Beiträge von Bebop im Thema „Tenzin Palmo über Fleisch-essende (Laien), was haltet ihr davon?“

    Ich habe a) meine Kindheit auf einem Bauernhof verbracht, b) kenne ich modernere Massentierhaltung (die wir noch nicht hatten), c) kenne ich die ökologischen Auswirkungen, aber ... d) habe ich keine kognitive Dissonanz durch Fleischkonsum, ich bin also im Reinen mit mir, und warum das so ist - und bei anderen oft nicht so ist -, habe ich dargelegt. Ich würde sogar kurzum sagen: Wenn ich ein Tier töte, hat das keine Auswirkungen auf "mein" Karma oder das eines Tieres. Warum das so ist, habe ich ebenfalls bereits angedeutet, das ist letztlich eine wesentliche Erkenntnis auf dem Pfad, die man anderen nicht durch Erklärungen ersparen kann. Es hängt aber wesentlich damit zusammen, dass es eben keine kognitive Dissonanz bzw. keine Trennung zwischen mir und dem Lebewesen gibt.


    Das Kalama-Sutta ist nach der üblichen Lesart ja genau das, welches zum eigenen Überprüfen des Behaupteten auffordert. Und eben in diesem Prozess wurde für mich klar, was da an Wertvollem gesagt wurde und inwiefern dieses historisch bedingt Gesagte von dem heute aufgrund von bestimmten Überzeugungen Gesagte zu trennen ist. Da der Buddha z.B. eben gerade nicht den Konsum von Schweine-, Hühner-, Rindfleisch untersagte, also genau den Tieren, die in der Massentierhaltung diese Probleme verursachen, hat er also folglich NICHT vorausgesehen, was da einmal auf die Menschheit zukommen kann. Er hatte dieses Problem absolut nicht auf dem Radar. Ich kann mich darum auch nicht in diesen Fragen auf ihn berufen, denn offenbar hat er das gar nicht "gecheckt". Man könnte ihm freilich unterstellen, dass er - da er ja ein zölibatäres Mönchsleben als ideal ansah und damit die Dezimierung der Menschheit - im Grunde das Problem der Überbevölkerung frühzeitig bekämpft hätte. Allerdings dann auch wieder zu radikal, wenn nämlich alle Mönche geworden wären, gäbe es uns schon nicht mehr.


    In Fragen der auf alle Wesen ausgeweiteten Güte ist wie gesagt eine Übung möglich, in der ich dankbar für jedes Nahrungsmittel bin.


    Zu behaupten, dass etwas unethisch sei, weil es aus Genuss geschehe, ist - noch einmal - sehr wahrscheinlich ein Irrtum, den Lehrer zu verantworten haben, die die Messlatte von Ordinierten ihren Dharma-Vorträgen für Laien zugrunde legen und da auch ungenau sind. Wenn man die Sutten liest, ist da oft von einem Zusammenhang buddhistischer Praxis und Glücksgefühlen die Rede ( obwohl ja eigentlich streng genommen alle Sinnesgenüsse auf dem Prüfstand stehen). Der Buddhismus will also durchaus, dass seine Adepten sich wohlfühlen. Im Umkehrschluss dürften ja Vegetarier dann auch keine schmackhaften Pflanzengerichte mehr zubereiten. Das führt alles nur in die Verkopfung.

    In dem Metta-Sutta wird dazu aufgefordert, "wie eine Mutter ihr Kind mit dem eigenen Leben" Wesen zu schützen.


    Auch da steht nichts vom Fleischessen. Was da steht würde von dir erfordern, dein Leben für Tiere einzusetzen. Weder du noch Mönche tun dies. Damit ist aufgezeigt, dass die Interpretation solcher Suttas immer wieder vom Leser abhängt. Der pickt sich da raus, was ihm passt. Er macht erst eine "Light"-Version aus dem Gesagten, dann passt er es seiner eigenen Weltanschauung an. Denn Tatsache ist, dass ich genau die darin geforderte Güte auch als Fleischesser auf alle Wesen ausdehnen kann. Denn viel konkreter als das von jedem nachlesbare wird es nicht. Was also praktiziert werden kann, ist Wohlwollen gegenüber den Wesen. Und es ist völlig unnötig, ein Tier, das man isst, zu hassen oder Abneigung gegen es zu hegen, vielmehr ist Wohlwollen und Dankbarkeit auch gegenüber dem aufgetischten Fleisch nicht allzu schwer.


    Auch der Buddha hat - außer in den jataka - mit diesem Sutta nicht ernst gemacht, sonst wäre er nicht so alt geworden. Er hat sein Leben nicht für Tiere eingesetzt. Er hat also auch schon eine Light-Version darunter verstanden.


    Was die brahmavihara angeht, die sind im Visuddhi Magga erläutert, wo mehrfach von Mönchen die Rede ist. Aber selbst wenn das keine Rolle spielen soll, ist leicht zu verstehen, warum selbst Töten und Mitleid sich nicht ausschließen. Man stelle sich nur einen Freund vor, der nur noch Schmerzen hat, sterben will und einen um Assistenz bittet. Oder den Hund, den man einschläfern lässt. Damit ist gesagt, dass auch eine Übung von Güte usf. möglich ist, wenn man Fleisch isst. Allerdings ist sie kaum möglich, solange man da einen Dualismus konstruiert.


    Ach, und mir fällt doch noch was ein. Der Dalai Lama ist auch so einer, der aus gesundheitlichen Gründen (Gallenprobleme) Fleisch isst.

    Thomas, in deinen ganzen Ausführungen sehe ich nicht, dass man deshalb buddhistisch begründet auf Fleisch verzichten soll, sondern das ökologische Argument, dem ich ja im Großen und Ganzen schon zustimmte. Dieses Argument stammt aber nicht vom Buddha, denn damals herrschten andere Bedingungen.


