Beiträge von Vibhajjavādī im Thema „Relative und absolute Wirklichkeit“

    Namaste!


    Vielen Dank für Deine ausführliche, wenn auch für mich etwas verwirrende Antwort, weil ich noch nicht so recht verstehen kann, wie es denn innerhalb des Theravada dazu kam, dass es solche "Entwicklungen" gab?

    Deine Verwirrung kannst entwirren, wenn Du berücksichtigst, dass der Theravāda ja nicht im im luftleeren Raum dahindümpelte, sondern sich im Laufe von Jahrhunderten im Zusammenhang mit anderen buddhistischen Schulen entwickelte. Es kamen - teilweise selbst erfundene - neue philosophische, religiöse und psychologische Ideen auf, die sich auf den Theravāda und die anderen buddhistischen Schulen in einem gegenseitigen Wechselspiel auswirkten. Manches wurde angenommen, anderes modifiziert übernommen und einiges wurde abgelehnt (diente dann aber der Abgenzung).

    In der Entwicklungsgeschichte des Theravāda finden sich da eine ganze Reihe von Ideen, Auslegungen, Vorstellungen etc.: z. B. die des Atomismus mit den dhammā oder des Momentarismus mit den khaṇā oder eben der Teilung der Wahrheit in zwei Bereiche etc. Die verschiedenen buddhistischen Schulen lebten einerseits friedlich miteinander, anderseits gab es aber eine Konkurrenzsituation, da ja die Mönche und Nonnen von Spenden und Almosen abhängig waren. Da wurde dann mal auch mal modegewordene Ideen, die sich lange hielten und von den Spenden und Almosen gebenden Laien sehr gefragt waren, auch in die eigene Lehrauffassung "integriert", da man ja weiterhin spiritueller Ansprechpartner bleiben wollte bzw. musste. Natürlich gab es dabei Versuche, dies aus den älteren Texten herzuleiten, was aber einer Überprüfung nicht standhält, wenn man sich mit dem Orignal und den Kontexten vergleichend (z. B. mit den Āgamā) beschäftigt. Eine andere Methode war zu behaupten, Buddha habe dies geheim/nur Auserwählten/den Göttern gelehrt und nun sei es offenbar geworden.




    Aber das ist die Erlösung. Das erfahren das es die Außenwelt nur in mir gibt. Alle Daten die ich über Außen habe sind Zusammen gehäufte Signale und Benennungen meines Geistes damit ich kommunizieren kann. Verstehen. Meine Handlungen steuern, weil ich Erfahrungen zusammengebaut habe und dann geglaubt habe das das die wirkliche Welt außen ist. Ich nehme Dinge als mein wahr die nie mein sein können, weil sie nur Vorstellungen von Werten in mir haben. Nichts hat einen wirklichen Wert wenn ich ihn nicht erzeuge.

    Jedem seine Erlösung. - Ist die Außenwelt wirklich nur in Dir bzw. ist die "wirkliche Welt" nicht außen? Natürlich kann man sich auf seinen inneren Prozess der Wahrnehmung und des Erlebens fokussieren. Die Bedingung dafür ist die Erfahrung tiefer Sammlung der Geistes (ähnlich wie bei der en vogue gewordenen, sogenannten nondualistischen Erfahrung). Doch folgt daraus, dass es nichts Äußeres mehr gibt und/oder dass alles Bewusstsein ist (dergleichen wurde ja im Yogācāra vertreten)?

    Zum Beispiel rät ja Buddha bekanntlich zu Folgendem:


    Zitat

    MN 10: Auf diese Weise verweilt er, indem er den Körper innerlich als einen Körper betrachtet, oder er verweilt, indem er den Körper äußerlich als einen Körper betrachtet, oder er verweilt, indem er den Körper sowohl innerlich als auch äußerlich als einen Körper betrachtet.

    Was meint wohl der Buddha mit äußerlich, wenn es denn nur Innerliches gäbe?

    Die meisten Irrlehren, die Buddha beschreibt, beruhen auf (tiefe) Meditationserfahrungen und falsche Schlußfolgerungen bzw. verkehrte Ansichten (siehe DN 1; DĀ 21).




    @Lucy:

    Zitat

    ... für mich steht hier nicht das Gegenteil, ich lese hier von einer Wahrheit, die erkannt werden muss - das bedeutet, es gibt Menschen, die diese erkannt haben und dann über diese nicht mehr streiten, und es gibt uns andere ;)

    die wir diese Wahrheit nicht sehen...

    Richtig, die Wahrheit muss erkannt werden und sie ist eins, nicht gibt's eine zweite. Diese Aussage widerspricht also der Auffassung, dass es zwei gäbe, wie etwa eine konventionelle und absolute/höchste.

    Richtig, wenn man dies erkannt hat, streitet man darüber nicht mehr. Das Beantworten einer Frage oder der Hinweis auf das, was Buddha lehrte, ist aber kein Streiten, oder für Dich doch?

    Vielleicht sollten wir auch Buddhas Aufforderung berücksichtigen:

    Zitat

    MN 63: ... betrachte das, was von mir nicht verkündet worden ist, als nicht verkündet, und betrachte das, was von mir verkündet wurde, als verkündet.

