Karma und Einheitsbewusstsein

  • Hi,


    ich möchte als erstes eine Passage aus Erichs Fromm Buch die Kunst des Liebens zitieren.


    Die Theorie der Liebe“, wird die Grundidee entwickelt, nach der das Bewusstsein der Trennung der Menschen untereinander die Quelle aller Ängste und Schuldgefühle ist: „Das Bewußtsein der menschlichen Getrenntheit ohne Wiedervereinigung durch Liebe – das ist die Quelle der Scham. Gleichzeitig ist es die Quelle von Schuld und Angst.“


    Das hört sich für mich sehr nach einem Einheitsbewusstsein an. Das eben das Getrennt sein durch eine Individuelle Schuld zustande kommt. Im Buddhismus ist der Begriff Schuld ja relativ unbeliebt und es wird auf die Ursache Wirkung Beziehung der Individuum untereinander. Könnte man aber nicht sage dass das Getrennt sein aufgrund der Geistesgifte zustande kommt? Das würde aber bedeuten das es ein All- Einheit Lehre gibt . Ist das mit dem Buddhismus vereinbar ?


    Und so nebenbei bemerkt . Z.b jmd. fährt mir beim Verkehrsunfall hinten drauf und ich dann sage die Ursache des Unfalls ist ein anderer Autofahrer oder der Autofahrer ist Schuld an dem Unfall ?

    Hat der Buddha je über Scham gesprochen vielleicht auch in einem anderem Zusammenhang ? Ich erinnere Mich dunkel das er irgendwo sagt die Welt wird gelenkt durch Scham und ich glaube Angst.


    Viele Grüße


    Kaiman

  • Hendrik

    Hat den Titel des Themas von „Karma und Einheitsbewusstseins.“ zu „Karma und Einheitsbewusstsein“ geändert.
  • Hat der Buddha je über Scham gesprochen vielleicht auch in einem anderem Zusammenhang ? Ich erinnere Mich dunkel das er irgendwo sagt die Welt wird gelenkt durch Scham und ich glaube Angst.

    Siehe hier:


    Zitat

    42. Scham und Scheu - 5. Sukkadhamma Sutta

    Zwei helle Dinge beschützen die Welt. Welche zwei? Scham und Scheu. Würden nämlich diese beiden hellen Dinge nicht die Welt beschützen, so würde man da nicht darauf achten. "Das ist Mutter, das Mutters Schwester, das das Weib von Mutters Bruder; das ist die Gattin des Lehrers, das die Ehefrau eines Verehrungswürdigen." - Die Welt würde sich vielmehr vermischen wie Schafe, Ziegen, Hühner, Schweine, Hunde und Schakale. Weil nun aber diese beiden hellen Dinge die Welt beschützen, deshalb achtet man auf jenes. (= A II/7)


    Wer allzeit Scham und Scheu besitzt, im Hellen gründet solcher sich beim Wege durch Geburt und Tod, wenn wieder er hernieder steigt.


    Bei denen aber Scham und Scheu gegründet in der Lehre fest, bei solchen wächst Asketentum, solch Stiller Wiedersein versiegt.

    Itivuttakam 40-49



    E. Fromm war der gute Psychoanalytker, aber bestimmt kein Buddhist. Dazu er war der judischer Abstammung, deswegen, wie ich es verstehe, er könnte meistens in den Begriffen von Bibel eher interpretieren. So wie im seinem Buch:


    Ihr werdet sein wie Gott. 1966, ISBN 3-499-17332-8.


    Er befasste sich dort sehr ausführlich mit dem Judentum und der Sünde auch, aber , wenn ich es richtig erinnere, er versucht die Brücke zu schlagen zwischen. Humanismus und den traditionellen Werten( in der Religion).

    Ich bezweifle sehr, dass er etwas mit dem Wort " Geistesgifte" anfangen könnte.


    Bei E. Fromm man kann die Angst vertehen, als so wie vom Gott ( die Quelle) abgetrennt zu sein, aber nicht im Sinne die bedingte Entstehung. ( Pali-Kanon).

    Sorry, im moment kann ich nicht mehr erinnern.

    E. Fromm hatte sehr enorme Interesse zum Zen-Buddhismus auch, so das Buch:


    Zen-Buddhismus und Psychoanalyse (mit Daisetz Teitaro Suzuki, Richard de Martino). 1971, ISBN 3-518-36537-1.


    Aber sein Zugang hat sehr wenig ( milde ausgedrückt) mit dem Buddhimus zu tun.

    Machs gut, Kaiman .


