Beiträge von Leonie im Thema „Wahres Selbst“

    Ein Selbst entsteht nicht, das ist der Knackpunkt - ein Selbst ist gegeben. Was entsteht und vergeht sind Prozesse.

    Das ist einfach nur eine (unbeweisbares) Annahme, die unterstellt, dass die Prozesse eine Ursache in einem gegebenen Selbst hätten.

    Über derartige Ansichten hat Buddha in der Lehrrede MN 2 gesagt, sie seien ein Gestrüpp, ein Dickicht von Ansichten, in denen sich der nicht-unterrichtete Weltling verheddert und somit keine Befreiung finden kann.


    Zitat
    • Die Ansicht 'für mich gibt es ein Selbst' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder
    • die Ansicht 'für mich gibt es kein Selbst' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder
    • die Ansicht 'ich nehme Selbst mit Selbst wahr' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder
    • die Ansicht 'ich nehme Nicht-Selbst mit Selbst wahr' entsteht in ihm als wahr und erwiesen;
    • oder die Ansicht 'ich nehme Selbst mit Nicht-Selbst wahr' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder
    • ansonsten hat er eine Ansicht wie diese: 'Es ist dieses mein Selbst, das da spricht und fühlt und hier und da die Ergebnisse guter und schlechter Taten erfährt; aber dieses mein Selbst ist unvergänglich, dauerhaft, ewig, nicht der Vergänglichkeit unterworfen, und es wird so lange wie die Ewigkeit überdauern' [4].

    Diese spekulative Ansicht, ihr Bhikkhus, wird das Dickicht der Ansichten genannt, die Wildnis der Ansichten, die Verdrehtheit der Ansichten, der Wankelmut der Ansichten, die Fessel der Ansichten. Durch die Fessel der Ansichten gebunden, ist der nicht unterrichtete Weltling nicht befreit von Geburt, Alter und Tod, von Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung; er ist nicht befreit von Dukkha, sage ich."

    Majjhima Nikāya 2

    Na ich will das wissen und der Grund ist Einsicht und im besten Falle Befreiung. Wenn es keinen Wissenden gibt, wozu gibt es dann die Lehre?

    Die Lehre gibt es damit sie praktiziert wird.

    Das Selbst ist eben nie in Vorstellungen zu finden, auch nicht in höheren Vorstellungen von "wahrem Geist" oder "wahrem Selbst" - eben weil die Vorstellungen sind. Aber, ich wiederhole mich, bedeutet das nicht, dass es kein Selbst gibt, sondern nur, dass es dort, wo wir suchen (eben in den Phänomenen und geistigen Prozessen) nicht gefunden werden kann.

    Da Selbst eine Vorstellung ist, ist es unsinnig es IN einer Vorstellung zu suchen. Oder anders gesagt eine Vorstellung kann nicht gleichermaßen in sich und an sich sein.

    Dein Problem ist die Frage nach der Existenz eines Selbst - das ist gleich der Frage nach der Existenz eines Koffers oder eines Wagens.

    Da alle Phänomen, dhammas, zusammengesetzt sind, haben wir lediglich Begriffe, also Gestaltungen, geistige Objekte, die aber auch wiederum zusammengesetzt sind und die zudem Konventionen sind.

    Nun haben wir sowohl im Bereich der Form, als auch im Bereich des Formlosen nichts anderes als Phänomene und deshalb können wir eben außerhalb nicht suchen. Wir können uns da aber vieles zusammen reimen, einbilden und daraus wunderbare Theorien basteln und diese glauben, und uns darüber dann streiten (diskursives Denken und Reden) und dann kann man auch Kriege darüber führen. Wir finden da keine Lösung, sondern nur Leiden.

    Buddha hat sich nur für eine Frage interessiert. Was ist Leiden, woher kommt es, wenn es eine Ursache hat, dann gibt es auch einen Weg es zu beenden. Alles spekulative Denken hat er nicht kommentiert.

    Das "wahre Selbst" ist ja eben keine religiöse Überzeugung, Welt-Ansicht etc. sonst hätte Buddha ja gesagt: "Das bin ich, dies ist mein Selbst" - wenn es denn in solchen Bereichen gefunden werden könnte.