    Dem, was von Buddha verkündet wurde, können wir uns durch kritische, vergleichende Textexegese und durch kritische Überprüfung unserer Meditationserfahrungen annähern. Das Schöne dabei sind die Freude, die Ruhe und der Gleichmut, die damit einhergehen.



    Mit mettā

    Vibhajjavādī

    Namaste Sherab!

    In den älteren Texten des Theravāda findet sich diese beiden "Ebenen" (die Teilung der Wirklichkeit in zwei oder mehr Wirklichkeiten) nicht, sondern Buddha brachte das Gegenteil zu Ausdruck:

    Aber in den jüngeren Texten des Theravāda (sprich ab den Kommentaren [Aṭṭhakathā] geht's los) in einem anderen Sinne hingegen schon, obwohl die primären Quellen dies gerade nicht hergeben, z. B.:

    Das könnte man etwas frei wie folgt übersetzen:

    "Der vollkommen Erwachte, der beste Lehrer, sprach zwei Wahrheiten, nämlich die konventionelle und die höchste - eine dritte brachte er nicht hervor. Die konventionelle Erklärung ist wahr wegen der Konvention, die höchste Erklärung ist wahr wegen der gewordenen Eigenschaften der Dinge."

    Mit den Eigenschaften ist gemeint, dass die Dinge unbeständig, unzulänglich und selbstlos entstanden sind.

    Dieses Zitat kommt, manchmal leicht abgewandelt, auch in den Subkommentaren (Ṭīkā) vor.


    Seitdem wird diese Teilung der Wahrheit (Wirklichkeit oder Realität - die meisten verwenden diese Begriffe synonym) von vielen (nicht von allen) Theravādīns im Allgemeinen vertreten. Darüber hinaus machen sich im Besonderen diese Teilung der Wahrheit manche Anhänger des Abhidhamma in dem Sinne zu eigen, dass sie vorgeben, mit dem Abhidhamma die höchste Wahrheit zu vertreten und die Anhänger der Lehrreden jedoch nur die konventionelle.

    Lustigerweise machen dies wiederum einge Anhänger des Madhyamaka dann ebenso: sie meinen, die höchste Wahrheit wiederzugeben, die Anhänger des Abhidhamma aber nur die konventionelle.

    Schaut man sich die Rezeptionsgeschichte an, dann wird gerade und gerne die Teilung der Wahrheit von vielen behauptet, die für sich die jeweils die höchste in Anspruch nehmen, um damit die Auffassungen anderer buddhistischer Schulen als konventionell zu klassifizieren.


    Kann man die Teilung der Wahrheit aus AN 2.25,26 ableiten?

    Zitat

    Neyyatha Sutta:

    "Mönche, diese beiden verleumden den Tathagata. Welche zwei? Wer eine Rede, deren Bedeutung gefolgert werden muss, als eine Rede erklärt, deren Bedeutung bereits vollständig dargestellt wurde. Und wer eine Rede, deren Bedeutung bereits vollständig dargestellt wurde, als eine Rede erklärt, deren Bedeutung gefolgert werden muss. Diese beiden verleumden den Tathagata."

    Das geht m. E. nicht, da eine Rede, deren Bedeutung bereits vollständig dargestellt wurde, ebenso wahr sein kann, wie eine Rede, deren Bedeutung gefolgert werden muss. Und umgekehrt, also: ebenso unwahr. Die Folgerung der Bedeutung ist Akt der Erkenntnis, nicht der Wahrheit. Mit der Erkenntnis (entsprechend: Ansicht - siehe unten) erkennt man die Wahrheit, sie (die Erkenntnis) selbst ist aber nicht die Wahrheit.


    Funktionieren die "Analogien" aus MN 117 und DN 9 (siehe Sunu - [Relative und Absolute Wirklichkeit 16])? Nun, in MN 117 geht es um richtige bzw. falsche Ansicht/Anschauung (sammā/micchā diṭṭhi), nicht um die Wahrheit (sacca). Die zitierte Stelle des DN 9 handelt hingegen von der Vergänglichkeit des Daseins und dem Anhaften an Begriffen zur Bezeichnung des Daseins; auch das ist nicht gerade die Wahrheitsteilung, um die es Sherab zu gehen scheint.


    Braucht man denn die Teilung der Wahrheit in zwei oder mehr Teile? M. E. nein; in den uns überlieferten älteren Quellen kam Buddha ohne aus (im Gegenteil, er betonte, dass es nur eine gebe, nicht zwei - siehe oben). Man kann ja, sofern und soweit man dies erkannt hat, z. B. von einem Bruder, Schwester, Mutter, Vater, etc. sprechen und damit gerade kein atta (Seele, Selbst) meinen, sondern den laufenden geistigphysischen Prozess, der sich in den fünf bedingten und unbeständigen khandhā (Form, Gefühlstönung, Wahrnehmung, Gestaltungen, Bewusstsein) manifestiert, die sich als Bruder, Schwester, Mutter, Vater, etc. ausdrücken.


    Mit mettā

    Vibhajjavādī