    Das Hautpgelübde richtet sich also an Mönche. Wer es also eng auslegt, der kann sich dann beliebig auch andere Mönchsregeln zu eigen machen. Für Laien wurden die Regeln schon damals offenbar so formuliert, dass man da einen Ausweg fürs alltägliche Fleischessen ließ. Die Umdeutung findet also HEUTE statt. Hier die Regel übersetzt nach Muller:


    "Meine Schüler, wenn ihr selbst tötet, andere dazu anstiftet, an der Planung des Tötens teilhabt oder es lobt, wenn ihr Genuss empfindet beim Zuschauen oder durch magische Sprüche tötet, dann habt ihr die Ursachen des Tötens, die Bedingungen des Tötens, die Methode des Tötens, den Akt des Tötens, dies gilt auch für unabsichtliches Töten jeder (!) Lebensform. Bodhisattvas sollten eine fortwährende Haltung des MItempfindens entwickeln ... und geschickte Mittel, um alle fühlenden Wesen zu retten und zu beschützen. Eine parajika liegt vor, wenn ein Bodhisattva eine lebende Kreatur tötet und daran Freude hat."


    Klingt schon anders. Das ist die Messlatte für Mönche, wohlgemerkt, nicht für Laien. Bereits hier lässt sich erkennen, dass es ganz auf die Übersetzung ankommt, denn was Sudhana behauptet, steht dort nicht. Für mich gelten diese Regeln nicht, ich bin kein Mönch, ich schätze, dass dies auf die meisten hier zutrifft. Für mich gilt also bestenfalls die Laienversion, bei denen sogar Theravada-Mönche kein Problem mit dem Fleischgenuss haben.


    Aus der obigen Übersetzung lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass der Kauf oder Genuss der von anderen getöteten Tiere darunter zwingend zu fassen ist. Es wird aber zu geschickten Mittel der Tierrettung und des Tierschutzes aufgefordert. Wenn dies jemand auf Schlachtvieh bezöge, möchte ich von ihm wissen, wie sein geschicktes Mittel aussieht. Mit anderen Worten, er wird sehr wahrscheinlich keines haben, also an dieser Übung scheitern, denn er kann nicht alternativ alle Kühe, Schweine etc. aus allen Ställen retten, sondern er wird in diesem Bemühen (Vorsatz - "ich übe mich ..." usw.) immer nur eine kleine unbedeutende Teilmenge retten, vielleicht einen im See eingefrorenen Schwan oder so etwas. Etwas anderes kann bei vernünftiger Betrachtung auch damals nicht gemeint gewesen sein, dass "alle" ist also ein Ideal und heißt "möglichst viele" oder "bei jeder guten Gelegenheit". Wenn man es anders gemeint hätte, dann hätte dort einfach stehen können: Man befreie eingesperrte Tiere. Oder: Man kaufe kein Fleisch (spätestens im Nebengelübde hätte es so stehen können, denn schon damals wurde mit Fleisch gehandelt). Das steht da aber nicht. Aus dem Nebengelübde lässt sich also z.B. nicht mal klar ableiten, ob man nicht vielleicht Fleisch für einen Laien mitbringen (etwa sich schenken lassen) könnte.


    Weiter zu diesem Nebengelübde. Hier wird in Mullers Übersetzung ein klarer Zusammenhang behauptet, der ganz leicht falsifiziert werden kann. Das heißt, dieses Gelübde wird sich in der Praxis als unstimmig herausstellen:


    "(...) wann immer dich fühlende Wesen sehen, werden sie dich meiden. Darum (!) können Bodhisattvas kein Fleisch essen."


    Darauf ging ich schon ein, weil es ein Argument ist, dass gern in solchen Fäden auftaucht. Es stimmt nicht. Ich habe das bereits geschildert, Fleischesser können den besten Draht zu fühlenden Wesen haben. Der Buddha oder wer auch immer hat sich hier also getäuscht. Es ist nicht unsere Aufgabe, diese Täuschungen ständig zu wiederholen, das ist lächerlich.

    In der Argumentation mancher hier sehe ich, dass sie glauben, andere müssten allesamt gleich empfinden. Das verstehe ich nicht. Mir ist klar, dass ich häufig anders empfinde als andere. Demnach ist der Gedanke "Verzicht wird ALLEN guttun" absurd und widerspricht meiner Erfahrung mit anderen Menschen. Das ist eine reine Wunschvorstellung, mit der man die Empfindungen zahlreicher verschiedener Wesen mit der buddhistischen Lehre - so wie man sie versteht - in Einklang bringen will. Es wird Menschen geben, denen der Verzicht nicht gut tut, und da sind die Allergiker, die überzeugt sind, dass ihr fast ausschließlicher Fleischkonsum sie heilt, nur der Anfang. Es gibt ja auch Theravada-Asketen, die meinen, der Verzicht auf Sex würde bestimmt allen gut tun. Das lässt sich aber nicht verifizieren.


    Und wie man die Regeln versteht, ist auch so eine Sache.


    Im Zen haben sich die Bodhisattva-Gelübde aus dem Brahmanetzsutra durchgesetzt. Was auch immer man davon hält, diejenigen, die sich hier auf Dogmen beziehen, sollten zur Kenntnis nehmen, was hier auch schon in Abrede gestellt wurde: Bei der Übung des Vermeidens von Töten wird sogar unabsichtliches Töten erwähnt (T.1813.40:613a29)*. Soweit die Definition. Daraus wird schon klar, dass es unmöglich ist, NICHT zu töten. Ein Ausschluss aus der Sangha - also ein parajika-Vergehen (diese Regeln wurden ja zu Mönchen gesprochen, also streng genommen gar nicht zu den meisten Zennies, die sie annehmen) - findet allerdings nur statt, wenn beim Tötungsakt Vergnügen empfunden wird. Nicht beim Essen, sondern beim Töten wohlgemerkt. Ansonsten wird lediglich festgestellt, was als Töten gilt, wie es zu vermeiden sei und dass Mitempfinden zu üben sei.


