Beiträge von ewald im Thema „Tugend und Depression“

    Finde das alles viel zu theoretisch und viel zu verkopft. Mein praktisches Leben sieht anders aus. Ich nehme wahr ohne zu werten und so hat es keine Konsequenzen für mich. Ich habe keine Verantwortung für das Weltgeschehen, für das, was irgendein Staatsmann für richtig hält, aber ich habe die Verantwortung für meine kleine Welt um mich herum. Um dem gerecht zu werden reicht Wahrnehmen alleine nicht aus, ich muss eingreifen können, wenn es notwendig ist. So gibt es natürlich auch im Zen-Buddhismus Gedanken, aber die Kunst besteht darin, diese Gedanken ziehen zu lassen, loszulassen, bevor sie sich durch Gefühle manifestieren können und negative Konsequenzen schaffen. Gerade beim Zazen spielt das eine wesentliche Rolle.

    Kann das Gleichnis nachvollziehen und weis was gemeint ist. Auch in der Psychologie, in der Depression ist der Gegner oft nicht das Gegenüber, sondern man selbst. Nur der Kampf ums Dasein hört meiner Ansicht nach nicht auf, solange man lebt. Vielleicht befreit einen die Erleuchtung, das weiß ich nicht, kenne niemanden außer Buddha, auf den das zutrifft. So bleibt das Leid im Dasein erhalten und somit auch der Kampf.

    Somit wird klar, dass die Erfahrung der depressiven psychischen Erkrankung im Nachhinein gesehen sehr wertvoll sein kann für das weitere Leben, denn es wird klar, der Erfolg liegt nicht nur beim schneller, höher, weiter. Keine seelischen Schmerzen haben, kann ein großer Erfolg sein. Wenn man diese Erfahrung mitnimmt, relativieren sich viele Dinge, die nur durch Superlative Beachtung finden. Jedoch glaube ich nicht, dass sich die Symptome der depressiven Erkrankung in irgendeiner Weise mit buddhistischen Praktiken vergleichen lassen. Krankhafte Destruktivität ist nicht Verzicht von Übermaß, auch wenn der Mangel derselbe ist.

    Wer sich vergegenwärtigt, wo er im Leben bereits mutig war und wie viel er schon gemeistert hat, entwickelt ein Gefühl von Sicherheit und Zufriedenheit. In diesem Rückblick entsteht Vertrauen in die eigene Geschichte und der Drang, immer noch mehr erleben oder erreichen zu müssen, verliert an Gewicht. So wird die Vergangenheit zu einer Quelle der Gelassenheit: Das, was erreicht und erfahren wurde, bildet ein stabiles Fundament, auf dem neue Schritte ruhiger und selbstbewusster erfolgen.

    Gut beschrieben, so würde ich es auch ausdrücken, wie man zu Ausgleich und Gelassenheit kommt.

    Wer ist - speziell heutzutage - schon psychisch (völlig) gesund?



    Das lässt sich ganz leicht abgrenzen, zwischen psychischer Diagnose und nicht Diagnose. Die mit Diagnose sind psychisch krank und die ohne Diagnose sind nicht psychisch krank. Natürlich gibt es körperliche Krankheiten mit seelischen Ursachen, das ist ein seelischer Konflikt, aber noch keine psychische Erkrankung. Die psychische Erkrankung ist durch die ärztliche Diagnose gekennzeichnet. Erst dann zahlt die Krankenkasse die Therapie. Der Glaube, die sind ja alle irre, ist aus Sicht des Volksmundes schön und gut, aber zwischenmenschlich konkret nicht haltbar.

    Aber vermutlich ist dabei klar geworden, dass die Richtung stimmt. Zumindest kann man den Wegweiser schon mal erkennen und lesen.

    Was ist denn die Richtung, was steht auf dem Wegweiser, das wäre der Weisheit letzter Schluss.

