Beiträge von Sudhana im Thema „Ich empfinde den Buddhismus als trost- und hoffnungslos“

    im Zen hab ich davon eigentlich überhaupt nichts mehr mitbekommen - außer halt bei TNH.

    Das sollte man da auch nicht erwarten. Zen ist eine holistische Praxis, also gibt es keine spezielle "Mitgefühlspraxis" - außer halt bei TNH :). Spass beiseite - eine "Mitgefühlspraxis" gibt es im Zen (außer dem, was sich so im Kontakt mit der Welt ohnehin ergibt) speziell im Kontext Rezitation.

    Kanzeon -Yogetsu Akasaka 2nd single-
    Yogetsu Akasaka-赤坂陽月- 2nd singleKanzeon [Enmei Jikku Kannon Gyo]観世音[延命十句観音経] ★↓Donation for this channel/the next challenge↓★https://www.paypal.com/paypalme...
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    Lebensverlängerndes Kannon Sutra in 10 Versen


    kanzeon / na mu butsu /

    yo butsu u in / yo butsu u en /

    bup po so en / jo raku ga jo /

    cho nen kan ze on / bo nen kan ze on /

    nen nen ju shin ki / nen nen fu ri shin


    Kanzeon! / Verehrung dem Erwachten /

    meinem Quell, dem Erwachten/ verbunden dem Erwachten /

    verbunden mit Buddha, Dharma, Sangha / Beständigkeit, Leichtigkeit, Sicherheit, Reinheit /

    mein Gedanke am Morgen: Kanzeon / mein Gedanke am Abend: Kanzeon /

    Gedanke auf Gedanke entspringt dem Geist / Gedanke auf Gedanke ist ungeschieden vom Geist.

    Der Meditation an sich so eine Wirkung zuzuschreiben da wäre ich eher zurückhaltend.

    Da liegt möglicherweise ein Missverständnis vor, etwas differenzierter war die Kritik schon. Der wesentliche Punkt ist die psychische / gesundheitliche Disposition derjenigen, die solch eine Meditationspraxis aufnehnen. Eine Meditationspraxis, die bei einer pathologisch relevanten psychischen Disposition zu Verschlimmerung der Erkrankung führen kann evt. auch eine latent vorliegende derartige Erkrankung triggern könnte. So etwas empfiehlt man nicht, schon gar nicht in einem explizit "Anfängerforum" genannte Bereich. Wir haben keine Ahnung, wer das liest und was er/sie damit anfängt. Das sollte man berücksichtigen, wenn man denn Verantwortung für seine Äußerungen hier übernimmt. Instant karma's gonna get you ...

    John Lennon - Instant Karma-Offical Video-HQ
    John Lennon - Instant Karma LyricsInstant Karma's gonna get you, Gonna knock you right on the head, You better get yourself together, Pretty soon you're gonn...
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    Ein bezeichnendes Detail der Vinaya - Überlieferung ist ja die lange Abwesenheit Buddhas - die Buddha einerseits von Verantwortung für die Selbstmordwelle unter seinen Schülern freispricht. Andererseits war es ja gerade die Abwesenheit Buddhas, wegen der die Dinge so aus dem Ruder liefen - auch ein Erwachter kann hinsichtlich Didaktik noch dazulernen. Dass er ohne große Begründung - aber offensichtlich doch als unschädliche (und ausgesprochen wohltuende) Alternative - Anapanasati erläutert, kann ich in diesem Kontext nur so interpretieren und verstehen: lasst die Finger von der Asubha - Praxis wenn kein Lehrer zur Supervision verfügbar ist und macht stattdessen Anapanasati; das geht immer und tut euch gut.


    Angemerkt: dass bei der doch recht umfangreichen Zahl der Selbstmorde der Werther-Effekt eine wichtige Rolle spielte, halte ich für eine plausible Annahme. Ein plausibles Narrativ wäre mE auch, dass der Auslöser der Welle, also der erste Sebstmörder, ein Charismatiker war, der in der Übungsgemeinschaft respektiert und geliebt wurde. Möglicherweise sogar als Anführer einer Gruppe wie Mahākaśyapa. Eine Verbindung zu den Tīrthika bzw. Nigantha halte ich für eher unwahrscheinlich - eine solche 'Schuldzuweisung' hätte sicher Eingang in die Überlieferung gefunden. Auch geht man bei den Tīrthika nicht so rabiat mit dem Körper um sondern übt mit Nahrungsverweigerung (was Gandhi dann als politisches Mittel nutzte). Also kein Harakiri, sondern langsames Verhungern.

