Nitsuke:Alles anzeigenHallo Raphy,
ich hab mich schon oft gefragt, was denn nun "Praxis" ist und was nicht. Allgemeinaussagen wie "Alles ist Praxis" mögen vom Dhammastandpunkt aus zutreffen, aber es war ja mein unterscheidender (=verblendeter) Geist, der immer wieder eine Antwort darauf wollte.
Jhana, wie ich es erlebt habe, war für mich "so nebenbei" defintiv nicht möglich. Tagelange meditative Arbeit und hingebungsvolles Bemühen um Sila war notwendig, um überhaupt erstmal in die angrenzende Sammlung, wie im Vish. oder von Nyanaponika genannt, zu gelangen. Als dann endlich sowas wie die ersten drei Jhanas "erlebt" wurden, war das beim anschließenden Reflektieren darüber schon eindeutig ein anderer Zustand, als der konzentrierte Alltagsgeist. Inzwischen bin ich überzeugt, dass das, was im Zen als Samadhi bezeichnet wird, mit den Jhanas verglichen werden kann. Jedoch sind die Jhanas besser "beschrieben" worden - vom Buddha als auch von den Kommentatoren.
Interessanterweise sagt man in Japan über jemanden, der ganz konzentriert in eine Tätigkeit ist: "Oh, der ist aber tief im Samadhi!". Und auch wir sagen hierfür: "Jemand ist [in etwas] vertieft".
Also doch fließende Grenzen? Eine Vermutung wage ich aufzustellen: Vertiefung ist Vertiefung, egal wie sie entsteht - ob beim Betrachten eines Sonnenunterganges, in der Disco oder auf dem Kissen. Der Unterschied ist jedoch, was dabei herauskommt, also worauf die Vertiefungspraxis abzielt. Sie zielt, vom Aspekt der buddhistischen Geistesschulung darauf ab, Weisheit zu entwickeln. Wenn nun beim "Praktizieren" der Vertiefung keinerlei heilsamer Ansporn im Sinne des Achtfachen Pfads vorhanden ist (z.B. wenn jemand jedes Wochenende sich voll ins Abhotten in der Disco "vertieft"), wird es kaum zu etwas führen, das spirituell von echtem Wert wäre. Gesetzt den Fall jedoch, jemand praktiziert sehr regelmäßig Zazen oder eine entsprechende Theravada-Praxis und schult seinen Geist insofern langsam über Jahre hinweg um, kann es vielleicht passieren, dass bei alltäglichen Gelegenheiten vertiefende Zustände eintreten und dieses gerade "aufgrund der Alltäglichkeit" zur Entwicklung von Weisheit führen. Nicht umsonst wird in vielen Klöstern (und das müssen nicht unbedingt Zen-buddhistische sein) Wert auf die alltäglichen Tätigkeiten als Teil der geistigen Entwicklung gelegt. Natürlich meine ich hier nicht unbedingt die Marketing-Aktivitäten der Andechser-Brauerei...
Ich glaube (!), dass der Buddha die Jhanas als hervorragende Praxis für Mönche und Nonnen wertete und sie entsprechend oft im PK erläutert sind. Doch für uns berufstätige und in der Gesellschaft lebende "Laien" (wenn ich mich überhaupt als Laienbuddhist bezeichnen kann), könnte es schon sinnvoller sein, aufgrund der mit einer jhana-orientierten Lebensweise einhergehenden möglichen Schwierigkeiten, lieber mehr Fokus auf den Achtfachen Pfad insgesamt und eine ausgeglichene Meditationspraxis als - zugegeben unerlässliche Ergänzung - zu legen.
Grüße an Dich und alle hier im Forum!
Hallo Nitsuke,
danke für deinen Beitrag. Ja, seine Praxis in den Alltag zu integrieren ist sicher das Entscheidende. Gerade weil in dieser streßigen, lauten und hektischen Zeit alles schnell gehen muß. Im Dharma dagegen, geht es ja genau darum langsamer zu werden, inne zu halten, bewußter zu werden. Wie das jeder genau umsetzt, kann sicher auch unterschiedlich sein.
Mir zum Beispiel hilft es sehr, einfach alles nicht so ernst zu nehmen, Spaß und Freude zu haben, es mir selbst gut gehen zu lassen, zu genießen. Aber dabei trotzdem bewußt und achtsam im Alltag zu sein, dem ständigen Denken weniger Aufmerksamkeit zu geben, dafür mehr auf die Gefühle und Körperempfindungen zu achten, und mit ihnen meinen Frieden zu machen wenn sie unangenehm sind.
Liebe Grüße