Beiträge von Sven im Thema „Nirvana und Nicht-Selbst, geht das zusammen?“

    Nun kann es ja durch sehr intensive Meditationspraxis zu Zuständen kommen wo die Identifikation mit Körper und Geist ausgelöscht ist und man erfährt sich als unendliches Bewusstsein...


    Das sind schon sehr hohe Stufen der Meditation und ich glaube eher nicht dass jeder Theravada-Meditationslehrer das erfahren hat.

    Da habe ich mich wohl in der Kürze missverständlich ausgedrückt. Für die Erkenntnis von Pfad und Nicht-Pfad ist "nur" angrenzende Sammlung bzw. momentane Konzentration nötig.

    Es geht darum, dem Schüler klarzumachen, wo es jetzt weiter gehen muss und das der attraktive Weg nach "oben" über die jhana eben nicht zum nibbana führt. (Auch um ihn psychisch wegen der möglichen, bei einigen Meditierenden auftauchenden, starken Halluzinationen im iddhi-pada-Zustand zu stabilisieren.)

    Deshalb bevorzugen einige Lehrer auch den trockenen Weg ganz ohne weltliches jhana. Da sie darin eine Gefahr sehen, vom Weg abzukommen.


    Andere meinen erst jhana erreichen, da das iddhi-pada-Bewusstsein nach dem jhana, wo man sich einige Zeit wieder in der angrenzenden Sammlung aufhält, stärker und damit effektiver ist. Quasi als wenn man einen Turbo einschaltet. Also mit samatha-Meditation ins jhana dann wieder raus und vipassana machen.

    Das Ziel ist auf jeden Fall bei beiden Wegen zunächst das magische Bewusstsein (iddhi-pada).

    Hier ist die Abzweigung, die zu nibbana führt.

    Die damit verbunden weltlichen magischen Kräfte (siddhi/iddhi/ bzw. abhinna) waren natürlich auch im Yoga bekannt. https://www.palikanon.com/wtb/abhinna.html


    Eine davon (Nr.6 die Triebversiegung) wurde jedoch übersehen, weil der Weg dahin eben nicht gerade attraktiv ist und die "Trübungen der Einsicht" alle Arbeit leisten den Yogi von dieser Kraft abzuhalten. Diese Kraft wurde vom Buddha entdeckt und dann entwickelt und hier unterscheidet sich der Yoga-Weg vom dem des Theravada-Buddhismus'.

    Ok, dann verbessere mich wenn ich falsch liegen sollte, aber es werden doch die Anhaftungsgruppen (inkl. Geist) als leer gekennzeichnet, abhängig entstanden, keine inhärente Existenz, kein Ich, kein Selbst usw.


    Wenn jetzt aber der Geist nach dem Tode unabhängig von den Gruppen (Körper usw.) besteht und sogar neue Leben annehmen kann, wie kann man dann noch von leer bzw. "besitzt keine inhärente Existenz" sprechen?


    Und wenn man sagt er hätte inhärente Existenz, in wie fern ist dies dann kein atman?


    Na ja, was wiedergeboren wird sind die Bedingungen (also das Karma). Das passiert aber auch von Moment zu Moment. Die alten Gruppen sterben und neue entstehen.


    Nyanaponika:

    "Sie darf nicht verwechselt werden mit der hinduistischen Lehre von der "Seelenwanderung". Nach der Lehre des Buddha gibt es kein beständiges Seelenwesen, das gleichsam von Leben zu Leben wandern könnte. Wir haben vielmehr gesehen, daß auch alle geistigen Elemente der so genannten Persönlichkeit gleichermaßen unbeständig sind. Auch das Begehren ist nicht etwa eine besondere Wesenheit für sich, sondern es entsteht immer wieder von neuem aus seinen Vorbedingungen. Wir können uns den Vorgang der Wiedergeburt mit folgendem alten Gleichnis verdeutlichen. Wenn man mit einer Kerze eine andere anzündet, so ist die Flamme der zweiten nicht die gleiche wie die der ersten Kerze, und die Flamme der ersten ist nicht etwa zur zweiten hinübergewandert. Aber sie sind auch nicht völlig verschieden von einander: die zweite Flamme ist nicht aus sich selber, unabhängig von der ersten entstanden, sondern ist durch diese bedingt. In ähnlicher Weise besteht auch ein Zusammenhang zwischen zwei aufeinander folgenden Lebensstufen: sie sind bedingt und verbunden durch den Kraftstrom des Begehrens."

    Buddhismus

    ... wie es aus materialistischer Sicht möglich ist, dass der Buddha seine ganzen Inkarnationen sehen konnte...

    Zunächst muss man genau Unterscheiden. Buddha konnte seine Inkarnationen erinnern. Erinnerung muss nicht stimmen. Dazu kommt, dass diese Erinnerungen im Geisteszustand, wo die Geistesfaktoren iddhi-pada-Qualität annehmen, hervorkamen.

    iddhi_pāda


    Das ist der Zustand, indem alle Yogis "zaubern". Er tritt durch die angrenzende Sammlung (bzw. momentane Konzentration), die entweder vor oder kurz vor nach dem jhana erfahren wird.

