Hallo Voyager ,
ich fürchte, den Buddhadharma auf ein "Bildungsprojekt" zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht - und wenn das so wäre, würde seine Übertragung in der Tat nicht funktionieren. Da verwechselt man den Finger mit dem Mond, auf den er weist. Das, was Du eine "tiefergehende 'seelische' Bemühung" nennst, ist schon erforderlich und sich wiederum darauf einzulassen, erfordert einen Vertrauensvorschuss, der grundsätzlich unter dem Vorbehalt seiner Erfüllung steht. Dieses 'Einlassen' wiederum führt zu einer tiefgreifenden Transformation; im Kontext des Bodhisattva-Weges über die Entwicklung der Paramitā. Weisheit (Prajñāparamitā) ist nur ein Aspekt davon, aber gestützt durch die Übung der anderen Paramitā führen sie zu einem zunehmend vertieften Verständnis dessen, was die Worte und Schriften übertragen; einer subjektiven Hermeneutik. Diese ist deutlich tiefergehend als die objektive Hermeneutik eines philologischen oder philosophischen Zugangs.
Auch weil ich eine solche Methode nicht in anderen Bildungsprozessen beobachten kann
Ich denke, wir alle sind mit solchen Methoden aufgewachsen, wo - etwa in der Schule - hochkomplexe Sachverhalte auf einfache, verständliche 'Geschichten' heruntergebrochen werden, die dem jeweiligen Fassungsvermögen gerecht werden. Man kann diese 'Geschichten' mit der Zeit gewachsenen intellektuellen Fähigkeiten anpassen - und mit den meisten (bzw. bei den meisten) ist dann irgendwann Schluss, wenn ihre Komplexitat unser Fassungsvermögen übersteigt. Oder unser Verständnis dieser Geschichten zu einer Nutzbarmachung ausreicht.
Du schreibst, jede Aussage entsteht bedingt!- nicht jede enteht oder entstand aber in Abhängigkeit von Nichtverstehen, das ist für mich innerhalb dieses Arguments ein entscheidender Punkt, also ein entscheidender Punkt in den Erklärungen Buddhas, der mich in meiner Auffassung bestärkt und auch die Absicht, die gesamte Bandbreite von wahnaft bis geistesklar oder auch erwacht ausschließlich den Worten/dem Sprechen wie auch den Denkakten und den Handlungen anerklären zu wollen.
Diese "gesamte Bandbreite" habe ich versucht, mit dem Dōgen-Zitat ("es gibt Menschen, die erlangen Erwachen über Erwachen und Menschen, die sich in der Irre verirren") anzudeuten. Das eine Extrem dieser Bandbreite ist bedingt durch Verstehen (da hast Du durchaus recht) und wenn diesem Verstehen in Worten und Handlungen Form gegeben wird, ist das nicht ohne weiteres und/oder für jeden verständlich. Das nonverbale und nonduale Verstehen, deren Ausdruck sie sind, muss nachvollzogen werden um diesen Ausdruck zu verstehen und ihn damit nachzuvollziehen. Das ist dann auch deren Funktion - es sind keine "Erklärungen" mehr, weil ihr Inhalt den Rahmen des durch Zeichen Kommunizierbaren übersteigt. Das heisst, er lässt sich mit "Worten/dem Sprechen wie auch den Denkakten" nicht allgemein verständlich ausdrücken / kommunizieren - sonst würde es ja genügen, ein gutes Buch zu lesen, um erleuchtet zu sein. Dazu bedarf es eines Verstehen-Könnens, das sich der Hörer oder Leser zunächst durch seine Übung ethischer, intellektueller und mentaler Transformation erwirbt. Das klassische 'dreifache Training' von Śı̄la, Prajñā und Samādhi. Intellektuelles Verstehen ist nur ein Drittel der Miete.
Kommunizierbarkeit erfordert eine soziale Konvention über den Bedeutungsgehalt von Zeichen - etwas, das wir hier nicht haben. Die soziale Konvention erfordert vergleichbare Erfahrungen, deren Ausdruck die Zeichen sind und die Erfahrung, um die es hier geht, ist zu selten, um sozial verhandelbar zu sein. Wenn es keine unmittelbare Erfahrung des Eintritts in das Nicht-Bedingte, Ungeborene gibt, kann ihr verbaler Ausdruck nur unverständlich sein. Allenfalls hat die Aussage für den Hörer appellative Funktion hinsichtlich Nachvollzugs der Erfahrung.