Mr. Gaga, zu deiner Frage, warum so viele Buddhisten das so handhaben und auf Fleisch verzichten. Ein Argument wurde hier schon ins Spiel gebracht, nämlich ahimsa, die Vorstellung, dass ein Buddhist sich im Vermeiden von Gewalt üben soll, wozu man die ganze Kette zählen kann, die man als Konsument von Fleisch auslöst. Hier lässt sich also das Motiv auf den Übenden zurückführen. Manche glauben einfach, es würde ihrem Karma schaden, also Folgen in dieser oder weiteren Existenzen haben, manche glauben, es würde ihrem Erwachen im Weg stehen.
Bei den genannten Lehrern, die zweifellos populär sind, lässt sich sehr gut zeigen, dass sie populistisch vorgingen. TNH hat einen Haufen Bücher in der ganzen Welt vertreiben lassen, in denen er versucht hat, Buddhismus möglichst einfach und verständlich auf einer Gefühlsebene Menschen zu vermitteln, die ein gewisses Unbehagen am modernen Leben empfinden (TV, Fleischkonsum, Umweltzerstörung). Schau dir nur mal seine Buchtitel an, dann erkennst du die Marketingstrategie. TNH beruft sich vor allem aufs Lankavatarasutra, wenn er gegen Fleichkonsum argumentiert. Es gibt jedoch auch andere Aussagen in anderen Sutren, d. h. er trifft einfach eine Auswahl, die man nicht teilen muss. Buddhologisch lässt er sich also widerlegen. Er ist eben einfach jemand mit einer Meinung unter vielen, so wie du und ich.
Ich komme ja vom Zen, und da war es stets üblich, dass man um den Dharma rang und auch kräftig gegen andere Lehrer austeilte. Wenn TNH da ggf. einen anderen Eindruck erweckt, dann eben auch, weil er nur einen Teil der Tradition gut kannte oder für sich annahm.
Nun zu den von mir beispielhaft oben genannten Motiven, es gibt natürlich viel mehr, wie dieser Thread zeigte. Meine Hauptkritik besteht darin, dass TNH und andere nicht ernst machten mit der Erkenntnis universeller Leere bei gleichzeitiger Erfahrung eines Einsseins, was ich als wesentliches Kriterium eines Erwachens ansehe. Ihre Argumentation ist im Grunde die jedes gewöhnlichen Übenden und fällt deshalb auch auf so breiten fruchtbaren Boden bei den Zuhörern. Das wäre also ein Anbiedern, wenn Palmo und TNH tatsächlich woanders anzusiedeln wären (was sie in meinen Augen aber nicht sind, sie kennen diese andere Ebene offenbar nicht hinreichend). Ich muss jetzt wohl etwas vorsichtig sein, auch wenn wir hier im Praxis-Forum sind, nicht in einem schulspezifischen, sonst gehörte das wohl in die Kritik-Rubrik.
Wenn du erwachst, ist das Tier für dich befreit. Wenn du das Tier töten lässt oder selbst tötest, ist da kein Anhaften oder Abwerten des Tieres, es ist lediglich eine Entscheidung für ein Nahrungsmittel auf der gleichen Ebene wie wenn du dich für ein anderes entscheidest und einen Salatkopf abtrennst und dir einführst. Kannst du das nicht, musst du so argumentieren wie TNH und Palmo, denn wenn sie es könnten, warum würden sie ihren Zuhörern diese Ebene des erwachten Daseins vorenthalten? Sie wurde von zig Meistern beschrieben, warum also von ihnen nicht? Mit anderen Worten, du erzeugst weder Karma noch steht dir das Essen von Fleisch (oder Salat) im Weg noch sonstiges. Es steht dir jedoch im Weg auf dieser dualistischen Ebene, wo TNH und Palmo argumentieren. Das ist noch die Ebene des achtfachen Pfades, wo man dies und das soundso tun soll, um da und da hinzukommen. Was aber, wenn du schon da bist oder anders dahinkamst? Wie könnte es dir möglich sein, auf dieser gewöhnlichen Ebene über das Essen zu denken?
Diese Lehrer gemahnen also an eine Übungspraxis, die sie selbst, wenn sie meisterlich wären, nicht mehr nötig hätten, weil sie stets über die Erfahrung der Leere das manifestieren (und lehren) könnten, was dieser "letzten Wahrheit" entspricht. Zwar könnten sie sagen: ICH esse kein Fleisch mehr. Aber sie könnten nicht lehren: DU solltest kein Fleisch mehr essen, weil ... Da ist der Unterschied. Das müssten sie begriffen haben. Sie müssten verstehen, dass ihr eigenes Karma und das anderer in letzter Instanz nicht davon abhängt, ob diese Fleisch essen oder Tiere töten, sondern ob sie Leere erkannt haben und manifestieren können. Dieser letztere Aspekt wird dann manchmal mit kosmischem Einssein wiedergegeben, d.h. auch ein Einssein mit allem, was auf der dualistischen Ebene abgewertet wird (Verfall, Tod, die Schattenseiten des eigenen Daseins). Gegen diese Dinge haben TNH und Palmo noch Abneigungen, da ungefähr sind sie in ihrer Übung steckengeblieben, und das passiert häufig.
In meiner Argumentation besteht nun der Fehler darin zu behaupten, dass man - so man diesen erwachten Zustand in dieser Form für möglich und erstrebenswert hält - über den achtfachen Pfad usw. hinkommt, dass es also doch am Ende richtig sei, Übenden es so zu verklickern. Denn man kann ja nun gerade im Umkehrschluss, so meine Argumentation, am Weg von TNH und Palmo erkennen, dass sie SO nicht dorthin gelangt sind (und nochmal, dass ist meine Art, um den rechten Dharma zu ringen, mit dem Finger frech auf die zu deuten, die als Erwachte gelten und es nicht sind/waren, und dies aus der Tradition heraus zu begründen). Dieses Argument zieht also auch nicht. Das ist kein "geschicktes Mittel" - was aus der Sicht des Erwachtseins dann alle Konzepte werden, der achtfache Pfad, die Karmalehre usw. - sondern die tatsächliche Überzeugung dieser Lehrer. Wenn man genau hinschaut, erkennt man bei anderen Lehrern der Tradition, wie das aussieht, wenn mit den geschickten Mitteln gespielt wird und diese durchschaut sind, man sich nicht mehr auf sie stützt (die Koan-Schulung hat diesen Zweck, da bleibt nichts übrig an Konstrukten). Aber das sind m.E. nur relativ wenige.