Beiträge von Dharma Buddy im Thema „Soto-Zen: Kontemplation/analytische Vorgehensweisen beim Zazen?“

    Vielleicht kommt spontan eine Körperbewegung, eine Geste, eine Handlung, ein Laut. Gut, aber woher weiß der Meister, dass ich es nun so "durchdrungen" habe, dass er "zufrieden" sein kann und mir ein nächtes Koan gibt, weil dieses nun "abgeschlossen" ist? Das ist mir alles sehr rätselhaft...


    Genau diese Frage vielen wird in einigen Koans thematisiert, z.B. im Mumonkan, wo Joshu zwei Einsiedler prüft. Der eine "hat es", der andere nicht:

    Zitat

    Joshu ging zur Hütte eines Einsiedlers und fragte: "Hallo da? Hallo da?" Der Einsiedler stieß die Faust nach oben. Joshu sagte: "Zu flach ist das Wasser für ein Schiff zum ankern." Dann verließ er den Ort.

    Wiederum ging er zur Hütte eines Einsiedlers und fragte: "Hallo da? Hallo da?" Der Einsiedler stieß die Faust nach oben. Joshu sagte: "In Freiheit gibst du, in Freiheit nimmst du weg. In Freiheit tötest du, in Freiheit gibst du Leben." Und er machte eine tiefe Verbeugung.



    Lies Dir mal die Antwort von Joshu durch. Er sagte nicht "eine schöne Faust", sondern es geht um die große Sache von Leben und Tod. Und so ist bei einem Koan die "richtige Antwort" nicht wichtig, sondern ob Du eine Einsicht hattest, ob es Dich transformiert und sich vielleicht etwas in Deinem Leben ändert. Und wenn der Lehrende den Eindruck hat, dass Du die Lektion nicht gelernt hat sondern nur geknobelt hast, dann wird er oder sie die Antwort nicht akzeptieren. Und dann sitzt Du weiter dran, vielleicht 2 oder mehr Jahre. Aber irgendwann hast Du die Lösung - und Dein Geist und der des Lehrerenden verstehen dasselbe. Aber geht es nicht darum im Zen? Eine Übertragung ohne Worte. Buddha hebt eine Blume hoch und Mahakashyapa lächelt - das war die Transmission.

    Das ist natürlich sehr immer sehr individuell. Wenn der Lehrende kennt die Schülerin oder den Schüler - und wenn dieser Erfahrung hat und Fortschritte machte, kann der Lehrende eine "bessere" Antwort einfordern, also wie ein Trainer die Latte höher hängen. Das passiert schon: Du gehst auf ein Retreat, hast einen kleinen Durchbruch und Deine Antwort wird von einem anderen Lehrenden anerkannt. Aber Dein Hauptlehrer ist von derselben Antwort nicht überzeugt aus welchem Grund auch immer. Ein Interview ist ja nichts Statisches. Ein Lehrender kann und wird auch Deine Antwort in Frage stellen. Wie wirst Du dann in einer solchen Situation reagieren? Bist Du überzeugt? Was gibt Dir Sicherheit? Oder hast Du sie nicht? Zudem gibt es ja auch Kontrollfragen zu einem Koan. Und wenn der Lehrende meint, dass Du den Koan nicht durchdrungen hast, wird der Lehrende vielleicht weitere Kontrollfragen stellen.
    Es ist also wirklich nicht wie ein Test in der Schule - sondern es ist ein sehr intimes Verhältnis zwischen Lehrendem und Schülerin/Schüler.

    _()_

    Scheint mir, dass die Kwan Um Schule auch recht interessant ist - werde mir das mal gerne ansehen )

    Hyon Gak Sunim ist nicht mehr bei Kwan Um. Es ist sein eigenes Zentrum, da er eigene Vorstellungen wie er unterrichten will.

    Zitat

    Hier nochmal zu den Koan-Fragen:

    Man kann sie also auch während dem Zazen gem. dieser Schule stellen oder lieber in eigens, von der Zazen-Praxis, getrennten formalen Sitzungen?

    Falls Ersteres zutrifft, dann am besten vokal, subvokal oder non-vokal 'im Kopf' oder spielt das keine Rolle und nan kann es machen, wie es einem beliebt?


