Kleiner Einwurf. Von "Ebenen" zu sprechen, halte auch ich für ein leicht missverständliches Bild, auch wenn es nicht falsch ist (dazu später). Es wird - gerade in Bezug auf Wahrheit - da leicht ein Rangunterschied im Sinne einer "höheren" oder "tieferen Ebene" assoziiert und damit auch eine unterschiedliche Wertigkeit impliziert. Dem ist hier jedoch nicht so; der Unterschied liegt in der Funktion, die saṃvṛtisatya (anders als paramārthasatya) hat: sie zeigt auf paramārthasatya. Nāgārjuna sagt dies unmissverständlich: ohne saṃvṛtisatya kann paramārthasatya nicht gezeigt werden. In diesem - und nur in diesem - Sinne ist saṃvṛtisatya eine "relative Wahrheit". Die Relation, die Beziehung ist da eben dieses "zeigen". Grundsätzlich geht es bei Nāgārjunas 'zwei Wahrheiten' um eine kommunizierbare Wahrheit und eine nicht kommunizierbare Wahrheit.
Tatsächlich ist die Grenze zwischen Kommunizierbarkeit und Nicht-Kommunizierbarkeit unüberbrückbar - sie muss schon "durchbrochen" werden. Dann hat man bestenfalls eine Sprache, die dieser Grenze sehr nahe kommt - die Sprache der Prajñāpāramitā-Sūtras oder die der gōng'àn / kōan.
Eigentlich verdeutlicht der Begriff 'saṃvṛti' dies schon ein wenig. Es gibt mehrere Übersetzungsmöglichkeiten, je nach Kontext. am Häufigsten steht es für "Verschluss", doch hier ist offensichtlich die zweithäufigste Bedeutung gemeint: bedecken, verbergen, geheim halten. Die mE treffendste Übersetzung für saṃvṛtisatya wäre "verhüllte Wahrheit". Solch eine Verhüllung kann man schon als "Ebene" begreifen, die nichtsdestotrotz dem Verhüllten Form gibt und es so zeigt.
Wenn eine "Bedeckung" eng sitzt (und womöglich eine gewisse Transparenz hat), dann verbirgt sie nicht nur, dann zeigt sie auch. Wie jede Frau zumindest aus der Erinnerung weiss - und jeder Mann mal staunend erfahren hat.
So weit mein Wort zum Sonntag.