    Es ist von daher kein Wunder, dass wahlweise auch auf Laiengelübde ausgewichen wird, zumal die meisten Zennies ja wie gesagt Laien sind, selbst wenn sie Bodhisattvagelübde annehmen. Hier gilt jedoch das Gleiche. Es handelt sich um Vorsätze. Wenn jemand Fleisch ist, dann tut er dies in unserer modernen Gesellschaft in aller Regel ohne das Gegenteil, also ohne jeden Vorsatz des Tötens. Aus diesem Grund wurde ja schon vom Buddha vor allem der Schlachter selbst bedauert, denn wie könnte der ohne Vorsatz töten? Allerdings wird man feststellen, wenn man Metzger oder Schlachter befragt, dass die Mehrheit selbst dieser Zunft kein wirkliches Vergnügen beim Töten zu empfinden scheint. Selbst von diesen verletzen also die meisten diese Regel letztendlich nicht so, dass sie "vollständig" verletzt wäre, also im Falle dass sie Mönche wären, zum Ausschluss führte (nur um die Relation zu verdeutlichen). Alle anderen übertreten diese Regel gar nicht. Eine Regel des Übens im Nicht-Essen von Fleisch existiert nicht.


    Das sind also Ableitungen, und die sind diskussionswürdig, und darum sind diese Diskussionen "endlos" und auch nicht durch Verweise auf die Schriftüberlieferung oder Tradition lösbar.


    * "this holds true even for the accidental killing" (Übers. von Prof. Muller)

    Wenn es den Kenianern so gut ginge wie uns, würden sie den gleichen Ausstoß haben. Die Illusion besteht ja darin, dass man meint, man könne den Entwicklungswillen der anderen zu genau dem Zustand, in dem sich die Erste Welt befindet, verhindern. Aber das Beispiel China zeigt, was trotz des Versuchs der Eindämmung von Vermehrung mit der Umwelt geschieht, wenn man schnell zu Wohlstand kommen will. D. h. Kenianer und Nepalesen sind nicht bescheidener oder anständiger, sondern nur auf dem Weg dorthin, wo wir sind. Unser Fleischverbrauch ist z.B. nur etwa 5,5 x so hoch wie der Kenias, und das, wenn ich mich nicht verrechnet habe, bei 40 x so hohem Bruttoinlandsprodukt. Der CO2-Ausstoß hat also noch ganz andere und erheblichere Gründe. Wenn ich diese Zahlen in ein Verhältnis setze, sieht es so aus, als schnitte Kenia im Schnitt - d.h. Erwartungshaltung des Ausstoßes gemäß BIP - schlechter ab.

    Hajobo, die Tatsache, dass jemand nur auf Flucht und Augen oder "Bisse" reagiert, zeigt mir nur, dass das Mitempfinden noch nicht über die illusionären Sinneswahrnehmungen hinausgeht. Deshalb sprach ich am Anfang auch von unzureichender Übung. Erst wenn man das Leiden der Pflanzen wahrnehmen kann, ändert sich diese Abwägung.


    Zitat

    Metta-Meditation zu üben

    (Thorsten)


    Siehe oben. Die Meditation ist flach, wenn sie nicht mehr als das Tierleid sieht.


    Das Problem ist, da wiederhole ich mich, die Überbevölkerung, also der Mensch. Demnach auf Probleme von Menschen zu verweisen, die sie durch ihre übermäßige Vermehrung verursachen, und damit zu begründen, dass diejenigen, die daran z.B. nicht teilhaben, indem sie sich nicht vermehren, auf Fleisch verzichten sollen, damit die sich übermäßig Vermehrenden besser versorgt sind, ist für mich absurd. Denn diese Überbevölkerung verursacht ja zig andere Probleme, die weit über den Fleischkonsum hinausgehen, ist also die Wurzel eines größeren Übels. Glücklicherweise sieht es so aus, dass diese Entwicklung sich einem Ende nähert. Gleichzeitig wird ja an künstlichem Fleischersatz gearbeitet.


    Für die gegenwärtige Realität ist für mich das ökologische Argument das treffendste. Mit "Anstrengung" und dergleichen hat das aber wenig zu tun, denn die meisten Vegetarier kaufen sich ihr Zeug auch irgendwo ein und stellen es nicht selbst her. Der Vegetarier oder Metta-Meditierende (die Frage ist ja überhaupt, was damit gemeint ist) strengt sich nicht per se mehr an als andere Praktizierende. Eine Gemüsepfanne mache ich mir genauso schnell wie ein Fleischgericht.


    Die Aussagen von Sudhana sind nur ein altes Dogma und damit ein Zirkelschluss. Er beginnt mit der Festlegung, wer sich wann als Buddhist bezeichnen könne, die willkürlich ist (in Thailand können Buddhisten z.B. bei Reuetreffen einfach die Rezitation der sila auslassen, die sie nicht einhielten, und bleiben Teil der Laiensangha). Danach werden dann verschiedene Übungen als voneinander abhängig bezeichnet, die es nicht sind. Im Zen gehen Weisheit und Versenkung Hand in Hand, und daraus ergibt sich ein Handeln, nicht jedoch aus einer Übung von Regeln die Weisheit (wie man an vielen Beispielen sieht) und auch nicht Versenkung. Während man sich hingegen versenkt, kann man schlecht sila üben, weil es gar keine Herausforderung gibt, eine Regel zu verletzen (man sitzt ja z.B. in Zazen). Das sind weder gleichzeitige noch gleichrangige Übungen.

