Unterschiedliche Entitäten oder nicht?

  • Habe Schwierigkeiten folgendes zu verstehen – Ich hoffe ich stelle die Frage verständlich?
    Wie kann es sein, dass es nicht so etwas wie ein „Ich“ oder eine „Seele“ oder sonst irgendeine
    Instanz gibt/existiert, die oder dass speziell nur mit „Mir“ verbunden ist oder in irgendeiner
    Beziehung zu „Mir“ steht. Wenn es ja anscheinend jede Menge anderer fühlender Wesen
    gibt den gegenüber ich Mitgefühl empfinden sollte! Oder anders - wenn alles eins ist und zusammengehört,
    wer oder was ist oder war der Buddha, der ja Erleuchtung erreichte, während ich noch Lichtjahre
    davon entfernt bin? Wo/ was ist der Unterschied?


    Danke!

  • Hallo Thor!


    Erstmal, herzlich Willkommen von mir an dieser Stelle.


    Ich probiere mal etwas auf deine Frage einzusteigen, ich hoffe, dass andere folgen, die das noch verbesseren.


    Also eines gehört zu dir ganz allein und das ist das Karma, die Resultate von guten und schlechten Handlungen. Dies verursacht seit unendlichen Zeiten immer wieder eine Geburt in Samsara, der Welt des Leidens. Die Identifikation mit einem ICH hat sich seit langer Zeit bei der Menschheit entwickelt und war Überlebenswichtig (Steinzeit und auch noch heute) für die Menschheit. Durch Meditation wird man im Laufe der Zeit sensibler und dringt in immer klarere Bereiche vor, wo man erkennt oder zumindest erahnt, dass alles miteinander in Verbindung steht, dennoch bleibt man noch lange Zeit eine individuelle Daseins-Form mit einem Karma, von dem es keine Kopie bei allen anderen Daseinsformen (nennen wir sie 'Fühlende Wesen') gibt.


    Da auch unserer Sprache weltweit nur begrenzte Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung zu stehen, ist es das einfachste bestimmte Dinge durch den Gebrauch von ICH verständlich zu machen. Tatsächlich aber ist für mich (und ein paar andere) dieses ICH der größte Feind auf dem spirituellen Weg. Wenn mal wieder alles 'Scheiße' ist, wenn dies nicht stimmt und das nicht passt, dann sind dies Momente, in dem sich mein ICH dominant in den Vordergrund meines geistigen Gewahrseins drängt. Beobachte ich dann zu dieser Zeit nur das aktuelle hier und jetzt, geht es mir eigentlich gar nicht beschissen. Nur meine Sicht und die Verkettung von Situationen und Gedanken gaukeln mir vor (und wenn es sein muss über Tage hinweg), dass eben alles 'Scheiße' ist.


    Deshalb mach es im Buddhismus Sinn, dieses ICH, nach und nach aufzulösen, was aber ein langanhaltender Prozess ist. Dazu hat Buddha auch viele Belehrungen gegeben. Die Identifikation mit Buddha oder zahlreichen Formen (Entitäten), die von Buddha 'ausgestrahlt' werden, ist dabei ein gutes Hilfsmittel. Man spricht, denkt und handelt wie ein Buddha.


    Buddha selbst hat die Erleuchtung erlangt. Diese beinhaltet unter anderem das ganze Wissen aller Universen und darüber hinaus. Mit zunehmender meditativer Versenkung kann man in Bereiche von Klarer Wahrnehmung (Klares Licht) vordringen. Dahin zu kommen, kann, je nach Karma und Übung, auch sehr lange dauern. Man spricht auch von relativer und absoluter Realität. Die relative Realität ist die Welt, so wie wir sie erleben (Das was wir sehen rieichen, hören, Gedanken, Gefühle usw). Die absolute Realität ist ungefähr das Gleiche, nur dass man diese im Klaren Licht wahrnimmt. Es gibt dort keine Konturen oder so, nur offene klare Weite. Diese Weite ist aber nicht Nichts im Sinne von Nihilismus, sondern beinhaltet eher Alles und ist mit Allem verbunden.


    Ich hoffe dies ist verständlich und erklärt, warum es so unendlich viele Wesen gibt, mit denen man Mitgefühl haben sollte. Mitgefühl ist sehr wichtig auf dem Pfad zu Erleuchtung.


