Hallo, lieber Thorsten Hallscheidt ,
herzlichen Dank für deinen Beitrag, der mich irgendwie sehr berührt hat...
Zu einigen Passagen möchte ich gerne noch Gedanken äußern (und hoffe, es stört dich nicht):
Die Person und die Vorstellungswelt eines "Gottes" in einer "Himmelswelt" entspricht einer besonders dichten Bewölkung: Das sinnliche Glücksempfinden ist so umfassend, dass ein Zweifel oder ein Wunsch nach Befreiung aus diesem Zustand gar nicht erst entstehen. Im Vergleich zu früheren Jahrhunderten, leben viele von uns in einer solchen "heilen" Welt.
Was das vermeintliche Glück in dieser "heilen" Welt trüben kann, ist zum Einen das Bewusstsein seiner Vergänglichkeit (was normalerweise schnell - u.a. durch Ablenkung - verdrängt werden kann) und zum Anderen ein wahrnehmender, empathischer Blick über den eigenen Tellerrand hinaus, der das Leiden anderer Wesen sieht und irgendwann erkennt, dass dieses Leid allgegenwärtig ist und auch die eigene Person umfasst.
"....Bist du glücklich, so machst du auch andere glücklich. Der Glückliche kann nur Glückliche um sich sehen." (Ludwig Feuerbach)
Vielleicht will man - in seiner "Glücksblase" - auch die Unglücklichen (Leid und die Leidenden) gar nicht sehen...?
Das Erwachen ist unter zu positiven Lebensumständen aber nur schwer zu finden. Daher wahrscheinlich auch der milde Tadel des Buddha.
Kurioserweise interessieren sich hier im "Westen" ja oft gerade die wirtschaftlich und sozial Bessergestellten für den Buddhismus, gesättigte (übersatte?) "Bildungsbürger" auf Sinnsuche oder/und - trotz Wohlstandes - an Unerfülltsein und Unzufriedenheit Leidende.
Vielfach kommt um die sogenannte "Lebensmitte" herum die Krisenzeit der "Glücklichen", vielleich, weil sich dann Anicca nicht mehr so leicht verdrängen und leugnen lässt...?
Auch in der Welt der Hungergeister sind die Wolken sehr dicht. Das Elend ist so groß, dass kein Gedanke an Befreiung, jenseits von Wünschen und Wollen, aufscheinen kann, denn alles ist von Leid, Mangel, Begierde und Hass bestimmt. Auch diese Form von Schicksal gibt es in unserer Menschengegenwart.
Ja, wenn die Grundbedürfnisse schon unzureichend gestillt werden, es ums "nackte Überleben" geht, erscheint ein Weg der Gierlosigkeit wohl wenig erstrebenswert.
(Dennoch habe ich selbst erlebt, dass - nach dem Verlust fast aller materiellen Güter und Leben am Existenzminimum (Geschäftspleite) - eine Neuausrichtung auf nichtmaterielles Glück und Abkehr von Wünschen und Bedürfnissen möglich ist.
Allerdings beobachtete ich weiterhin, dass mit abnehmenden Wünschen/abnehmender Gier parallel die aversiven Gefühle (Ablehnung, Widerstand und Angst ("Hass") ) zunahmen - wodurch neues Dukkha entstand, was schließlich zur Suche nach einem "Ausweg" und zur Buddhalehre, führte.)
Auf der Basis der Sila kann ich zu einer Existenz finden, die Raum lässt, sodass sich Lücken zwischen den Wolken auftun können. So eine Lücke ist entscheidend, um die Wolken (meine Vorstellungen von Ich und Welt, meine Wünsche und Begierden, das ganze Samsara eben) überhaupt erst als etwas zu erkennen, das etwas anders verbirgt, und diese Wolken eben nicht für die letztliche Wirklichkeit zu halten.
Die Sila sollten m.E. am Anfang des buddhistischen Weges stehen und diesen stetig begleiten, da sie u.a. eine zu starke Selbstbezogenheit abmildern, die sich leicht einstellt, wenn man beginnt, den eigenen Geist durch Kontemplation und Meditation zu erforschen.
Allerdings sind diese Lücken nicht verfügbar. Diese Unverfügbarkeit ist der Grund dafür, dass Wollen diese Erfahrung sogar völlig unmöglich macht. Ich kann die Wolken nicht aufreißen wollen, weil dieses Wollen nur eine weitere Verdichtung der Wolken erzeugt. Ich kann lediglich alles Wollen und Wünschen loslassen, und so die Voraussetzungen schaffen, dass sich irgendwann vielleicht der Himmel öffnet. Das kann Jahre dauern – oder nie geschehen. Das Nicht-Wollen ist sehr einfach und extrem schwierig zur gleichen Zeit. Wenn es nicht gelingt vor dem Tod, ist ein Weitersein in himmlischen Gefilden vielleicht eine kleine Erlösung.
Sehnsucht, die (lange Zeit oder für immer) unerfüllt bleibt, ist dukkha.
Wie - um Himmels willen - soll man es "schaffen", etwas nicht zu wollen, wonach man sich so brennend sehnt?
Erinnert mich irgendwie an die Geschichte vom rosa Elefanten, an den man aufgefordert wird, nicht zu denken - und natürlich hat man die ganze Zeit einen rosa Elefanten vor Augen...
Der Zenmeister und ehemalige Abt des Zen-Klosters Antaiji in Japan, Muho, berichtete in einem seiner Youtube -Videos ungeniert und ehrlich, dass in der Anfangszeit seine Sesshins eine "24-Std-Porno-Schau" gewesen seien
, d.h. er dachte auf dem Kissen hauptsächlich an Sex....Junger Mann halt...
Inzwischen hat sich das wohl geändert... und er macht einen glücklichen, zufriedenen Eindruck, obwohl er - nach wie vor - behauptet, "nicht erleuchtet" zu sein.
Das Nicht-Wollen ist sehr einfach und extrem schwierig zur gleichen Zeit. Wenn es nicht gelingt
....dann ist das so.
(Na, und?!)
Liebe Grüße, Anna