Beiträge von Dharma Buddy im Thema „Divers“

    Mir ist gerade dazu eingefallen, dass es vor ein paar Monaten oder länger Menschen gab, die verbieten wollten, dass ihre Kinder in der Schule über die Diversität der Menschen unterrichtet werden sollten. :x

    Aber gerade in der Schule müsste man doch - altersgerecht- damit anfangen , aufzuklären, dass es eben nicht nur Mann oder Frau gibt ! Oder nur weiße , nur Nichtbehinderte etc.


    Ich glaube, dass die Kulturministerkonferenz sich mit dem Thema theoretisch auseinandersetzt. Ein Ziel ist gerade der Demokratieerziehung sind "Ambiguitätstoleranz" und "wertschätzender Umgang". Mit Ambiguitätstoleranz ist gemeint. dass Menschen nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien denken. Ich nenne mal ein paar Beispiele für mangelnde Ambiguitätstoleranz:

    • Manche Menschen haben Probleme, sich einen Deutschen mit dunkler Hautfarbe vorzustellen und fragen: "Ok, Du bist Deutscher, aber wo kommst Du wirklich her?"
    • Manche meinen, ein etwas femininer Junge müsse immer schwul sein. Ich kenne Mitschüler, die sehr darunter gelitten haben.
    • Manche meinen, jeder Deutsche mit türkischen Wurzeln und islamischer Religion sei automatisch Vertreter eines konservativen Islams.

    Ich glaube, dass die Freiheit vom Denken in Sterotypen ein wichtiges Erziehungsziel ist. Die Welt ist komplexer als unsere Vorstellungen. Und wir sind es auch. Wenn wir an festen Rahmen hängen, engen wir uns ein.

    Die anderen Themen sind schwieriger. Ich glaube, dass das Thema z.B. in den Biologieunterricht kommen sollte. Manche Dinge sind wirklich wichtig. Ein Dharma-Freund, der intersexuell ist, hat mir mal erklärt, dass er so etwas in der Regel nicht erwähnt (auch nicht in der Sangha), weil dann die nächsten 20 Minuten kommen Fragen wie: "Das ist ja praktisch, dann brauchst Du zur Fortpflanzung keinen Partner..." usw. All diese Dinge muss man mit Feingefühl erklären - und auch in der Schule sollte das der Fall sein. Bzgl. nicht-Binären Menschen ist es schwierig, denn die Wissenschaft weiß wenig darüber.

    Ich glaube, dass am Wichtigsten aber der Respekt ist. Wenn jemand "anders" ist, muss man den Menschen das nicht spüren lassen. Wieso kann man nicht sagen, die Person ist anders, gehört aber dennoch zu uns. Und ja, manchmal gibt es auch Probleme, aber diese Dinge muss man ansprechen. Ich will also sagen, dass meiner Ansicht die Werte das Wichtigste sind bei der Erziehung. Unsere Welt ist so komplex geworden, da müssen wir lernen, mit jeglicher Vielfalt umzugehen, sonst zoffen wir uns nur. Das Thema sehe ich also viel weiter als "nur" sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.

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    Auch von meiner Seite, Dharma Buddy, danke für den Einblick in Deine Sichtweise. Ich kann nicht alles nachvollziehen, muss ja auch nicht sein. Wo mein 'Problem' (kein persönliches, sondern ein Akzeptanzproblem im Kontext buddhistischer Praxis) liegt, wurde vielleicht auch ein Stück weit deutlich - in erster Linie bei der Selbstidentifikation mit Rollen; zugewiesenen und selbstgewählten. Dass das in der 'Szene' auch problematisiert wird, hast Du ja deutlich gemacht, zumindest das war neu für mich.


