Die Idee ist schon faszinierend: Gehen, die gegangene Strecke und der, der geht, existieren nur in Abhängigkeit voneinander. Das eine bringt das andere hervor. Existiert eines von den Dreien nicht, existieren auch die anderen nicht.
Wirklich spannend wird diese Idee, wenn man statt Gehen, gegangener Strecke und Gehendem Wahrnehmung, Wahrgenommenes und Wahrnehmenden setzt. Auch ein Dreierpaar, bei dem, fehlt eines seiner Teile, auch die anderen nicht existieren. Folgende Sätze ergeben sich:
- Ohne Wahrnehmung kein Wahrgenommenes und kein Wahrnehmender.
- Ohne Wahrgenommenem keine Wahrnehmung und kein Wahrnehmender.
- Ohne Wahrnehmenden keine Wahrnehmung und kein Wahrgenommenes.
Wenn ich nichts sehe, nichts höre, nichts fühle, nichts denke, nichts schmecke, nichts rieche, verschwinde auch "ich" und meine Fähigkeit zur Wahrnehmung.
Wann da nichts ist, was ich sehen, hören, fühlen, etc. kann, verschwinde ich auch.
Wenn ich nicht existiere, gibt es keine Welt und keine Wahrnehmung (für meine Seinswirklichkeit). z.B. Ohnmacht, tiefer Schlaf oder Tod.
Das, was ich bin, konstituiert sich also nur durch das, was ich im Augenblick wahrnehme, fühle oder denke. Und das, was da ist, erhält Form und Inhalt auf der Basis meiner Wahrnehmung. Und meine Wahrnehmung entsteht nur, weil da ein Subjekt ist und etwas, das Wahrgenommen werden kann. Für sich betrachtet, unabhängig von den anderen beiden, existiert aber keines von den dreien.
Oft hatte ich den Eindruck, dass die Vorstellung, die Welt sei nur ein Produkt meines Geistes, eine Illusion, zu einer Art Locked-in-Syndom führt. Hier ich, dort die Illusion der Welt, der Gefühle, der Gedanken – wie in einem Kino. Beklemmend und sehr einsam irgendwie.... Alleine, für immer in einem Kino eingesperrt, das mein eigenes Produkt ist. Klar, dass man sich davon frustriert abwendet irgendwann. Sinnlose Quälerei.
Aber es ist ja genau anders herum, quasi invertiert. Kein Gedanke, kein Gefühl, keine Farbe, keine Form ist das Produkt meines Geistes, eher ist es umgekehrt. Alles, was mich ausmacht, besteht aus Wirklichkeit, die nicht ich ist. So benutze ich Worte, die ich nicht erfunden habe, benutze Gedanken und Argumente, die nicht auf meinem Mist gewachsen sind. Auch die Dinge, die ich sehe, höre, rieche und schmecke, habe ich nicht gemacht. Mein Körper tut in vieler Hinsicht, was er will. Er besteht aus dem, was ich gegessen und getrunken habe – nichts davon war je ICH. Auch meine Ausscheidungen sind nicht ich. Laufe ich durch den Wald, laufe ich auf einer dicken Schicht von Tod, Verwesung und Exkrementen, laufe über zahlose Lebensformen, die auf der Basis dessen wieder-werden. Die bringen dann in Abhängigkeit voneinander und in Abhängigkeit von meiner Wahrnehmung das hervor, was dann in mir "Wald" wird.
Und auch in mir tut vieles, was es will, ohne dass ich eine Chance habe, es nicht zu wollen oder zu wollen. All das zusammen bringt "mich" hervor. Und umgekehrt kommt durch mein Subjekt-Sein die Welt zur Wirklichkeit, entfaltet Wirkung, kommt vom Nichtsein ins Sein. Das Sehen, Denken, Riechen, etc. bekommt seine Form durch das, was und wie ich (Körper-Geist) bin und umgekehrt. Und zugleich bin und werde ich durch Sehen, Denken, Riechen, etc. immer wieder neu.
Ich bin also tatsächlich mit mit jeder Faser meines Seins nicht nur verbunden mit der Welt – denn dann wäre wieder hier ein ICH und die Welt dort – "ich" bestehe sogar aus Welt ganz und gar. Die Ströme von Ursache und Wirkung, die seit Anbeginn der Zeiten die Welt sind, bringen auch mich hervor, als eine zeitweilig relativ statische Verwirbelung im Strom. Das ist nichts ungewöhnliches. Es geht allem so, was wird und vergeht.
Interessant finde ich, dass das, was ich wahrnehme und denke, diese Erscheinungswelt also aus den unzähligen Erscheinungswelten anderer besteht, die milliarden Einzelwesen-Welten also Schnittmengen bilden (die sie dann "Dinge" oder "Farben" oder "Fakten" nennen), durch die Kommunikation (Transfer von Information) stattfindet – und als Flimmern und Wabern das entsteht und sich ständig verändert, was wir objektive Realität nennen.
Ich bin also keineswegs eingeschlossen. Im Gegenteil, alles ist weit und offen.
So ist wird auch jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat zu Wirklichkeit in anderen Wesen. Mit allem, was ich tue, setze ich Ursache-Wirkung-Ströme in Gang, die Realität für mich und andere werden. Ich forme die Welt, mit dem, was ich denke, sage und tue. Jedes Lebewesen tut das auf seine Weise. Was für eine Verantwortung!