Posts by Mabli
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Ein mögliches Szenario, das mir noch einfällt, wäre zum Beispiel: Man meditiert über die negativen Gefühle gegenüber einer Person, die man ablehnt, nennen wir es eine Kontemplation über liebende Güte. Hier könnte eine VR-Simulation einer kritischen Situation mit dieser Person, bei der der Geist genau so affiziert wird als ob die Situation real wäre, man also wirklich eintaucht in die Simulation (Stichwort: Immersion), eine Art Stresstest für die Erkenntnisse aus der Meditation sein und bei dem Transfer in den Alltag helfen.
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Alles andere sind Ideen und Versprechungen, aber null konkretes. Und wenn man sieht, dass die Artikel 6 oder 7 Jahre alt sind, in dem Bereich eine Ewigkeit, dann liegt die Vermutung nahe, dass man einfach keine entsprechende Anwendung gefunden hat.
Ja, das ist gut möglich. Da wird ja auch viel gehyped, was dann erstmal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt werden muss. Ich habe mich am Rande auch mit den Möglichkeiten des pädagogischen Einsatzes von VR befasst. Ich hatte aber erst zweimal so eine Brille auf. Das eine Mal ist mir auch richtig schlecht geworden. Mein Körper fand VR anscheinend nicht so gut. Wahrscheinlich kann man das auch trainieren. Ich kann auch nicht mehr auf einer Schaukel sitzen, ohne das mir schlecht wird. Mein Gleichgewichtsorgan ist da sehr empfindlich.
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Hi, Mabli , ich hatte sehr viele Geräte davon selbst benutzt. Es gibt sehr gutes Buch zum Thema:
Hi Igor,
das Buch ist ja noch aus dem letzten Jahrhundert. Scheint so als sei das ein Vordenker der technischen Möglichkeiten von heute.
Deine Literaturliste zu dem Thema erschlägt mich ein bißchen. Soweit ich sehe geht es in der Literatur aber auch nicht direkt um Virtual Reality, oder?
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Ich kam ja auf die VR-Geschichte, weil ich den Gedanken hatte, dass dies bei Visualisierungsübungen hilfreich sein könnte. Es gibt ja Meditationsformen, z.B. im Vajrayana-Buddhismus, die besonders stark auf die visuelle Vorstellungskraft aufbauen. Und ich hatte mich gefragt, ob man das mit einer VR-Brille simulieren könnte. Da stellt sich natürlich die Frage, ob nicht gerade die eigentätige Vorstellungskraft einen wesentlichen Teil der Praxis und ihrer "Wirkung" ausmacht. Die VR-Brille ist ja im Grunde so etwas wie eine Prothese der menschlichen Einbildungs-/Vorstellungskraft (Ich glaube McLuhan war das, der Medien mal als Prothesen der menschlichen Organe bezeichnet hat). Und wenn man dann von außen, von einer Maschine die Bilder geliefert bekommt fehlt vielleicht gerade das Entscheidende. Andererseits können diese Bilder eine starken Effekt auf den Geist haben. Ich bin da noch unschlüssig, was ich davon halten soll.
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Ich weiss nicht, ob ich mit einer VR-Brille meditieren möchte. Ich hatte mal einen Produkttest mit einem Biofeedback-Gerät. Für mich war das nichts. Ein Freund dagegen fand das hilfreich.
Mich würde so ein Biofeedback auch eher irritieren glaube ich. Ich kenne das vom Joggen mit Pulsmesser. Ich bin dann so fixiert auf die gemessenen Pulswerte, dass ich beim Joggen fast überhaupt nicht in einen flow kommen kann. Beim Meditieren stelle ich mir das ähnlich anstrengend vor. Ich könnte mir vorstellen, dass das hilfreich sein kann, wenn bestimmte Probleme auftreten oder um zu überprüfen, ob sich über einen Zeitraum etwas verändert.
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Da diese Diskussion unter Fachleuten keinen einzigen Bezug zwischen VR-Anwendungen und buddhistischer Praxis aufzeigt, sondern im Allgemeinen bleibt, bin ich da skeptisch. Um darüber zu diskutieren, bräuchte man schon was spezifischeres als "hey, ich kann Dir zeigen, wie leicht sich Deine Wahrnehmung austricksen lässt."