    Viele Grüße
    Karl

    Raum trennt nicht -- Raum verbindet

    • Offizieller Beitrag


    Ich hatte mal die Idee, dass das so ähnlich sein könnte, wie bei einem Baum, der Äste und Zweige hervorbringt.


    Also, dass unser Alltagsbewusstsein so von seinem kleinen Wollen vereinnahmt ist, dass es weder ein Bewussein von dem was Gemeinsam ist hat noch von der Bedingtheit des eigenen Wollens.


    Sich als einsamer Zweig fühlt.


    Irgendwo eine Grenze zieht, ab der das Ich aufhören sollte und der Rest anfängt.


    So als wären wir so dusselig zu denken, unsere beiden Hände gehörten nicht zum gleichen Körper und würden fest mit der einen Hand auf die andere schlagen und uns dann wundern, wenn es weh tut.


    Mitgefühl wäre dann nichts was der eine Getrennte mit dem anderen Getrennten hat, sondern ein Handeln aus dem Verbindenden und Bedingenden heraus.


    So wie ja auch Eltern und Kinder aus dem Gemeinsamen und Verbindenden heraus als "Familieneinheit" handeln können.


    Oder jemand einem Fremden hilft, weil er sieht, dass wir beide aus der geminsamen Astgabelung "Mensch" spriessen und insofern gleich und austauschbar sind.


    Weil ich ja auch in der Situation des anderen stecken könnte.


    Was ja schon ein wenig mehr Wir ist und ein wenig weniger Ich.


    Eine verblendete Perspektive ist immer ein kleinkarierte Perspektive, die die Gemeinsamkeiten nicht sieht und unwichtige Details tierisch ernst nimmt.


    Ein Buddha wäre dann derjenige, der der gesammte Baum ist auch wenn er gleichzeitig auch nur so ein Zweig ist.


    Einerseits gefällt mir diese Metapher aber irgendwas dran kommt mir auch falsch vor ohne das ich benennen könnte, was das ist.


    Vielleicht, dass es da so aussieht, als wären wir von unterscheidlichen Wesen unterscheidlich nah oder getrennt.


    Und der Oma näher als dem Eichörnchen.

  • Thor:

    Habe Schwierigkeiten folgendes zu verstehen – Ich hoffe ich stelle die Frage verständlich?
    Wie kann es sein, dass es nicht so etwas wie ein „Ich“ oder eine „Seele“ oder sonst irgendeine
    Instanz gibt/existiert, die oder dass speziell nur mit „Mir“ verbunden ist oder in irgendeiner
    Beziehung zu „Mir“ steht.


    .


    Das "Ich" wird nicht bestritten. Es geht eher um die damit verbundenen Illusionen, was denn dieses "Ich" meint zu sein. Diese Illusionen zu erkennen und ggf. "auszuräumen" ist ein m.E. interessanter Weg.


    http://www.youtube.com/watch?v=sxwn1w7MJvk



    Zitat

    Wenn es ja anscheinend jede Menge anderer fühlender Wesen
    gibt den gegenüber ich Mitgefühl empfinden sollte! Oder anders - wenn alles eins ist und zusammengehört,
    wer oder was ist oder war der Buddha, der ja Erleuchtung erreichte, während ich noch Lichtjahre
    davon entfernt bin? Wo/ was ist der Unterschied?


    Danke!


    Die Lichtjahre. ;)


    ()

    坐忘

  • es gibt natürlich sowas wie eine seele. aber nur nicht das, was sich die hindus damals drunter vorgestellt haben: einen unveränderlicher kern, der von inkarnation zu inkarnation rauscht. was buddha behauptete war, dass es da keinen kern gibt, sondern sozusagen das ganze programm von inkarnation zu inkarnation rauscht. und wenn man dieses programm beendet, gibts auch keine inkarnation mehr. problem mit diesem kern-gedanken ist, dass wir wirklich glauben einen unsterblichen und vor allem unveränderlichen kern zu haben -> das ego. aus dem glauben der unsterblichkeit entsteht auch der ewigkeitswahnsinn, der uns in aversion und anhaftung treibt. würden wir nämlich verstehen, dass alles die ganze zeit entsteht und zerfällt, gäbe es keinen grund mehr an dingen anzuhaften oder sie abzulehnen. und das ist genau das, was man durch meditation übt.