    Martine Batchelor, die 10 Jahre als Nonne in Korea gelebt hat und unter Kusan Sunim gelernt hat, meinte, das wichtigste an der Frage "Was ist das?" oder "Wer bin ich?" ist das Fragezeichen. Die Wahrheit im Zen ist jenseits der Worte, aber Du kannst auf Worte auch nicht ganz verzichten. Wohin führen Dich diese Worte? Was spürst Du, wenn Du Dir die Frage im Geist stellst? Stell sie im Geiste aber nicht in Deinem Kopf. Mach es vielleicht beim Ausatmen - sei Dir dem Atem bewusst. Das lenkt das Gewahrsein etwas weg vom Kopf. Auch das Hand-Mudra ist ja vor dem Bauch und bringt die Aufmerksamkeit in den Bereich. Die ganze Praxis, auch das Fragen, hat einen Bezug im ganzen Körper. Spüre den. Und auch das Gefühl des Nicht-Wissens wirst Du irgendwann im ganzen Körper spüren.

    Das mag sich jetzt sehr esoterisch anhören. Gerade deswegen ist ja ein Lehrer wie Hyon Gak Sunim so hilfreich - das macht Vieles einfacher.


    Zitat

    Ansonsten gibt es bei mir in der Stadt noch folgende Schule:

    Sanbo-Kyodan-Schule.

    Das ist wohl ein Mix zwischen Soto und Rinzai. Kennt diese Richtung zufällig Jemand von euch?


    Ich wohne nicht in Regenburg, aber ich habe beide Zentren besucht. Mach es doch auch so und gehe dahin, was Dir besser zusagt.

    Das Schöne am Zen Center in Regensburg ist, dass Du tägliche Praxis hast aber auch Retreats. Da lebst Du für eine Zeit mit anderen zusammen. Gemeinsam zu praktizieren ist sehr wichtig. Du hast ein ähnliches Programm wie in einem koreanischen Tempel. Du kannst nur selber wissen, ob Dur das zusagt und ob es Dich weiterbringt.

    _()_

    Aus einem Gespräch mit jemand von der Kwan Um Schule, habe ich den Eindruck gewonnen, dass es da einen offeneren, spielerischen Umgang mit Koans gibt. Während es mir im Rinzai eher als eine persönliche Sache ( bzw. Eine zwischen Schüler und Lehrer) - etwas auf dem man herumkaut und herumbrütet - gibt es da glaube ich die Instanz des Dharma-Gefechts ( Dharma Battle) wo man ( wie in den Situation im Koan selbst) aufeinander antwortet.

    Also viel dialogischer und extrovertierte. Ich weiß aber nicht, ob ich das richtig verstanden habe oder ob ich mich da irre.

    Ja, Seung Sahn machte öffentliche Dharma-Gefechte - es gibt ganze Bücher davon. Aber Koans sind bei Kwan Um immer eine persönliche Sache zwischen Dir und dem Lehrendem. Dharma-Gefechte sind jederzeit möglich. Zu Beginn des Koan-Interviews fragt der Lehrende immer, ob man eine Frage hat. Da kannst Du natürlich den Lehrenden testen: "Das Herz-Sutra sagt 'Form ist Lehrheit und Lehrheit Form' - was heißt das?" oder "Ist die Natur der Buddhas und die der fühlenden Wesen gleich oder verschieden?" Und dann muss der Lehrende eine Antwort geben. Ist das auch bei den Rinzai-Interviews möglich, den Lehrenden zu Beginn des Interviews herauszufordern? Wie ist die Form?


    Aber um auf den Ursprung des Threads zurückzukommen: Hyon Gak im Zen Zentrum Regensburg unterrichtet meines Wissens keine Koans. Aber reine Meditationsretreats sind auch eine schöne Sache. Und wie gesagt braucht man ja auch keine Koans, um "die große Frage" zu kultivieren. Koans helfen dabei, wenn man keine Antwort im Interview hat. Man weiß es eben nicht und ist perplex - und gerade dieses Gefühl ist kann hilfreich sein, die große Frage wieder zu finden. Und das ist viel wichtiger als die "richtige" Antwort eines Koans.