Es geht ja auch darum, dass man die virtuelle Realität nutzen könnte, um die Erfahrung von "Realität" und das Greifen nach deren inhärenter Existenz erfahrbar zu machen. Wobei die Präsenz der raumzeitlichen Realität und die Präsenz der virtuellen Realität natürlich grundverschieden sind. Das Gefühl der Immersion in die virtuelle Realität dieses Als-Ob Gefühl hat wohl ein gewisses Potential die eigene Erfahrung zu de-zentrieren.
An anderer Stelle sagt Holecek VR habe das Potential den Geist zu erforschen oder zum Super-Samsara zu werden.
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Ich habe mich gefragt, ob Virtual Reality ein Potential birgt für buddhistische Praxis. Beispielsweise könnten Visualisierungsübungen oder angeleitete Meditationen mit einer VR-Brille unterstützt werden. Oder auch die Wissensvermittlung zur buddhistischen Tradition könnte sich ja potentiell dieses Mediums bedienen. Ich habe dazu recherchiert und bin auf diese Podiumsdiskussion gestoßen.
Was denkt ihr dazu? Ist das eine Chance oder eher eine unnötige Spielerei?
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Das ist ein wichtiger Punkt! Und es sollten bei jedem die Alarmglocken schrillen, wenn das Wohl einer religiösen Institution, Gruppe oder eines Zentrums über die Unversehrtheit eines einzelnen Menschen gestellt wird.
Ich glaube das ist nicht spezifisch für religiöse Organisationen. Das kann auch in Organisation XY passieren. Wenn dort ein Verdacht auf Missbrauch vorliegt und es keine externe oder unabhängige Stelle gibt, die sich damit befasst, dann steht die Geschäftsführung oder der Vorstand vor der Frage: Gehen wir dem Verdacht nach und klären das auf oder kehren wir das unter den Teppich. Ausschlaggebend dafür den zweiten Weg einzuschlagen können Erwägungen sein wie, "Wenn das an die Öffentlichkeit kommt, dann können wir den Laden hier dicht machen."
Zur katholischen Kirche sagt Christiane Florin in ihrem Interview:
ZitatMacht kann also unkontrolliert ausgeübt werden. Das heißt nicht, dass jeder das macht. Es heißt aber, dass derjenige, der Macht missbrauchen will, das ungestört tun kann. Diese Struktur verändert die Menschen, die sich hineinbegeben. Als ich mir Missbrauchsfälle bzw. die Reaktion der Leitungsebene darauf sehr genau angeschaut habe, auch auf der Basis vertraulicher, kircheninterner Unterlagen, habe ich mich gefragt: Warum haben Verantwortliche reagiert, wie sie reagiert haben, obwohl ihnen klar gewesen sein muss, wie schrecklich die Taten für die Kinder, Jugendlichen und Frauen gewesen sind? Warum haben sie nicht die Täter bestraft und versucht, Gerechtigkeit für die Opfer herzustellen? Warum sind Bischöfe, Weihbischöfe, Generalvikare, Personalchefs nicht aus dieser Struktur ausgebrochen?
Genau das gilt auch für die Hierarchie des tibetischen Buddhismus. Es gilt auch für den Zen-Buddhismus, den Theravada-Buddhismus.
Alle Religionsgemeinschaften. ob groß oder klein zeichnen sich durch nicht-demokratische Strukturen aus. Es gibt höchstens neben der Spirituellen Leitung eine Vereinsstruktur, die aber vor allem den Sinn hat, Mitgliedsbeiträge und Steuervorteile nach dem deutschen Vereinsrecht zu erhalten.
Dann gibt es das Problem der Schüler-Lehrer-Beziehung, die die Quelle von Missbrauch ist und die m.E. vollständig fallen gelassen werden kann und sollte.