    Dort erscheint das Gegenbild aber auch die "10 Trübungen der Einsicht" und andere Dinge, die wohl heute durch "Konzentration induzierte Halluzinationen" interpretiert werden würden.


    Wir wissen über Erinnerungen, dass diese aufgrund der neuronalen Struktur des Hirns plastisch sind.


    Ich bin z. B. felsenfest überzeugt, dass mein Vater früher einen grauen VW fuhr. Ich kann mich an einige Einzelheiten genau erinnern. Dieses Auto gab es jedoch niemals.


    ...so wäre es möglich.

    Buddha ist vollständig erloschen


    Und du möchtest das auch? Was ist daran überhaupt attraktiv? Das verstehe ich auch nicht ganz.

    Nibbana ist nicht attraktiv! Sonst wäre es nicht so schwer zu erlangen (arahat) und vor Allem noch schwieriger zu entdecken (buddha). "Sein"/Werden ist zunächst attraktiv.


    Deshalb muss man das "Sein" durchschauen, damit von ihm keine Attraktion mehr ausgeht. Erst dann (Gleichmut gegenüber allen Gestaltungen ist erlangt) kann Nibbana als attraktiv erkannt werden und der darauf folgende Pfadmoment ändert das Bewusstsein für immer und richtet es auf Nibbana aus.

    In dem Moment wo dieser "Subjekt-Punkt" nachgewiesen wird ist er nicht mehr Subjekt sondern ein Objekt das von einem Subjekt nachgewiesen wird. Das nachweisende Subjekt selber kann wieder nur von einem Subjekt nachgewiesen werden und so ad infinitum.

    Das Subjekt ist nur mittels eines Objekts nachweisbar, soll heißen wenn ein Objekt wahrgenommen wird muss es ein Subjekt geben das es wahrnimmt.

    zu Mukti:

    Das ist klar. Das bewusste Subjekt kann sich selbst zum Objekt nehmen und betrachten und davon nicht mehr abweichen. Das sollte zur ewigen, unendlichen Ich-Bin-Gewissheit führen, wenn man dabei bleibt und sich nicht mehr in andere Dinge verstrickt.

    Ich persönlich finde so einen atman gruseliger als kein atman. Ewige Bewusstheit hieße ewige Gefangenschaft im Da (aber das ist nun kein Argument.)


    Allgemein:
    Die Ansicht atman = brahman (der "Subjekt-Punkt" ist in allen Lebewesen derselbe) ergibt weitere Probleme. Advaita, Ken Wilber u. a.


    Die buddhistischen Systeme benutzen, soweit ich weiß, alle die "monadische" Yoga Interpretation. Also jedes bewusste Lebewesen hat einen "eigenen" Bewusstseinsprozess (im Yoga einen eigenen atman) , der befreit werden muss. Der berüchtigte Magier Crowley hat das in seinem Gesetzesbuch so ausgedrückt: "Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern".


    Meine Meinung:

    Bewusstsein wird überbewertet! Es ist erstaunlich, aber das war es auch schon.
    Seine Funktion ist evolutionsbiologisch problemlos erklärbar. Geheimnisvoll ist einzig seine Herkunft, die aber logischerweise im Potenzial des Seins existieren muss. Also wie auch eine jede Skulptur potenziell innerhalb Steines "existiert".


    Bewusstsein ist aber eine Ursache des Übels. Ohne Bewusstsein gäbe es kein Leid. Bewusstsein ist auch untrennbar mit Gefühl verbunden. Ohne Gefühl kann es kein Bewusstsein geben. Je stärker das Gefühl desto wacher ist das Bewusstsein ganz automatisch und wenn es nicht benötigt wird, da automatische Vorgänge das System steuern können, wird es quasi abgeschaltet in Trance versetzt.

    Jedes mal dann, wenn ein neuer starker Reiz eintrifft und das System aus dem Gleichgewicht bringt, steigt das Bewusstsein wieder aus der Trance auf, bis das System wieder im Gleichgewicht ist. Bewusstsein entsteht hier durch Systemstörung!


    Wenn der atman nun Bewusstsein erfährt, ist er auch dem Leiden unterworfen (wenn auch minimal im Ich bin-Zustand). Wenn er unbewusst ist, stellt sich die Frage nach dem atman gar nicht. Das ist es was der Buddha meines Erachtens lehrte.

    Die Yoga-Systeme lehren Samatha-Meditation (im Theravada-Sinne). Diese führen unweigerlich zur atman-Erkenntnis.

    Viele Mahayana-System (nicht alle!) lehren auch eine Samatha-Meditation und nennen diese aber Vipassana und kommen so zur Buddhanatur etc.

    Der entscheidende Unterschied zur atman Lehre ist (und das wird im Theravada gelehrt) nicht auf die Trübungen der Einsicht, die zur atman-Erkenntnis führen reinzufallen und an der richtigen Stelle abzubiegen (Dies gilt im Theravada als die "Erkenntnis von Pfad- und Nicht-Pfad" und ist die erste echte Vipassana Stufe, die eigentlich jeder Theravada-Meditationslehrer erfahren haben sollte).