    Ach, so wäre besser das auch hinzuzitieren:


    Zitat

    A.II.7-8 Zwei Eigenschaften - 7. Kaṇha, 8. Sukka Sutta

    Zwei dunkle Eigenschaften gibt es, ihr Mönche. Welche zwei?

    • Schamlosigkeit und
    • Gewissenlosigkeit.

    Zwei helle Eigenschaften gibt es, ihr Mönche. Welche zwei?

    • Schamgefühl und
    • sittliche Scheu.

    Anguttara Nikaya 2 (01-10)


    Aber es gibt hier den absolut anderen Fokus. Im Sinne frei von der Begierde und der Sinnenlust, so hat nicht ( gemeinsames) mit der Psychoanalyse zu tun, scheint mir.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Könnte man aber nicht sage dass das Getrennt sein aufgrund der Geistesgifte zustande kommt?

    Ja, Gier und Hass (im Sinne der Edlen Wahrheiten) führen zu Angst, Ärger, Eifersucht, Egoismus, getrennt-sein.

    Das würde aber bedeuten das es ein All- Einheit Lehre gibt . Ist das mit dem Buddhismus vereinbar ?

    Muss es IMHO nicht bedeuten. Man kann das auch einfach als praktische Tatsache nehmen, dass wir alle miteinander verbunden sind. Dazu braucht man keine Verbundenheits-Theorie, man muss nur praktisch mal darauf achten. Die Idee des Bedingten Entstehens ist natürlich auch involviert/passend.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Die Theorie der Liebe“, wird die Grundidee entwickelt, nach der das Bewusstsein der Trennung der Menschen untereinander die Quelle aller Ängste und Schuldgefühle ist: „Das Bewußtsein der menschlichen Getrenntheit ohne Wiedervereinigung durch Liebe – das ist die Quelle der Scham. Gleichzeitig ist es die Quelle von Schuld und Angst.“

    Ich würde das in dem psychoanalytischen Kontext bei Fromm so verstehen, dass ein Baby, das ein Getrennt-Sein von der primären Bezugsperson erlebt, ohne in einer sicheren Bindung zu ihr geerdet zu sein, in der die negativen Gefühle des Babys durch eine Einfühlung der Bezugsperson verstanden und adäquat gehalten werden können, von massiven Schamgefühlen überflutet wird. Der Psychoanalytiker Leon Wurmes spricht in dem Zusammenhang von einer Urscham - dem Gefühl als Mensch nicht liebenswert zu sein.

    „Dieser Abgrund des Liebesunwertes stellt eine solche Tiefe von wortloser und bildloser Verzweiflung dar, dass jegliche begrenztere Scham als willkommene Beschützerin erscheinen muß; ihre Sichtbarkeit und Gegenständlichkeit schützen gegen das graue Gespenst jener absoluten Scham.“ (Wurmser 1990, S. 158)

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Ich denke, das hat viel mit der Struktur des menschlichen Geistes zu tun.


    Babies sind meist noch sehr offen und vertrauensvoll und sehen die Welt als nichts Getrenntes. Und wenn man da von liebevollen Eltern umgeben ist, die einen liebe, beschützen, und füttern und wickeln, dann kann viel von diesem Weltvertrauen erhalten bleiben.


    Aber ich denke, ja mehr wir erleben, dass die Welt sich als nicht so nett erweist, desto mehr reagieren wir nicht mit Offenheit sondern mit Rückzug ( Angst, Scham) und Gegenwehr ( Kampf)


    Das Problem ist, dass das nicht nur temporär so ist, sondern sich verfestigt. Und wir uns dann sogar un Situationen wo alles gut ist nicht im "grünen Bereich" fühlen, sondern angespannt, mißtrauisch, gierig oder kämpferisch sind.


    In dem Buch von Suzuki und Fromm wird erwähnt, dass sowohl die Meditation als auch der psychotherapeutische Rahmen als eine "freundliche Umgebung" dienen können, wo man über diese negativen Prägungen durch für Vergangenheit hinauswachsen kann. Die konkrete Vorgehenweise ist aber dann doch sehr unterschiedlich. Der Therapeut ist sozusagen ein "guter Elter" bei dem man sich wieder ganz öffnen kann, während man in der Meditation quasi selber diese Rolle spielen muß.


    Dass sich die Abwesenheit von Gier und Hass und Unruhe - innerer Frieden - als Einheitsbewußtsein anfühlt macht einen gewissen Sinn. Sagt aber wenig darüber aus, wer mit was eine Einheit bildet. Es ist keine tiefe Erkenntnis über die Welt sondern nur ein tiefer Zustand des Geistes.


    Es kann einen trotzdem ein Hund beißen oder wer anders anschreien. Die werden dadurch nicht netter.