ZitatMacht wird in der römisch-katholischen Kirche ausgeübt, ihre Existenz wurde jedoch bis vor kurzem geleugnet, übrigens nicht nur im rechtsautoritär-katholischen Lager, auch im liberalen. Bis vor nicht allzu langer Zeit galt alles als Dienst. Dieser Dienst-Trick macht es unmöglich, über Macht zu sprechen, die Grenzen zwischen ihrem guten Gebrauch und Missbrauch festzulegen. Politikwissenschaftlich betrachtet ist die katholische Kirche eine absolutistische Monarchie. Diese Form ist nichts Gewachsenes, sondern etwas Gewolltes: Die römisch-katholische Kirche sollte im 19. Jahrhundert das Gegenmodell zu anderen Regierungssystemen bilden, zu parlamentarischen Demokratien oder konstitutionellen Monarchien etwa. Gewaltenteilung ist in dieser Konstruktion nicht vorgesehen, dieses Defizit wird mit einem spirituellen „Bei euch soll es aber nicht so sein“-Brimborium zu einem Vorzug erklärt. Nach dem Motto: Machtkontrolle mögen irdische Institutionen nötig haben, wir als göttlich gestiftetes Ding brauchen so etwas nicht.
Auch die bisherigen Versuche einer "Aufarbeitung" dienen allein dem Zeitgewinn - die Kirche wird das in den kommenden 100 Jahren aussitzen.
Und während dessen wird in jeder Messe das Glaubensbekenntnis der katholischen Kirche so beendet: Ich glaube an die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, .....
Ich glaube nicht, dass die Kirche(n) jemals eine demokratische Verfassung sich geben. vielmehr warten sie und arbeiten daraufhin, dass die Demokratie in der Welt nur eine kurze Phase sein wird.
Die zentrale Aussage ist für, dass die katholische Kirche offensichtlich einen Raum bietet, in dem Macht unkontrolliert ausgeübt werden kann. Bei sexuellem Missbrauch spielt meines Wissens der Aspekt der Ausübung von Macht über Andere eine zentrale Rolle. Solch ein Raum kann auch die Psychotherapie, die Fahrschule (siehe jüngste Sendung des ZDF Magazin Royale) oder die Familie sein.
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Naja, zumindest die Neurobiologie ist sich zum Thema Entscheidungsfreiheit relativ einig.
In der menschlichen Hirnforschung ist das seit Jahren nicht mehr Stand der Wissenschaft. Hast Du eine aktuelle Quelle?
Oben siehst du eine, wo ich auf Determinismus und Physikalismus verweise. Vielleicht schickst du auch deine.
Mir fällt da vor allem die Kritik an dem Libet-Experiment ein. Falls du dich darauf beziehst, ist das tatsächlich eine wackelige Grundlage in meinen Augen. vgl. z.B. hier: "Was von Libet übrig blieb"
Ich erinnere mich auch, dass diese Frage der Willensfreiheit in den 90er Jahren viel diskutiert wurde. Da boomte die Hirnforschung gerade, nachdem der Hype um das Klonschaf und die Entschlüsselung der DNA abgeebbt war. Die akademische Philosophie, jedenfalls soweit ich das mitbekommen habe, hat damals schon die hemdsärmeligen Hirnforscher kritisiert, die den freien Willen für erledigt erklärten. Dabei spielte sicher auch ein bißchen verletzte Standesehre mit rein, immerhin war es der Philosophie in mehr als 2000 Jahren nicht gelungen die Frage nach dem freien Willen befriedigend zu beantworten.
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Das Problem beim Dalai Lama ist in meinen Augen, dass er sich als politische Führungsfigur und religiöse Führungsfigur - beziehungsweise nach tibetisch-buddhistischem Glauben als Wiedergeburt eines Boddhisattvas - in einem massiven Rollenkonflikt befindet.
Im Christentum findet sich die Zwei-Reiche beziehungsweise Zwei-Schwerter-Lehre, die zwischen weltlichem und religiösem Reich bzw. Handeln unterscheidet.
