Was aber ist das Selbst? Was bleibt, wenn alles Vergängliche, Zusammengesetzte nicht das Selbst ist? Nichts? Reiner, seelenloser Determinismus? Buddha, bzw. die Ordensältere Khemā antwortet folgendermaßen:
Zitat
Ebenso nun auch, großer König, ist jede Form, jedes Gefühl, jede Wahrnehmung, jede Gestaltung, jedes Bewußtsein, durch welche man den Vollendeten bezeichnen wollte, vom Vollendeten überwunden, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht worden, so daß sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können. Von der Bezeichnung durch Form, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltung, Bewußtsein erlöst ist der Vollendete tief, unermeßlich, unergründlich, gleichwie der große Ozean: Auferstehn, das trifft nicht zu; Nichtauferstehn, das trifft nicht zu; Auferstehn und Nichtauferstehn, das trifft nicht zu; Auferstehn so wenig wie Nichtauferstehn, das trifft nicht zu.
Samyutta Nikaya 44
Der Buddha selber antwortet auf eine ähnliche Frage:
Zitat 16. "Wenn der Geist eines Bhikkhu so befreit ist, Meister Gotama, wo erscheint er nach dem Tode wieder?"
"Der Ausdruck 'wiedererscheinen' ist nicht zutreffend, Vaccha."
"Erscheint er dann nicht wieder, Meister Gotama?"
"Der Ausdruck 'nicht wiedererscheinen' ist nicht zutreffend, Vaccha."
"Erscheint er dann sowohl wieder, als er auch nicht wiedererscheint, Meister Gotama?"
"Der Ausdruck 'sowohl wiedererscheinen, als auch nicht wiedererscheinen' ist nicht zutreffend, Vaccha."
"Erscheint er dann weder wieder, noch erscheint er nicht wieder, Meister Gotama?"
"Der Ausdruck 'weder wiedererscheinen, noch nicht wiedererscheinen' ist nicht zutreffend, Vaccha."
(M.72.)
Das ist unverständlich:
Zitat Berechtigterweise verursacht es Bestürzung in dir, Vaccha, berechtigterweise verursacht es Verwirrung in dir. Denn dieses Dhamma, Vaccha, ist tiefgründig, schwer zu sehen und schwer zu verstehen, friedvoll und erhaben, durch bloßes Nachdenken nicht zu erlangen, von den Weisen selbst zu erfahren.
Darüber nachzudenken führt also zu keinem Ergebnis und der Glaube an ein Selbst jenseits der khandha ist ebenso falsch wie der Glaube dass es kein Selbst gäbe. Sogar auf die logischen Widersprüche 'es gibt ein Selbst und gibt doch keines' oder 'weder gibt es ein Selbst noch gibt es keines' soll man sich nicht festlegen. Denn das alles ist...
Zitat ...ein Dickicht von Ansichten, eine Wildnis von Ansichten, eine Verzerrung von Ansichten, ein Wankelmut von Ansichten, eine Fessel von Ansichten. Sie ist von Dukkha umzingelt, von Verdruß, von Verzweiflung und Fieber, und sie führt nicht zur Ernüchterung, zur Lossagung, zum Aufhören, zum Frieden, zur höheren Geisteskraft, zur Erleuchtung, zu Nibbāna.
Ansichten über ein Selbst sind durch Nachdenken und durch Glauben entstanden und haben viel Uneinigkeit und Streit verursacht, innerhalb und außerhalb des Buddhismus. Da ist der Wunsch etwas Konkretes zu haben, etwas Dingliches oder wenigstens das Gegenteil, ein Nichts. Etwas anzustreben von dem man nichts wissen kann erscheint widersinnig. Kann man es denn erfahren? Dazu müsste es ja ein Selbst geben das es erfährt...
Die gegenwärtige Erfahrung ist jedenfalls dukkha und anicca, jeder erfährt Leiden oder Unzufriedenheit sowie die Vergänglichkeit. Der Weg hinaus ist nachvollziehbar und von konkreten Erfahrungen geprägt - das Glück liegt in der Loslösung, nicht im Begehren und Anhaften. Wer oder was ich bin weiß ich nicht, aber was ich nicht bin kann ich wissen, nämlich die khandha. Der Wunsch ohne khandha zu sein ist der Ewigkeitsglaube, der Wunsch ohne khandha nicht zu sein ist der Vernichtungsglaube. Fesseln von Ansichten die sich auf dem Weg zur Befreiung allmählich lockern.