    Du hier redest aus eigener Erfahrung?

    Ja. Ich hatte nicht gerade das, was man eine glückliche Kindheit nennt (Flüchtlingskind) und in der Adoleszenz, als ich einigermaßen kapierte, in was für einer Welt ich mir da einen Platz suchen sollte, eine schwere Depression bis hin zum versuchten Suizid. Saṃsāra at it's best. War ein tiefes Loch und es dauerte ein paar Jahre, da wieder rauszukrabbeln und sich zurecht und abzufinden. Eine Hilfe war dabei, dass ich über Schopenhauer zum Buddhadharma fand.


    Asubha Kammaṭṭhāna habe ich in dieser Zeit nicht praktiziert, aber ich kann mir heute lebhaft vorstellen, wie mir das in dieser Zeit bekommen wäre. Heutzutage beschränke ich mich hinsichtlich nicht zu diesem rūpaskandha gehörender Asubha-Objekte nach Möglichkeit auf die Kacke meines Hundes, die ich ihm jeden Morgen in einem Plastiktütchen (natürlich aus Maisstärke und biologisch leicht abbaubar) hinterhertrage. Eine kleine Prozession zum Sammeleimer (der Hund ministrierend voran, er kennt den Weg) mit einem leuchtend grünen Plastiksäckchen voll Hundescheisse als Monstranz - das tägliche öffentliche Morgenritual. Fehlt nur das Georgel dazu ...

    Man muss nur aufpassen dass man diese Betrachtung mit der richtigen Einstellung macht - "So weit es der Erkenntnis dient". Es geht nicht darum Abscheu im Sinne von Hass (dosa) zu entwickeln, so wie es diese offenbar unerfahrenen Mönche gemacht haben die sich daraufhin umgebracht haben (Vinaya 3 und S.54.9), sondern darum, über den Körper bewusst zu werden wie er nun mal ist.

    Danke speziell für diese Klarstellung. Das trifft genau den kritischen Punkt dieser Übung - sie sollte im Kontakt mit einem erfahren(er)en Wegbegleiter und unter dessen Supervision ausgeübt werden, da sie nicht ohne Risiken ist und Menschen mit entsprechender Disposition den mittleren Weg verlieren lassen kann. Ein 'Abgleiten' in das Extrem des Vernichtungsglaubens. Das muss nicht passieren, aber das kann passieren.


    Deswegen würde ich diese sicherlich potentiell wirkungsvolle Praxis nicht ohne Hinweis auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen empfehlen. Und ich würde sie nur Leuten empfehlen, die ich kenne und gut einschätzen kann. So dass ich beurteilen kann, ob es eine für sie potentiell hilfreiche Praxis ist. Dazu müsste ich sie auf ihrem Weg ein Stück begleiten - die oben angesprochene Supervision.


    Es ist ein wenig wie wenn ein Arzt ein Rezept ausstellt. Er muss wissen, was er da verordnet - und natürlich auch wem und warum. Wenn ich das, was mein Arzt mir verschreibt und was ich täglich schlucke (vor zwei Tagen kam zu sechs Medikamenten ein siebtes hinzu) Anderen empfehlen würde, weil es mir damit so gut geht (jedenfalls sehr viel besser als ohne), wäre das ein unzulässiger Schluss vom Einzelnen auf das Allgemeine.

    Mein lieber Igor07 - bitte nimm mir den Einwurf nicht übel. Du verstehst sicher die Angebrachtheit. Deine gute Absicht ziehe ich nicht in Zweifel.