Nun folgert Martin Luther, dass wenn jemand der Meinung wäre, man könne in der Welt ein Evangelium haben ohne »Recht oder Schwert«, weil es nur »getaufte Christen«
gäbe, so würde man schnell eines Besseren belehrt werden. Denn man würde dadurch »den wilden Tieren die Bande und Ketten auflösen […]« und »so würden die Bösen unter dem
christlichen Namen die evangelische Freiheit mißbrauchen […]« Will man, dass Christen keinem Recht noch Schwert untertan sind, so Luther, müßte man zuerst dafür sorgen, dass aller Welt »voll rechter Christen« wäre. Ein »christliches Regiment« in einem Land zu führen würde einem Hirten gleichen, der »[…] in einem Stall Wölfe, Löwen, Adler und Schafe […]« halten würde, die frei miteinander leben.Hier würden »[…] die Schafe wohl Frieden halten […] aber sie würden nicht lange leben […]« Aus dieser genannten Problematik gibt es für Luther keine andere Möglichkeit als die, dass »[…] man die beiden Regimente sorgfältig voneinander unterscheiden und beide bleiben lassen muß; eins, das fromm macht, das andere, das äußerlich Frieden schafft und bösen Werken wehrt. Keins reicht ohne das andere aus in der Welt.«
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Dalai Lama als politischer Führer eines Landes, das unter einer Fremdherrschaft steht, politische Entscheidungen treffen - oder zumindest mittragen muss - die in Konflikt zu seiner Rolle als religiösem Oberhaupt stehen. Wenn es darum geht politische Allianzen für die "Sache" Tibets zu schmieden ist wahrscheinlich einiges in Kauf genommen worden. Die Solidarität mit Tibet seitens politischer Akteure von Links und Rechts schwankten in der Geschichte ja auch im Zuge von Sympathie mit dem kommunistischem China, antiimperialistischen und antikommunistischen Bestrebungen in der Politik sowie dem Taktieren gegenüber China als Wirtschaftsmacht. Da muss man das Fähnchen als Dalai Lama wahrscheinlich schon mal in den Wind hängen.
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Traurig macht, dass ich überzeugter denn je bin, dass es eine große Lüge ist, wenn Institutionen von Aufarbeitung sprechen, weil es geschieht genau JETZT und wird immer geschehen, massiver als es je war, unabhängig von der geographischen Lage des Platzes.
Ein möglicher Ansatzpunkt ist es ja die Möglichkeiten, dass Missbrauch passieren kann, möglichst gering zu halten und die Möglichkeit für Betroffene, wenn Missbrauch passiert ist, Hilfe und Unterstützung zu erhalten auszubauen. Dafür ist es in meinen Augen sinnvoll sich Fälle aus der Vergangenheit anzuschauen und aus dem, was dort schief gelaufen ist für die Zukunft zu lernen.
In pädagogischen Einrichtungen wird zum Beispiel die Sensibilisierung der Mitarbeitenden in Bezug auf das Thema angestrebt, um auffälliges Verhalten erkennen und angemessen reagieren zu können. Außerdem wird in Einrichtungen ein Beschwerdemanagement als besonders wichtig angesehen. Das heißt, es muss eine unabhängige Stelle geben, die Beschwerden unvoreingenommen entgegen nimmt. Das sollte auch auf religiöse Gemeinschaften übertragbar sein.
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Was ist OKC ?
OKC oder Ogyen Kunzang Choling ist eine Gruppierung aus Frankreich, in der in den 80er Jahren systematischer Missbrauch von Kindern statt gefunden hat. Die Gruppierung wurde in der ARTE Dokumentation behandelt. Vergleiche hier: Missbrauch und Buddhismus: Hinter der lächelnden Fassade
Ich frage mich nun, ob diese Wahrnehmung, dass Menschen in Tibet nicht in der Form unter PTBS leiden, wirklich nur mit deren Dharma Praxis zu tun hat oder nicht auch möglicherweise mit einer mangelnden Sensibilisierung in Bezug auf die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung in der Gesellschaft?
Ich denke, man sollte sie als das stehen lassen, was sie ist: Eine Geschichte mit anekdotischen Behauptungen und Klischees, die als Pointe zufällig die Überlegenheit der buddhistischen Praxis impliziert.
Wieviele dieser Tibeter hat der DL denn gesprochen und untersucht? Und wie viele Tibeter haben denn eine so fortgeschrittene Dhammapraxis, dass sie Folter nicht berührt?
Liebe Grüße, Aravind.
