Aus meiner (Außen)-Sicht bleibt aber die Frage: Ist dieser Prozeß der Gewißwerdung nicht doch der eines Glaubens, eines Anvertrauens an Lehrer und Lehre, ist er wirklich einer des Wissens (Gibt es so was wie letzgültiges Wissen überhaupt?)?
Lieber Daoist,
eine sehr interessante Frage und womöglich gäbe es zahlreiche Antworten darauf. Wer sollte es wagen können, eine allgemeingültige Antwort zu behaupten? Ich nicht.
1. Man kann Zweifel wegnehmen und an dessen freigewordene Stelle Glauben setzen. (implizierenden Verneinung)
2. Man kann Zweifel wegnehmen und an dessen freigewordene Stelle Gewissheit setzen. (implizierenden Verneinung)
3. Man kann Zweifel wegnehmen und an dessen freigewordene Stelle nichts setzen. (nicht-implizierenden Verneinung)
Mir gefällt am besten Option 3. Jedoch fragt man sich dann vielleicht 'Was treibt dann aber die Praxis an, wenn nur Zweifel wegfällt, nichts aber an dessen Stelle tritt?'
Darauf würde ich antworten: 'der Entschluss, der lange Zeit vorher getroffen würde.'
'Da dieser aber auf das Ziel zeigt, bedarf es doch Handlungen, um dahin zu kommen und was ist dann die Basis dieser Handlungen, wenn es nicht der Glaube daran ist?'
Darauf würde ich antworten: 'die Leerheit, die bleibt, wenn man den Zweifel wegnimmt, aber an dessen freigewordene Stelle nichts gesetzt wird.'
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Leerheit neben dem 'Loswerden des Zweifels', das zweite Merkmal des Stromeintritts definiert. Im Theravada etwas eingeschränkter, im Mahayana des mittleren Weges etwas umfassender.
Option 2 fände ich in negativer Form, also als nicht-implizierenden Verneinung auch noch akzeptabel, weil das was 'Gewissheit' genannt wird durchaus auch als geläuterte Form des Entschlusses gedacht werden kann, so dass die Gewissheit gar nicht an die freigewordene Stelle des beseitigten Zweifels gesetzt werden muss.