    Zum Thema "Leichenbetrachtung": Ich stehe hier, glaube bzw. hoffe ich ;) , nicht im Ruf eines Theravadin, aber so weit ich mich erinnere (okay, so wirklich dabei war auch ich nicht), soll Buddha höchstpersönlich nach dem Selbstmord mehrerer Sanghamitglieder, die diese Praxis ausübten, (während längerer Abwesenheit Buddhas) ausdrücklich von dieser doch recht *speziellen* Form der Achtsamkeit (sati) abgeraten und andere Objekte der Achtsamkeit empfohlen haben; nach meiner Erinnerung speziell Buddhānussati. Auf dessen 'nördlichem' Gegenstück, dem Buddhānusmṛti, beruht das nenbutsu 念佛 des amidistischen Mahāyāna, einer seiner größten 'Fraktionen', aber auch die Tathāgatha-Meditationen im Shingon / ostasiatischen Vajrayāna - aber ich schweife ab ...

    Wie auch immer - wenn man schon nicht generell von dieser Praxis (stark) abrät, so doch ausdrücklich zumindest Personen, die zu depressiven Verstimmungen (oder Schlimmerem) neigen. Bekanntlich eine Volkskrankheit ...


    Es ist schon eine Weile her, dass ich mich mit dieser Überlieferung befasst habe, daher ist meine Erinnerung etwas vage. Es ging wohl um das Thema Suizid und die Geschichte findet sich im entsprechenden Abschnitt des Vinaya. Bin zu faul zum Suchen (und ist für mich ja auch *Ausland* 8) ) aber vielleicht kann ja jemand, der auf dem Gebiet etwas firmer ist als ich, eine Quellenangabe machen. Danke im Voraus (wemauchimmer, gibt 30 Karmapunkte) und nix für ungut, Igor07 .


    Da ich in Erzähllaune bin, ein kleine Anekdote: als ein bekannter (und, wie ich finde, zu Recht) geachteter westlicher Zenlehrer vor etwa 40 Jahren an einer gut geschützten Stelle in einem Park beim Joggen zufällig einen toten Selbstmörder (erschossen) fand, nutzte er die Gelegenheit, ein paar Tage Leichenbetrachtung zu üben statt Zazen (und den Fund sofort zu melden ...) :eek: . Was ihm natürlich Ärger einbrachte, aber noch mehr, dass er die bei der Leiche liegende Schusswaffe an sich genommen hatte. Mit der er dann auch noch vier Jahre später einen Straßenräuber, der seiner Bitte um Dana mit einem Messer Nachdruck verlieh (und sich mit $20 zufrieden gab), verfolgte. Glücklicherweise wurde der Meister festgenommen (während der Straßenräuber entkam), bevor die Sache aus dem Ruder lief - wie es sich für einen friedliebenden Zenmeister gehört, war die Schusswaffe natürlich ungeladen. Ethisch korrekt, aber nicht gerade clever ...


    Der Meister musste 30 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten - und er bot seinen Rücktritt an (den die Gemeinschaft annahm) um noch ein wenig an sich selbst zu arbeiten - zusätzlich, die Justiz sah das natürlich nicht als 'gemeinnützig' an. Was es dessenungeachtet war ... :)

    Sagen wir ein Menschen erzählt dir aufgelöst, dass seine Mutter oder sein Vater sterben wird oder Krebs hat. Wie gibst du ihm fußend auf den Lehren Buddhas Trost?

    Hier ist mir eigentlich aufgefallen, dass der Buddhismus Trostlos oder Hoffnungslos ist oder sein könnte.


    Ich weiß gar nicht was ich dem Menschen sagen soll. Ich höre ihm halt achtsam zu und zeige ihm, dass ich seinen Schmerz wahrnehme.

    Aber würde ich ihm in dem Moment wirklich irgendwas zum Thema anicca, anatta, dukkha sagen, wäre das wohl eher schrecklich für ihn.

    Meiner Frau habe ich heute morgen ein 3-Tage-Fentanyl-Pflaster geklebt, 75µg / Std. Ist effektiver als Trost zuzusprechen. Aber das ist wichtig: "Ich höre ihm halt achtsam zu und zeige ihm, dass ich seinen Schmerz wahrnehme". Das Teilen hilft in solchen Situationen - mehr als jede Belehrung.