    Aber das hatte ich doch schon anfangs gesagt: Ich habe den fleischlosen Weg selbst praktiziert und verworfen. Da bin ich nicht der einzige. Und ich habe einige der damit verbundenen Erkenntisse aufgeführt. Die Argumentation, die ahimsa in den Mittelpunkt stellt und nicht die Leere (shunyata), befindet sich auf der Ebene der relativen Wahrheit, um es mit Mahayana-Termini zu beschreiben. Man sagt dann also, dass ein "geschicktes Mittel" (ich bilde mir ein, Leiden eines Tieres zu verringern, indem ich kein Fleisch esse) das Hauptmotiv des Handelns ist. Dagegen setze ich ein Handeln auf der Grundlage einer "absoluten Wahrheit" - ich benutze diese Begriffe nur behelfsweise, denn man sollte mit der Vorstellung solcher Wahrheiten natürlich vorsichtig sein. Hier ist wesentlich, dass ich das Einssein von allem in seiner Leer-haftigkeit erkannt habe und deshalb weiß, dass ich zwar Leid HIER verhindern kann, aber immer auch DORT erzeuge (indem ich etwas anderes esse als das "Verschonte"). Von daher KANN ich zwar vegetarisch oder vegan leben, MUSS es aber nicht, denn die Ebene relativer Erkenntnis im Sinne einer dualistischen Abwägung kann ich nun auch verlassen und von einer umfassenderen Sicht auf das Leben blicken.


    Um es noch anders zu formulieren: Es gibt keine Möglichkeit für mich, mich nicht "schuldig" zu machen, wenn ich überleben will. Lediglich ein eigens dafür geschaffenes Gedankenkonstrukt, das z.B. eine Wertung einschließt, Tiere mit Augen hätten einen höheren individuellen Lebenswert und ihr Schutz sei damit ethisch wertvoller, macht es möglich, dass ich wie Palmo oder TNH gewisse Schlüsse ziehe. Dabei wird übersehen, dass es in der buddhistischen Praxis ganz wesentlich darum geht - jedenfalls im Zen und in anderen Mahayana-Richtungen - diese wertenden Gedankengebäude zu durchschauen und aufzulösen.

    Zitat

    Um herauszufinden, ob etwas dran ist, gibt es nur einen Weg, man muß es praktizieren.


    Das ist ja genau das Problem. "Praktizieren", ein sehr dehnbarer Begriff. Jedenfalls kann man eben auch dann, wenn man etwas macht, zu gegenteiligen Schlüssen kommen wie andere, die es machen. Es gibt eben nicht den einen Weg, um zu bestimmten Erkenntnissen zu gelangen. So wie der achtfache Pfad nicht zwingend zu einem bestimmten Ergebnis führt (Erwachen), so kann auch praktizierter Vegetarismus dazu führen, dass man ihn wieder sein lässt. Das Praktizieren ist nicht dazu da, einen Zirkelschluss zu begünstigen oder nur wishful thinking, also genau das zu bestätigen, was man anfangs erwartete. Sondern es soll die Möglichkeit bieten, das Angenommene ggf. auch falsifizieren zu können, also für sich zu widerlegen. Das sollte offen bleiben, so wie bei guter Wissenschaft.

    Mr. Gaga, zu deiner Frage, warum so viele Buddhisten das so handhaben und auf Fleisch verzichten. Ein Argument wurde hier schon ins Spiel gebracht, nämlich ahimsa, die Vorstellung, dass ein Buddhist sich im Vermeiden von Gewalt üben soll, wozu man die ganze Kette zählen kann, die man als Konsument von Fleisch auslöst. Hier lässt sich also das Motiv auf den Übenden zurückführen. Manche glauben einfach, es würde ihrem Karma schaden, also Folgen in dieser oder weiteren Existenzen haben, manche glauben, es würde ihrem Erwachen im Weg stehen.


    Bei den genannten Lehrern, die zweifellos populär sind, lässt sich sehr gut zeigen, dass sie populistisch vorgingen. TNH hat einen Haufen Bücher in der ganzen Welt vertreiben lassen, in denen er versucht hat, Buddhismus möglichst einfach und verständlich auf einer Gefühlsebene Menschen zu vermitteln, die ein gewisses Unbehagen am modernen Leben empfinden (TV, Fleischkonsum, Umweltzerstörung). Schau dir nur mal seine Buchtitel an, dann erkennst du die Marketingstrategie. TNH beruft sich vor allem aufs Lankavatarasutra, wenn er gegen Fleichkonsum argumentiert. Es gibt jedoch auch andere Aussagen in anderen Sutren, d. h. er trifft einfach eine Auswahl, die man nicht teilen muss. Buddhologisch lässt er sich also widerlegen. Er ist eben einfach jemand mit einer Meinung unter vielen, so wie du und ich.


    Ich komme ja vom Zen, und da war es stets üblich, dass man um den Dharma rang und auch kräftig gegen andere Lehrer austeilte. Wenn TNH da ggf. einen anderen Eindruck erweckt, dann eben auch, weil er nur einen Teil der Tradition gut kannte oder für sich annahm.


    Nun zu den von mir beispielhaft oben genannten Motiven, es gibt natürlich viel mehr, wie dieser Thread zeigte. Meine Hauptkritik besteht darin, dass TNH und andere nicht ernst machten mit der Erkenntnis universeller Leere bei gleichzeitiger Erfahrung eines Einsseins, was ich als wesentliches Kriterium eines Erwachens ansehe. Ihre Argumentation ist im Grunde die jedes gewöhnlichen Übenden und fällt deshalb auch auf so breiten fruchtbaren Boden bei den Zuhörern. Das wäre also ein Anbiedern, wenn Palmo und TNH tatsächlich woanders anzusiedeln wären (was sie in meinen Augen aber nicht sind, sie kennen diese andere Ebene offenbar nicht hinreichend). Ich muss jetzt wohl etwas vorsichtig sein, auch wenn wir hier im Praxis-Forum sind, nicht in einem schulspezifischen, sonst gehörte das wohl in die Kritik-Rubrik.