    Auch, wenn es OT ist - Du hast ja nun selbst deutlich gemacht, dass bei dem von Dir erwähnten 'animitta-samādhi' von einer isolierten Praxis im Rahmen eines Stufenweges (die ich nicht kenne) die Rede war. Eben darum war ich irritiert, dass so etwas von jemandem kam, der sich dem Zen zugehörig fühlt, was ja nun erklärtermaßen eben kein Stufenweg ist. Weil hier OT will ich nicht allzu tief darauf eingehen, aber den Bezug zum Zazen zumindest andeuten. Er leitet sich aus der Übung der tiefen Prajñāpāramitā des Bodhisattva Avalokiteśvara ab (Kanjizai Bosa gyō shin hannya haramita) - es ist ja kein Zufall, dass dieses Sutra im Zen ständig rezitiert wird. Wenn man die Überlieferung eben dieser Übung studiert, findet sich da natürlich auch etwas zum animitta-Aspekt dieser Übung. Speziell aufschlussreich für mich war da das Astasāhasrikā-prajñapāramitā-sūtra, Abschnitt XIX und XX. Muss man aber nicht unbedingt wissen, um Zazen zu üben ... :grinsen:


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    Ich muss mich auch bedanken, dass Du mein langes Geschreibe gelesen hast und auch so gnädig warst, einige von mir blöd oder missverständlich formulierten Dinge gnädig zu übersehen.

    Und ich kann Deine Sichtweise schon verstehen: Wenn man die Community von außen betrachtet, kommt sie einem durchaus seltsam vor mit eigenen Ritualen und Eigenschaften einer typischen Subkultur wie den Fußballfans. Aber das sehe ich nur als einen Teil der Wahrheit.

    Und sollte ich irgendwann das Astasāhasrikā-prajñapāramitā-sūtra lesen, dann komme ich vielleicht auf Dich zu. Aber erst mal sind noch andere Dinge auf meiner Leseliste.

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    Doch kein notwendiges Ergebnis. Dass Selbstakzeptanz - zu lernen, sich selbst liebevoll anzunehmen - ein schwieriger und oft auch schmerzvoller Prozess ist, ist natürlich richtig. Aber es ist ein Unterschied, ob man es bei einem "so bin ich - damit kann und will ich arbeiten" belässt oder ob man daraus ein "ich bin ein Opfer der gesellschaftlichen Umstände" oder auch ein "ich bin queer und stolz darauf" macht.

    Mir ist nicht klar, warum Du lauter Widersprüche aufmachst. Wieso kann man "nicht so sein, wie man ist" und gleichzeitig "Opfer gesellschaftlicher Umstände" sein? Viele Transgender haben sich akzeptiert, wurden aber auch wegen des TSG zwangsgeschieden, zwangssterilisiert und man hat ihnen die Möglichkeit genommen, selbst über ihren Körper und vorzunehmende Maßnahmen zu entscheiden. Beides ist wahr: Man kann Opfer von Umständen sein und sich selbst lieben.

    "Stolz" wird meiner Ansicht in der Community nicht im Sinne von "White Pride" verwendet sondern als Gegenteil von "Scham" und betont Selbstwert. Ich persönlich finde es auch ungeschickt, so etwas so kritisieren. Menschen mit Erfahrung von Marginalisierung müssen meiner Erfahrung diesen Selbstwert erst aufbauen - und das ist dann auch die Basis auf der eine spirituelle Entwicklung möglich ist.


    Sudhana:

    Ich halte von dem Verorten nicht viel. Das mit dem Regenbogen ist ja ein schönes Bild - aber gerade weil es, wie Du richtig schreibst, ein "Kontinuum" ist, welchen Sinn soll da das säuberliche scheiden machen? Zwischen rot und blau, grün und gelb usw. Zwischen "wir" und denen die anders sind. Ist nicht genau das die Wurzel der Probleme, die Menschen so miteinander haben?