    Genau, "Damit sich der Nebel lichtet", ist schon mal gut, aber nun fehlen noch die Konsequenzen, wie es aussieht, wenn sich der Nebel lichtet. Vielleicht entsteht ja ein noch verwirrendes Bild? Mit dem angesagten Begriff 'Weisheit' ist ja praktisch noch nichts erhellt.

    Psychologie will letztlich auch bloss Leiden verringern, auch wenn der Weg ein anderer ist.

    Die buddhistische Lehre von damals ist die Psychotherapie von heute, die Parallelen sind enorm. Deshalb bezeichne ich Buddha als den ersten namhaften Therapeuten auf der Welt, im Gegensatz zu Jesus, der ein Gottessohn ist. Es geht in dem Fall nicht um die Fantasie des Geistes, die Lehre Buddhas ist bodenständig, genauso wie die Wissenschaft der Psychologie. So gesehen ist der Unterschied auf dem Weg, das Leiden zu verringern zwischen Buddhas Lehre und der Psychologie nicht so groß.

    Natürlich ist das Leiden zentral im menschlichen Dasein. Deshalb heißt es bei Buddha: Das Leid im Dasein. Mehr braucht es nicht, als nur zu leben, um das Leid zu erfahren. Die Vergänglichkeit ist allgegenwärtig. Denn noch basiert der ganze Buddhismus und die Lehre Buddhas darauf, das Leid zu lindern. Das ist die Kunst, um die es Buddha geht und er vorlebt, wie man sie ausführt. Ja, die Erleuchtung wäre das Ende des Leids, aber das können wir hier in der westlichen Welt vernachlässigen, das erlebt niemand wirklich. Also gilt es, das Leid zu lindern, mit den Möglichkeiten, die uns im Alltag zur Verfügung stehen, das ist einiges. Es fängt auf jeden Fall damit an, mit dem Leid nicht zu kokettieren und so zu tun, als wäre es was Besseres. Leid bereitet Schmerzen, so oder so und das beeinträchtigt das Dasein.

    Mitgefühl ist ja o.k., das ist ein zwischenmenschliches Gefühl. Es wird auch Empathie genannt, ich fühle bei jemanden mit seinen Gefühlen mit und kann sie nachvollziehen. Das ist auch bei Trauer möglich, aber bei Freude auch. Aber was ist ein leidvolles Mitgefühl? Ich leide darunter, weil ich mitfühle. Na dann lasse ich es doch lieber und komme so nicht in das Leid. Für mich klingt das wie selbstverletzendes Verhalten, mit dem Vorwurf, schaue ich leide, nun mach was. Dabei geht es um einen ganz anderen Schmerz, als den durch das Verletzen. Wenn ich unter dem Mitgefühl leiden müsste, würde ich es weglassen, denn wem ist geholfen, wenn ich empathisch bin und dadurch zu einem Opfer werde? Ich würde nicht mitfühlen, wenn ich dadurch ein Leid bekomme, was ich ohne dem nicht hätte. Ich fühle mit, weil ich das Leid verarbeiten kann und es so gelindert ist. Dann ist es kein leidvolles Mitgefühl, sondern ein gelöstes Mitgefühl.

    Siehst das ganze ja ziemlich locker. Meine frage, wenn du meditierst und hass als Gefühl aus dem Unterbewusstsein auftritt, was machst du dann genau,mit dem Gefühl an der Oberfläche? Was ist dein plan oder vorhaben als umgang,damit!?