    Es wurde hier in diesem Thread schon auf Kisa Gotami verwiesen. Nach dem Tod ihres Kindes tröstete Buddha sie nicht und sprach ihr auch keine Hoffnung zu. Er hielt ihr auch keinen Lehrvortrag sondern gab ihr eine Aufgabe, durch die sie Einsicht in die Natur von duḥkha erhielt.

    In welchem Zusammenhang hat denn Dante gesagt: "Lasst, die ihr eintrete, alle Hoffnung fahren."

    Es steht über dem Eingang zur Hölle. Ähnlich wie das "Arbeit macht frei" über einem anderen Höllentor. Der von mir geschätzte Arno Schmidt hat Dantes 'göttliche Komödie' dann auch ein "Handbuch für KZ-Gestaltung" genannt.


    Das erinnert mich an eine Frage, die ich einmal Roshi Bernie Glassman gestellt habe: warum er eigentlich Sesshin in Auschwitz veranstaltet. "Bearing witness", Zeugnis ablegen. Zazen ist "bearing witness" - gleich an welchem Ort. Und Auschwitz ist hier und jetzt, es ändern sich nur die Namen.. Warum da zum Zazen nach Polen fahren? Seine Antwort hat bei mir jedenfalls keine Erleuchtung getriggert ...


    Die "Hoffnung" bei Dante bezieht sich darauf, der Hölle zu entkommen - und sie ist vergeblich. So wie die Hoffnung, Saṃsāra zu entkommen. Saṃsāra lässt sich zwar auslöschen - doch nur um den Preis, das in Saṃsāra wandernde 'Ich', das untrennbar mit ihm verbunden ist, auszulöschen. Hoffnung und Trost sind dabei nur Ballast.

    Gibt es hier noch jemanden dem klar ist dass ‚der Buddhismus‘ nichts weiter als ein Name mit anhängigen Vorstellungen ist, die je nachdem ausfallen?

    Natürlich. Sicher einige. Das ist für jemanden, der schon länger den Weg gteht, eine schlichte Binsenweisheit. Und die gilt nicht nur für den Buddhismus.

    Für jemanden, der noch am Beginn des Weges steht und Orientierung sucht (Erinnerung: wir sind hier im Anfängerbereich) allerdings kaum hilfreich.


    Was die "anhängigen Vorstellungen" (das Zitat oben ist ja auch eine) angeht, so gibt es auch da für das Erwachen hilfreiche, weniger hilfreiche und kontraproduktive Vorstellungen, "je nachdem". Das macht aus manchen Vorstellungen 'richtige' und aus anderen 'falsche'.

    Trost und Hoffnung sind nichts als Beschwichtigungen. Eine Beschwichtigung ist der Mittlere Weg gewiss nicht - wer hier nach Trost und Hoffnung sucht, wird sie nicht finden. Nur die Herausforderung, die Art und Weise, in der wir existieren, zu ändern. Es ist diese Art und Weise, in der wir existieren, die trost- und hoffnungslos ist; und zwar für den, der Einsicht in sie gewonnen hat.


    Das "ändern" bedeutet daher letzlich, diese Existenzweise restlos und endgültig aufzugeben - sie aufgeben zu können, nachdem man sich mit dem Herzen vollständig davon abgewandt hat. Entsüchtet. Nicht zuletzt auch von der Sucht nach Trost und Hoffnung. Dieses "aufgeben können" zu erreichen, bedarf es der Anstrengung. Und weil die nicht immer ausreicht, bedarf es auch der Unterstützung durch die Gemeinschaft der Übenden. Insbesondere durch jene die schon etwas länger auf dem Weg sind und sich mit seinen Tücken etwas auskennen.


    Unbeirrt gehen diesen Weg nur Leute, die eine initiale Einsicht in duḥkha hatten, Leiden als universales Seinsmerkmal - es ist die Universalität, die Unausweichlichkeit dieses Seinsmerkmals, die die Trost- und Hoffnungslosigkeit bedingt. Und die deswegen nicht in Depression versunken sind, sondern einen Ausweg - zumindest einen Weg, damit umzugehen - suchten und dabei auf die Lehren Buddhas gestoßen sind.