige) Lebenserwerb (Lebensweise, Lebensführung).


    Und noch viele andere Übungen und Herangehensweisen auf dem Weg um Begehren zu vermindern.


    Rechtes (Richtiges) Handeln und Rechte (Richtige) Rede sind also unumgänglich, wenn man wirklich restlos Leid und Unbefriedigtheit bis in die Wurzel überwinden will. Der Buddhalehre nach und auch meiner begrenzten Erfahrung nach.


    Dass dieser Weg zur vollkommenen Leidfreiheit auch mit Leid verbunden sein kann, ist leider so. Wir können das Leid und die Unbefriedigtheit nicht von heute auf morgen mit einem Schalter ausknipsen.


    Manche Wege scheinen das vielleicht zu versprechen. Da müßte man dann genau hinschauen, ob es wirklich auch eine nachhaltige Leidfreiheit ist, die diese Wege versprechen, oder eher eine Kurzfristige und Oberflächliche.


    Das heißt sich in Rechtes (Richtiges) Handeln und Rechte (Richtige) Rede zu Üben, muß nicht immer schön sein. Trotzdem sollte man, wenn man es schafft lange genug dabei zu bleiben, auch die befreiende Wirkung dieser Übung irgendwann erfahren. Denn die Minderung von Begehren ist auch gleichzeitig eine Minderung von Leid und Unbefriedigtheit als angenehmer Nebeneffekt und weitere Motivation. Man kommt dem inneren Frieden dadurch näher und braucht weniger Sinnesobjekte und Sinnesintensität um sich wohl zu fühlen. Und ist dadurch letztendlich innerlich sogar freier und weniger manipulierbar von außen.


    Aber das kann sich je nach individueller Vorbelastung wohl auch einige Zeit hinziehen bis man die positiven Auswirkungen davon bemerkt und es nicht nur als Fessel und Einschränkung sieht.


    Es ist vielleicht ein bisschen wie bei Sport oder einer Arbeit die man ausübt. Das ist auch nicht immer nur angenehm, aber wenn man weiß warum man es tut und/oder auch positive Auswirkungen selbst spürt, dann nimmt man auch das Unangenehme und Anstrengende eher in Kauf.


    Aber alles nur (m)eine Meinung, Interpretation und Einschätzung der Lehre. :)


    Liebe Grüße

  • In der Tat hatte ich keine beleidigende Absicht mit dem was ich geschrieben habe. Es ist wohl eher Ausdruck meiner tiefen Enttäuschung. Denn andererseits hatte ich in der Lehre von Buddha soviel Weisheit und Klarheit gefunden wie bei keinem Philosophen vorher. Andererseits muss ich das dann in Einklang bringen mit diesen Vorstellungen von der Wiedergeburt...


    Danke jedenfalls für die ausführlichen Erklärungen, die ich auch nachvollziehen kann. Leider bleibt da noch mein Problem damit, dass für den, der an eine Möglichkeit der Wiedergeburt und Kamma glaubt, letztlich kaum eine Wahl bleibt als Buddhist zu sein. Dieser Glaube stellt halt für mich ein unnötiges Problem dar, das man sich selbst gibt. Wenn man nicht daran glaubt, dann hat man die Gewissheit, dass einen nach dem Leben nur der Tod erwartet, weil das Bewusstsein mit dem Hirntod nicht mehr existiert. Was ich persönlich als eine enorm beruhigende und begrüßenswerte Tatsache betrachte. Und ist auch im Einklang mit allen wissenschaftlichen Fakten. Ich denke Buddha hat diese Idee vom ewigen Kreislauf aus den zu dieser Zeit in Indien vorherrschenden Glaubenssystemen übernommen und an seine Lehre angepasst. Es ist vielleicht kein notwendiger Bestandteil seiner Lehre.