    Die Verortung ("Coming Out") ist für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten schon wichtig, denn sie ist Voraussetzung für Selbstgestaltung. Ich bringe mal zwei Beispiele: Wenn jemand sich als "schwul" definiert, dann bedeutet das z.B.: "Ich bin nicht krank. Ich habe auch nicht sporadische gleichgeschlechtliche sexuelle Anfälle, sondern ich will emotionale Bindungen zu Männern aufbauen. Ich will eine Partnerschaft, vielleicht sogar eine Familie. Ich will ehrlich mir gegenüber sein, meinen Freunden, meiner Familie, meinen Arbeitskollegen. Mir ist klar, dass dies ein schwieriger Weg werden kann. Aber ich will diesen Weg gehen. Ich will ehrlich sein zu mir und anderen." Wie wichtig das ist, kannst Du z.B. an Menschen beobachten, die das Konzept dieser Identität nicht kennen. Schwule Geflüchtete erzählen mir, dass dies in ihrer Heimat völlig abwegig ist. Es gibt dafür keine Lebensentwürfe, noch nicht einmal einen Namen. Es wird eher wahrgenommen als eine krankhafte sexuelle Energie, die vielleicht etwas wie eine diffuse Bisexualität im Rahmen einer Ehe mit vielen Lügen ist. In so einer Situation müssen sie viele Dinge lernen: "Ich bin OK, wie ich bin. Ich kann meine Entscheidungen treffen und muss das Leben nicht von Unwerturteilen beeinflussen lassen."

    Ich bringe noch ein weiteres Beispiel. Die Wissenschaft nennt das, was transgender, nicht-binär, gender-fluid etc. zugrunde liegt "Geschlechtsdysphorie". Bis vor kurzem dachte die Wissenschaft, dass dies nur bei transgender vorkommt. Nun lernt die Wissenschaft, dass das nicht so ist. Das hat erhebliche Auswirkungen, denn bei der Diagnose "Geschlechtsdysphorie" ist dann die Geschlechtsangleichung (Transition) nicht die richtige Entscheidung. Was nun einem Menschen hilft und was nicht und sogar schädlich ist, müssen die Betroffenen sehr gut verstehen, sonst entscheiden sie sich z.B. für Operationen, die sie später bereuen. Das erfordert auch Stärke, denn sie müssen sich mit Psychologen auseinandersetzten, die das Phänomen teilweise nicht verstehen und ihnen ggf. widersprechen.

    Ich sehe die Verortung deswegen nicht als Problem, sofern sie auf Selbsterkenntnis und Selbstakzeptanz beruht. Und Du kannst auch davon ausgehen, dass die Betroffenen in diesem Prozess viel über sich lernen u.a. Selbstbild als internalisiertes Fremdbild ggf. um Familien- oder Gesellschaftserfahrungen zu entsprechen usw. Und jetzt gibt es noch was zu sagen. Sobald in der Community die Frage nach "Identität" und "Label" gestellt wurde, kam sofort die Gegenreaktion: "Wenn wir sowieso nicht in Schubladen passen, wieso schaffen wir uns neue?" Diese Position ist derjenigen, die sich "queer" nennen das oben beschriebene Vorhaben von sich weisen.

    Diese Diskussion tobt nun seit Jahrzehnten in der Community. Ich persönlich meine, dass beide Seiten gute Argumente für ihre Position nennen - also in beiden Positionen steckt Weisheit. Ich persönlich möchte sie deswegen aber nicht gegeneinander ausspielen. Beide haben ihre Berechtigung und sie müssen sich nicht widersprechen, wenn man z.B. eine Positionierung nicht als endgültig betrachtet, sondern bereit ist, sich diese Fragen immer wieder und wieder zu stellen.

    Es ist geht meiner Ansicht nicht um Abgrenzung, sondern der CSD hat andere Aussagen: Queere Menschen sind gerade nicht die "Anderen", sondern Söhne, Töchter, Onkel, Arbeitskollegen usw. Und wir sind auch keine "Besonderheiten", sondern eben eine Konsequenz der unendlichen Vielfalt, zu der alle(!) gehören. Wir sind doch nur "anders", weil die Gesellschaft in Polaritäten wie Mann - Frau oder heterosexuell - heterosexuell denkt. Natürlich gibt es auch die Polaritäten in der Realität, aber auch das Kontinuum dazwischen.