    _()_

    Es ist doch einfach so, dass die Jogye Schule aus der Seung Sahn stammt eben kein Soto-Zen ist. Schon die Jogye Schule ist ja wie gesagt ein Alamgam und Seung Sahn hat sich in seiner Kwan Um Schule noch davon wegbewegt und Elemente aus dem japanischen Rinzai aufgeonommen, die sich auch von der in Korea verbreiteten Koan Praxis entfernen.


    Der im Westen wohl bekannteste Lehrer des koreanischen Zen (Seon), Seung Sahn, adaptierte eine japanische Methode des Kôan(gong’an)-Studiums mit dokusan, privaten Einzelgesprächen, und dem Abarbeiten zahlreicher Kôan.

    Im koreanischen Zen gibt es meines Wissens die Unterscheidung zwischen "Soto" und "Rinzai" nicht. Das liegt daran, dass die Linien (zumindest nach Sicht des Chogye-Ordens) früher nach Korea kam als älter sind als Caodong / Linji - Linien. Ebenso ist wichtig, dass das koreanische Zen sehr früh einen Kompromiss gefunden hat. Man bezieht sich hier auf Chinul, der von "plötzlichem Erwachen und gradueller Kultivierung" gesprochen hat. Sprich: Man/frau braucht Beides. Chinul wollte aber auch etwas anderes und das war die Kultivierung von ethischen Werten. Chinul hat nie geglaubt (bzw. er wird immer heute so zitiert), dass ein Kensho nicht ausreicht, um Weisheit und Mitgefühl zu kultivieren. Es wird ein Weg benötigt, um Ethik zu kultivieren.

    Es wird gesagt, dass Seung Sahn keine Hwadu-Meditation unterrichtet. Das stimmt so nicht ganz. Es gibt Kwan Um-Praktizierende, die mit einem Hwadu arbeiten. Er selber praktizierte von dem, was ich gehört habe, mit einem Mantra und zwar dem großen Dharani. Er selber hatte seinen Durchbruch nach einem 100-Tage Retreat eben mit diesem Mantra. Mantras sind nach Ansicht vieler koreanischen Mönche und Nonnen etwas für Laien, da Hwadu-Meditation schon anspruchsvoll ist für Leute im Stress des Lebens. Wenn mit einem Mantra gearbeitet wird, ist die "große Frage" immer dabei - sie ist quasi der Motor. Beides gehört zusammen.

    Ich will aber noch etwas zu den Koans in der Linie von Seung Sahn sagen. Zuerst glaube ich, dass Koans im Chan/Son nicht so unüblich sind. Klar steht das Hwadu im Vordergrund und es gibt keine Rinzai-ähnlichen Curricula, aber sie kommen im monastischen Kontext vor. Immerhin gibt es ca. 1800 Koans und der Chogye-Orden veröffentlichte sie z.B. hier und hier. Seung Sahn das revolutioniert auf (mindestens) zwei Weisen: Erstens hat er Koans Laiinnen und Laien zugänglich gemacht und er hat die klassischen Antworten in einigen Fällen verworfen. Er fand es wichtig, dass sich seine Schülerinnen und Schüler mit Ethik auseinandersetzen - und so gab er andere Antworten. Das ist ja nicht so ungewöhnlich, da meines Wissens unterschiedliche Rinzai-Richtungen auch variieren, aber es gibt nach Aussagen der Dharmalehrenden schon Unterschiede zum Rinzai, das er ja in Japan kennenlernte.

    Und auch die Koans sind bei Seung Sahn nicht so im Zentrum wie im Rinzai-Zen. Klar kann man mit ihnen sitzen, oft tut man es aber nicht, sondern vertraut, dass die Lösung irgendwann erscheint, wenn der Geist klar ist und man den Koan "auspackt" wie ein Geschenk. Du hast ja vom Amalgam geschrieben - und das ist richtig - und nicht unüblich für koreanisches Zen. Seung Sahn wählte sich eine Vielzahl von Techniken z.B. Niederwerfungen aber auch Chanting. Die "große Frage" ist aber immer dabei.


