Anna schrieb:
Quote
mir ist nicht klar, was das mit dem Thema zu tun haben soll
Dann erkläre ich meinen Gedankengang nochmal.
1) Wir sind hier in einem buddhistischen Forum. Da ist es angebracht, ethische Ansprüche in das Konzept der eigenen Schule zu integrieren. Bei mir ist das Zen.
2) Im Zen kann man annehmen, dass alle Wesen Buddha-Natur haben und sich darin gleich sind. Zu den Wesen darf man Pflanzen zählen. Ich kann nicht erkennen, dass es im Zen eine Abstufung der Lebewesen nach Wertigkeit gibt. Unser Instinkt lässt uns natürlich Menschen in der Regel am nächsten sein.
3) Im Allgemeinen gilt, andere Wesen rücksichtsvoll zu behandeln und ihnen gegebenfalls zu helfen. Insofern ist es für mich kein Problem, einen aus dem Nest gefallen und verlassenen Vogel aufzuziehen oder einen mit gebrochenem Flügel zum Arzt zu bringen oder eine dürstende Pflanze zu gießen usf. Und ich habe natürlich selbst kein Interesse daran, Tiere einzusperren. Etwas anderes wäre das, wenn mein Beruf Bauer wäre.
4) Bezüglich der Schlachttiere mag ich womöglich politisch aktiv werden usw., aber ich habe nicht das Recht, dem Halter Vorschriften zu machen. Ich kann auf seine Produkte verzichten.
5) Die buddhistische Lehre bietet keinen Ausweg für körperliches Leid und kann auch an Vergänglichkeit (wie eben auch von Pflanzen) nichts ändern. Wenn das verstanden ist, macht man auch nicht den Fehler, körperliches Leid von anderen Wesen über den Buddhismus motiviert aufheben zu wollen. Alles, was der Buddha da anbieten konnte, war, sich nicht an den Schmerz zu hängen. Ich sah gerade eine Krabbe auf Tictoc im kochendem Wasser, der hatte man noch einen Maiskolben dazugelegt, und während sie da kochte, aß sie von dem Mais. Der Buddha sprach also nicht zur Krabbe, sondern identifizierte ein menschliches Problem mit dem Schmerz (daher der "zweite Pfeil").
6) Aus 4. und 5. folgt, dass der Halter von Schlachttieren, der ihr Leben ermöglicht, auch über ihren Tod entscheiden darf. Und sogar über ihre Art, zu leben. Ich darf das nicht, da ich mich nicht um die Tiere kümmere und mit ihrer Entstehung nichts zu tun hatte.
7) Eine antinatalistische Haltung wie es sei besser, nicht geboren zu werden, wird im Zen nicht geteilt, und seltsamerweise auch im Buddhismus nicht, da es ja als großes Glück gilt, als Mensch geboren zu sein. Den Tieren wird traditionell da eher ein steiniger Weg vorausgesagt, der aber auch von "Erfolg" gekrönt sein kann. Diesen Widerspruch zum Nirwana greife ich unter 10 auf, aber im Zen gilt es ja, darauf zu verzichten und immer wiederzukommen, um helfen zu können. Im Zen ist also Nicht-Leben kein Vorteil gegenüber Leben. Das entsprechende Bodhisattva-Gelübde bedeutet nichts anderes als die Umkehrung des alten Buddhismus: Immer wieder unermüdlich leben.
8. Würde man behaupten, es sei für ein Schlachttier besser, gar nicht gelebt zu haben, müsste man Eltern vorschreiben können, ihre behindert auf die Welt kommenden Kinder, die nur einige Monate leben werden, aufgrund des vorhersehbaren Leides abzutreiben; erst recht, wenn sie ein paar Jahre leben und ihr Ich-Bewusstsein entwickeln, denn dann träfe sie ja der o.g. "zweite Pfeil". Das wäre auf einem vergleichbaren ethischen Niveau. Aber ich habe auch dazu nicht das Recht (es sei denn, ich bin an der Erzeugung beteiligt).
9) Dass die Tomate nicht ins Koma fällt, zeigt ja gerade, wo der Fehler Buddhas war, historisch bedingt kannte er das Phänomen offenbar nicht, dass große Schmerzen Menschen in die Bewusstlosgkeit bugsieren können, d.h. der Körper den Geist abschaltet. Der Buddha meinte ja mit dem "zweiten Pfeil", durch Nichtanhaften an den Schmerz die Kontrolle zu haben. Er hat sich geirrt. Wohl auch, weil er zu wenig Erfahrungen mit den großen Schmerzen machte.
Quote
Mit dieser Formulierung zeigst du, dass du dir voll bewusst bist, was du tust,
10) Siehe 1. Natürlich bin ich mir unserer gemeinsamen Buddha-Natur bewusst. Da das Tier keinen "Weg" zu gehen hat, um sich eines "zweiten Pfeiles" etc. zu entledigen, kann dem Tier das Entscheidende nicht genommen werden. Das Tier ist in jedem Fall "angekommen". Es benötigt nicht einmal ein Bodhisattva-Gelübde, mit dem es sich zur Wiederkehr verpflichtet. Dem (Nutz)Tier wird zwar sein - sowieso endliches - Leben genommen, ehe es von selbst stirbt, aber es ist ein Leben, für das es keinen Schöpfer außer dem Menschen gibt.