    Sudhana:

    Das wundert mich jetzt etwas, bei jemandem, der Zen als seine "Richtung" bezeichnet. Ist Zazen nicht die Übung des Weilens im Zeichenlosen? Und gibt es da Anfänger und Fortgeschrittene? Wenn du den Weg gehst, ist es weder nahe noch fern ...


    Ich habe von einer Samadhi-Praxis geschrieben, von der mir Buddhologen gesagt haben, dass sie jenseits der Jhanas liegen soll. Ich habe aber nur kurz gegoogelt und geschlossen, dass es eine stufenweise Praxis ist und wohl völlig außerhalb meiner bescheidenen Praxis liegt. Mir ist jetzt nicht klar, warum Du eine Verbindung zu Zazen ziehst. Kennst Du eine?

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    P.S.: Sorry, dass ich so lange geschrieben habe. Ich komme mir sehr oberlehrerhaft vor.

    Wenn eine Person in einem Retreatzentrum etwas ständig thematisiert, dann hat sie vielleicht ein Problem. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Du kannst helfen oder nicht. Wenn Du es nicht kannst, dann wäre vielleicht ein spezieller Retreat sinnvoll, wo Menschen sich in komplexen Findungsphasen damit beschäftigen. Das ist sinnvoll, denn diese Dinge sind schwierig und die Menschen oft verwundbar.

    Es gibt Möglichkeiten, den Menschen zu helfen. In einem Retreat saßen z.B. Männer auf der einen Seite und Frauen auf der anderen. Als eine nicht-binäre Person ratlos da stand, merkte das der Lehrer sofort und sagte, dass wir heute keine zwei Reihen machen sondern ein U - und alle, die sich nicht auf die Reihe setzen wollen, können die untere Seite wählen. Das war ein starkes Signal: "Du gehörst zu uns und wir sind bereit, die Regeln zu ändern". So etwas ändert dann alles und gab der Person die Möglichkeit, sich sicher und akzeptiert zu fühlen.

    Es ist auch möglich, dies Teil der Praxis werden zu lassen. Im Jodo Shu gibt es Rituale, die Männer und Frauen unterschiedlich ausführen: Die einen gehen mit dem linken Fuß zuerst und die anderen mit dem Rechten. Ein guter Lehrer oder Lehrerin macht das zur Praxis und fragt: Kannst Du im Moment wissen, als was Du Dich fühlst. Dann spüre es uns handle. Aus einem Konflikt wird dann eine Achtsamkeitsübung und letztendlich Akzeptanz des Bestehenden, um Wissen und geistige Freiheit bei inneren Konflikten zu erlangen.

    Zu dem Zitat des Lama bin ich ratlos. Meinte er das wirklich so? Sollten Buddhist*innen sich nicht des Urteils enthalten? Was ist denn schon "normal"? Ich halte das nicht für weise, weil es immer zu Diskriminierung führen kann. Als der Buddha mit Mönchen und Nonnen konfrontiert wurde, die wir heute wohl "transgender" nennen würden, hat er nicht geurteilt. Er hielt auch keinen Dharma Talk über "gutes Karma". Er hörte zu und entschied, dass sie in den Orden des Geschlechts wechseln dürfen, dem sie sich zugehörig fühlen.

    Wir haben alle unser Karma. Wichtig ist, wie wir es nutzen. Ich meine, dass andere Diskussionen ("Frauen sind in diesem Leben Frauen, weil sie schlechtes Karma haben", "Schwule sind schwul, weil sie in einem früheren Leben Ehebruch begangen haben") schädlich sind. Ja, es sind Positionen in manchen asiatischen Traditionen, aber sie führten leider zu Diskriminierung und Leid - und damit zu unserem Karma. Deswegen wäre ich da sehr vorsichtig.