    Viele Jahre Übung schaffen einen lockeren Umgang, vor allem weil es hilft. Ich bin neugierig und so bin ich bei jeder Meditation Sitz-, Liege- und Gehmeditation darauf neugierig, was ich neues aus dem Unbewussten erfahren werde. Es geht um meine Persönlichkeit, um meine Seele, ich erfahre aus dem Unbewussten, was das wirklich ist, ohne die oberflächlichen Illusionen. Natürlich gibt es auch Grausames und Erschreckendes, aber ich weiß doch auch bewusst, dass ich kein unschuldiger Engel bin, sondern ein Mensch mit Macken und Kanten. Auch seelische Ängste sind mir nicht fremd, bis hin zu Panikattacken. Da hilft es, sich in der Sitzmeditation mit dem eigenen Trauma zu beschäftigen. Es hochholen, von allen Seiten betrachten, es illustrieren und so lange geistig damit beschäftigen, bis es seinen Schrecken verloren hat. All das kann der Geist in der Meditation leisten. Besser sich gedanklich mit so etwas zu beschäftigen, als die Meditation mit Gedanken an bunte Blumen zu füllen, um eine heile Welt zu suggerieren. Was soll passieren? Die Meditation ist grundsätzlich ein Ort der Geborgenheit, da kann man mal mutig sein.

    Mit das Trauma, das Unbewusste bewusst machen, in der Meditation habe ich seit vielen Jahren gute Erfahrungen gemacht. Das ist ein wesentlicher Punkt, warum ich dem Buddhismus dankbar bin, er hat mich da herangeführt. Das Trauma gilt es zu verarbeiten durch Auseinandersetzung damit und das Unbewusste bewusst machen ist ein hilfreicher Prozess, für die psychische Stabilität, die nie endet. Bei jeder täglichen Meditation bin ich damit beschäftigt. Sich das Unbewusste bewusst machen ist ein so wundervoller Vorgang, aber nur für Menschen geeignet, die vor den eigenen seelischen Abgründen nicht zurückschrecken, denn sie offenbaren sich. Aus dem Unbewussten kommen nicht nur Lob und Verherrlichung zum Vorschein, sondern vor allem die Missgeschicke, Fehler, Dummheiten und Grausamkeiten, die einen begleitet haben. Bis hin zu den ganz archaischen Ursprüngen des Menschseins, des Lebewesen auf der Erde seins ganz allgemein. 'Das Bewusstsein ist eine Nussschale auf dem Ozean des Unbewussten.' ist ein Zitat von Sigmund Freud. Meine Erfahrung ist, das Trauma, das Unbewusste hochholen kann man nicht häufig genug üben, je öfter man es übt, je mehr glätten sich die Wogen und eine buddhistische Ausgeglichenheit und Gelassenheit zeigt sich. Apropos Kränkungen, wenn sie einem widerfahren, sie führen mit dieser Methode meistens zu einem beschwichtigendem Lächeln.

    Hier ging es ja mal darum, ob die Zurückhaltung, die Apathie der Depression mit dem rechten Verhalten in der buddhistischen Lehre zu vergleichen ist. So nach dem Motto lege Dir die psychische Störung Depression zu und Du machst buddhistisch gesehen alles richtig.


    Hatte in der Jugend eine schwere Depression aus Gründen, die mir bekannt sind und lege seitdem sehr viel Wert auf antidepressives Verhalten. Ein Grund warum ich nicht religiös bin und warum ich auch als Zen-Buddhist skeptisch bleibe und nicht jedes Ritual mitmache. Wenn die Depression ein ideales buddhistisches Verhalten ist, dann muss ich, als Betroffener aufpassen über den Buddhismus nicht in die Depression zu verfallen, denn für mich ist es eine schwere Krankheit, die jede Lebenslust raubt und bis zum Suizid führen kann.


    Vielleicht ist eher die Melancholie, die keine Krankheit ist, dem Buddhismus verwand. Melancholie als durchaus angenehmer Gemütszustand der Schlichtheit.

    Buddha gegenüber fühle ich mich mit meinem Bewusstsein auch als unterlegener Mensch, so wie ich es aus seiner Biografie von Thich Nhat Hanh geschrieben entnehmen kann. Ich habe ähnliches erlebt, aber ich bin nicht weltberühmt geworden und man wird sich an mich nicht über Jahrtausende erinnern. Thich Nhat Hanh und die Nonnen oder Mönche kenne ich nicht persönlich, ich weiß nicht, ob sie andere Menschen wie zweite Klasse behandeln. Vielleicht kommt es auf ihr Verhalten an. Es gibt auch bei mir Menschen, die unter meiner Würde sind, aber ich hoffe, dass ich es sie nicht spüren lasse.