    Visuddhi Magga XX

    Zuerst sagst du Bewusstsein=Selbst und jetzt sagst du Bewusstsein und Inhalt entstehen aus dem Selbst.


    Dann nimm halt Gewahrsein=Selbst. Es gibt das immer in doppelter Ausführung, einmal in den Khandas und einmal außerhalb der Khandas. Wenn es nicht so wäre, gäbe es keine Erfahrung von Nirvana - das ist ja eben das Unmögliche, mit einem vergänglichen Bewusstsein Nirvana zu erreichen, welches ja dauerhaft "ist".

    Im Theravada wird nirvana im Moment des Pfadbewusstseins zum Objekt genommen und erfahren. Dies ist nicht nirvana, sondern die Erfahrung desselben und diese ist vergänglich (So wie das Erfahren von Stille vergänglich ist. Stille aber immer noch die Abwesenheit von Geräusch bleibt). Leider werden im Theravada verschiedene Dinge mit nirvana gleichgesetzt. So z.B. auch der Geist eines Erwachten. Dies ist ein Geist ohne das Potential zu Gier, Hass oder Verblendung (Nirvana mit Rest).

    Das Khanda Bewusstsein sollte man sich eher als ein "Erfahren" vorstellen. Also, wenn ich etwas höre, habe ich Hörerfahrung, wenn ich sehe Seherfahrung etc.

    Die Atman-Lehre nimmt nun an, dass es eine Art "Subjekt-Punkt" hinter der Erfahrung gibt, der sich nicht ändert. Schließlich bin ich heute nicht Sven und morgen Paul. Dieser Punkt bleibt eigentlich unberührt und hat sich irgendwie in die Vorgänge verstrickt. Durch "Entstrickung" (Meditationsmethoden) wird der Atman wieder freigelegt. Ähnlich ist die Vorstellung der Buddhanatur im Mahayana-Buddhismus.

    Man kann schon hier sehen, dass Mahayana- und Theravada-Buddhismus sich nur tolerieren, aber nicht wirklich einigen können. Beide Schulen haben Stärken und Schwächen.


    Der Theravada hat wohl das ausführlichste beschriebene Erlösungssystem, ist dafür sehr trocken, asketisch und "lebensverneinend".


    Im Mahayana kann man sich asketische, sexualisierte, esoterische, sogar Alkohol befürwortende Systeme aussuchen. Je nach Gusto. Das Leben wird nicht verneint (Samsara und Nirvana sind nur die beiden Seiten einer Medaille). Es gibt auch eine sinnfüllende Aufgabe, nämlich an der Erlösung aller Lebewesen mitarbeiten.


    Wer wirklich nach Erkenntnis sucht, dem empfehle ich eher Theravada. Für eine spirituelle Geborgenheit eher Mahayana-Buddhismus. Beides ist für mich völlig okay.

    Wenn man nach Erkenntnis strebt, wäre angebracht zu untersuchen, ob es diesen Subjekt-Punkt gibt. Also, wie man ihn nachweisen kann bzw. widerlegen kann.


    Argumente?

    Oder man sagt einfach mal für jeden verständlich wie denn nun diese Sicht ist anstatt zu sagen, dass man noch nicht wissend genug ist.


    Das ist einfach wie die Theravada Sicht ist.
    Das Warum ist dann nicht mehr so einfach und da aus den Beiträgen für mich hervorging, dass bestimmte Dinge nicht richtig verstanden wurden, mein Hinweis dazu.

    Dies nun für jeden Verständlich einfach in einem Forum darzulegen, ist meines Erachtens nicht möglich:

    Ich kann aber für diejenigen, die es interessiert, den Text des Buddhologen A. Karunadasa dazu sehr empfehlen:

    https://bps.lk/olib/wh/wh412_Karunadasa_Dhamma-Theory--Philosophical-Cornerstone-of-Abhidhamma.pdf


    Sehe gerade. Es gibt auch eine deutsche Version:

    Buddhismus Aktuell | Dhamma-Theorie

    Muss es denn Sinn machen?

    Es kann doch sein, dass das Sein "gnädiger" ist, als es der Buddha seiner Zeit gedacht hat. Jeder bekommt nibbana frei Haus. Was für eine frohe Botschaft (oder nicht?)

    Danke für die Verschiebung, das ist sehr sinnvoll, ich möchte nämlich nicht von irgendwem genötigt werden, mich einer Tradition unterzuordnen nach dem Schema: "Ja aber das wird im Theravada nicht behauptet, also liegst du falsch".

    Da muss ich zumindest zuerst etwas richtig stellen, da es sich einwandfrei auf meinen Text bezieht:
    Ich bin kein Theravada-Buddhist auch kein Lobbyist, wie von jemand anderen behauptet wurde, denn ich glaube weder an Karma noch an Wiedergeburt. Ich habe nicht behauptet, dass jemand falsch liegt und auch niemanden genötigt, sondern gesagt, dass es im Theravada anders gesehen wird und um ein Verständnis dieser anderen Sichtweise zu bekommen, muss man sich damit auch beschäftigen.