Ich finde diese Anekdote deswegen problematisch, weil dahinter eine fatale Logik steht: Wenn jemand eine posttraumatische Belastungsstörung (oder andere psychische Probleme) entwickelt, ist an seiner Dharma-Praxis etwas nicht in Ordnung.
Man kann die Aussage natürlich auch so verstehen, dass dies nur auf besonders fortgeschrittene Praktizierende zutrifft. Oder eben auf alle Tibeter. Diese Aussage finde ich aber auch in gewisser Weise problematisch. Sie begegnete mir auch in Vorträgen, wenn etwa davon die Rede war, dass Menschen aus dem Westen einen besonders entwickelten Verstand hätten, aber die Herzensbildung dafür bei ihnen zu kurz käme und sie den Kontakt zu den Gefühlen verloren hätten. Spiegelbildlich wird Menschen aus Tibet oder Nepal dagegen ein besonders entwickeltes Herz und Gefühlsleben zugesprochen, dafür ein unterentwickelter Verstand. Das sind natürlich erstmal Pauschalisierungen und Klischees, die womöglich auch koloniale Erzählungen reproduzieren.
Im "Westen" gibt es die entsprechende Erzählung von der aufgeklärten - im gewissem Sinne durch das Licht der Aufklärung erleuchteten - Gesellschaft gegenüber dem primitiven und rückständigen "Osten". Solche Polarisierungen sind in meinen Augen eher schädlich und hinderlich.
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Es gibt eine Anekdote, dass der Dalai Lama auf einer Konferenz mit Wissenschaftlern zu dem Thema Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) berichtet hat, dass Tibeter darunter nicht so sehr leiden würden.
Quote from Thubten Chodron Lamrim Teachings - Foundations of the Path
At one science conference with His Holiness, His Holiness was astonished to learn that many Westerners had low self-esteem. We also talked about post-traumatic stress syndrome (PTS). His Holiness said that most Tibetans don’t suffer much from this. Some of them may have a few problems, but not to the extent of other people in similar situations who had been subjugated to torture and imprisonment. The scientists were completely shocked by this. There was one guy there whose whole profession was dealing with PTS. He could not believe it when he heard these stories about how the Tibetans survived these horrible atrocities in prison—being beaten, having electric cattle rods put on the body. Some of them might have a few problems, but they were not complete basket cases. I think this really comes through the force of their Dharma practice. By knowing how to put all these horrible things in perspective, and by being able to generate a positive attitude in spite of what’s going on around you.Ich frage mich nun, ob diese Wahrnehmung, dass Menschen in Tibet nicht in der Form unter PTBS leiden, wirklich nur mit deren Dharma Praxis zu tun hat oder nicht auch möglicherweise mit einer mangelnden Sensibilisierung in Bezug auf die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung in der Gesellschaft?
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Auch wenn jetzt schon mehrfach der Wunsch geäußert wurde, der Thread möge doch geschlossen werden, da so langsam doch alles zu dem Thema gesagt sei, möchte ich auch meine Gedanken dazu formulieren.
In dem Fall kommt so einiges zusammen. Es stößt ein universalistischer Anspruch, die Grenzen eines jeden Menschen im Allgemeinen - und die eines Kindes als einem kleinen Menschen mit noch nicht voll entwickelter Autonomie im Besonderen - seien zu respektieren und zu wahren, auf einen Kulturrelativismus, der die Empfindung von Grenzen und Grenzverletzungen als ein kulturell bedingtes Phänomen ansieht. Dieses produktive Spannungsfeld des Universalen und des Partikularen wird nie gänzlich aufzulösen sein.
