Beiträge von Rudolf im Thema „Mahaparinirvana-Sutra und Anatta“

    Hallo Rudolf.


    Zitat

    Auch im Mahayana gibt es Beständiges nur als Negation


    Das stimmt nicht.


    Auch Fakten sind beispielsweise beständig. Zum Beispiel ist ein Hund keine Katze. Mein Name ist Thorsten Hallscheidt. Auch dieses Faktum ist beständig.


    1) "Ein Hund ist keine Katze" ist eine Negation. :)

    2) "Mein Name ist Thorsten Hallscheidt" Was ist ein Name? Namen sind Schall und Rauch. Oder geschriebene Tinte. Oder Vorstellungen im Bewusstsein. Diese sind alle unbeständig. :)


    Vielleicht müssten wir einen Thread aufmachen mit dem Titel: Sind Begriffe (oder Allgemeinbilder) beständig?


    Wie kann ein Allgemeinbild beständig sein, wenn es ein Produkt des Bewusstseins ist? usw.

    Solche Fragen kommen dann auf.


    Viele Grüße

    Rudolf

    das Selbst ist Frieden (shiva)


    Das mag so sein. Aber dann ist es ja nicht in dir zu finden. Du als lebende unbeständige Person hast dann jedenfalls mit diesem Selbst nichts zu tun. ;)


    Wie kann überhaupt ein Lebewesen etwas mit einem beständigen Selbst zu tun haben? Das ist ja tot. Da passiert ja nichts. Eingefroren. Unveränderlich. Starr und Steif.


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    Auch im Mahayana gibt es Beständiges nur als Negation: Nirvana ist beständig, weil es die endgültige Beendigung von Leiden und Leidenschaften ist. Der leere Raum ist beständig, weil er die Abwesenheit von Hindernissen, von Objekten ist. Die Leerheit ist beständig, weil sie die Abwesenheit von einem Selbst, von einem Eigenwesen der Dinge ist usw.

    Nur Abwesenheiten sind beständig.


    Daher ist wohl die Interpretation der Madhyamikas die beste: die Buddhanatur der Lebewesen ist beständig, weil sie die Leerheit der Lebewesen ist. (Und damit ist die Möglichkeit für die Entwicklung zum Buddha gegeben).

    Und diese Art von Buddhanatur hat der Buddha in wenigen Sanskritsutren dann als "Selbst" der Lebewesen bezeichnet, als geschicktes Mittel an alle diejenigen gerichtet, die in absehbare Zeit nicht vom Gedanken an ein Selbst oder Atman los kommen können. So wie du.


    Viele Grüße

    Rudolf

    Was wohl am bekanntesten ist, wird im Mahāyāna Mahāparinirvāṇa Sūtra im Zusammenhang mit der Buddhanatur von einem "ewigen Selbst" gesprochen.

    Meines Wissens (aufgrund meiner Lehrer und meiner Lektüre) verhält es sich damit so, wie es auch in Wikipedia gut beschrieben ist:


    Zitat

    The "nature of the Buddha" is presented as a timeless, eternal "Self", which is akin to the tathagatagarbha, the innate possibility in every sentient being to attain Buddha-hood and manifest this timeless Buddha-nature.[22] "[I]t is obvious that the Mahaparinirvana Sutra does not consider it impossible for a Buddhist to affirm an atman provided it is clear what the correct understanding of this concept is, and indeed the sutra clearly sees certain advantages in doing so."[23]


    .......provided it is clear what the correct understanding of this concept is .....


    und:


    Zitat

    The Mahāyāna Mahāparinirvāṅa Sūtra, especially influential in East Asian Buddhist thought, goes so far as to speak of it as our true self (ātman). Its precise metaphysical and ontological status is, however, open to interpretation in the terms of different Mahāyāna philosophical schools; for the Madhyamikas it must be empty of its own existence like everything else; for the Yogacarins, following the Laṅkāvatāra, it can be identified with store consciousness, as the receptacle of the seeds of awakening.[24]


    ....... open to interpretation in the terms of different Mahāyāna philosophical schools;.....



    Daher ist es unangebracht, das "wahre Selbst" oder die "Buddhanatur" des Mahāyāna Mahāparinirvāṇa Sūtra mit dem "Ich" zu vergleichen, was der Buddha im Palikanon, wenn er über die vergänglichen Aggregate redet, als nicht da seiend erklärt.

    Es geht darum, sich der freudigen Natur seines wahren Wesens, seiner Buddha-Natur, dem Wahren Sebst zuzuwenden, das nicht leidvoll ist und unvergänglich ist.


    Was hast du davon, wenn du die Buddhanatur für das Ich oder Selbst hältst? Welchen Nutzen hat das? Welch besondere Einsicht ist das? Ist dieser Gedanke zur Befreiung nötig?

    Warum ist es nicht so zu verstehen (was der Budhha sagt) , dass ein beständiges Selbst niciht zu finden ist, wenn du in deiner Person danach suchst? Es gibt halt nur Unbeständiges. Und das kann man nicht als Selbst bezeichnen.

    Der Kontext ist nämlich, dass die meisten Philosophen und Religiösen in Indien damals an ein beständiges Ich glaubten, dass von Geburt zu Geburt wandert. Und der Buddha lehrt in zahlreichen Sutten, dass ein beständiges Ich nicht zu finden ist unter den Elementen woraus deine Person besteht.


    Die Buddhanatur lehrt der Buddha erst im Mahayana. Das kommt im S.22.59.7. Anattalakkhaṇa Sutta nicht vor.