    Ich persönlich meine, dass die Frage nach der "Ferne" oder "Nähe" etwas typisches Japanisches ist. Ein Mahayana-Forscher hat mir mal erzählt, dass im Chan das nie derart dominant war. Klar waren Übertragungslinie wichtig - was typisch in einer konfuzianistischen Gesellschaft ist - aber im Endeffekt haben die Mönche und Nonnen immer das gemacht, was sie selber für hilfreich fanden. Und diesen undogmatischen Zugang findest Du heute auch noch z.B. bei taiwanischen Dharma Drum. Da gibt es Caodong aber auch Hua Tou-Meditation ebenso wie engagierten Buddhismus und Pure Land. Ich will damit sagen, dass ein Nebeneinander zwischen Tradition und Innovation immer Chancen bietet.

    _()_

    Hallo Zrebna,


    im koreanischen Zen kultiviert man die Meditation zu einem Hwadu (jap. Wato oder chinesischen Hua Tou). Ein Hawdu ist in der Regel ein Teil eines Koans, z.B. "Mu" oder "Was ist das?" aber auch "Was bin ich?" Das Hua Tou hat eine sehr alte Geschichte im Chan und auch im koreanischen Son.

    Ich habe nicht so viel Erfahrung mit Kontemplation, aber ich glaube, dass die Meditation zu einem Hwadu etwas anders ist. Wenn Dir Dein Geist eine Antwort auf diese Frage gibt, dann verwirfst Du sie. Sie sag mag geistreich sein, weise - aber es nicht, was Du suchst. Das, was Du suchst, hat keinen Namen, keine Farbe, keine Form - aber es ist immer da und und uns so nahe, dass wir es ständig übersehen. Die Frage ist: Was ist das?

    Ein Hwadu ist ein ganz einfacher Meditationsgegenstand, wie auch der Atem oder ein Mantra. Der Meditationsgegenstand ist wie ein Anker, der verhindert, dass Du von Gedanken weggetrieben wirst. Der Unterschied ist, dass dieser Anker im Gegensatz zum Atem nicht-gegenständlich ist.


    Wenn Du mit einem Hwadu meditierst, wirst Du vieles erfahren. Du Beginn wird Dein Geist Dir Antworten geben, aber darauf kommt es nicht an. Höre tief in Dich rein, suche keine Antworten. Das Hwadu ist immer da, manchmal wirst Du es leichter entdecken. Manchmal ist ein Staunen vor dem Wunder der Welt. Wenn es nach draußen "richtest", ist die ganze Welt ein großes Wunder. Wenn Du z.B. ein Bild an der Wand siehst, fragst Du, was sich dahinter verbirgt, was da versteckt ist. Es ist wie als Du jung warst und alles geheimnisvoll und abenteuerlich war. Wenn Du das merkst, richte Dich Aufmerksamkeit auf Dich, dreh es einfach um. Und dann spürst Du ein ein großes Gefühl des Nicht-Wissens - so als ob Du etwas verloren hast und Du kannst es einfach nicht finden. Je stärker Deine Konzentration ist, desto tiefer wird dieses Gefühl. Wenn ein Gedanke kommt, dann wird der uninteressant. Es ist nicht was Du suchst. Aber was ist es? Es ist dann so, als ob alle Gedanken, Wahrnehmungen usw. wieder zu Dir zurückkommen. Das ist manchmal ein sehr "ungemütlicher" Zustand - eben verwirrend. Und in diesem Gefühl -Neugier, Staunen, nicht-Wissen, "Zweifel"- verweilst Du. Wenn die Konzentration tiefer wird, kannst Du auch in Samadhi fallen. Aber das ist nicht das Ziel - eher ein ausgeglichenes Verhältnis von Sati und Samadhi. Wenn der Lehrer oder die Lehrerin mitbekommt, dass Du ins Samadhi fällst, wird er das Fenster öffnen, denn Du sollst den Kontakt zur Welt nicht verlieren.

    Ich hoffe, ich habe die Grundzüge der Hwadu-Meditation einigermaßen erklärt - jedenfalls so, wie ich sie empfinde. Und jetzt würde mich interessieren, ob Kontemplation so ähnlich ist.

    _()_