Daneben spielt der Buddhismus und hier insbesondere der tibetische Buddhismus und Tibet als fernes Land auf dem Hochplateau des Himalaya als eine Projektionsfläche für westliche Gesellschaften in der ganzen Debatte eine große Rolle. Einerseits wurde Tibet verklärt zu einem Paradies auf dem Dach der Welt und die Tibeter zu einem vergeistigten und ganz der Religion hingegeben Volk. So schreibt der Tibetologe Thurmann noch 1996 in "Weisheit und Mitgefühl: Das Herz der tibetischen Kultur":
ZitatDie Darstellung der persönlichen Energie, der selbstlosen Hingabe und der totalen Erfüllung enthüllt und formuliert das Wesen des tibetischen Lebensgefühls... Aus diesem Grund hält die tibetische Kultur die Transzendente Weisheit als ihr höchstes und bedeutendstes Ideal hoch. Alle kulturellen Formen erstrahlen
in ihrem Innersten durch den lebendigen Gedanken an die karmische Verwandtschaft und Verbundenheit mit allen lebenden Wesen. Mitgefühl ist überall spürbar - in dem offenen Lächeln der Tibeter, in dem vertrauten, freundlichen Blick, der auch auf Fremde fällt, in der Liebenswürdigkeit gegenüber Kindern, alten
Leuten und Tieren, in der Freundlichkeit von Mönchen und Nonnen, Heiligen und Bettlern. Die lebendige Einheit von Weisheit und Mitgefühl zeigt sich in der bemerkenswerten tibetischen Neigung, sich mit der farbenfreudigsten und energetischsten Erdverbundenheit auf die allerüberweltlichsten Angelegenheiten zu konzentriegen.
Andererseits wird ein negatives Bild auf Tibet projiziert, das auf eine Entzauberung des Mythos abzielt. Aus der Zerstörung des positiven Mythos entsteht jedoch ein negativer Mythos.
Quote from Kollmar-Paulenz: Die Entzauberung Asiens: Tibet und die Mongolei in der abendländischen ImaginationDie tibetische Geistlichkeit unter ihrem "Anführer", dem Dalai Lama, wird als eine finstere Macht dargestellt, die sich die Erlangung der Weltherrschaft zum Ziel gesetzt hat. Dieser Vorwurf des Strebens nach Weltherrschaft greift auf einen weiteren Rezeptionsstrang des "mystischen Asien" zurück und ist. keineswegs neu: Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Buddhismus von NS-Ideologen als "Zerfallserscheinung nordischen Rassengeistes” angesehen. Ihnen zufolge bedrohe der "Lamaismus" zusammen mit den jüdischen Freimaurern und dem römischen Papsttum die Völker Europas. General Ludendorff verfasste zusammen mit seiner Frau 1941 ein diesen Thesen gewidmetes Werk mit dem bezeichnenden Titel "Europa den Asiatenpriesiern?" Der Topos des tibetischen Buddhismus als "Zerfallserscheinung" hat eine lange Geschichte. Das erste Mal taucht er in den Berichten der Kapuzinermönche aus Lhasa zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf, Sie betrachteten den tibetischen Buddhismus als ein Werk des Satans, da er dem Katholizismus, der "wahren . Religion", so täuschend ähnlich sei.
Diese beiden Spannungsfelder, zwischen Partikularität und Universalität und zwischen den positiven und negativen Projektionen auf das orientalisch-fremde Tibet, sind meines Erachtens in der ganzen Debatte um das grenzverletzende oder - überschreitende Verhalten des Dalai Lama sehr virulent und präsent.
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Ja, das Verhalten des Dalai Lama ist aus meiner Sicht unangemessen und sehr strange. Ich würde ihm meine Kinder nach dieser Begebenheit nicht anvertrauen.
Es ging mir oben nur um eine Richtigstellung bezüglich der rechtlichen Einordnung, nicht um eine ethische Bewertung des Verhaltens.
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Kleinreden kann man es nicht, da es nach unserem Rechtsverstaendnis - das ich hier nur wiedergebe, ohne es zu werten -, so aussieht: „Durch den Kuss auf den Mund des Kindes Olaf … hat der Angeklagte sich ferner des schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § § 176,176 a Abs. 1 und 6 StGB schuldig gemacht." (https://dost-rechtsanwalt.de/d…-missbrauch-eines-kindes/)
Mit anderen Worten, nach dt. Strafrecht wäre der DL in Schwierigkeiten. Die Empörung einer offensichtlichen Mehrheit reflektiert dies m. E.
Wenn man den Text auf der Seite zu Ende liest, sieht man, dass es eine Revision des BGH zu dem Urteil gibt.