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    Du stellst eine spannende Frage - und ich denke auch wie Du. Aber wird das kommen?

    Es gibt Gelehrte, die meinen, für den Buddha war Geschlecht und unsere Reaktion darauf eine grundlegende semiotische Kategorie (Nimitta). Überwinden können wir sie nur durch sehr fortgeschrittene Praxis (Animtta-Samadhi). Aber das ist so fortgeschritten, dass es außerhalb unserer Reichweite ist als einfache Praktizierende ist.

    Was können wir also tun? Ich meine, dass ein mittlerer Weg helfen kann. Es ist weise, diese Dinge über einen zu wissen. Man sollte seine Orientierung, Identifikation mit dem Geschlecht usw. kennen. Wir sollten sie als das erleben, was sie sind und keinesfalls leugnen, aber auch nicht an ihnen anhaften.

    Deine Vision gefällt mir auch gut, aber ich glaube nicht, dass ich sie erleben werden. Selbst unter Buddhist*innen ist das Thema "Buddhismus und Queerness" leider hin und wieder ein Triggerthema - von dem Rest der Gesellschaft will ich gar nicht sprechen. Also ja - vielleicht passiert das, aber in diesem Leben rechen ich nicht damit.

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    Das mit dem LBGuswusfetcpp kommt mir mittlerweile wie ein running gag vor - jedesmal, wenn ich irgendwo darauf stoße, sind da ein oder zwei neue Buchstaben hinzugekommen. Ich vermute, als nächstes ist BDSM fällig, das wird ja auch nicht von jedem so ganz vorbehaltlos akzeptiert. Da stellt sich mir allmählich die Frage, wo da Inklusion zu Exklusion wird ...


    Mal von meiner Belustigung abgesehen - ich finde es nicht okay, wenn man Menschen irgendwelche Labels verpasst. Wenn man die dann auch noch benutzt, um sie zu diskriminieren, ist das schon mal gar nicht in Ordnung. Durchaus ein berechtigter Grund, sich dagegen zur Wehr zu setzen, egal ob man nun selbst davon betroffen ist oder nicht. Ob man sich dazu selbst ein Label verpassen muss, ist allerdings eine andere Frage. Aber okay, soll jeder für sich beurteilen, ob er ein Etikett braucht. Anders gesagt: ob man auf Aus- und Abgrenzung damit reagiert, sich selbst aus- und abzugrenzen. Psychologisch sicher verständlich - aber sinnvoll? Geht es in unserer Übung nicht eher darum, u.a. Labels und Etiketten abzulegen; die, die man sich selbst und die, die man Anderen anheftet? Sich und Andere nicht damit zu identifizieren? Dachte ich jedenfalls ...


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    Für die meisten Betroffenen ist das "Label" nicht so was ne ne coole neue Jacke ("Ich bin jetzt Influencer"), sondern oft Ergebnis einer sehr langen und manchmal peinvoller Phase der Selbstakzeptanz. Es gibt z.B. viele Buddhist*innen, die nach Jahren Meditation und Reflektion ihrer Gedanken und Körperlichkeit z.B. zu der Erkenntnis gekommen sind, dass sie sich nicht als "Mann" oder "Frau" definieren können. Manche sind z.B. dazwischen, bei manchen wechselt es usw. Ich nehme das ernst und vermute, dass sie Dinge über ihren Körper, ihr Geschlecht und Sexualität gelernt haben, die ich so nie empfinden kann. Ich habe dafür Respekt.