    Wenn du erwachst, ist das Tier für dich befreit. Wenn du das Tier töten lässt oder selbst tötest, ist da kein Anhaften oder Abwerten des Tieres, es ist lediglich eine Entscheidung für ein Nahrungsmittel auf der gleichen Ebene wie wenn du dich für ein anderes entscheidest und einen Salatkopf abtrennst und dir einführst. Kannst du das nicht, musst du so argumentieren wie TNH und Palmo, denn wenn sie es könnten, warum würden sie ihren Zuhörern diese Ebene des erwachten Daseins vorenthalten? Sie wurde von zig Meistern beschrieben, warum also von ihnen nicht? Mit anderen Worten, du erzeugst weder Karma noch steht dir das Essen von Fleisch (oder Salat) im Weg noch sonstiges. Es steht dir jedoch im Weg auf dieser dualistischen Ebene, wo TNH und Palmo argumentieren. Das ist noch die Ebene des achtfachen Pfades, wo man dies und das soundso tun soll, um da und da hinzukommen. Was aber, wenn du schon da bist oder anders dahinkamst? Wie könnte es dir möglich sein, auf dieser gewöhnlichen Ebene über das Essen zu denken?


    Diese Lehrer gemahnen also an eine Übungspraxis, die sie selbst, wenn sie meisterlich wären, nicht mehr nötig hätten, weil sie stets über die Erfahrung der Leere das manifestieren (und lehren) könnten, was dieser "letzten Wahrheit" entspricht. Zwar könnten sie sagen: ICH esse kein Fleisch mehr. Aber sie könnten nicht lehren: DU solltest kein Fleisch mehr essen, weil ... Da ist der Unterschied. Das müssten sie begriffen haben. Sie müssten verstehen, dass ihr eigenes Karma und das anderer in letzter Instanz nicht davon abhängt, ob diese Fleisch essen oder Tiere töten, sondern ob sie Leere erkannt haben und manifestieren können. Dieser letztere Aspekt wird dann manchmal mit kosmischem Einssein wiedergegeben, d.h. auch ein Einssein mit allem, was auf der dualistischen Ebene abgewertet wird (Verfall, Tod, die Schattenseiten des eigenen Daseins). Gegen diese Dinge haben TNH und Palmo noch Abneigungen, da ungefähr sind sie in ihrer Übung steckengeblieben, und das passiert häufig.


    In meiner Argumentation besteht nun der Fehler darin zu behaupten, dass man - so man diesen erwachten Zustand in dieser Form für möglich und erstrebenswert hält - über den achtfachen Pfad usw. hinkommt, dass es also doch am Ende richtig sei, Übenden es so zu verklickern. Denn man kann ja nun gerade im Umkehrschluss, so meine Argumentation, am Weg von TNH und Palmo erkennen, dass sie SO nicht dorthin gelangt sind (und nochmal, dass ist meine Art, um den rechten Dharma zu ringen, mit dem Finger frech auf die zu deuten, die als Erwachte gelten und es nicht sind/waren, und dies aus der Tradition heraus zu begründen). Dieses Argument zieht also auch nicht. Das ist kein "geschicktes Mittel" - was aus der Sicht des Erwachtseins dann alle Konzepte werden, der achtfache Pfad, die Karmalehre usw. - sondern die tatsächliche Überzeugung dieser Lehrer. Wenn man genau hinschaut, erkennt man bei anderen Lehrern der Tradition, wie das aussieht, wenn mit den geschickten Mitteln gespielt wird und diese durchschaut sind, man sich nicht mehr auf sie stützt (die Koan-Schulung hat diesen Zweck, da bleibt nichts übrig an Konstrukten). Aber das sind m.E. nur relativ wenige.

    Zitat

    Allein schon Fleischkonsum reduzieren, verringert Leid -


    Nein, denn "Leid" ist nicht quantifizierbar, wenn man "Mitgefühl praktiziert". Dann nämlich fühlt man mit allem, was lebt, und macht sich keine Illusionen mehr über dieses Leidvermindern durch Fleischverzicht - weil man ja anderswo Leid schafft, da man sich von Lebendigem ernähren muss. Es soll auch noch einmal klar gesagt werden, dass so selbst der Buddha der Überlieferung nicht argumentiert hat, sondern der schloss nur bestimmte Fleischarten für Mönche aus, wohl aus kulturellen Erwägungen. Das sind eher romantische Vorstellungen der Moderne. Gerade in buddhistischen Ländern wird neben einer hohen Toleranz gegenüber Tieren auch mächtig Fleisch inkl. Fisch konsumiert.


    Was Leiden ist, wurde doch vom Buddha klar definiert, und auch, wie es zu überwinden ist. Da gibt es keine Chance für Tiere. Dieser Weg steht ihnen nicht offen. Es bleibt aber die Frage, ob sie unter dem überhaupt leiden, wofür der Buddha einen Ausweg zeigte. Ich glaube nicht. Insofern werden hier Kategorien durcheinandergeworfen.

    Das eigentlich Groteske an der Diskussion ist ja, dass viele der Fleischverzichter sich als Tierfreunde verstehen und gerne selbst Haustiere halten. Also auch welche, die man gar nicht unbedingt bräuchte. Hund, Katze und auch manche Vögel werden dann mit Fleischabfällen, dem entsprechenden Futter, das daraus besteht, Mehlwürmern usf. ernährt. Die Besitzer der Haustiere kaufen die Nahrung aus Tierprodukten ein, verzichten aber selbst darauf, Fleisch zu essen. Am Ende haben sie allerdings womöglich mehr Tierleben auf dem Gewissen als jemand, der ein-, zwei Mal die Woche selbst Fleisch isst und sich keine solche Haustiere hält.

    Damasio sagt was dazu, hier, suche nach "An organism can possess ...": Es ist unklar, ob sich das jemals auf eine Maschine übertragen lässt oder wir überhaupt Maschinen mit Gefühlen wollen. Anderswo nennt er Gefühle unbewusste neurale Reaktionen auf neurales Geschehen im Hirn.