QuoteDer Kuss in der Revision zum BGH
Das Urteil ist nun (auch) insoweit mit der Revision zum BGH angegriffen worden. Nach hiesiger Auffassung ist ein kurzer flüchtiger Kuss nicht unter § 176 StGB zu subsumieren.
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Mit Marcuse als intellektuellem Schwergewicht zum Thema Wellness-Buddhismus handelt man sich natürlich einige Annahmen ein, über die man sich im Klaren sein sollte. Marcuse wurde rezipiert als Kritiker der Konsumgesellschaft und der sexuellen Liberalisierung "von oben" (Stichwort: repressive Entsublimierung). Er diagnostizierte eine "Schrumpfung" des bürgerlichen Ichs.
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Marcuse stellt sich das als eine gesellschaftliche Pathologie vor, die er mit dem Begriff repressive Entsublimierung erklärt.
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Es ist jedoch fragliche inwieweit Marcuse sich bei seiner Analyse wirklich auf empirische Evidenz stützt.
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Quelle der Zitate: Reimut Reiche: Haben frühe Störungen zugenommen? aus: Reimut Reiche: Treibschicksal der Gesellschaft
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Den Begriff Buddhismus light verbinde ich mit einer Unterscheidung von Alexander Berzin zwischen einem auf dieses Leben ausgerichtete Buddhismus und einem, der es mit dem Glauben an Wiedergeburt und Karma ernst meint.
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Warum gibt es so viel Negatives?
Warum gibt es so viel „Bashing“?
Siehe Thich Nhat Hanh…
Nur zum Verständnis: Beziehst du dich dabei auf diesen Thread? Oder worauf genau?
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Ich finde diese Form der Kritik in dem Fall auch fragwürdig. In einem anderen Thread war ja kürzlich die Rede vom Zen-TÜV, zu dem sich mancher offenbar berufen fühlt. Was weiß ich, was da dann für Standards zugrunde gelegt werden. Ich würde mich davon nicht allzusehr beirren lassen. Mich macht das eher misstrauisch, wenn jemand sich so zum Richter über andere auf schwingt.
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Das offene Gewahrsein kann Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Pläne vorüberziehen lassen, ohne daran anzuhaften. Egal ob Glöckchen, Kusen, Schnarchen, Geplapper, Rasenmäher – was auch immer – jemand, der fortgeschritten im "nur Sitzen" ist, wird darüber weder urteilen, noch sich ärgern, noch andere Bedingungen für die Praxis herbeiwünschen.
Das war auch mein Gedanke. Ich hatte das Gefühl, dass hier in der Diskussion sehr viel Anhaftung an eine als reine Lehre imaginierte Methode da ist (wobei ich mich mit den Feinheiten des Zen-Buddhismus zugegebenermaßen nicht wirklich auskenne). Das Denken in den Kategorien "reine Lehre" gegenüber "häretischer", "irrgläubiger" und "sektiererischer" Lehre ist in meinen Augen etwas, worin man sich sehr leicht versteigen kann. Das kommt ja durchaus öfter vor und davor ist wahrscheinlich keine*r so ganz gefeit. Die Anhaftung an solche Kategorien und die Ablehnung die damit verbunden ist kann eine Erfahrung oder eine Begegnung verhindern. Die interessante Frage ist dann doch: Was steckt hinter dieser Anhaftung und der Ablehnung? Und warum fällt es so schwer beides loszulassen?
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Aus dem Text von Auinger:
QuoteDas Eigenartige bei Hegel ist, dass bei ihm – freilich unwissentlich – alle Konsequenzen aus der Anatman-Lehre (die auch die Grundlage für die SkandhaLehre ist) gezogen sind und philosophisch immanent ausgelegt werden. Andererseits findet sich bei ihm auch eine sehr ausgeklügelte Theorie des Selbst, sogar des absoluten Selbst. Hegel schafft es also, die essentiellen Gehalte der buddhistischen Anatman-Lehre, die er wohl nur peripher kannte, mit der platonischen und nachplatonischen Philosophietradition, die stets an der Konzeption der Seele, der Person, der substantial aufgefassten Individualität usf. orientiert gewesen ist, zu verbinden.