    Zitat

    "Von wem hast du denn, du betörter Mann, gehört, daß ich eine solche Lehre verkündet hätte? Habe ich nicht, o Tor, auf mannigfaltige Weise die verderblichen Handlungen erklärt und dargelegt, daß sie dem Täter notwendig zum Verderben gereichen?

    Majjhima Nikaya 22


    Und nun ist aber weder der Körper noch die Rede noch die Empfindung noch die Unterscheidung usw. das 'ich' des Buddha, Auch in oder neben oder zwischen diesen Dingen ist das ich nicht zu finden. Alles zusammen ist das ich auch nicht, denn das ich ist nur eins und nicht vieles. Wenn keins von diesen vielen das ich ist ist auch nicht die Summe das ich, dennn null plus null plus null .... ergibt null.

    Offenbar ist 'ich' nur eine sprachliche Bezeichnung der Anhäufung der fünf Aggregate (khandas).

    Als selbständiges Ding kann man dieses 'ich' in oder neben oder zwischen den Aggregaten nicht finden.


    'ich' gibt es also als konventionelle Bezeichnung oder Benennung meiner Aggregate.

    Das 'Ich' als ein extra existierendes Ding findet man nirgendwo in der Welt.


    Und so sind wir wieder bei den "Zwei Wahrheiten" angelangt. Wie schön.

    Die konventionelle Wahrheit und die Wahrheit im höheren Sinn.

    Hier wird gesagt: Siehst du, dass man das nicht als sein Ich ansehen kann. Niemand sagt hier, dass kein Ich existiert!


    Die Pudgalavāda, eine Vatsiputra (3. Jh. v. Chr.) gegründete Hinayana-Schule hat das auch schon so gesehen.

    Pudgalavada - Wikipedia

    Wenn sie aber aufgefordert wurden, dieses existierende Ich zu beschreiben, dann sagten sie, es sei unaussprechbar, undefinierbar, aber es existiere als Träger der Aggregate, irgendwie.


    Als Antwort darauf wird oft aus Majjhima Nikaya 79 (oder auch 80) zitiert:

    Majjhima Nikaya 79


    Zitat

    ..........


    "Was hast du denn, Udāyī, für einen eigenen Lehrsatz?"


    "Unser eigener Lehrsatz, o Herr, der lautet: Das ist der höchste Glanz, das ist der höchste Glanz.'"


    "Was du aber da, Udāyī, als eigenen Lehrsatz also angibst, 'Das ist der höchste Glanz, das ist der höchste Glanz', was ist das für ein höchster Glanz?"


    "Ein Glanz, o Herr, über den es keinen größeren und helleren gibt, das ist der höchste Glanz."


    "Und was ist das, Udāyī, für ein höchster Glanz, über den es keinen größeren und helleren gibt?"


    "Jener Glanz, o Herr, über den es keinen größeren und helleren gibt, das ist der höchste Glanz."


    "Lange noch kannst du also, Udāyī, fortfahren, wenn du sagst 'Jener Glanz, o Herr, über den es keinen größeren und helleren gibt, das ist der höchste Glanz', und diesen Glanz nicht erklärst. Gleichwie etwa, Udāyī, wenn ein Mann also spräche: 'Ich habe nach ihr, die da im ganzen Lande die Schönste ist, Verlangen, habe Sehnsucht nach ihr'; und man fragte ihn: 'Lieber Mann, die Schönste des Landes, nach der du verlangst und dich sehnst, kennst du diese, ob es eine Fürstin oder eine Priestertochter, ein Bürgermädchen oder eine Dienerin ist?' und er gäbe 'Nein' zur Antwort; und man fragte ihn: 'Lieber Mann, die Schönste des Landes, nach der du verlangst und dich sehnst, kennst du diese, weißt du wie sie heißt, wo sie herstammt oder hingehört, ob sie von großer oder von kleiner oder von mittlerer Gestalt ist, ob ihre Hautfarbe schwarz oder braun oder gelb ist, in welchem Dorf oder welcher Burg oder welcher Stadt sie zu Hause ist?'; und er gäbe 'Nein' zur Antwort; und man fragte ihn: 'Lieber Mann, die du nicht kennst und nicht siehst, nach der verlangst du, sehnst dich nach ihr?'; und er gäbe 'Ja' zur Antwort; was meinst du wohl, Udāyī: hätte nun nicht, bei solcher Bewandtnis, jener Mann unbegreifliche Antwort gegeben?"


    Ich finde es sehr unverständlich, warum dieses Sutra als Beleg für die Nichtexistenz einer Seele/ Essenz oder für die Nicht-Seele, das Nicht-Selbst in den Augen des Buddhas genommen wird. Denn ich sehe den Buddha hier nichts dergleichen sagen.


    Verstehe dieses Sutta doch einfach so wie es gesagt wird: unter den Bestandteilen, den Aggregaten, den khandhas findet man kein "Ich", wenn man danach sucht.


    Wenn das so ist, findet man natürlich auch kein "Nicht-Ich", wenn man danach sucht. Was sollte das sein? Und wie könnte man ein "Nicht-Ich" finden?

    Deswegen sagt der Buddha nicht: es gibt das "Nicht-Ich".


    Er sagt vielmehr, dass alles weder existiert noch nicht existiert. Er lehrt die Mitte: das Abhängige Entstehen, paṭicca-samuppāda.

    Samyutta Nikaya 12.11-20