    Unterschieden wird wohl zunächst in Emotionen, die bioregulatorische Reaktionen sind, um den Körper auf anpassendes Verhalten einzustimmen. Gefühle sind dann die gedanklichen Repräsentationen der körperlichen Veränderungen, die während der Emotion eintreten. Emotionen werden Tieren zugestanden, wie es mit Gefühlen aussieht, ist umstritten (Damasio hält sie für möglich). Bei Tieren, die uns anschauen, haben wir ja schon mal das "Gefühl", ihre Gefühle verletzt zu haben, zum Beispiel wenn wir einem Hund auf die Pfote traten ...

    Nuk:

    Zitat

    Du denkst (was aus Sicht eines momentan Lebenden betrachtet wird), dass tot-sein ein unangenehmer Zustand waere


    Nein, ich denke der Tod ist die Abwesenheit von Leben, damit auch aller Charakteristika wie "unangenehm". Buddhistisch gesprochen ist bestenfalls als "ewiger" Tathagatagarbha etwas anzunehmen, was keinesfalls mit unangenehm in Verbindung gebracht werden kann, wenn ich die dafür verwendeten Worte Glückseligkeit, Ewigkeit und Reinheit lese, die in entsprechenden Sutren verwendet werden.


    Hier ist dann eher wichtig, dass ich selbst (in der Praxis) zwar auch von solchen Ideen frei sein möchte, aber im Zweifel (in der Theorie) nicht auf die Welten des Palikanons abhebe, sondern auf die Tatsache, dass ein Tier, das nicht in der Lage ist, gedanklich wie wir zu leiden, und auch nicht in der Lage ist - weil dafür gar keine Notwendigkeit besteht - zu erwachen, diese Buddha-Natur besitzt und damit auch durch Töten nicht aus diesem Tathagatagarbha herausfällt. Das Tier kommt als sich manifestierende Buddha-Natur oder sich manifestierendes Tao auf die Welt und tritt auch als solches ab. Im Gegensatz kann es das aber nicht nur nicht wissen, es muss es überhaupt nicht wissen.


    Priya:

    Zitat

    Warum nicht auch Menschen züchten (...)


    Nicht abwegig, wenn man sich vorstellt, wir könnten von Aliens dominiert werden, denen wir nicht gewachsen sind und die uns gern essen. Wir haben noch Glück, an der Spitze einer Evolution auf dieser Erde zu stehen.

    Zitat

    Es geht darum: ist der eigene Sinnesgenuss wichtiger als das Leben eines anderen Lebewesen? - eigentlich eine rhetorische Frage.


    Für mich keine rhetorische Frage, die Antwort lautet in Bezug auf Schlachttiere für mich: Ja, wenn das Leben nur entstand und durchgefüttert wurde, WEIL es in einem Kochtopf enden soll. Nur darum existieren diese Tiere. Wenn einem der Sinnesgenuss (oder in Einzelfällen die Gesundheit) nicht wichtig ist, gibt es diese Tiere nicht. Wenn der eigene Sinnesgenuss ein Leben in die Welt bringt, jemand sich um dieses Leben anständig kümmert, dann ist das nicht schlechter als KEIN Leben in die Welt zu bringen, und es wird auch nicht dadurch abwegig, dass dieses Leben am Ende noch einen Zweck erfüllt. Würde ich im alten Buddhismus argumentieren, hat gerade ein so erzeugtes Leben die Chance auf Aufstieg per Wiedergeburt. Bei KEINEM Leben ist das schon schwieriger.


    Zitat

    man benötigt keine Tierprodukte um gesund zu leben


    Da verweise ich auf Herrn Professor Jordan Peterson und Tochter (beide essen vorwiegend Rindfleisch, um ihrer Allergien Herr zu werden). Diese Aussage ist nicht richtig. Die Menschen, die mit am längsten leben, essen zum Teil nichts Tierisches, zum Teil aber auch viel Fisch, wie auf Okinawa. Und der kommt nicht aus dem Stall, sondern in der Regel aus dem Meer. Also selbst das Töten dieser gar nicht eigens erzeugten Tiere nutzt der menschlichen Gesundheit. Ich habe einen Fischfreund, einen alten halbblinden Karpfen, der es in einem winzigen Quadrat vor einem Hotel seit Jahren schafft zu überleben und der sich immer zu freuen scheint, wenn ich komme. Nichtsdestotrotz stehen hier auch etliche Dosen mit Sardinen und Makrelen, und wenn ich mir den Lachs leisten könnte, würd ich den kiloweise essen, denn damit hab ich vor Dekaden meine erste erfolgreiche Diät geschafft.


    Zitat

    dass Leid bei der Auswahl des Essens komplett zu vermeiden.


    Wie gesagt, dass kann nur einer sagen, den das Leid von Pflanzen offenbar nicht so schert wie das anderer Lebewesen, oder der da eben eine andere Abwägung trifft als ich. Das Gleichgewicht der Bakterien in meinem Darm ist für mich viel wichtiger als ob irgendwo ein Huhn für mich geschlachtet wird (und dazu tragen übrigens auch Lactobazillen in Joghurts bei, wieder ein Produkt aus dem Stall). Und wie Ellviral schon sagte, ist die Existenz von Pflanzen für uns ebenfalls entscheidender als die von Tieren. Eine Abwertung von pflanzlichem Leben macht daher für mich keinen Sinn. Und irgendetwas wird der Veganer schon essen.


    Wenn man Leiden schon nicht als Schmerz definiert, wie es Sudhana tat, wo soll dann das Leiden einer Kuh sein, der man ein Bolzenschussgerät an die Stirn hält und abdrückt? Bevor die das rafft, rafft sie schon gar nix mehr, das ist sogar bei Menschen offensichtlich so und gilt deshalb als eine der schmerzfreiesten (weil schnellen) Arten abzutreten. Da ist ein kurzer Schmerz und fertig. Den kann man nicht mal mit einer einstündigen Migräne vergleichen.