    Oder denk an die Intersexuellen ("divers"). Im Kaiserreich gab es noch die Möglichkeit, dass man bei nicht-eindeutiger Geschlechtszugehörigkeit die Zuweisung später vornimmt. Später war das nicht der Fall. Ärzte (und Eltern) waren nach der Geburt ratlos - und dann wurde am Neugeborenen rumoperiert. Die Kinder verstarben überdurchschnittlich häufig. Manche Medizinhistoriker sagen, dass der Tod billigend in Kauf genommen wurde - ein düsteres Kapitel. Dass dies überhaupt thematisiert wird, liegt daran, dass diese Menschen durch den Buchstaben "I" sichtbar gemacht wurden. Und dann konnte der Gesetzgeber endlich durchsetzen, dass in manchen Fällen die Geschlechtszuweisung erst später erfolgt - oder nicht. Für die Betroffenen (und auch deren Eltern) ist das Wissen darum ein Segen. Und da hat die LGBT+ Bewegung dazu beigetragen, denn sie hat dadurch die Aufnahme des Buchstabens (LGBT -> LGBTI) Solidarität gezeigt. Ich sehe das als einen bewussten Akt der Menschlichkeit.

    Und dass diese Begriffe nun kommen liegt daran, dass es sie in unserer Kultur zumeist nicht gab. Selbst das Wort "Homosexualität" entstand im 19. Jahrhundert im angelsächsischen Raum. Im alten Indien kannte man immerhin 4 Geschlechter. Erst seit Kurzem akzeptiert diese Kultur, dass es zwischen den Polaritäten "Mann" und "Frau" noch mehr gibt. Aber unsere Sprache hat keine Wörter. Das gilt für viele Kulturen. Im arabischen Raum gibt es nur abwertende Begriffe. Schwule sind "Loti" (vom biblischen Lot - also Sodom und Gomorrha). Jetzt suchen sie nach nicht-diskriminierenden Begriffen (z.B. "Mithli").

    Am besten gefällt mir das Bild des Regenbogens. Er ist ein Kontinuum , auf dem sich Menschen verorten können. Vielleicht sind Bilder in diesen Dingen besser als Sprache. Aber wie so ist es, dass Sprache letztendlich nicht auf die Dinge verweisen kann. Aber wir können nun mal nicht darauf verzichten.

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    Naja, diese Jekami-Friede-Freude-Eierkuchen Mentalität treibt mitunter seltsame Blüten:


    Premiere für Olympia - Erstmals Transgender-Athletin an Olympischen Spielen - News - SRF


    Wenn man ein Thema nur auf dem Niveau von "Blüten" diskutiert, besteht die Gefahr, dass man die Lebenssituation der Betroffenen aus den Augen verliert. Wie viele Trans-Menschen sind Profisportler? Ich würde Dich bitten, doch mal die Lebenssituation der Betroffenen zu betrachten anstatt einzelne Aspekte herauszupicken.


    Für Transgender bedeutet die Transition in der Regel gesellschaftliche Stigmatisierung, Berufsverlust usw. Sie sind überdurchschnittlich Opfer von Drohungen und Gewalt. Jeder Trans-Mensch wird Dir von Drohungen berichten können ("Dich stech ich ab!") bis hin zu Gewalt. Eine mir bekannte Transfrau auf FFM wird ständig auf der Straße bedroht: "Dich steh ich ab!" Andere sind schon krankenhausreif geschlagen worden. Sprich: Sie gehen in die Stadt und müssen fürchten, dass sie am Abend im Krankenhaus landen. Eine andere aus dem doch ländlichen Oppenheim findet jede Woche eine Morddrohung in ihrem Briefkasten.

    Bzgl. der rechtlichen Situation ist es sehr traurig. Bis 2011 (also ca. 30 Jahre) waren die Hürden vor Änderung des Personenstandsregisters unmenschlich groß: komplette Operation, Zwangsscheidung & Zwangssterilisierung. Sprich: selbst zu entscheiden, ob und welche medizinischen Maßnahmen sie machen wollen, hat man ihnen nicht gestattet. Das Gesetz wurde vom Verfassungsgericht gekippt - und die Politik interessiert sich eigentlich nicht dafür, diesen Zustand zu beenden und eine vernünftige Lösung zu schaffen. Die meisten sagen, dass es für sie am einfachsten wären, wenn sie ihren Personenstand ändern, vielleicht eine Hormontherapier machen, vielleicht eine Operation.