    Es ist doch gleich, welche Attribute dem Selbst zugeschrieben werden. Es ist immer ein Selbst. Und diesem Selbst wird dann durch ein Attribut, wie wahr, stark, wirklich, schwach eine Eigenschaft zugeordnet, die aus dem Baukasten der Religion oder Psychologie entnommen wird, Bereiche in denen ein Selbst überhaupt erst einen Sinn macht. Kierkegaard hat dies in seiner Schrift "Die Krankheit zum Tode" beispielsweise sehr ausführlich ausgearbeitet. Darin beschreibt er aber eine Vorstellung, eine Ansicht, die er sehr ausführlich entwickelt, die aber letztlich das Leiden nicht berührt, sondern die zum Glauben führen soll - also mit einer religiösen Vorstellung verbunden wird und so eine erlösende Kraft entfalten würde.


    Vielleicht nochmal: Buddha ging es nicht um Religion und deshalb hat er in diesem Feld auch nichts gesucht - ihm ging es allein um die Befreiung von dukkha - und er hat erkannt, dass dukkha an diese drei Vorstellungen gebunden sind: Mein, Ich und Selbst.

    Entscheidend ist dabei der Ausdruck "DAS" oder "DIES" in dem "Das bin ich nicht" - "Dies ist nicht mein" .

    Was also ist "DAS" oder "DIES"? Es bezieht sich auf alles was ergriffen werden kann - die fünf skandhas als Gruppen des Ergreifens - Form, Gefühl, Wahrnehmung, Bewusstsein, Gestaltung.


    Da du aus der Lehrrede den Abschnitt 27 aus dem Zusammenhang zitiert hast, solltest du nochmals auf den Abschnitt 15 zurück kommen:

    Zitat

    15. "Ihr Bhikkhus, da gibt es diese sechs Grundlagen für Ansichten. Was sind die sechs? Ihr Bhikkhus, ein nicht unterrichteter Weltling, der die Edlen nicht beachtet und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen nicht beachtet und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, betrachtet materielle Form so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst. [6]' Er betrachtet Gefühl so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Er betrachtet Wahrnehmung so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Er betrachtet Gestaltungen so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Er betrachtet das, was gesehen, gehört, empfunden, erfahren, erlebt, gesucht und geistig erwogen wird, so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Und diese Grundlage für Ansichten, nämlich 'Die Welt und das Selbst sind dasselbe; nach dem Tode werde ich unvergänglich, dauerhaft, ewig, nicht der Veränderung unterworfen sein, ich werde so lange wie die Ewigkeit überdauern' - auch dies betrachtet er so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.'

    mich würde mal eure Ansicht interessieren zu folgendem Auszug aus dem Pali Kanon (MN 22)

    Meine Ansicht ist die, dass ich es vorziehe eine Lehrrede insgesamt zu lesen und zu studieren und nicht mich mit Auszügen zu begnügen. In MN 22 wird genau erläutert, was denn dieser von dir zitierter Abschnitt bedeutet - und das erläutert auch die Anmerkung von Kay Zumwinkel genauer.

    Begehren, Ich-Dünkel und Ich-Ansicht äußern sich so: "Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst."

    "Dies ist mein" ist der Ausdruck von Begehren; somit könnte man es ausführlicher formulieren "dies bezieht sich auf mich", da Begehren auch ablehnende, negative Anhaftung bedingt. Die Übung des Stromeingetretenen etc., "dies ist nicht mein", bedeutet natürlich nicht, daß irgendetwas anderes dann "mein" sein könnte - ein Irrtum einiger früher Buddhisten im Westen.

    "Dies bin ich" ist der Ausdruck von Ich-Dünkel, und lautet präzise "dies (deutet darauf hin): ich bin". Ein Beispiel, das den Unterschied zwischen diesen beiden Formulierungen verdeutlicht: man kann sich bereits klar sein, daß Gedanken nicht "Ich" sind, aber dennoch die Behauptung vertreten "ich denke, also bin ich."

    "Dies ist mein Selbst" ist die Ich-Ansicht, eine Theorie oder Vorstellung über das Selbst.


    Diese Selbst-Vorstellung wird durch eine Theorie von einem wahren Selbst lediglich aufgebläht und findet Ausdruck in religiösen Überzeugungen oder Welt-Ansichten, Gottesvorstellungen etc. Das Ich - also die eigene Selbstvorstellung erhält dadurch eine Orientierung auf einen vermeintlichen Lebenssinn, welcher Art auch immer.

    Buddha kritisiert das garnicht, sondern stellt nur die Zusammenhänge dar, weil diese Ansichten allesamt zu dukkha führen. Ihm ging es jedoch um die Befreiung von dukkha. Und einer der von dukkha befreit ist, braucht nicht noch was zusätzliches oder wahres, neben dem was einfach nur so da ist.