    Natürlich ist die Wissenschaft immer nur eine Approximation an die Wirklichkeit bzw. nur ein unvollständiges Bild. Es kann ja sein, dass das Universum zyklisch ist. Dass nach dem Ende des Universums es den großen Kollaps gibt und dann ein neuer Big Bang entsteht. Das ist zumindest eine Hypothese in der Kosmologie. Es kann auch sein, dass sich das eigene individuelle Bewusstsein aufspaltet in unzähligen Paralleluniversen, wie es eine Interpretation der Quantenmechanik aussagt. Es kann auch sein, dass Information immer erhalten bleibt und nur in andere Formen konvertiert wird, wie auch Energie. Aber solche Hypothesen würde ich jetzt nicht zu Rate ziehen um irgendwie nachträglich dem Validität zu verleihen was als Glaubenssatz im Buddhismus ausgesagt wird. Dafür gibt es eben keine rationale Begründung bzw. eher fast alles spricht dagegen. Es ist schlicht nicht denkbar wie komplexe Struktur wie das Bewusstsein in irgendeiner Form den eigenen Tod überleben sollte. Zumal man schon an hirngeschädigten Personen sieht, dass sie zwar noch leben, aber ihr Bewusstsein teilweise oder ganz zerstört / verloren ist. Dann soll dieses Bewusstsein nach dem Tod plötzlich wieder in takt sein? Schlicht nicht vereinbar mit heutigem Wissen über Neurologie. Gibt es auch eine Version des Buddhismus, die solches berücksichtigt? Oder ist es dann nicht mehr hinreichend religiös, dass sich Leute dafür interessieren würden?

  • drosterman:

    Die Definition des Kamma führt doch letztlich zu immensem Leid auf Seiten desjenigen, der es verinnerlicht hat bzw. daran glaubt.


    Wenn es so ist wie der Buddha es lehrte, dann spielt es keine
    Rolle was einer diesbezüglich auch immer glauben sollte
    oder verinnerlicht hat.
    Entweder es ist so oder eben nicht. Wenn es aber so ist,
    dann ist jeder davon betroffen ob er es glaubt oder nicht.
    Wenn jemand auch noch so viele gute Taten tut so kann er
    deren Wirkungen kaum entgehen es sei denn er macht ab sofort
    nur noch schlechte Taten, Dann kann es sein das die Wirkungen
    seine frühere guten Taten zunichte gemacht werden und ebenso umgekehrt.
    So gibt es häufig immer noch einen Ausweg.

  • drosterman:

    Im achtgliedrigen Weg sehe ich vorallem im ethischen Teil des Weges, also "rechtes Handeln" und "rechte Rede" einen eklatanten Widerspruch zum eigentlichen Ziel, nämlich Leid zu überwinden.


    Da hast du aber schon das erste Glied des achtfachen
    rechten Pfades völlig außer Acht gelassen, denn sonst
    hättest du das ja nicht schreiben können. Wer glaubt dort
    einen Widerspruch zu erkennen hat keine rechte Erkenntnis,
    Unrechtes Handeln (Raub, Mord und Totschlag) führe nicht zu
    Leiden, hat den Schuß nicht gehört.

  • drosterman:

    Andererseits muss ich das dann in Einklang bringen mit diesen Vorstellungen von der Wiedergeburt...


    Unter uns gesagt: Buddha hat nie behauptet es gäbe Wiedergeburt. Das haben die Hinduisten geglaubt und Buddha hat diesen Glauben nicht bestritten. Es wäre politisch unklug gewesen für das gedeihen seiner neue Religion.


    Aber es ist schon so, dass "Buddhisten" in der Regel an "Wiedergeburt" glauben, wenn nicht stellen sie zumindest wirre Konstruktionen an, was den nun wiedergeboren wird.


    Aus meiner Sicht ist Buddhismus eine rein pragmatische Lehre ohne jede Metaphysik:


    Zitat

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."


    "Das Gewirr der Ansichten und das Knäuel der Meinungen zu vermehren, dafür erscheinen Buddhas nicht."