    Es gab da in Sudhanas Beitrag noch einen anderen Aspekt. Kürzlich sah ich ein Video von Muho aus dem Antaiji. Er versuchte einer Fragestellerin zu erklären, dass sie eigentlich gar nicht in den Zustand kommen wolle, nach dem sie sich erkundigt hatte: Etwas, das nicht schmeckt, ohne Widerwillen essen zu können. Ob das denn möglich sei? Muho schloss damit, ja, aber da müsse man immer wieder "aufs Kissen zurückkommen".


    Ich war etwas konsterniert. Der Beitrag gefiel mir, weil er mal Klartext redete. Aber jeder, der Eltern hatte, die nicht kochen konnte, oder der sich aus Armut das Essen nicht aussuchen konnte, der kann so etwas - ohne je meditiert zu haben. Das eine ist - um ein Bild zu gebrauchen - die Andeutung einer Notwendigkeit von Psychoanalyse, das andere, was hier völlig ausreicht, ist Verhaltenstherapie. Man kann das regelmäßig im Dschungelcamp sehen, wenn die so genannte Stinkfrucht getrunken werden soll. Was wird das immer eklig vorbereitet, aber wenn dann getrunken wird, verziehen einige keine Miene - weil diese Frucht, die Durian, den meisten Menschen trotz ihres Geruches eben schmeckt.


    Wofür man also keine Analyse oder tiefe buddhistische Erkenntnis braucht, sondern nur ein Verhaltenstraining, ist z.B., nicht nur das zu tun, was einem passt oder schmeckt. Wer jedoch die Wahl hat und immer das wählt, was ihm nicht schmeckt, der hat wahrscheinlich einen an der Erbse. Deshalb verstand ich auch weiter oben "zum Marktplatz zurückkehren" als "Normalsein mit vertiefter Erkenntnis (Wahlmöglichkeit)", nicht aber als Askese. Deshalb ist "Fleisch schmeckt mir" eine gültige Kategorie nach der Rückkehr auf den Marktplatz, aber auch: "Ich muss das nicht haben, ich bin frei davon."


    In dieser Analyse kommt man dann auch - im Gegensatz zum Befolgen einer formulierten Ethik - darauf, dass es eben nicht schwerwiegender ist, mich zu vergiften als ein Magenbakterium. Diese Sicht ist lediglich ein Hilfsmittel und auf der Ebene der upaya anzusiedeln. Strafrechtlich muss das so sein, ja, aber es kann nicht der Endpunkt der Erkenntnis sein, denn wenn Leere erfahren wird, dann besteht zwischen diesem Bakterium und mir kein Unterschied mehr. (Das soll keine Einladung sein ...) Auch der Schmerz, den ich stärker erleben könnte als das Bakterium, ist keine letzte relevante Größe von diesem Aktionspunkt aus, denn er ist ja ebenfalls leer. Dass es für mich oder den Täter einen Unterschied machen kann, ist etwas anderes, aber nicht das, was die Übung, die ich meine, erreichen will. Wie kann man sich denn vorstellen, dass die Erleuchtungserfahrungen, die überliefert sind, kurz vielleicht ein universelles Einssein, damit wiedergegeben werden, dass ein Mensch oder Hausschwein am Ende doch mehr Lebensrecht hätte als ein Bakterium?


    Diese Ansichten stammen aus einem ständigen Rückgriff auf den Palikanon. Zugrunde liegt etwa das häufiger wiederholte seltene Glück, die Gnade, die mit der Menschengeburt verbunden sein soll. Auch im Moralkodex werden Unterschiede zwischen Mensch und Tier gemacht. Das ist m.E. mit dem Zen überwunden worden, es sei denn, man kommt nicht ohne das aus (wie z.B. Dogen und darum auch die Antaiji-Tradition). Da kommt es dann zu einem Tunnelblick. Weil da draußen Leute sind, die nicht mal das essen können, was ihnen nicht schmeckt, wird aufs Sitzkissen verwiesen.

    Ein entweder oder gibt es da nicht, man kann sowohl aus gesundheitlichen Gründen Fleisch essen als auch weil es einem schmeckt. Der Buddhismus, der einem ein Leben austreiben will, in dem Platz für Sinnesgenüsse ist, darf als gescheitert gelten, spätestens seit die Hirnforschung bei Meditierenden in den Arealen Anregung fand, die fürs Wohlsein zuständig sind und eben durch die Meditation befördert werden. Das es da an Übung fehlt heißt, die Person weigert sich einzusehen, dass sie selbst aus Genussgründen z.B. Nonne ist, sich zurückzieht usf., weil ihr das besser tut als sich z.B. mit anderen herumzuschlagen.


    Eine Beliebigkeit sehe ich auch nicht, die Tiere, die fürs Essen gezüchtet werden, sind ja leicht definiert, und wer diese Tierhaltung nicht will, findet auch andere oder muss ggf. selbst Tiere erlegen, die allerdings auch kaum noch ausreichen dürften, wenn das Standard wird.


    Diese Definitionen von Schmerz sind ja nicht die des Buddhas, sie sind gewissermaßen eine Kritik an Buddha. Denn genau dieser Schmerz kann ja mit der buddhistischen Übung nicht getilgt werden, weswegen es zwei Möglichkeiten gibt: der Buddha hat sich getäuscht oder gar nicht von diesem Schmerz geredet. Es geht hier also gerade um einen Schmerz, den ich auch dem Menschen zufügen kann, weil seine Nerven dafür empfänglich sind. Die buddhistische Lehre hat m.E. nur gelehrt, wie man damit umgeht - und das kann man diesen Tieren nicht auf diese Weise beibringen. Demzufolge kann die Kategorie eines Buddhisten nicht ein Schmerz sein, der nicht zu ändern ist. Dafür ist er nicht zuständig. Genau wie er den Schmerzexperten fragt, was die Schmerzen abstellt, wird er bei Tierhaltung und -tötung darauf achten, dass sie möglichst schmerzfrei geschieht. Er übt sich also auch da in einer möglichst guten Annäherung. Das ist möglich, deshalb zerdrücke ich z.B. die Ameisen lieber als ich sie an Gift verrecken sehen will. Das ist kurz und relativ schmerzlos (in der Kürze). Insofern ist eine Tierhaltung zum Zwecke des Essens auch relativ schmerzlos möglich, und dieses relativ ist sehr wahrscheinlich besser als das natürliche Ende eines gewöhnlichen Tierlebens, also sogar ein ethischer Fortschritt (man schaue sich z.B. mal an, wie ungeschickt Warane ein Tier verspeisen).