Das ist interessant. Ich habe mich mal durch die Phänomenologie des Geistes gekämpft und ich schätze Hegels Philosophie. Das mit der mehr oder weniger ausgeklügelten Theorie des Selbst kann ich bestätigen. Was der Autor mit den immanent philosophisch ausgelegten Konsequenzen der Anatman-Lehre meint, ist mir dagegen eher rätselhaft. Und wie man die Anatman Lehre mit der nachplatonischen Philosophietradition verbinden kann dann umso mehr.
QuoteDer zentrale Faktor in der Bestimmung, Entfaltung und dialektischen Entwicklung aller philosophischen Themen ist hierbei die Negation bzw. Negativität. Es gibt keine größere Verbindungskraft, worin alle Entitäten in ihrer Bezüglichkeit auf sich und in ihrer Beziehung auf Anderes bestimmt sind, als die Kraft der Negation. Ausschließlich über negative Konstitution (Anderes nicht zu sein) ist jegliche Bestimmung das, was sie ist. Es gibt keine aus dem negativen Gesamtzusammenhang herausgelösten Positivitäten, die ohne prinzipielle Beziehung zu allem Anderen bestehen könnten. Hier besteht eine wunderbare Entsprechung zum sogenannten Intersein.
Das leuchtet mir auch soweit ein. Das war die Sache mit omnis determinatio negatio est. Wenn ich etwas als weiss bestimme, dann grenze ich es zugleich von anderen farbigen Dingen ab und das Ding ist nur weiss insofern es nicht blau, nicht schwarz, nicht grün usw... ist. Das kann man als eine strukturalistische Sicht bezeichnen. Und das hat sicher einen Bezug zu Intersein, wenn es auch nicht genau das gleiche meint. Ich würde hier aber auch eher einen Bezug zu Hegels prozessualem Denken sehen, also gewissermaßen seiner Theorie des Wandels und der Veränderung im Gegensatz zu fest in Stein gemeißelten Begrifflichkeiten und Kategorien.
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Seiner Kritik liegt eine Entgegensetzung von vita acitva und vita contemplativa sowie von Sozialität und Individualität zugrunde. Auf die Idee, dass beide Gegensätze durchaus auch aufeinander bezogen sind und die eine Seite in der anderen enthalten sein kann, kommt er nicht. Die These, dass Meditation eine narzisstische Selbstbespiegelung sei geht anscheinend auf die Interpretation von Meditation durch C.G. Jung zurück. Der sah Meditation vor allem als einen Rückzug vom Leben und einen Zugang zum Unbewussten in Form einer Versenkung in einen inneren Zustand des Einsseins, der Unbestimmtheit und der Zeitlosigkeit.
Quote from Welwood: Psychotherapie und Buddhismus, S.91Wenn man Meditation als ein introvertiertes Sondieren unbewusster Inhalte versteht, scheint sie eine gefährliche Beschäftigung oder andernfalls eine Form von Narzissmus zu sein.
Diese Sicht sieht in Meditation eine Regression, die potentiell zu einer Auflösung des Erwachsenen-Ichs führt. Dagegen sehen buddhistische Lehrende sehen in Meditation eher eine bewusste, klare und transparente Wahrnehmung der Wirklichkeit mit dem Ziel die Dinge so zu sehen wie sie sind.
Was mir manchmal tatsächlich - auch gerade in Meditationskursen oder - angeboten - fehlt, ist der Austausch und die Kommunikation über die persönlichen Erfahrungen. Zeldin betont die Wichtigkeit der Kommunikation, um etwas über den Anderen zu lernen. Ich würde ergänzen, um etwas über andere und sich selbst zu lernen. Das ist ja auch ein Grund warum ich hier im Forum schreibe, weil mich über meine eigenen Erfahrungen und die von anderen austauschen möchte.
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Mich würde ja der Text "Ausgänge aus dem Höhlengleichnis? Hans Blumenberg gegenüber einem, nein: dem klassischen pädagogischen Bild" von Brumlik interessieren. Leider habe ich keinen Zugang zu Springer Link mehr. Falls den jemand hat, gerne per PN bei mir melden.