    Buddhismus heißt, sich dem Leid zuzuwenden. Und irgendwann begreifen wir, dass es nun ein Leid gibt. Das Leiden ist aber immer konkret. Es erscheint mir nicht weise, es zu relativieren, weil etwas anderes irgendwie wichtiger erscheint. Im Endeffekt bedeutet das doch in den allermeisten Fällen, das man Menschen gegeneinander ausspielt und ihr Leiden trivialisiert - anstatt zu helfen. Dazu ist es aber notwendig, die Lebenssituationen der Menschen zu betrachten, anstatt sie auf irgendetwas, was man man auf Social Media liest, zu reduzieren. Das passiert aber leider derzeit sehr oft und ist ein Zeichen, wie vergiftet eine gesellschaftliche Debatte ist. Sehr komplexe Sachverhalte werden reduziert auf irgendetwas, was sich gut skandalisieren lässt. Und das ist leider eine sehr erfolgreiche Strategie, um Menschen in ihr Leid in den Hintergrund treten zu lassen. Und sie klappt, weil unser Geist leider immer versucht, dem Leiden zu entfliehen. Wir trivialisieren es, wir gucken nicht hin. Und das finde ich sehr schade.


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    Das Thema ist sehr umfangreich - wie auch der Buddhismus.

    In den Ordensregeln findest Du, wie der Buddha auf Mönche und Nonnen reagierte, die wir heute "transgender" nennen würden. Er hörte ihnen zu, urteilte nicht, sondern entschied einfach, dass sie in den Orden desjengen Geschlechts wechseln dürfen, dem sie sich zugehörig sahen. Viele Gelehrte der frühbuddhistischen Schriften sagen auch, dass sich der Buddha nie gegen Homosexualität ausgesprochen hat. Es ist aber eine Tatsache, dass der Buddhismus später sehr patriarchalisch wurde. Ob nun Tsongkapha oder Vasubandu und andere - immer mehr begannen Vorschriften zu machen, wer wann mit wem zu schlafen darf. Homosexualität wurde als Verstoß gegen das 3. Sila gesehen. Die Regeln wurden formuliert aus einer typisch männlichen Sichtweise. Ein Beispiel aus tibetischen Schriften: Der Mann darf in der Nacht (und nur dann) 5 Orgasmen mit seiner Frau haben. Was die Frau dazu sagt, wird nicht erwähnt. Auch Themen wie Kindesmissbrauch werden nicht behandelt.

    Da du speziell nach dem Thema "divers" fragst, möchte ich Dich auf eine Arbeit von Ven. Vimala hinweisen, die sich mit dem Thema Ordinationsverbot für Menschen auseinandersetzt, die nicht der geschlechtlichen Norm entsprechen: Through The Yellow Gate – Ordination of Gender-Nonconforming People in the Buddhist Vinaya, Ven. Vimala definiert sich selber als nicht binär und forscht zu buddhistischen Schriften in Pali und Sanskrit. Ihre Forschungsgebiet sind Parallen in diesen Texten. Ich finde das faszinierend, da es ein gemeinsames Forschungsprojekt u.a. mit der Uni HH ist und sie nicht nur übersetzt sondern auch Software schreibt, um den Kanon besser zu verstehen.

    Es gibt aber nicht "die" Sichtweise im Buddhismus. In Japan sieht es z.B. ganz anders aus. Kodo Nishimura ist ein nicht-binärer Priester der Jodo-Shu. Jodo-Shu ist bzgl. dieser Themen sehr sensibel und überlegt sich, wie z.B. Rituale, die sich bei Männern und Frauen unterscheiden, für nicht-binäre Menschen durchgeführt werden. Speziell im Amida-Buddhismus ist das alles kein Thema: Buddha Amida hilft allen, die sich an ihn wenden. Deswegen wurden im Amida-Buddhismus z.B. schon seit langem gleichgeschlechtliche Paare gesegnet.

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