    Es bleibt also die Frage, ob man ein Tier ins Leben bringen will, wenn man die Absicht hat, es ihm zu nehmen. Dass es genommen wird, ist nicht das eigentliche Problem, weil Tiere, die ins Leben kommen, gewöhnlich unter größeren Schmerzen sterben müss(t)en als diejenigen, die wir essen.

    Und wie war das mit seiner letzten Mahlzeit? Wenn Mönchen etwas gespendet wird, dann weil sie Mönche sind, ich könnte lange warten, wenn ich in meinem T-Shirt am Straßenrand stehe. Das hat immer was mit Image zu tun. Und weil der Spender bewusst etwas für die Mönche abzweigt, ist das Tier dann auch für den Mönch getötet worden, selbst wenn der sich das schönreden will.


    Zudem, wenn man schon den Schriften Glauben schenken will, hat der Buddha einen seltsamen Dualismus gelehrt, nach dem zwar das Essen von gespendetem Hühner- und Schweinefleisch okay war, nicht aber Schlangen- und Pferdefleisch. Das alles stammt aus einer alten Gedankenwelt, in der man eben mehr oder weniger gefangen ist als Kind seiner Zeit.

    Man muss den Konsum von Tieren nicht rechtfertigen, er hat sich ganz von selbst in der Menschheitsgeschichte ergeben und den Menschen offensichtlich ganz gut getan. Eher müsste man den Verzicht gut begründen.


    Die silas sind Übungen in der Reduktion, also ich mache dies und das so wenig wie möglich. Wohlfühlbuddhismus-Lehrer erwecken gern den Eindruck, es ginge ohne Lügen, Töten usw.


    Kannst du nicht auch voller Mitempfinden essen? Darum gibt es einige Rezitationen von Mönchen, wo sie sich bewusst machen, was dem alles vorausging, bis das Essen auf dem Tisch stand.


    Mönche essen nur Gespendetes: Reiner Sophismus, denn sie dürften es laut Regeln nur dann nicht essen, wenn sie wüssten, dass es für sie getötet wurde, und das ist ja im Grunde immer der Fall, sobald sie es essen - denn dann haben sie etwas vom Töten des Tieres gehabt.

    Das Argument überzeugt nicht. Die buddhistische Regel heißt: Ich übe mich in ...

    Man kann sich in etwas üben und feststellen, dass es keinen bedeutenden Unterschied macht, wie etwa ob man Fleisch ist oder nicht.

    Sicher kann man dafür sorgen, dass das Fleisch aus bestimmter Tierhaltung kommt, oder man könnte jagen. Aber kein Fleisch zu essen, weil es nicht notwendig ist, ist kein gutes Argument. weil die ganze menschliche Existenz nicht notwendig ist, wir sind dann wieder bei Standpunkten der Anti-Natalisten. Es war auch nicht notwendig, dass Thich Nhat Hanh ständig durch die Welt flog und mit zur Luftverpestung durch Flugzeuge beitrug, er hat also offenbar ganz einseitig bewertet, was notwendig sei und was nicht. Aus solch romantischen Träumereien, denen man selbst nicht gerecht wird, stammen ja auch die Gedanken von Palmo, deshalb sage ich, da fehlt es an Übung, weil es an Realitätssinn und umfassender Sicht fehlt. Man muss als erstes verstehen, dass solche Lehrer so reden, weil es populär ist, ihrem Image und ihrem Spendenzufluss hilft. Es hat nichts mit tiefer Einsicht zu tun. Und sie widersprechen sehr häufig, wie TNH, in ihrer Praxis dem Gesagten. TNHs ökologischer Fingerabdruck oder wie man das nennen mag war unterm Strich z.B. viel schlechter als meiner.


    Zu dieser umfassenden Sicht gehört auch das tiefe Mitempfinden mit ALLEM, was lebt, wozu auch Pflanzen gehören. Es gibt ja deshalb so viele Unverträglichkeiten pflanzlicher Lebensmittel, weil diese in der Regel gar nicht gegessen werden, sondern überleben wollen, und sich z.B. mit Lektinen gegen den Verzehr wehren. Sich pflanzlich zu ernähren verringert ja gar nicht das Leid fühlender Wesen. Das ist wie gesagt romantischer Unsinn, nach dem Motto: Was Augen hat und mich ansieht, kann ich nicht essen (wie mal jemand sagte). Da würde ich zu tieferer Übung raten, damit einem klar wird, wie voreingenommen man da ist und an seinen Sinnen haftet.


    Auch die Unterscheidung in "bewusst" zugefügtes Leid führt nicht weit, denn die Tatsache, dass Menschen sich keine Gedanken darüber machen, dass sie Millionen Bakterien töten, wenn sie ein Antibiotikum nehmen, fällt unter Unwissenheit und ist keine gesunde buddhistische Tugend (denn es ist ja bekannt, dass viel zu viele Antibiotika geschluckt werden, also oft "unnötig").. Man darf also sagen, das tun sie ebenfalls bewusst. Das heißt hier findet eine seltsame Quantifizierung statt: Eine Kuh ist wertvoller als Millionen Kleinstlebewesen etc.