    Bei psychischer Erkrankung finden Konflikte in der Seele/Psyche statt, ganz individuell, das gesellschaftliche System hat darauf nur sekundär Einfluss. Nuk, Du hast überlebt, was willst Du denn noch, das System hat Dich am Leben erhalten. Das ist bei einem Flugzeugabsturz mit über 200 toten Menschen nicht der Fall. Wenn man als psychisch Betroffener das eigene Problem der Störung nicht erkennt, hat man es schwer und wird nicht gesund, egal in welchem System.


    Jeder Mensch hat psychische Abgründe, dem psychisch kranken Menschen wird es bewusst, bei anderen schwelt es unbewusst und die Gräueltaten sind gesellschaftlich legitimiert, wie z.B. bei materieller Ausbeutung oder Macht über Andere mit Erniedrigung,

    Deshalb ist es so wichtig, zu erspüren, was in einem selbst vorgeht, um zu erfahren, was für einen selbst Bedeutung hat. Nicht die allgemeinen Regeln führen zum Ergebnis, sondern sie individuell anwenden. So erlebe ich die Melancholie als einen Gemütszustand, der seine Berechtigung im freudvollen Leben hat, die Depression dagegen nicht, sie ist eine psychische Erkrankung, die Behandlung braucht, auch mit Medikamenten, denn die Lebensfreude geht völlig verloren. Da wir hier in Deutschland sind und nicht in China, werden wir die chinesische Medizin selten antreffen. Hier wird die Depression nach den Wissenschaften der Psychologie behandelt und das ist gut so. Eine persönliche Erkrankung an Depression und ein gestörtes soziales System schließen sich nicht aus, es ist beides parallel möglich. Natürlich, das Denken von mehreren geht in mehrere Richtungen, aber wesentlich ist, was hilft dem Betroffenen. Da ist man gut beraten, wenn man sich mit der Frage: Wer bin ich? zu beschäftigen weiß, denn das kann Antworten liefern. Auch als depressiv kranker Mensch bleibt man eine Persönlichkeit und die gilt es zu bewahren.

    Das war mein Gedanke auch bei diesem Thread, Melancholie ist keine Depression. Melancholisch sein ist noch nicht einmal eine Trauer, es ist das Gefühl der Vergänglichkeit, das eher lustvoll berührt. Die Vergänglichkeit von etwas, z.B. Krankheit, kann ja Freude bereiten. So sehe ich in der Melancholie die Freude der Vergänglichkeit. Die Depression dagegen ist eindeutig die Trauer eines herben, fast existenziellen Verlustes und führt zu einem in sich gekehrt sein, das jedes Licht von außen ablehnt. Es ist die bedrückende Finsternis der Gefühle, die kaum ein spontanes Lebenszeichen zulassen. Ein selbstverletzendes Verhalten, eingemauert in das nicht spüren können der eigenen Gefühle, ein sich lang dahinziehender seelischer Schmerz.


    In diesem Zustand ist auch der kreativste Künstler nicht produktiv, aber danach, wenn die Depression überwunden ist, dann führt die Erfahrung des Leids zu Aussagen, die künstlerisch wertvoll sein können. Dann ist der Künstler in der Lage die Gefühle zum Ausdruck zu bringen wie kein Anderer.


    Ich habe die Depressionserfahrung aus meiner Jugend und ich habe ein paar Jahre als bildender Künstler mit Malerei und Fotografie gearbeitet. Das Thema ist mir vertraut. So gesehen ist es kein Zufall, wenn der Mensch mit Depressionserfahrung als kreativer Künstler arbeitet. Es besteht ein tiefes Bedürfnis, die leidvollen Gefühle zum Ausdruck zu bringen, ganz so wie es ein Buddha auch tut.